[1] Gotha d. 5 Okt. 1800
Ihren Brief vom 20ten September, liebster Freund, erhielt ich erst gestern hier bey meiner Ankunft, und erübrige kaum einige flüchtige Augenblicke Ihnen das nothwendigste zu antworten.
Fichtes Brief erhielt ich auch erst hier, wußte aber seinen Entschluß in Ansehung unser schon früher durch Schelling, der mir zwar, seltsam genug, nicht Fichtes Brief an ihn, aber doch die Resultate daraus mitgetheilt hat. Den Schritt, Fichte das Mitredactorat anzubieten billigte ich selbst innerlich nicht, glaubte aber doch allen üblen Folgen vorbeugen und es bey den Mitgliedern verantworten zu können. Ich ging ihn ein, um Schelling alle mögliche Beruhigung zu gewähren, und ihn dadurch uns desto fester zu verbinden. Leider hat es ganz die entgegengesetzte Wirkung gehabt, denn Schelling erklärte mir nach Empfang der Antwort: Fichte habe ihm Eröffnungen gemacht, die ihn bewögen ganz zurückzutreten. Worin diese Eröffnungen bestehen, hat er sich nicht weiter auslassen wollen, vermuthlich aber hat ihn Fichte an ältere Versprechungen gemahnt, und dann ihm Argwohn gegen die Gesinnungen unsers ganzen Zirkels in Ansehung seiner beygebracht. Wie ich vermuthe, hauptsächlich gegen Friedrich. Daß auch Klagen über Sie, und die persiflirte Bestimmung dabey [2] gewesen, habe ich keine Ursache zu vermuthen. Bittre Klagen über mich und unser Schweigen mag er auch geführt haben. Ich befürchte, daß Zuträgereyen von Bernhardi dabey im Spiel gewesen sind. Doch ist dieß bloße Conjectur.
Ich habe Schelling nur ganz gelinde Vorstellungen gemacht, wie wenig persönliche Neigungen und Abneigungen, gegenseitige Urtheile, u.s.w. bey einer gemeinschaftlichen öffentlichen Sache in Betracht kommen sollten. Da er bey seinem Entschlusse blieb, und vermuthlich die demselben entsprechenden Briefe an Fichte und Cotta schon geschrieben hatte, als er mir ihn ankündigte, drang ich nicht weiter in ihn, noch wollte ich mich wegen seines förmlichen Versprechens, das er so unrechtmäßig zurücknimmt, mit ihm entzweyen. Vielleicht tritt er in der Folge wieder bey. Sein Abgang ist ein Verlust an Kräften den aber der Eifer und die Thätigkeit der andern Mitglieder ersetzen kann und muß. Meine schlimmste Besorgniß ist, daß Cotta Sprünge macht und uns rückgängig wird. Ich habe noch von Bamberg aus umständlich an ihn geschrieben, ihm den ganzen Verlauf vorgetragen, aber keinesweges den entferntesten Zweifel am Fortgange un[3]sers Unternehmens geäußert, vielmehr ihn durch die zum Theil schon angenommenen Einladungen von Röschlaub, Ritter, Steffens und Eschenmeyer noch mehr zu binden gesucht. Gern hätte ich ihm gleich die Ankündigung mitgeschickt, ich konnte aber nicht Ruhe und Zeit dazu finden, da ich bis auf den letzten Augenblick angestrengt [habe] arbeiten müssen um den Shakespeare fertig zu schaffen. Ich denke sie nun meinem nächsten Briefe an ihn, den ich in ein paar Tagen von Göttingen aus an ihn schreiben werde, beyzulegen. Die Billigung der Mitglieder muß ich dabey suppliren. – Sobald ich von Cotta wieder etwas höre, theile ich es Ihnen mit.
Keinen Augenblick kann ich es aber verschieben, auch bey dieser noch obwaltenden Ungewißheit, Ihre Kräfte und Muße dringendst in Anspruch zu nehmen. Sie haben mich ganz misverstanden, wenn Sie annehmen ich hätte gemeynt, Schelling oder Fichte sollten und könnten das Fach der speculativen Philosophie ausschließend verwalten. Gewiß hat auch Schelling diesen Gedanken nicht gehabt, und wenn er gesagt er wolle Fichten, im Fall dieser beyträte, dieses Fach ganz abtreten[,] sollte es nur heißen, daß er sich dann auf die Naturwissen[4]schaftlichen Arbeiten beschränken wolle. – Ich war wenn Fichte beygetreten wäre, sehr bange, er möchte uns viel mit Religionsphilosophie aufwarten wollen, und war entschlossen, Ihre Ansichten darüber neben den seinigen zu behaupten, es möchte kosten was es wollte.
Melden Sie mir also baldigst, was Sie nun noch mehr als das schon übernommene auf sich nehmen wollen. Friedrich schreibt von Kants Logik und Fichte’s sonnenklarem Beweis welches beydes mir in Bamberg unbekannte Dinge geblieben waren; was das letzte ist weiß ich bis diese Stunde noch nicht. – Geben Sie nicht bald etwas Übersichtliches? In Fichte’s Aufsatz für Unger, werden Jakobi, Bardili und Reinhold vorgenommen werden – das müßte bey uns doch auch geschehen. – Da nun Schelling nicht Mitarbeiter seyn will so könnte sein System der transzendentalen Philosophie auch beurtheilt [werden]. – Überlegen Sie, wie Sie dieses machen wollen, aber seyn Sie ganz der unsrige. – Will Friedrich etwas in spekulativer Philosophie übernehmen, so können Sie sich am besten mit ihm selbst verabreden. Ich glaube nicht daß so bald sicher auf was zu rechnen ist, da ihm nun sein Collegium viel Zeit nehmen wird. [5] Am liebsten hätte ich zunächst etwas von ihm über die bisherigen Naturphilosophieen, wo besonders auch von der Construction des dynamischen Prozesses im Physikalischen Journal von Schelling die Rede wird seyn müssen, da dieser jetzt die darin vorgetragnen Lehren zur Grundlage seines ganzen Systems macht.
In der Folge könnte wohl Eschenmeyer auch Mitarbeiter im Fache der Transzendentalen Philosophie werden. Zunächst werde ich ihm eine Übersicht vom Zustande der Medicin, in sich selbst und im Verhältniß mit der allgemeinen NaturWissenschaft, und den als Mittelgliedern dienenden Wissenschaften, z B. Chemie, vorschlagen.
In spätstens drey Wochen bin ich in Jena zurück, und werde dann Tag und Nacht für das Institut arbeiten, erst den Wieland, die Einleitung, und dann als Anfang der Revision der kritischen Journale, eine allgemeine Übersicht derselben geben. Was Selbstanzeigen betrifft, so habe ich Tieken schon längst um eine seiner romantischen Dichtungen angegangen, ich wollte selbst eine von meinen Gedichten machen. Schillern wollte ich eine von den Wallensteinern antragen, schlägt er es ab, so gebe ich diese Tieken. [6] Friedrich schlägt eine Veränderung des Titels vor: Annalen der Literatur; wegen des Zusammentreffens. Ich bin nicht dafür, zum Unterscheidungszeichen kann mein Name als Herausgeber dienen.
Verzeihen Sie dieß abscheuliche Geschmiere. Wenn Sie gleich antworten, so addressiren Sie nach Braunschweig beym Professor Wiedemann. Leben Sie indessen recht wohl. Kommen Sie noch nach Jena? das wäre herrlich.
Wie steht’s denn mit der Anfrage bey Schadow? Ich erwarte mit Sehnsucht eine Antwort. Sie haben es doch nicht vergessen. Die Sache liegt mir erstaunlich am Herzen.
Ihren Brief vom 20ten September, liebster Freund, erhielt ich erst gestern hier bey meiner Ankunft, und erübrige kaum einige flüchtige Augenblicke Ihnen das nothwendigste zu antworten.
Fichtes Brief erhielt ich auch erst hier, wußte aber seinen Entschluß in Ansehung unser schon früher durch Schelling, der mir zwar, seltsam genug, nicht Fichtes Brief an ihn, aber doch die Resultate daraus mitgetheilt hat. Den Schritt, Fichte das Mitredactorat anzubieten billigte ich selbst innerlich nicht, glaubte aber doch allen üblen Folgen vorbeugen und es bey den Mitgliedern verantworten zu können. Ich ging ihn ein, um Schelling alle mögliche Beruhigung zu gewähren, und ihn dadurch uns desto fester zu verbinden. Leider hat es ganz die entgegengesetzte Wirkung gehabt, denn Schelling erklärte mir nach Empfang der Antwort: Fichte habe ihm Eröffnungen gemacht, die ihn bewögen ganz zurückzutreten. Worin diese Eröffnungen bestehen, hat er sich nicht weiter auslassen wollen, vermuthlich aber hat ihn Fichte an ältere Versprechungen gemahnt, und dann ihm Argwohn gegen die Gesinnungen unsers ganzen Zirkels in Ansehung seiner beygebracht. Wie ich vermuthe, hauptsächlich gegen Friedrich. Daß auch Klagen über Sie, und die persiflirte Bestimmung dabey [2] gewesen, habe ich keine Ursache zu vermuthen. Bittre Klagen über mich und unser Schweigen mag er auch geführt haben. Ich befürchte, daß Zuträgereyen von Bernhardi dabey im Spiel gewesen sind. Doch ist dieß bloße Conjectur.
Ich habe Schelling nur ganz gelinde Vorstellungen gemacht, wie wenig persönliche Neigungen und Abneigungen, gegenseitige Urtheile, u.s.w. bey einer gemeinschaftlichen öffentlichen Sache in Betracht kommen sollten. Da er bey seinem Entschlusse blieb, und vermuthlich die demselben entsprechenden Briefe an Fichte und Cotta schon geschrieben hatte, als er mir ihn ankündigte, drang ich nicht weiter in ihn, noch wollte ich mich wegen seines förmlichen Versprechens, das er so unrechtmäßig zurücknimmt, mit ihm entzweyen. Vielleicht tritt er in der Folge wieder bey. Sein Abgang ist ein Verlust an Kräften den aber der Eifer und die Thätigkeit der andern Mitglieder ersetzen kann und muß. Meine schlimmste Besorgniß ist, daß Cotta Sprünge macht und uns rückgängig wird. Ich habe noch von Bamberg aus umständlich an ihn geschrieben, ihm den ganzen Verlauf vorgetragen, aber keinesweges den entferntesten Zweifel am Fortgange un[3]sers Unternehmens geäußert, vielmehr ihn durch die zum Theil schon angenommenen Einladungen von Röschlaub, Ritter, Steffens und Eschenmeyer noch mehr zu binden gesucht. Gern hätte ich ihm gleich die Ankündigung mitgeschickt, ich konnte aber nicht Ruhe und Zeit dazu finden, da ich bis auf den letzten Augenblick angestrengt [habe] arbeiten müssen um den Shakespeare fertig zu schaffen. Ich denke sie nun meinem nächsten Briefe an ihn, den ich in ein paar Tagen von Göttingen aus an ihn schreiben werde, beyzulegen. Die Billigung der Mitglieder muß ich dabey suppliren. – Sobald ich von Cotta wieder etwas höre, theile ich es Ihnen mit.
Keinen Augenblick kann ich es aber verschieben, auch bey dieser noch obwaltenden Ungewißheit, Ihre Kräfte und Muße dringendst in Anspruch zu nehmen. Sie haben mich ganz misverstanden, wenn Sie annehmen ich hätte gemeynt, Schelling oder Fichte sollten und könnten das Fach der speculativen Philosophie ausschließend verwalten. Gewiß hat auch Schelling diesen Gedanken nicht gehabt, und wenn er gesagt er wolle Fichten, im Fall dieser beyträte, dieses Fach ganz abtreten[,] sollte es nur heißen, daß er sich dann auf die Naturwissen[4]schaftlichen Arbeiten beschränken wolle. – Ich war wenn Fichte beygetreten wäre, sehr bange, er möchte uns viel mit Religionsphilosophie aufwarten wollen, und war entschlossen, Ihre Ansichten darüber neben den seinigen zu behaupten, es möchte kosten was es wollte.
Melden Sie mir also baldigst, was Sie nun noch mehr als das schon übernommene auf sich nehmen wollen. Friedrich schreibt von Kants Logik und Fichte’s sonnenklarem Beweis welches beydes mir in Bamberg unbekannte Dinge geblieben waren; was das letzte ist weiß ich bis diese Stunde noch nicht. – Geben Sie nicht bald etwas Übersichtliches? In Fichte’s Aufsatz für Unger, werden Jakobi, Bardili und Reinhold vorgenommen werden – das müßte bey uns doch auch geschehen. – Da nun Schelling nicht Mitarbeiter seyn will so könnte sein System der transzendentalen Philosophie auch beurtheilt [werden]. – Überlegen Sie, wie Sie dieses machen wollen, aber seyn Sie ganz der unsrige. – Will Friedrich etwas in spekulativer Philosophie übernehmen, so können Sie sich am besten mit ihm selbst verabreden. Ich glaube nicht daß so bald sicher auf was zu rechnen ist, da ihm nun sein Collegium viel Zeit nehmen wird. [5] Am liebsten hätte ich zunächst etwas von ihm über die bisherigen Naturphilosophieen, wo besonders auch von der Construction des dynamischen Prozesses im Physikalischen Journal von Schelling die Rede wird seyn müssen, da dieser jetzt die darin vorgetragnen Lehren zur Grundlage seines ganzen Systems macht.
In der Folge könnte wohl Eschenmeyer auch Mitarbeiter im Fache der Transzendentalen Philosophie werden. Zunächst werde ich ihm eine Übersicht vom Zustande der Medicin, in sich selbst und im Verhältniß mit der allgemeinen NaturWissenschaft, und den als Mittelgliedern dienenden Wissenschaften, z B. Chemie, vorschlagen.
In spätstens drey Wochen bin ich in Jena zurück, und werde dann Tag und Nacht für das Institut arbeiten, erst den Wieland, die Einleitung, und dann als Anfang der Revision der kritischen Journale, eine allgemeine Übersicht derselben geben. Was Selbstanzeigen betrifft, so habe ich Tieken schon längst um eine seiner romantischen Dichtungen angegangen, ich wollte selbst eine von meinen Gedichten machen. Schillern wollte ich eine von den Wallensteinern antragen, schlägt er es ab, so gebe ich diese Tieken. [6] Friedrich schlägt eine Veränderung des Titels vor: Annalen der Literatur; wegen des Zusammentreffens. Ich bin nicht dafür, zum Unterscheidungszeichen kann mein Name als Herausgeber dienen.
Verzeihen Sie dieß abscheuliche Geschmiere. Wenn Sie gleich antworten, so addressiren Sie nach Braunschweig beym Professor Wiedemann. Leben Sie indessen recht wohl. Kommen Sie noch nach Jena? das wäre herrlich.
Wie steht’s denn mit der Anfrage bey Schadow? Ich erwarte mit Sehnsucht eine Antwort. Sie haben es doch nicht vergessen. Die Sache liegt mir erstaunlich am Herzen.