[1] Bamberg d. 8ten Sept 1800.
Haben Sie den schönsten Dank, mein lieber ministre plenipotentiaire, für Ihre vortreffliche Depesche, die mich weit gründlicher von dem Stand der Sache unterrichtet, als ein Handschreiben von dem Monarchen und Autokrator selbst hätte thun können, bey dem Sie in diplomatischen Geschäften stehn, – freylich zu Ihrer Penitenz, da Sie sich selbst einigermaßen üble Dienste bey ihm geleistet haben. Daß Woltmann auf dem Boden dieser Pandora-Büchse säße, und wie die Hoffnung nicht zum Vorschein kommen wollte, habe ich wohl vermuthet, und es ist mir lieb, daß ich ihn in dem Brief an Fichte auf eine schnöde Art genannt. Denn ich denke, darüber sind wir alle einig, außer etwa Bernhardi, mit diesem Menschen nicht in einem Regiment zu dienen. – Wir haben uns die ganze Geschichte wie die Szene zwischen Basco und Rugantino vorgestellt. Lesen Sie nur nach, es paßt vollkommen, besonders wie Basco zum Rugantino sagt:
Nur als Knecht bey Dir zu leben!
Junger Mann, Du kennst mich nicht.
Nur habe ich die Besten und auch die Meisten bey mir. Immer heißt es nun noch:
Laßt uns sehen, laßt uns warten,
Was wir schaffen, was wir thun.
Doch hoff’ ich, es soll anders endigen wie in der Comödie, nämlich mit der völligen Vereinigung. – Da Schellings Wort bey Fichte besonders wirksam zu seyn scheint, und es ihm sehr leid thun würde, wenn Fichte seinen Entschluß als eine Entfremdung ansähe, so hat er sich sogleich daran gemacht ausführlich an Fichte zu schreiben, was vorgestern abgeschickt ist. Ich wollte Sie zugleich benachrichtigen, konnte aber kaum mit der nothwendigen Abfertigung eines Manuscripts zu Stande kommen. Er hat nach allen möglichen liebreichen Vorstellungen Fichten den Vorschlag gethan, mit mir gemeinschaftlich [2] das Redactorat zu übernehmen, nämlich er wäre Redacteur für die Wissenschaft, ich für die Kunst, die ganze Besorgung der Correspondenz und des Mechanischen (worunter er dann sehr vieles rechnet) bliebe mir, bey sonst nothwendigen Entscheidungen, nach der Grundlage der von mir vorgeschlagnen Constitution, gölte das einstimmige Urtheil beyder Redactoren, könnten sie sich nicht vereinigen, so entschiede die Majorität der esoterischen Mitglieder. – Beyde Redactoren würden sich dann auf dem Titel nennen. Die übrigen Mitarbeiter in der Folge, wenn Sie erst vollzählig gemacht sind. (Ich gebe hierüber Ihren Gründen gern nach.) – Fichtes Celebrität würde uns allerdings sehr zu Statten kommen, auch seine Mitwirkung, wenn der herrschende Einfluß verhütet ist, und ich will mich schon als College mit ihm zu finden wissen. – Ich denke daher die ganze Gesellschaft wird mit diesem Vorschlage, den Schelling in meinem Namen gethan und über den wir nicht erst alle Mitglieder zu Rathe ziehen konnten, zufrieden seyn. Geht Fichte dieß nicht ein, so haben wir wenigstens das möglichste versucht um eine Coalition zu Stande zu bringen, – und vielleicht fällt uns Fichte in der Folge noch zu, wenn er sieht, daß sich die besten Köpfe in ganz Deutschland unter unser Panier versammeln. – Tritt er hingegen gleich ein, so überläßt ihm Schelling (die Revision im 1ten Bande ausgenommen) für die Zukunft das Fach der TranszendentalPhilosophie. Auch Naturrecht und Moral (nämlich speculative) wäre eigentlich Fichtes Sache. – In der ReligionsPhilosophie werden Sie freylich mit ihm zusammenstoßen. Doch daran muß er sich gleich anfangs gewöhnen, daß Dinge in die Jahrbücher kommen, die seinen Ansichten grade entgegengesetzt sind.
Wegen dieses Vorschlags haben wir nun auch die Ankündigung noch aufgeschoben, um Fichte zugleich als Redacteur nennen zu können. Daß er uns zuvorkommt, ist eben nicht zu fürchten, er kann nicht agiren, da sein Plan durch das Fehlschlagen wesentlicher Mitarbeiter ganz paralysirt ist. [3] Den guten Unger wird er am Ende da lassen müssen wo er ihn fand, nämlich mit Woltmann allein.
Da Fichte so viel von Entlehnen gesagt hat, so werde ich seinen Entwurf durch Friedrich nach Berlin besorgen lassen, entweder unmittelbar an Fichte oder an Sie, – diese Mittheilung kann Fichte wenigstens auf keine Weise übel nehmen, da er sich gegen Sie selbst darauf berufen.
Bernhardi hat in so fern seine Pflicht gethan, daß er schon früher darauf gedrungen, wir sollten Fichte’n den Plan mittheilen. Indessen ist er nach Ihrer Schilderung sonst wie ein halber Renegat gesinnt, und ich hätte fast Lust das Gesetz vorzuschlagen daß ein Mitarbeiter der Jahrbücher nothwendig aller Verbindung mit der Allgemeinen LiteraturZeitung entsagen muß.
Nun von Ihren Arbeiten für die Jahrbücher. Was ich für den ersten Band möchte? Alles was Sie irgend geben können; ich nehme so viel von Ihren Kräften und Zeit in Beschlag als Sie nur irgend übrig haben. Bedenken Sie auch, der 2te Band soll sehr bald nach dem ersten erscheinen. Ich denke schon auf Ostern. – Bardili, Reinhold, und Jacobi’s Brief bleibt nun also für Schelling. – Dagegen für Sie: Apodiktik, Clavis Fichtiana, (die ich mit Erlaubniß auch gelesen, und doch einige Einfälle darin gefunden habe) Kalligone. Ich wünsche diese lieber von Ihnen (unter uns!) Theils wegen der verschiedenen Art des apprêtirens, dann auch weil Sie gewiß mehr auf den Geist des Ganzen als einzelner Sätze gehen. Von der Archimetrie weiß Schelling nur im Allgemeinen. In seiner Revision kommt sie schwerlich vor; wollen Sie also etwas darüber sagen, so ist es sehr willkommen. Dann Lichtenbergs Schriften, und Übersetzungen der Platonischen Republik. – Weitere Vorschläge erwarte ich von Ihnen. –
Eben so von Bernhardi. Doch will ich ihn aufmerksam machen auf eine Schrift von Dr. Anton, Beyträge zur Geschichte der Menschheit aus der Sprache, heißt sie wie ich glaube; und auf Kinderlings Preisschrift über die Geschichte der Plattdeutschen Mundart, damit wir auch etwas grammatisches bekommen.
[4] Eschenmeyer können Sie aus der Deduction des Organismus im 2ten Band von Röschlaubs Magazin, als Philosophen, und aus den Briefen von X im 4ten Band, (zu denen er aber nicht genannt seyn will) als geistvollen Schriftsteller kennen lernen. In das 3te Stück von Schellings Journal wird auch ein Aufsatz von ihm kommen.
Mit Ritter hat Friedrich vorläufig gesprochen, – er ist mit allem Eifer unser. Ich werde nun auch Steffens einladen.
Schelling hat an der Notiz über die Bestimmung große Freude gehabt und sie meisterhaft gefunden, da er wohl sonst Ihren Arbeiten nicht immer Gerechtigkeit widerfahren zu lassen pflegte. Daß es Fichte verdrossen, ist daraus zu erklären und entschuldigen, daß er diese Waffe gar nicht wieder führen kann.
Wenn das über Kotzebue nachher nur Ihre Erwartung befriedigt! Ich spare es jetzt auf bis zu seiner Rückkehr, und habe noch keine Stimmung wieder dazu gehabt. Ich bin für jetzt mit allen Kräften am Shakespeare. – Das große Gedicht wird auch wohl durch die Jahrbücher sehr verzögert werden. Es soll ein Rittergedicht werden, und Tristan heißen. Doch reden Sie nicht davon.
Wenn Fichte gleich auf Schellings Brief antwortet, so kann es vielleicht noch vor meiner Abreise von hier treffen. Ist unterdessen ein Brief von Ihnen unterwegs, so hoffe ich, Sie werden Ihn auch hieher addressirt haben. Aber die Antwort auf diesen schicken Sie am sichersten nach Jena. – Etwa in 14 Tagen denke ich von hier über Gotha, nach Göttingen, Braunschweig und Hannover [zu reisen]; doch bin ich gewiß in der ersten Hälfte des October schon wieder in Jena zurück. Ich höre Sie kommen im November dahin und freue mich sehr darauf. Die letzte Hälfte des Winters hoffe ich in Berlin zu seyn. –
Die Gesundheit meiner Frau ist wieder leidlicher, das Gefühl unsers Verlustes bleibt aber immer dasselbe. Leben Sie wohl.
Daß ich Sie um einen neuen Besuch bey Fichte bitte um über Schellings Vorschläge mit ihm zu sprechen, wenn es nicht schon geschehen ist versteht sich von selbst.
Haben Sie den schönsten Dank, mein lieber ministre plenipotentiaire, für Ihre vortreffliche Depesche, die mich weit gründlicher von dem Stand der Sache unterrichtet, als ein Handschreiben von dem Monarchen und Autokrator selbst hätte thun können, bey dem Sie in diplomatischen Geschäften stehn, – freylich zu Ihrer Penitenz, da Sie sich selbst einigermaßen üble Dienste bey ihm geleistet haben. Daß Woltmann auf dem Boden dieser Pandora-Büchse säße, und wie die Hoffnung nicht zum Vorschein kommen wollte, habe ich wohl vermuthet, und es ist mir lieb, daß ich ihn in dem Brief an Fichte auf eine schnöde Art genannt. Denn ich denke, darüber sind wir alle einig, außer etwa Bernhardi, mit diesem Menschen nicht in einem Regiment zu dienen. – Wir haben uns die ganze Geschichte wie die Szene zwischen Basco und Rugantino vorgestellt. Lesen Sie nur nach, es paßt vollkommen, besonders wie Basco zum Rugantino sagt:
Nur als Knecht bey Dir zu leben!
Junger Mann, Du kennst mich nicht.
Nur habe ich die Besten und auch die Meisten bey mir. Immer heißt es nun noch:
Laßt uns sehen, laßt uns warten,
Was wir schaffen, was wir thun.
Doch hoff’ ich, es soll anders endigen wie in der Comödie, nämlich mit der völligen Vereinigung. – Da Schellings Wort bey Fichte besonders wirksam zu seyn scheint, und es ihm sehr leid thun würde, wenn Fichte seinen Entschluß als eine Entfremdung ansähe, so hat er sich sogleich daran gemacht ausführlich an Fichte zu schreiben, was vorgestern abgeschickt ist. Ich wollte Sie zugleich benachrichtigen, konnte aber kaum mit der nothwendigen Abfertigung eines Manuscripts zu Stande kommen. Er hat nach allen möglichen liebreichen Vorstellungen Fichten den Vorschlag gethan, mit mir gemeinschaftlich [2] das Redactorat zu übernehmen, nämlich er wäre Redacteur für die Wissenschaft, ich für die Kunst, die ganze Besorgung der Correspondenz und des Mechanischen (worunter er dann sehr vieles rechnet) bliebe mir, bey sonst nothwendigen Entscheidungen, nach der Grundlage der von mir vorgeschlagnen Constitution, gölte das einstimmige Urtheil beyder Redactoren, könnten sie sich nicht vereinigen, so entschiede die Majorität der esoterischen Mitglieder. – Beyde Redactoren würden sich dann auf dem Titel nennen. Die übrigen Mitarbeiter in der Folge, wenn Sie erst vollzählig gemacht sind. (Ich gebe hierüber Ihren Gründen gern nach.) – Fichtes Celebrität würde uns allerdings sehr zu Statten kommen, auch seine Mitwirkung, wenn der herrschende Einfluß verhütet ist, und ich will mich schon als College mit ihm zu finden wissen. – Ich denke daher die ganze Gesellschaft wird mit diesem Vorschlage, den Schelling in meinem Namen gethan und über den wir nicht erst alle Mitglieder zu Rathe ziehen konnten, zufrieden seyn. Geht Fichte dieß nicht ein, so haben wir wenigstens das möglichste versucht um eine Coalition zu Stande zu bringen, – und vielleicht fällt uns Fichte in der Folge noch zu, wenn er sieht, daß sich die besten Köpfe in ganz Deutschland unter unser Panier versammeln. – Tritt er hingegen gleich ein, so überläßt ihm Schelling (die Revision im 1ten Bande ausgenommen) für die Zukunft das Fach der TranszendentalPhilosophie. Auch Naturrecht und Moral (nämlich speculative) wäre eigentlich Fichtes Sache. – In der ReligionsPhilosophie werden Sie freylich mit ihm zusammenstoßen. Doch daran muß er sich gleich anfangs gewöhnen, daß Dinge in die Jahrbücher kommen, die seinen Ansichten grade entgegengesetzt sind.
Wegen dieses Vorschlags haben wir nun auch die Ankündigung noch aufgeschoben, um Fichte zugleich als Redacteur nennen zu können. Daß er uns zuvorkommt, ist eben nicht zu fürchten, er kann nicht agiren, da sein Plan durch das Fehlschlagen wesentlicher Mitarbeiter ganz paralysirt ist. [3] Den guten Unger wird er am Ende da lassen müssen wo er ihn fand, nämlich mit Woltmann allein.
Da Fichte so viel von Entlehnen gesagt hat, so werde ich seinen Entwurf durch Friedrich nach Berlin besorgen lassen, entweder unmittelbar an Fichte oder an Sie, – diese Mittheilung kann Fichte wenigstens auf keine Weise übel nehmen, da er sich gegen Sie selbst darauf berufen.
Bernhardi hat in so fern seine Pflicht gethan, daß er schon früher darauf gedrungen, wir sollten Fichte’n den Plan mittheilen. Indessen ist er nach Ihrer Schilderung sonst wie ein halber Renegat gesinnt, und ich hätte fast Lust das Gesetz vorzuschlagen daß ein Mitarbeiter der Jahrbücher nothwendig aller Verbindung mit der Allgemeinen LiteraturZeitung entsagen muß.
Nun von Ihren Arbeiten für die Jahrbücher. Was ich für den ersten Band möchte? Alles was Sie irgend geben können; ich nehme so viel von Ihren Kräften und Zeit in Beschlag als Sie nur irgend übrig haben. Bedenken Sie auch, der 2te Band soll sehr bald nach dem ersten erscheinen. Ich denke schon auf Ostern. – Bardili, Reinhold, und Jacobi’s Brief bleibt nun also für Schelling. – Dagegen für Sie: Apodiktik, Clavis Fichtiana, (die ich mit Erlaubniß auch gelesen, und doch einige Einfälle darin gefunden habe) Kalligone. Ich wünsche diese lieber von Ihnen (unter uns!) Theils wegen der verschiedenen Art des apprêtirens, dann auch weil Sie gewiß mehr auf den Geist des Ganzen als einzelner Sätze gehen. Von der Archimetrie weiß Schelling nur im Allgemeinen. In seiner Revision kommt sie schwerlich vor; wollen Sie also etwas darüber sagen, so ist es sehr willkommen. Dann Lichtenbergs Schriften, und Übersetzungen der Platonischen Republik. – Weitere Vorschläge erwarte ich von Ihnen. –
Eben so von Bernhardi. Doch will ich ihn aufmerksam machen auf eine Schrift von Dr. Anton, Beyträge zur Geschichte der Menschheit aus der Sprache, heißt sie wie ich glaube; und auf Kinderlings Preisschrift über die Geschichte der Plattdeutschen Mundart, damit wir auch etwas grammatisches bekommen.
[4] Eschenmeyer können Sie aus der Deduction des Organismus im 2ten Band von Röschlaubs Magazin, als Philosophen, und aus den Briefen von X im 4ten Band, (zu denen er aber nicht genannt seyn will) als geistvollen Schriftsteller kennen lernen. In das 3te Stück von Schellings Journal wird auch ein Aufsatz von ihm kommen.
Mit Ritter hat Friedrich vorläufig gesprochen, – er ist mit allem Eifer unser. Ich werde nun auch Steffens einladen.
Schelling hat an der Notiz über die Bestimmung große Freude gehabt und sie meisterhaft gefunden, da er wohl sonst Ihren Arbeiten nicht immer Gerechtigkeit widerfahren zu lassen pflegte. Daß es Fichte verdrossen, ist daraus zu erklären und entschuldigen, daß er diese Waffe gar nicht wieder führen kann.
Wenn das über Kotzebue nachher nur Ihre Erwartung befriedigt! Ich spare es jetzt auf bis zu seiner Rückkehr, und habe noch keine Stimmung wieder dazu gehabt. Ich bin für jetzt mit allen Kräften am Shakespeare. – Das große Gedicht wird auch wohl durch die Jahrbücher sehr verzögert werden. Es soll ein Rittergedicht werden, und Tristan heißen. Doch reden Sie nicht davon.
Wenn Fichte gleich auf Schellings Brief antwortet, so kann es vielleicht noch vor meiner Abreise von hier treffen. Ist unterdessen ein Brief von Ihnen unterwegs, so hoffe ich, Sie werden Ihn auch hieher addressirt haben. Aber die Antwort auf diesen schicken Sie am sichersten nach Jena. – Etwa in 14 Tagen denke ich von hier über Gotha, nach Göttingen, Braunschweig und Hannover [zu reisen]; doch bin ich gewiß in der ersten Hälfte des October schon wieder in Jena zurück. Ich höre Sie kommen im November dahin und freue mich sehr darauf. Die letzte Hälfte des Winters hoffe ich in Berlin zu seyn. –
Die Gesundheit meiner Frau ist wieder leidlicher, das Gefühl unsers Verlustes bleibt aber immer dasselbe. Leben Sie wohl.
Daß ich Sie um einen neuen Besuch bey Fichte bitte um über Schellings Vorschläge mit ihm zu sprechen, wenn es nicht schon geschehen ist versteht sich von selbst.