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August Wilhelm von Schlegel to Johann Friedrich von Cotta

[1] Berlin d. 23 Apr. 1801
Mein werthester Herr und Freund!
Tieck wird während der Messe nach Leipzig kommen, und kann also das nöthige über den Druck des poet. Taschenbuchs oder Musenalmanachs mit Ihnen verabreden. Er wird zeitig anfangen können: ich rechne, daß wir schon gegen die Hälfte des Manuscripts vorräthig haben. Da ich das Geldgeschäft dabey so wie die übrigen Besorgungen übernommen habe, so bitte ich Sie mir zu melden, wann und wie ich die als Grundhonorar festgesetzte Summe werde empfangen können, um die Beyträge der Freunde baldigst zu honoriren. nach Vollendten Druck zu Neujahr
Meinen Brief, die Fichtesche Schrift gegen Nicolai betreffend, werden Sie hoffentlich richtig erhalten haben.
Daß Woltmanns Plan zu einem kritischen Institute gänzlich aufgegeben werden müssen, und zwar durch die Entgegenwirkung des unsrigen, werden Sie längst wissen. Ich habe indessen diesen noch nicht wieder betreiben mögen, da ich sehe, daß die meisten Freunde, die Theilnehmer [2] seyn sollten, zu sehr mit eignen Werken beschäftigt sind, als daß man auf anhaltende Mitarbeit rechnen dürfte. Vielleicht muß man überhaupt noch einen günstigeren Zeitpunkt abwarten.
Ich habe Ihnen aber einen andern Vorschlag zu thun. Ich bin nämlich in diesem Augenblicke ohne einen Verleger zu meinem Shakspeare, da mir Unger den ferneren Verlag aufgekündigt hat. Er ist mir zwar dabey nur in der Zeit zuvorgekommen, ich hätte von meiner Seite dasselbe gethan, denn nach dem Vorgefallnen konnte ich nicht wünschen, weiter etwas mit ihm zu thun zu haben. Die Veranlassung dazu war folgende.
Schon vor anderthalb Jahren sagte mir Unger, es werde ihm bald an Velin-Ex. vom 1ten Bande fehlen. Ich revidirte ihm diesen also zu dem neuen Druck, und foderte für 100 Ex. auf Velin, die er drucken wollte, ein sehr geringes Honorar. Er sagte mir, die Kosten würden auf diese Art doch nicht herauskommen, und er wolle es lieber aufschieben, bis er zugleich auf Schreibpapier eine neue Auflage machen könnte. [3] Ich erwiederte, er möchte es mir alsdann im voraus melden, damit wir diese Auflage so klein wie möglich einrichteten, weil ich gleich nach Vollendung meiner Übersetzung des Shakspeare eine ganz durchgearbeitete und anders geordnete Ausgabe davon im Sinne hätte. – Als ich nun vor 8 Wochen nach Berlin kam, war der 1te B. des Sh. schon von neuem fertig abgedruckt, Unger sagte mir aber kein Wort davon. Erst nach mehren Wochen erfuhr ich es zufällig durch allerley Spuren. Sobald ich es gewiß wußte, redete ich mit ihm darüber, jedoch ohne ihm den mindesten Vorwurf zu machen. Er versicherte, es sey nur eine geringe Anzahl auf Schreibpapier gedruckt, um die auf Velin desto saubrer abziehen zu können, und erbot sich, mir dieß in seinen Büchern nachzuweisen. Das nächstemal sagte er, er habe nun nachgesehen, und finde, daß er nur so viele gedruckt, um die Auflage vom 1ten B. mit der der letzten gleichzusetzen, nämlich 100 Vel. u 300 Schrbpap. Ich erinnerte ihn schriftlich an sein Versprechen wegen der Nachweisung, und bestimmte meine Foderung auf 20 Lsd. – Nun antwortete [4] er mir mit der äußersten Heftigkeit, verweigerte alles, drohte die ganze neu gemachte Auflage zu Maculatur zu machen, und kündigte mir den ferneren Verlag vom Ende des 8ten B. an, der schon halb gedruckt ist, auf. Natürlich hatte ich nicht Lust hiegegen etwas einzuwenden, wiewohl er sich bloß des Vortheils bediente, daß kein schriftlicher Contrakt zwischen uns vorhanden ist, indem er sich stillschweigend allerdings zum Verlag des gesamten Sh. anheischig gemacht hat. Wegen meiner Foderung aber bin ich genöthigt gewesen ihn zu verklagen, und hoffte die hiesigen Gesetze für mich zu haben, die, wenn kein Vertrag über die Anzahl der zu druckenden Exemplare gemacht ist, zwar eine neue Auflage, aber keine neue Ausgabe erlauben, welches letztere der Abdruck nach meinem revidirten Exempl. ohne Zweifel ist.
Die Angaben, die Sie, in Ansehung dieser Unternehmung bestimmen können sind folgende. Unger hat mich die Auflage, die er macht, nie genau wollen erfahren lassen, er druckt aber wenigstens 1500 – 1800 Ex. [5] nämlich 200 Velin, 13 bis 1400 Schreibpapier und einige hundert Ex. auf schlechtem Papier, die er nur in solchen Gegenden debitirt, wo Nachdruck zu fürchten stünde. Bey den ersten Bänden gab er mir 100 Vel. u etwa 1000 Schreibpap., überhaupt gegen 1200 Ex. an; seitdem hat er sie nach seiner eignen Angabe um so viel verstärkt, und es ist zu glauben, daß diese eher unter der Wahrheit wird geblieben ist seyn, da ich aus durch einer gute Quelle aus seiner Druckerey erfahren habe, daß er vom 1 B. nicht 400, sondern 1000 wieder gedruckt haben soll. Abgesetzt sind wenigstens schon 100 Ex. auf Velin, denn diese fehlten vom 1ten u 2ten Bande gänzlich; von den übrigen auf Schreibpapier rechne ich 8 bis 900, denn er giebt an, daß er von diesen vom ersten Bande noch einige hundert hat; und daß sie noch nicht ganz fehlen, ist zuverläßig. Der Preis war für die ersten Bände, Vel. 1 r. 16 g., Schrbpap. 1 r. für die letzten, die stärker ausgefallen sind, Vel. 2 r., Schrbpap. 1 r. 8 g. – Bezahlt hat er mir [6] die ersten Bände jeden zu 40 Lsd., die letzten zu 50 Lsd. – 60 Lsd. sind mir schon so gut wie geboten. Ich wüßte aber keinen Buchhändler, mit dem ich die Fortsetzung lieber unternehmen möchte, und zu dem ich größeres Zutrauen hätte wie zu Ihnen; und es sollte mir daher sehr lieb seyn, wenn wir einig werden könnten. Haben Sie daher die Güte, wenn Sie überhaupt Lust zu der Sache haben, die ich gern noch diese Messe in Stand bringen möchte, ohne doch, wo möglich, selbst nach Leipzig zu reisen, mir baldigst Ihre Vorschläge zu thun, und mir auf jeden Fall einige Zeilen Antwort zu geben. Sollte Ihnen bey einer Unternehmung, die noch durch 13 Bände hindurch ohne alles Risko mit einem so beträchtlichen u schnellen Absatze (denn der bisherige, den Sie besser werden übersehen können als ich, ist ja in 4 Jahren gemacht) fortgesetzt werden kann, bey einer Auflage von 1500 – 1800 Ex., deren Stärke nun in dem Vertrage darüber bestimmt werden müßte, 3 Carolin für den Bogen zu viel dünken? Bis jetzt erhielt [7] ich 2 ½ Lsd., (denn der Band von 2 Schauspielen pflegte 20, höchstens einige Zwanzig Bogen auszumachen) wodurch ich für aufgewandte Mühe u Zeit nur mäßig entschädigt wurde. Da das Publicum für meine Arbeit so dankbar zu seyn scheint, so ist es wohl billig, daß ich auch einigen Vortheil davon genieße, u ihn nicht der Verleger allein an sich zieht, wie es Hrn. Ungers Absicht zu seyn schien.
Eine kleine Schwierigkeit ist der Druck mit den neuen Lettern. Indessen sind sie ja schon in Sommers Druckerey in Leipzig u anderswo vorhanden. Hr. Frommann äußerte einmal, daß er sie sich zum Verlage eines so weitläuftigen Werkes, wenn es zur ausdrücklichen Bedingung gemacht würde, wohl anschaffen wolle. Ob er dasselbe für den bloßen Druck thun würde, weiß ich nicht, sonst wäre es freylich sehr schön, wenn der Druck unter meinen Augen in Jena vor sich gehen könnte. – In Ungers Druckerey ihn veranstalten zu lassen, würde ich auf keinen Fall rathen [8] denn außer, daß er da sehr nachläßig und incorrekt ausfallen würde, treiben auch Hrn. Ungers Leute Unterschleif, u die Bände meines Sh. sind hier schon zu haben gewesen, ehe er sie ausgab.
Ich bitte nochmals um recht baldige Antwort. Leben Sie recht wohl
Ihr
AW Schlegel

Addressiren Sie doch:
bey Hrn. Subrector Bernhardi an der Jungfern Brücke Nr. 10.
Haben Sie die Güte mir zu melden, wie es mit dem Absatz meiner Gedichte gegangen ist, und mir durch Gelegenheit ein Ex. derselben auf Velin auf meine Rechnung hieher zu übermachen.

Schlegel d. 22 Apr. 1801.
27 –
9 Mai –
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Metadata Concerning Header
  • Date: Donnerstag, 23. April 1801
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel ·
  • Recipient: Johann Friedrich von Cotta ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Tübingen · ·
Printed Text
  • Bibliography: Knödler, Stefan; Bamberg, Claudia: Der Briefwechsel zwischen August Wilhelm Schlegel und Johann Friedrich Cotta. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens. Hg. v. der Historischen Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e.V. Bd. 74. Berlin u.a. 2019, S. 64–66.
  • Weitere Drucke: Fehling, Maria: Briefe an Cotta. Das Zeitalter Goethes und Napoleons 1794‒1815. Bd. 1. Stuttgart u.a. 1925, S. 258‒259.
Manuscript
  • Provider: Marbach am Neckar, Deutsches Literaturarchiv
  • Classification Number: COTTA:Briefe
  • Number of Pages: 8 S., hs. m. U.
Language
  • German
Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Knödler, Stefan

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