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Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

Aus der Einlage, lieber Freund, siehst Du, daß ein neues litterar.[arisches] Projekt im Werden ist, welches mir unsre ganze Aufmerksamkeit zu verdienen scheint! – Ließ und urtheile.
Es war ganz zufällig, daß ich neulich etwas von der Idee, über die ich diesen Winter oft mit Tieck gesprochen habe, gegen Fröhlich fallen ließ, und ich dachte nicht daran, daß wir es grade jetzt ausführen müßten. Aber mich däucht doch wir dürfen diese Gelegenheit nicht ungenutzt vorbey lassen, und außerdem wäre es schön mit 1800 anzufangen.
Es wäre allerdings möglich, noch für 1800 einen zu fertigen, da Tieck und Du so rüstige Arbeiter seyd, und was ich übernehme, mache ich gewiß fertig. Du machtest dann nach Vollendung des Flaxmann und etwa eines Gesanges vom Ariost Pause fürs Athen.[äum] und glaube nur daß es nicht darunter leiden sollte.
Zuvor aber muß ich Dir noch sagen, daß der Allm.[anach] von dem ich zu Fröhlich geredet und der ihn und Tieck so begeistert nicht ganz der ist, den Du anfänglich im Sinne hattest. – Ich habe nichts dagegen, sondern viel dafür, daß viel Scherz und Spaß in diesem Allm.[anach] sey, weit mehr als im Athen.[äum]: – auch mehr als im Falk. Nur möchte ich ihn nicht auf den Witz ausdrücklich beschränken, um so weniger da ich ihn mir fortgehend denke, jedes Jahr einen. Das können wir recht gut ausführen.
Wahr ists, daß die Falkschen Jahrbücher des Spaßes viel Glück [haben], so schlecht sie sind, und daß es also wohl nur eine alberne Ausführung einer an sich richtigen Tendenz ist. – Aber historische Kalender machen auch wenn sie nur leidlich sind, entschiednes Glück. Diese Tendenz ist auch nicht zu verachten. Ferner kann ich nicht einsehn warum nicht in einem Allm.[anach] Prosa und Verse beysammen seyn sollen, und es scheint mir nicht sonderlich vernünftig, daß in den poetischen gewöhnlich die vortrefflichsten und die schlechtesten Gedichte, die gemacht werden, beysammen stehn.
Mannichfaltigkeit wäre also nebst der Vortrefflichkeit das erste Gesetz. Es versteht sich, daß wir alles allein machten, wir und Tieck. Hülsen und Hard.[enberg] bleibt für das ernstere Athen.[äum].
Nun gieb mir bald Nachricht, ob Du willst, und was Du kannst.
Ich hätte große Lust, da ich vermuthe daß Ihr beyde genug für den Spaß sorgen werdet, für diesesmal den eleganten Zeitvertreib auf mich zu nehmen. – Ein histor.[isches] Essay – der Geist des Zeitalters mehr im Styl und Ton des Briefs an Dor.[othea] als meiner Geschichte der Poesie, würde allgemein interessant seyn; ich verspreche ihn so zu schreiben, daß er weder in Oesterreich verboten noch von Caroline gemisbilligt wird. – Außerdem gebe ich ein <durchaus komisches> ganz kleines Romänchen von ein paar Bogen. – Zwar könnte ich vielleicht auch wohl ein Kunstwerkchen des Witzes in Prosa zu Stande bringen, aber wie gesagt ich glaube jenes ist nöthiger und besser. – Die Fragmente bleiben fürs Athen.[äum].
Nun was denkst Du geben zu können. Alles ist willkommen, auch Poesie, so der Geist des Frühlings Dich wieder wie gewöhnlich befruchtet (– Solche ernste Stücke wie die Elegie oder Prometh.[eus] natürlich fürs Athen.[äum]) oder wenn Du Lust bekömmst Deine alten Gedichte zu diaskeuasiren; wodurch Du einer vollständigen Ausgabe Deiner Gedichte mehr vorarbeiten als vorgreifen würdest. – Vielleicht ein kleines Rittergedicht in Stanzen als Vorübung zum großen Lancelot. Der Himmel wird Dirs wohl eingeben.
Die Bezahlung müßte wohl von wegen unsrer Dreyeinigkeit nicht wie es bey Kalendern gewöhnlich ist, in Masse sondern bogenweis bestimmt werden. Da von Kalendern, wenn sie gehn, eine weit größere Zahl verkauft wird als von den beliebtesten Journalen, so werde ich provisorisch, bis Deine Beystimmung erfolgt, 3 Ldrs. fodern und davon nicht abgehn. Tieck geben wir dann bogenweise. Was aber uns betrifft, so finde ich es billig daß wir, wenn Du ernste Verse, wie ein solches Rittergedicht oder Sonnette giebst, Du mehr erhältst, was wir dann unter einander ausgleichen können.
Wir sind sehr begierig wie Euch, nämlich Carolinen und Augusten unser Henriettchen gefällt.
Glaube nur ja, daß ich gegen U.[nger] alles gethan, was recht war. Uebrigens bin ich auch für die alte Poesie nicht so unthätig gewesen als Du wohl glaubst, und gebe gewiß in diesem Jahr einen horribel tüchtigen Band. – Uebrigens ist U.[nger] ein liebenswürdiger Mann, aber doch ganz ein Werkzeug seiner Frau. Auch in Geschäften beherscht sie ihn ganz, und daß er Deine Gedichte nicht gewollt ist auch ihr Werk. Auch daß er auf die Praxis, auf Soldaten, Geheimeräthe und Brandenburg so viel hält. Das ist ihm gar nicht natürlich, er ist von Natur ein Künstler. Ihr sticht das adliche Blut noch im Sinn; aber diese Inokulirung ist schon alt. Diese seine Schwäche machts auch, daß er sich <so> von Woltmann imponiren läßt. Er hält uns gewiß alle für unbedeutende Menschen gegen diesen elenden Windbeutel. Glaube auch nur nicht, daß sich dagegen etwas thun ließe, da die Frau nun alles was sie von mir wollte, in W.[oltmann] realisirt findet, und da dieser die von Grund aus elenden Jahrbücher stützt und unterstützt.
Es ist eine wahre Schande, daß ein solcher Lumpenhund sich als der Repräsentant der Historie geriren darf, aber so bald ein rechtlicher Mensch sich auf diese legt, muß der ganze Kerl aus der Reihe der wirklichen Dinge verschwinden.
Freund, das wäre Dein Beruf und es ist ein alter Gedanke, daß es so sey; aber jetzt ist die Zeit gekommen. Ließ und studire wenigstens unverbrüchlich Historie. Eine Biographie oder ein andrer histor.[ischer] Aufsatz von kleinerem Umfang müßte sich herrlich machen im Athen.[äum]. – Ich bekomme einiges Zutrauen, Dir zu rathen, da mein wünschender Rath betreffend den Ariost so merkwürdig weissagend gewesen ist.
Nächstens mehr darüber. Lebe wohl und grüße Carolinen.
Ließ nun ja den Sternbaldnoch einmal hätte ich bald gesagt. Aber hast Du ihn auch schon ordentlich gelesen. Es ist ein göttliches Buch und es heißt wenig, wenn man sagt es sey Tiecks bestes, <sagt man sehr wenig.> Es ist der erste Roman seit Cervantes der romantisch ist, und darüber weit über Meister. – Dessen Styl halte ich auch für romantisch, aber nur im Sternbald, vorher hatte er noch gar keinen Styl.
  • Schlegel, Friedrich von  Redaktionskollektiv  Musen-Almanach für das Jahr 1802 (hg. v. August Wilhelm von Schlegel und Ludwig Tieck)
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Metadata Concerning Header
  • Date: [April 1799]
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 24. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Die Periode des Athenäums (25. Juli 1797 ‒ Ende August 1799). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Raymond Immerwahr. Paderborn 1985, S. 258‒260.
Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-34237
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.c,Nr.131
  • Number of Pages: 8S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 18,9 x 11,7 cm
Language
  • German

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