[1] P.P.
Die Angelegenheit, mit welcher ich durch die beigelegte Schrift Sie näher bekannt zu machen wage, gehört ohne Zweifel vor den Richterstuhl des gelehrten, und denkenden Publikum, und fällt zunächst der Beurtheilung solcher Männer anheim, die Ihnen gleichen. Wenn mich nicht alles täuscht, so ist die Lehre, welche den Streit veranlaßt hat, zum wenigsten einer ernsthaften, und bedächtigen Erwägung werth; auf alle Fälle aber kann über sie nur durch Gründe, keinesweges aber durch Gewalt entschieden werden. Man ist auf dem Wege, durch den öffentlichen Ausruf, daß sie atheistisch sey, dieselbe kurz und gut, und tumultuarisch, zu verurtheilen: man ist auf dem Wege, die Gewalt den Ausschlag gegen sie geben zu lassen, und eines sic volo sic jubeo statt aller Gründe sich zu bedienen; indem nunmehro die Herausgeber, und Verfasser der angeschuldigten Aufsätze durch ein Churfürstlich Sächsisches Requisitions-Schreiben bei den Herzogen zu Sachsen, Ernestinischer Linie, angeklagt sind, und über das begangene Verbrechen, „über den Frevel, der nur mit Unwillen vernommen werden könne, und der alle angrenzenden Staaten in Gefahr setze,“ gar kein Zweifel übrig gelassen, sondern lediglich auf „ernstliche Bestrafung“ angetragen wird – und dies unter Bedrohungen gegen die Universität. [/]
[2] Die Angeklagten werden ohne Zweifel auch vor dem Richterstuhle, vor welchen man sie zieht, Rechenschaft zu geben wissen, wenn man nur Rechenschaft will; aber ihr Hauptzweck muß seyn, diese Sache vor den wahren Gerichtshof derselben zurückzubringen. Sie wollen keine günstigere Sentenz, als ihnen gebührt, sie wollen ihren Richter nicht bestechen, sie wollen nur wirklich vor ihn gestellt werden. Diese Zurückstellung vor das wahre Tribunal ist – ich glaube es, und wage es zu denken, daß Sie es mit mir glauben – eine allgemeine Angelegenheit. Das gelehrte Publikum kann sich nicht sein Urtheil, der einzelne Gelehrte kann sich nicht das Recht, nur von ihm beurtheilt zu werden, entreißen lassen.
Ich ersuche Sie daher – und diese Bitte ist der Zweck meines Schreibens – durch mündliche, oder schriftstellerische Ablegung Ihrer vielgeltenden Stimme zur Zurückstellung und durch Verbreitung dieser Schrift in Ihrem Wirkungskreise zur wirklichen Ausübung dieses Rechts, beizutragen, erbiete mich Ihnen mit Wärme zu jedem litterarischen Dienste in meinem Zirkel, und unterzeichne mich mit inniger Hochachtung und wahrer Ergebenheit
Jena,
den 16 Jenner 1799.
J. G. Fichte.
–
[4] Hrrn. Prof Schlegel
[3] Ein Exemplar ist für Ihre Frau Gemahlinn.
Die Angelegenheit, mit welcher ich durch die beigelegte Schrift Sie näher bekannt zu machen wage, gehört ohne Zweifel vor den Richterstuhl des gelehrten, und denkenden Publikum, und fällt zunächst der Beurtheilung solcher Männer anheim, die Ihnen gleichen. Wenn mich nicht alles täuscht, so ist die Lehre, welche den Streit veranlaßt hat, zum wenigsten einer ernsthaften, und bedächtigen Erwägung werth; auf alle Fälle aber kann über sie nur durch Gründe, keinesweges aber durch Gewalt entschieden werden. Man ist auf dem Wege, durch den öffentlichen Ausruf, daß sie atheistisch sey, dieselbe kurz und gut, und tumultuarisch, zu verurtheilen: man ist auf dem Wege, die Gewalt den Ausschlag gegen sie geben zu lassen, und eines sic volo sic jubeo statt aller Gründe sich zu bedienen; indem nunmehro die Herausgeber, und Verfasser der angeschuldigten Aufsätze durch ein Churfürstlich Sächsisches Requisitions-Schreiben bei den Herzogen zu Sachsen, Ernestinischer Linie, angeklagt sind, und über das begangene Verbrechen, „über den Frevel, der nur mit Unwillen vernommen werden könne, und der alle angrenzenden Staaten in Gefahr setze,“ gar kein Zweifel übrig gelassen, sondern lediglich auf „ernstliche Bestrafung“ angetragen wird – und dies unter Bedrohungen gegen die Universität. [/]
[2] Die Angeklagten werden ohne Zweifel auch vor dem Richterstuhle, vor welchen man sie zieht, Rechenschaft zu geben wissen, wenn man nur Rechenschaft will; aber ihr Hauptzweck muß seyn, diese Sache vor den wahren Gerichtshof derselben zurückzubringen. Sie wollen keine günstigere Sentenz, als ihnen gebührt, sie wollen ihren Richter nicht bestechen, sie wollen nur wirklich vor ihn gestellt werden. Diese Zurückstellung vor das wahre Tribunal ist – ich glaube es, und wage es zu denken, daß Sie es mit mir glauben – eine allgemeine Angelegenheit. Das gelehrte Publikum kann sich nicht sein Urtheil, der einzelne Gelehrte kann sich nicht das Recht, nur von ihm beurtheilt zu werden, entreißen lassen.
Ich ersuche Sie daher – und diese Bitte ist der Zweck meines Schreibens – durch mündliche, oder schriftstellerische Ablegung Ihrer vielgeltenden Stimme zur Zurückstellung und durch Verbreitung dieser Schrift in Ihrem Wirkungskreise zur wirklichen Ausübung dieses Rechts, beizutragen, erbiete mich Ihnen mit Wärme zu jedem litterarischen Dienste in meinem Zirkel, und unterzeichne mich mit inniger Hochachtung und wahrer Ergebenheit
Jena,
den 16 Jenner 1799.
J. G. Fichte.
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[4] Hrrn. Prof Schlegel
[3] Ein Exemplar ist für Ihre Frau Gemahlinn.