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Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

[1] Sonntags früh. Den 25ten März
Deine in mehr als einem Sinn klassische Uebersetzung habe ich nachdem ich mich vors erste satt dran gelabt, meinem Freunde Heindorf gegeben, Wolfs Lieblingsschüler, dem sinnigsten aller Philologen die ich kenne, dem geistreichsten unter der Berlinischen Jugend. Er wird sie wohl eben jetzt allein oder mit Spalding (der ein sehr solider tüchtiger Gelehrter <ist> ungeachtet seiner kleinen Schwachheit für Voß, und ungeachtet sein Geist etwas von der breiten schweren Art ist) durchakkern, und diesen Nachmittag werde ich Conferenz mit ihm halten, und dann für mich noch die Uebersetzung mit dem Original vergleichen. Ich bewundre und freue mich über Deine Kraft und Thätigkeit. Es ist ein prächtiges Stück Arbeit. Kannst Du Dich nicht mit dem einfachen Titel, Elegien aus dem Griechischen begnügen? Wenn Du dieß liesest, so hast Du gewiß schon alles abgeschickt, was Du in der Einleitung haben willst, und geben kannst. Besonders über den poetischen Werth hoffʼ ich wird etwas dabey seyn. Denn wenn ich auch so tief in das Einzelne und Ganze grade dieser Stücke eindringen zu können glaubte, wie der klassische Ueber[2]setzer, so bin ich doch so eine schwerfällige Natur, daß es Studium und Zeit erfodern dürfte. – Was ich geben kann und gern geben will, ist beym Hermes.[ianax], <da der Beginn wohl hier das Fremdeste seyn dürfte,> etwas über die elegischen Beyspiele, und über die langen Elegien, und dann am Schluß des Ganzen einen Rückblick auf die ältere Griech.[ische] Elegie von dem Standpunkt dieser Gelehrten. Die Aussicht auf die römische könntest Du als alter Vertrauter des Propertius wohl übernehmen; ich würde sie nicht so gut machen können. Von der alten Elegie aber komme ich noch ganz frisch. – Ich denke die Stücke so folgen zu lassen – Phanokl.[es] – Hermes.[ianax] – Kallim.[achus]. Was die Anekdoten von der Liebe der Dichter betrifft, so widerrathe ich sehr, sich weit darin zu verliehren. Uebrigens hab ich freylich meine Collektanea, den Harles und Anacharsis pp. da und hätte leichte Arbeit. – Nur über Sappho muß ein Wort gesagt werden. Wäre noch [3] Zeit zum hin und herschicken, so würde ich auf die paar Verse von Alkäus und Sappho bey Aristot[eles] Rhet. I. cap. 9 aufmerksam machen. Sie interessirten Dich gewiß genung um sie gleich zu übersetzen. Auch über den Anachronism von Anakreon muß etwas gesagt werden. Auch im Vorbeygehen etwas zur Ehrenrettung der Liebe der alten Dichter und Philosophen. Sonst aber dächte ich nicht mehr, als hinreicht, um den Layen die entsetzliche Heterogeneität der hier sämmtlich auf einem Fuß behandelten Liebessagen und Geschichten recht fühlbar zu machen. Ist Dir dieß genung, um mir die Redakzion dessen was Du schickst zu überlassen, so thuʼ ichs mit tausend Freuden, versteht sich in der reinsten einfachsten Sprache und mit möglichster Kürze <und ohne in dem was Du schickst etwas zu ändern. Die Stelle in Deinem Br.<ief> vom Ergänzen ist so schön daß ich dächte Du ließest sie gleich so: denn gesagt muß doch etwas darüber werden.> Meinen Nahmen wage ich aber nicht dazu zu setzen <(wenn ich auch den ganzen Komm.[entar] machte)>, [4] lieber Freund. Das wäre wie – Elegien von Properz und Burmann. – Die Fragm.[enta] Anti.[machea] laß ich noch ganz kurzens. Da ist aber nichts Pikantes drin, und doch wohl alles gesammelt über Lyde und Nanno.
Herrlich istʼs, daß Du dem <προσωπον des> Athen.[äums] mit diesem Stück die gehörige θεια verschaffst. Noch herrlicher für die Zukunft, daß Du so viel Lust und Liebe zu den Alten hast.
U.[nger] reißt wie alle Buchhändler den 3ten, 4ten, 5ten May nach Leipzig und ist mit der Reise doch 14 Tage weg. Ihr seyd der Frau aber gleich (nach seiner Abreise versteht sich) willkommen. Sie wird dann schon auf dem Garten wohnen und uns nicht mehr geniren als billig ist. – Das Schauspiel kostet Parterre für jede Person 12 GG., in den Logen 16 GG. – Du kannst aber recht gut mit Frau und Tochter ins Parterre gehn. Die Miethwagen sind so viel ich weiß [5] nicht ungewöhnlich theuer; für die Länge der Wege heißt <das>. Ist aber das Wetter schlecht, oder Deine Frau sehr schlecht zu Fuße, so magst Du immer 8–10 Thl. Fuhrgeld auf die Woche rechnen.
Ich bin seit geraumer Zeit ungewiß, ob ich bloß vor der Hand elend oder auf dem Punkt bin sehr krank zu werden. Ich habe in 14 Tagen mit der schrecklichsten Anstrengung vielleicht so viel gethan als sonst wohl in 14 Stunden. Daraus folgt, daß Du Geduld mit mir haben mußt. Denn ich habe sie längst verlohren.
Dein Beytrag in Athen.[äum] wird wohl auch ohne die litt.[erarischen] Ansichten 7 Bogen betragen. Genau kann ich Dirs noch nicht schreiben, da der Censor die Sprachen aufgehalten hat, und ich erst am 27ten die erste Correktur erhalte.
Was nicht vor dem 3ten April vom W[ilhelm] M.[eister] geschickt werden kann, schicke ich nicht; denn sonst wirds zu spät mit dem Druck. Noth kennt kein Geboth. Das Ite Stück muß den letzten [6] April fix und fertig seyn. Wenn das IIte auch wohl acht Tage später fertig werden <sollte>, so kanns doch noch nach Leipzig nachgeschickt werden. – Kannst Du nun das Ende des M.[eister] nicht ohne Censur passiren lassen, so muß eine andre Einrichtung gemacht werden. Indessen glaube ich kannst Duʼs insofern wagen, weil doch das Ganze aus einem Stück seyn wird und den Geist, den Ton des Ganzen in Rücksicht auf Goethe und die Schicklichkeit kannst du eigentlich schon aus den paar Blättern abnehmen, die ich Dir zuerst geschickt. <Findest Du in dieser Rücksicht was zu erinnern, so sähe ich so keine Hilfe, weil dann wohl das Ganze umgearbeitet werden müßte.>
Ziehe nur daraus daß jetzt alles so revoluzionär hingeht, keine Folgen auf die Zukunft. Ich wünsche die größte Strenge. Aber noch ist ja unsre Konstituzion nicht einmahl [7] gemacht, und die Regierung also provisorisch. –
Daß Du mir die Anordnung der beyden ersten Stücke ganz überläßt ist sehr gut und sehr nothwendig. Ich bitte Dich dagegen die Anordnung der zwey oder drey nächsten Stücke zu übernehmen und schlage vor, daß sie überhaupt wechsele; ohne dadurch die gemeinschaftliche Berathschlagung auszuschließen, muß doch die letzte Entscheidung von Einem abhängen. –
Die Elegien kommen natürlich ins Ite Stück.
Aus der Beylage siehst Du hoffentlich daß es mit der Aenderung Deiner Fr.[agmente] nicht viel auf sich hat. Du hast sie durchaus nicht als kritische Verbesserung, sondern als Lizenzen des Redakteurs einer gemein[8]schaftl.[ichen] Masse anzusehn, wozu er außer s.[einem] angebohrnen Recht auch noch via mandati berechtigt und befugt war. – Sollte ich mich wegen des Fragments vom Irrthum geirrt haben, so bitte ich um Verzeihung. Ich konnte aus Euren Noten nicht recht sehn, ob Ihr meinen Vorschlag ganz verwarft, oder nur ein Wort darin. Aber das letzte schien das wahrscheinlichste. –
Daß das Fr.[agment] von Goethe mit Fichte und Revol.[ution] nun gedruckt ist, und daß Du ihm nicht das Veto gegeben, thut mir sehr leid. Doch stehts noch zu ändern, und findest Du das geringste für Dich und Deine freundschaftlichen Verhältnisse dabey zu bedenken, so thu es ja. Das Blatt kann umgedruckt werden. Solche Verhältnisse muß jeder durchaus mit seinem Veto um[9]fassen, und ich deklarire hiemit daß ich mich aller nachherigen Verantwortung entsage. – Ich habe <fast> gar keine Verhältnisse und Du nur wenige. Wenn man einmahl redet, so muß auf Verhältnisse gar keine Rücksicht genommen <werden>. Aber man darf aus dieser wohl schweigen. Jeder muß aber selbst beurtheilen,was er für seine Person, wagen oder thun will. <Auch das was einer sagt kann d.[en] andern kompromittiren.>
In Deinen Randglossen war keine Spur dieser Beziehung auf Deine Verhältniße. Sonst hätte ichs gewiß weggelaßen. Aber sage selbst, ob zwey Bemerkungen a) Goethe wird lächeln b) G.[oethe] wird die Stirn runzeln – mich wohl bewegen konnten, daß Fr.[agment] auszustreichen? Ich bin übrigens ganz Carol.[inens] Meynung, weil ich glaube daß G.[oethe] [über] alles lächelt, was in diesem Sinne historisch ist.
[10] Ueberhaupt würdest Du mir unrecht thun, wenn Du glaubst, meine Krankheit sey die Vetoscheu. Es liegt mir im Gegentheil sehr daran, daß strenge damit verfahren werde. Zehn gegründete Vetoʼs sind mir nicht so unlieb, als ein leichtsinniges. – Ein Veto muß auch ohne allen Grund gelten, doch ists natürlich und brüderlich, den Grund in der Kürze anzugeben. Scheint er nicht tüchtig, so muß dagegen disputirt werden, nicht um das Veto aufheben zu lassen (ich dächte daß wir das nie thäten, es müßte sich denn auf Misverständniß gründen), sondern um künftig genauer zu überlegen, und um den Vetoirverstand zu schärfen.
Vor allem aber liegt daran, daß das Veto und die freundschaftliche Kritik streng gesondert werden.
Ich denke darüber so: dem gottgesalbten Paroden Ehre Dank und Gelächter (– ich dächte [11] Du müßtest es wohl schon aus alten Zeiten wissen, daß mir Deine Parodien nie unlieb waren; und wie hast Du glauben können Deine Par.[odie] hätte mich beleidigt?) – Den brüderlichen Kritiken Redʼ und Antwort, zu mikrologisch kann mir dieser nie seyn, besonders in mündlicher Conferenz; in Briefen könnte es freylich leicht wie Hard.[enberg] sagt in infinitum führen; dem Herrn Veto strenge Gerechtigkeit und Gehorsam. Dieser kann mir nie kategorisch genung seyn. Wenn Du aber diese drey in Dir vereinigten Personen nicht gehörig unterscheidest und erst eine Parodie für Kritik, und eine Kritik für einen Rechtsgrund Aenderung zu fodern hältst, so muß ich freylich die [12] Scheidung vornehmen. Was ich mehr in meinem letzten Brief gethan, mußt Du bona fide beurtheilen, nach dem Geist, wie ich auch an Deinen Brief. <Was anders scheint>, τα δʼανεμωλια εστιν.
In Euer Erstaunungschor kann ich nur zur Hälfte mit einstimmen. Ueber Carolinens Erstaunen nämlich kann ich nicht wieder erstaunen. Ich finde es ganz natürlich, daß sie, da sie es so gewohnt <geworden ist>, Männer die Sie ehren und lieben, zu mißhandeln, endlich gar kein Arg mehr daraus hat. – Dein Erstaunen begreife ich sehr gut, nur mußt Du mir erlauben, Dich hier nicht als Richter anzuerkennen. Ich kann nämlich Niemand hier zum Richter anerkennen, als mich selbst; sonst wärest Du es natürlich. Es ist gar zu viel Sapphisches dabey.
Ueber die Sachen in Car.[olines] Brief die das Ath.[enäum] betreffen, habe ich Dir schon geantwortet.
[13] Deine Vorerinerung hat mir bey nochmaligem Lesen vortrefflich gefallen. Du erwirbst Dir dadurch ein großes Verdienst ums Athenäum. Ein Wort, einen Perioden, und ein Komma habʼ ich durchstrichen; das Wort – die beyden ersten Stücke – sieht nur aus, als sagte man; ,Seht daß ist nun unser Probestückʻ; auch hoffe ich soll das dritte Stück so brillant werden wir nur immer eins von den beyden ersten. – Der Periode ist mir zu ankündigend, zu evangelisch a la Sch.[iller]. – Das Komma scheint mir überflüßig, und hat so ein tir de phrase. – Es fragt sich nun, ob Du was andres hinzusetzen willst, oder ob Dir wie mir das Ganze so recht ist?
Ich hoffe Du wirst finden, daß ich die revoluzionäre Maaßregel, einige Fr.[agmente] ohne Deine Censur drucken zu lassen, nicht gemisbraucht habe. Der Drucker hatte schon was er noch hatte von M[anu]scr[i]pt versetzt, als er meldete es sey nicht genung, und nun plagte er mich so lange, daß er nicht Schrift genung habe, und nicht eher am Iten Stück anfangen könnte, bis ich ihm diesen Bogen anfüllte, bis ichs that.
[14] Bey Hard.[enberg] hoffe ich meine Frechheit wohl zu entschuldigen, da ich Vernunft mit Willkühr verbunden, und <es> also aus Humor gethan habe, und sonach auch nicht ohne Humanität, da die Menschheit eine humor.[istische] Rolle <ist>. –
Ihr seht, daß ich mit Bescheidenheit von ihm genommen habe. Ich habe auch in meinigen ein Paar gefunden, die Blüthen genug sind, um sie ihm wieder geben zu können, damit die fraternale Wechselwirkung recht vollendet wird.
Sonst ändre ich nichts in seinen, <außer Kleinigkeiten, die Du gestrichen oder angedeutet hast, oder andre ähnliche>. Im Fr.[agment] Schlegel-Ironie habe ich nur das ,So scharfʻ ausgestrichen. – Den Tod lasse ich ihm. Carol.[ine] hat gewiß viel mehr Sinn fürs Leben als fürs Sterben. Das mag auch sehr gut und schön seyn; aber warum ist sie seit einiger Zeit so geneigt, die Ecken der Individualität wegzuputzen? Sonst mach ich nur einige Striche. – In dem von Uebersetzung muß viell.[eicht] der Ausdruck etwas geändert werden, der hier [15] gar zu weit hinter dem vortrefflichen Gedanken zurückbleibt. Deine Randglosse scheint das auch zu beabsichtigen.
In dem Iten Stück wirst Du freylich mich sehr überglänzen, und da Du der Aeltere bist, so ist das nicht mehr wie billig. Im zweyten werde ich dafür das Uebergewicht haben. Die Fragmente schicke ich Dir natürlich alle zur Censur, <sollte auch das IIte Stück eine Woche darüberverspätet werden>. Es sind noch einige in der Druckerey, weil ich zu viel gerechnet <hatte>, aber auch <solche> wie diese <meist> philosophischen Inhalts <und ohne Gefährde>. Ein langes über Schelling.
Ich habe Kolik, und es kostet mir schon Anstrengung diesen Brief zu schreiben. – Es ist ein großes Elend.
Ich sehe mit großer Gewisheit voraus daß U.[nger] es sehr übel nehmen würde, wenn mein Less.[ing] gleich im Ath.[enäum] erschiene. Ich muß mein Verhältniß mit ihm schonen.
Das Lyc.[eum] ist nun aufgegeben.
Ob ich Euch rathen <soll>, Reichardts [16] zu besuchen, weiß ich in der That nicht. Er hat sich ja eigentlich in der letzten Zeit nicht eben freundschaftlich über Euch geäußert. Wenigstens dächtʼ ich ließet Ihr Euch erst melden. Denkt Ihr denn lange in Halle zu bleiben?
Kleinere Lettern zu den Versen zu nehmen, widerrathe ich. Es sieht so mesqin aus. Die Zeilen dürfen ja nur ein klein wenig zusammengeschoben werden, daß 8 Distichen auf die Seite. Oder sie werden es auch nicht, und 7 Distichen sind, da doch unter jeder Seite etwas von Noten kommen wird genung. Denn was Du unter den Text geschrieben hast, muß doch auch unter demselben gedruckt werden? –
Wenn Dir das Schreiben über das Athen.[äum] verdrießlich wird, so denk auch daran, daß 24 Correkturen, deren jede ich 2, auch wohl 3 mal lese, und mir eine oder anderthalb Stunden kostet, auch keine Kleinigkeit sind.
Du siehst, daß ich auf Deine Krit[ik] [17] über die Fr.[agmente] oft Rücksicht genommen habe. Was das Ganze betrifft, so meynst Du ich sey übers Ziel hinausgegangen: aber Du hast Dich über den sehr durchdachten Zweck,
Τον ουτε χειμεριος ομβρος επακτος ελθων
Εριβρομου νεφελᾶς
στρατος αμειλιχος
Ουτʼ ανεμος ες μυχους ἁλος
Αξοι pp.

vielleicht selbst etwas getäuscht: denn Du appellirst ja noch immer ans Lyc.[eum]. Da ich doch, sogar noch vor Eröffnung des Athen.[äums] immer davon <geredet habe> wie ganz anders meine neuen Fr.[agmente] werden sollten. Mein Zweck war 1) die größte Masse von Gedanken in dem kleinsten Raum 2) επιδειξις von Universalität. Dieser letzte Zweck wäre ohne Dein Hinzutreten sehr unvollkommen erreicht und dadurch wurde nun noch etwas in den Zweck gebracht: 3) Ouvertüre des Athenäums, fraternaler Potenzismus, und gigantische Synfonierung. Ich denke noch viel Fr.[agmente] in meinem Leben zu schreiben von verschiedner Art, und hoffentlich [18] auch solche, die Dir noch mehr gefallen als die im Lyc.[eum] oder wenigstens nicht so misfallen, wie die jetzigen. –
Was die im Lyc.[eum] betrifft, so haben sie ein gewißes Kolorit vor den jetzigen voraus, in denen aber wohl etwas mehr Form und Styl ist! – Das bischen Farbe oder wie ichs nennen soll, was Dir an jenen die doch eben so bunt <in der Sprache> waren wie die jetzigen, besser gefallen hat, war doch hier mit den andern Zwecken nicht vereinbar. Ich weiß nicht recht, ob die Fr.[agmente] im Lyceum <eigentlich> witzig sind. Sind sieʼs aber, so sinds die jetzigen von mir (von den meisten der Deinigen verstehts sichs ohnehin) wohl noch mehr.
Ueber die ein- und untheilbare Schreibart bin ich durchaus nicht Deiner Meynung wenn sie die andre verdrängen soll und alles auf gleichem Fuß behandeln will. Das ist aber Stoff für ein peri[19]patetisches Gespräch im Thiergarten oder in Pillnitz.
Daß alle unsre Fähigkeiten fraternisiren müssen, versteht sich von selbst – aus der Natur des Athen.[äums]. – Ich kann nichts als Dir beym Apollo betheuern, daß mir nicht in den Sinn <gekommen ist>, mit Philosophie gegen Dich groß zu thun
Du unterscheidest sehr scharf zwischen uns, lieber Freund. Von Deiner Wissenschaftsfähigkeit und Erfindungskraft hab ich wahrscheinlich eine weit größere Meinung wie Du selbst. Das ist auch gar nicht so eine leichtsinnige Meyn[ung], sondern eine prophetische Aussicht und Einsicht meiner philosophirenden Nase. Ich kann Rechenschaft davon [20] geben und habe viel darüber auf dem Herzen. Dagegen wollte ich unterthänigst gebeten haben, mich nicht für so kannibalisch ungeschickt und so unendlichst unbedingt roh zu halten.
Auch bitte ich die alte Carolinische Hypothese von der reichlichen Empfindlichkeit aus Eitelkeit aufzugeben, weil sie grundfalsch ist. Beym Aristophanes! auch Deine letzten Parodien sind nur künstliche Balsamtropfen <gewesen> in den bittern Kelch von sapphischem Wermuth. Ich ertheile Dir ius plenissimum parodandi atque ironandi cum omnibus affixis atque annexis.
Was aber eine andre Reizbarkeit betrifft, die mit dem Athenäum und mit meiner Autorschaft nichts zu thun hat, so werde ich sie nur mit [21] dem Leben verliehren. Es ist eben die auf dem sapphischen Gebiet. Ich war es mir und dem Athen.[äum] schuldig, dergl[eichen] a tout prix von dem Athen.[äum] zu entfernen. –
Sollte sich diese Reizbarkeit nicht mit dem Cynismus vertragen, so will ich in so fern lieber den Cynismus aufgeben. Ich glaube das aber nicht. Der Cynismus verträgt sich mit allem was gut und groß ist, gewiß auch mit der Gottvaterschaft.
Schleyerm.[acher] hat mich verlassen müssen seit acht Tagen, und kommt erst in einigen Tagen von einer freundschaftl.[ichen] Expedition zurück. –
Der Vorwurf der litterar.[ischen] Chirurgie ist um so unbilliger, da seit einem Jahre und länger an drey vier Orten etwas wider mich gedruckt steht, worauf ich weder geantwortet noch mich geärgert. –
Die Popularität der Fr.[agmente] nach Euch zu messen, das wäre wohl ein sehr falscher Calcül. Sie haben die meisten der Eigenschaften, die ich nach den Fr.[agmenten] im Lyc.[eum] für die Prinzipien der deutschen Popularität halte.
[22] Grüßt mir ja den Fichte und auch den Niethammer recht herzlich. Von dem letzten hab ich gestern einen sehr freundschaftl.[ichen] Brief mit einer Einlage an U.[nger]. Ich hoffe die Antwort noch mittheilen zu können. – Daß Hülsen mein Buch recensiren will, ist mir sehr erfreulich. – Wenn mich meine Rechnung nicht trügt, so ist keiner <von den neuesten> so gemacht, mich ganz zu verstehen, zu überschauen und zu beurtheilen wie dieser Hülsen, von dem ich weit mehr halte als von Schelling.
Wenn Du etwa Fichte oder Nieth.[ammer] oder Hülsen meine φ Fragmente im 5ten Bogen mittheilst, so thu es doch ja ohne den mindesten Akzent drauf zu legen. Ich lege ihn selbst nicht drauf. In den histor.[ischen] Ansichten solls ganz anders kommen. Dieß ist nur provisorisch. –
Noch ein Theil meines Zwecks mit den Fr.[agmenten] ist daß sie in Rücksicht der litterarischen Beziehungen on the top of the fashion. Darum ist mir ein Fr.[agment] wie das über Agnes von so großer Wichtigkeit. – Als kritischen Grund kann ich das auch nicht gelten lassen, daß Agnes, ein so berühmtes Buch dessen Anfang man G[oethe]n zu schreiben konnte, für ein paar sales von mir nicht wichtig genung. – Ists aber nur die προφασις für die Besorgniß daß die W.[olzogen] Carolinen schaden könne, so bitte ich um das Veto und opfere es gern auf.
Auch für diesen Zweck sind Deine Fr.[agmente] köstlich gewesen, so wie für jeden andern, und was die nöthige Dosis von Grazie, Popularität und le mot pour rire betrifft, unendlich mehr als meine. – Da ich so oft meine Freude darüber zu erkennen gegeben, wie kannst Du nun noch so spröde thun?
[23] H.[eindorf] kann nicht Worte genung finden, die Vortrefflichkeit Deiner Uebersetzung zu preisen. Aber auch er kam mir gleich mit dem Geschrey entgegen, ,Du voßirtest jaʻ. – Du mußt Dich drauf gefaßt machen, das <noch> oft zu hören, und Du scheinst auch schon gefaßt drauf zu seyn. Was mich betrift, so hätt ich Voßen die Licenzen immer sehr geschenkt, da die Jurisprudenz der deutschen Grammatik mir weder sehr bekannt noch sehr interessant ist; hätte er nur treuer übersetzt, und nicht so gar hölzern. Es giebt freylich nicht viele die Drechslerarbeit und Künstlerarbeit unterscheiden können bey äußrer Gleichartigkeit. Für mich wird aber die Verschiedenheit Deiner Art die Alten zu übersetzen, und der Voßischen, auch Deine größere Treue abgerechnet, immer unendlich seyn. –
Ich schicke Dir H[eindorf]s notas criticas mit ein paar Randglossen von mir. Was mir bedeutend scheint, habʼ ich mit Kreuzen signirt. Da <sich> keine Stelle findet, wo eine Aenderung durchaus nothwendig schiene, so behalte ich Deinen Text, und [24] lasse den Druck nicht inne halten. Vielleicht kommen aber Deine Aenderungen wenn Du deren machen willst, noch zeitig genung. Machst Du deren, so schick sie ja gleich. Kommen sie zu spät, so kann man ja solche Verbesserungen am Ende des Stücks anzeigen. Doch ist das freylich nicht so gut.
<Das Buch von> Ilgen habʼ ich hier durchaus nicht bekommen können. –
Sind also sehr merkwürdige Notizen von dem Buch Leontium pp. von Hermesianax selbst darin, so wirst Du wohl thun sie mir anzuzeichnen.
<Daß der Klosterbruder von Wackenroder sey, wußten s.[eine] Eltern bey seinen Lebzeiten nicht. Ich will Dir mehr hierüber schreiben.>
Wenn Wolf s.[ich] über den Kater gefreut hat, so ists <wahrscheinlich> nur weil Bött.[iger] einen Klaps darin bekommt. Er ist ihm gar nicht gut, mag ihm doch aber selbst nichts thun. Sonst kann ich mir kaum denken, daß ihm dergleichen gefallen <sollte>. Du glaubst gar nicht, wie beschränkt sein Sinn für Poesie ist. – Hermann das ist nun so etwas für ihn; das ist doch ein επος. – Aber wie hat er sich vorigen Winter mit dem Meister geschleppt, und gequält und mit dem Don Q.[uixote] den er damahls las, und wie hat er über beyde geurtheilt! – Er lacht bisweilen gern, und hat neulich sogar gegen Heind.[orf] ein Gaudium gehabt an einer miserablen Piece die hier auf den Tod der Schupitzen (Kupplerin) erschienen ist. – <Als Poesie und Kunstprodukt hat ers sicher nicht genommen. Darauf laß ich mich hängen.>
[25] U.[nger] kommt den 19ten oder den 20ten May hier wieder von Leipzig zurück. – Unter der Bedingung daß Du es niemand weiter sagst, darf ich Dir auch anvertrauen, daß Iffland in den ersten Tagen mit U.[nger] nach Leipzig reist, oder gar noch früher, und wohl erst nach ihm wieder hier ankommt. Das ist nun schlimm für Dich! Genau wußte U.[nger] nicht, wann I.[ffland] wieder käme. –
Die U.[ngern] sprach heute so, als würde sie noch nicht auf dem Garten wohnen, wenn Ihr vor Unger kömmt. Das wäre mir gar nicht lieb. –
Das nächstemahl schreibst Du mir wohl recht bestimmt, wann Du kommst.
Warum hast Du bei dem Philoxenos in den Noten den Bakchus und die Flöte auf seine tragischen Werke, nicht auf seine Dithyramb.[en] bezogen? – Ich zweifle sehr daß er Tragödien geschrieben hat. Bey Suidas heißt er τραγωδων διδασκαλος. Aber wer heißt bey Suidas [26] nicht so? – Auch Pindar und Simonides, wo man das Gegentheil <beynah> wissen kann. In einer Sache die so vielen Misverständnissen ausgesetzt ist, hat Suidas gar keine Autorität. – Τραγ.[ωδων] δ[ι]δ[ασκολος] kann sich recht gut auf satyrische Dramen beziehen. Die beyden Dramen des Ph.[iloxenos] welche mit Nahmen citirt werden, können nur satyr.[ische] gewesen seyn. Aber auch das ist nicht im Reinen. Aristoteles erwähnt s.[eine] Darstellung der Kyklopen unter den dithyramb[ischen] Werken. Vielleicht war <also sogar> sein Κυκλωψ kein satyr.[isches] Dr.[ama], vielleicht eine neue dramatisirende Art von Dithyr.[ambus].
Nieth.[ammer] bitte ich recht herzlich zu grüßen. Ich habe seinen Auftrag gleich besorgt, so gut ich wußte und konnte. Er wird mit nächstem Posttag Antwort von U.[nger] empfangen. Aber wenn er nicht sehr mäßig in seinen Forderungen ist, glaube ich nicht, daß U.[nger] s.[ich] darauf einläßt. Ich schloß dieß aus U.[nger]s Aeußerungen. – N.[iethammer] wird mich wohl entschuldigen, daß ich nicht selbst an ihn schreibe, wenn Du vom Athenäum sagst.
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  • Date: Sonntag, 25. März 1798
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 24. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Die Periode des Athenäums (25. Juli 1797 ‒ Ende August 1799). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Raymond Immerwahr. Paderborn 1985, S. 106‒115.
Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-34237
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.c,Nr.106
  • Number of Pages: 26 S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 18,8 x 11,5 cm
Language
  • German
  • Greek

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