[1] Berlin d 27t. Mai 1800
Sie sind jezt gewiß aus Leipzig, wohin ich Ihnen nicht erst schreiben wollte, zurük, und wollte Gott Sie hätten – außer dem vielen Spaß den Ihnen die dort versammelte Literatur gewiß gemacht hat – uns auch einen soliden und haltbaren NotizContrakt mitgebracht, damit dieses Werk recht bald in Gang käme nun der Krieg gegen die Allgemeine Literatur Zeitung aufs heftigste ausbricht. Ich hoffe nächstens eine erfreuliche Nachricht darüber von Ihnen zu erhalten. Bernhardi ist auch der Meinung daß man sich unter jeder Notiz nenne; haben Sie ad extra etwas wesentliches dagegen? sonst könnte man es recht polemisch dadurch motiviren daß die Leute nicht einmal Sie und Ihren Bruder in den Fragmenten und im literarischen ReichsAnzeiger zu unterscheiden gewußt haben, und es wäre etwas, worin wir soviel ich weiß nur sehr wenig Vorgänger haben. Für das lezte (?) Stük des Athenäums, woran noch immer nicht gedrukt wird, bin ich nun beim Fichte, den ich Ihnen noch zeitig genug schiken zu können denke um in aller Muße Ihre Notate drüber zu machen. Zur Belohnung für dieses schwierige opus aber erbitte ich mir von Ihnen wenn es irgend der Raum noch erlaubt – denn die Zeit wird dabei für nichts zu rechnen sein – die Erlaubniß Engels Philosoph für die Welt 3ter Theil zu notiziren. Der Mensch genießt doch einige Renommee, er [2] hat nicht verstanden was Friedrich über ihn gesagt hat, und ich möchte gern ein soviel als möglich lustiges und wiziges Wörtchen Deutsch mit ihm reden. Der gute Schüz hat mich ja, wie ich sehe auch in Affection genommen und will über das „herrliche Stük Arbeit“, den Garve, zu einer andern Zeit reden. Ich denke, wenn er es wirklich thut, was ich gesagt habe, wol vertreten zu können; nur wünschte ich gar sehr, daß er vor der Hand der Meinung bliebe in der er doch wahrscheinlich steht daß dies von einem von Ihnen Beiden herrührt. Wenn er aus dieser Voraussezung darüber schwäzt, wird sich das Ganze hernach desto komischer machen wenn er darüber von einem noch ganz unbekannten Menschen begrüßt wird. Werden Sie auf sein leztes noch etwas antworten? die Sache spricht, dächte ich, genug für sich selbst.
Bernhardi hat verschiedene Male gegen mich geäußert, er fürchte, daß Fichte böse werden würde wenn er von dem Notizenplan etwas hört, weil er doch selbst oft genug den Vorsaz zu einem kritischen Institut angedeutet hätte. Wenigstens wäre es wol gut, wenn Sie ihm eher etwas davon mittheilten als die ganze Welt es erfährt – aber auch nicht viel eher, der lieben Maurerei wegen. Mir scheint es nicht schwer zu sein, ihm die Sache in einem solchen Lichte zu zeigen, daß er gar nichts dagegen haben kann.
[3] Ihre Gedichte habe ich studirt und studire sie noch mit großem Eifer und Lust – ich kann aber nicht sagen daß sie mir eben Muth zur Poesie gemacht hätten: denn es so zu können ist doch unendlich schwer, und es nicht so zu wollen ist unerlaubt. Es wäre vergeblich, wenn ich heraus suchen wollte, was mich vorzüglich afficirt hat; höchstens könnte ich einige wenige Stüke nennen, die es minder gethan haben. Anfangs glaubte ich die Kunst nur in den Sonetten, die ich deshalb zuerst las, bewundern zu werden, hernach habe ich sie in allem übrigen fast eben so vollendet gefunden, und dagegen auch in den Sonetten so vieles was mir außer der Kunst sehr werth ist. Einen ganz eignen Eindruk haben mir die gnomischen Sonette gegeben – es ist mir aufgefallen wie eine viel würdigere Form dies für den Inhalt ist als der Hexameter allein oder das Distichon. Noch heute habe ich Nikon und Heliodora mit unendlicher Freude gelesen und mich gefragt ob es mir wol erlaubt sein könnte einen Roman zu schreiben wenn ich nicht so etwas machen kann? und ob ich es je können werde, woran ich denn demüthig zweifle [.] Den neuesten Theil des Shakespeare habe ich noch nicht gesehn. Den Friedrich habe ich schon zweimal gefragt was denn „Ticks poetisches Journal“ ist, oder vielmehr sein wird, er hat mir aber nicht geantwortet, und Bernhardi weiß auch noch kein Wort davon. Werden Sie nicht Schüzens Auffoderung in Rüksicht der Recension des Don Quixote annehmen? [4] Der Soltau scheint nicht ruhen zu wollen, und es ist wol nicht hinreichend daß Sie ihn im Intelligenzblatt so ein wenig auf die Finger klopfen. Warum wollen Sie auch das Intelligenzblatt bereichern, das doch auch, Schelling sage was er will, nur ein sehr schlechter Plaz ist.
Wie steht es denn lieber Freund mit Ihrem Hieherkommen? ist das jezt vor der Hand ganz aufgegeben und werde ich nach Dresden kommen müßen um Sie zu sehn. Nicht als ob Dresden nur so ein Muß für mich wäre – ich will mich sehr freuen wenn es mir möglich ist hinzureisen; aber Sie alle zusammen möchte ich gar zu gern auch hier haben, um meinetwillen und um des Ganzen willen, denn Ihr müßtet Euch gar prächtig hier machen.
Leben Sie wol, lieber Freund, und treten Sie bald Ihr Redactorat an mit so großen Vollmachten als Sie nöthig finden.
Schleiermacher
Sie sind jezt gewiß aus Leipzig, wohin ich Ihnen nicht erst schreiben wollte, zurük, und wollte Gott Sie hätten – außer dem vielen Spaß den Ihnen die dort versammelte Literatur gewiß gemacht hat – uns auch einen soliden und haltbaren NotizContrakt mitgebracht, damit dieses Werk recht bald in Gang käme nun der Krieg gegen die Allgemeine Literatur Zeitung aufs heftigste ausbricht. Ich hoffe nächstens eine erfreuliche Nachricht darüber von Ihnen zu erhalten. Bernhardi ist auch der Meinung daß man sich unter jeder Notiz nenne; haben Sie ad extra etwas wesentliches dagegen? sonst könnte man es recht polemisch dadurch motiviren daß die Leute nicht einmal Sie und Ihren Bruder in den Fragmenten und im literarischen ReichsAnzeiger zu unterscheiden gewußt haben, und es wäre etwas, worin wir soviel ich weiß nur sehr wenig Vorgänger haben. Für das lezte (?) Stük des Athenäums, woran noch immer nicht gedrukt wird, bin ich nun beim Fichte, den ich Ihnen noch zeitig genug schiken zu können denke um in aller Muße Ihre Notate drüber zu machen. Zur Belohnung für dieses schwierige opus aber erbitte ich mir von Ihnen wenn es irgend der Raum noch erlaubt – denn die Zeit wird dabei für nichts zu rechnen sein – die Erlaubniß Engels Philosoph für die Welt 3ter Theil zu notiziren. Der Mensch genießt doch einige Renommee, er [2] hat nicht verstanden was Friedrich über ihn gesagt hat, und ich möchte gern ein soviel als möglich lustiges und wiziges Wörtchen Deutsch mit ihm reden. Der gute Schüz hat mich ja, wie ich sehe auch in Affection genommen und will über das „herrliche Stük Arbeit“, den Garve, zu einer andern Zeit reden. Ich denke, wenn er es wirklich thut, was ich gesagt habe, wol vertreten zu können; nur wünschte ich gar sehr, daß er vor der Hand der Meinung bliebe in der er doch wahrscheinlich steht daß dies von einem von Ihnen Beiden herrührt. Wenn er aus dieser Voraussezung darüber schwäzt, wird sich das Ganze hernach desto komischer machen wenn er darüber von einem noch ganz unbekannten Menschen begrüßt wird. Werden Sie auf sein leztes noch etwas antworten? die Sache spricht, dächte ich, genug für sich selbst.
Bernhardi hat verschiedene Male gegen mich geäußert, er fürchte, daß Fichte böse werden würde wenn er von dem Notizenplan etwas hört, weil er doch selbst oft genug den Vorsaz zu einem kritischen Institut angedeutet hätte. Wenigstens wäre es wol gut, wenn Sie ihm eher etwas davon mittheilten als die ganze Welt es erfährt – aber auch nicht viel eher, der lieben Maurerei wegen. Mir scheint es nicht schwer zu sein, ihm die Sache in einem solchen Lichte zu zeigen, daß er gar nichts dagegen haben kann.
[3] Ihre Gedichte habe ich studirt und studire sie noch mit großem Eifer und Lust – ich kann aber nicht sagen daß sie mir eben Muth zur Poesie gemacht hätten: denn es so zu können ist doch unendlich schwer, und es nicht so zu wollen ist unerlaubt. Es wäre vergeblich, wenn ich heraus suchen wollte, was mich vorzüglich afficirt hat; höchstens könnte ich einige wenige Stüke nennen, die es minder gethan haben. Anfangs glaubte ich die Kunst nur in den Sonetten, die ich deshalb zuerst las, bewundern zu werden, hernach habe ich sie in allem übrigen fast eben so vollendet gefunden, und dagegen auch in den Sonetten so vieles was mir außer der Kunst sehr werth ist. Einen ganz eignen Eindruk haben mir die gnomischen Sonette gegeben – es ist mir aufgefallen wie eine viel würdigere Form dies für den Inhalt ist als der Hexameter allein oder das Distichon. Noch heute habe ich Nikon und Heliodora mit unendlicher Freude gelesen und mich gefragt ob es mir wol erlaubt sein könnte einen Roman zu schreiben wenn ich nicht so etwas machen kann? und ob ich es je können werde, woran ich denn demüthig zweifle [.] Den neuesten Theil des Shakespeare habe ich noch nicht gesehn. Den Friedrich habe ich schon zweimal gefragt was denn „Ticks poetisches Journal“ ist, oder vielmehr sein wird, er hat mir aber nicht geantwortet, und Bernhardi weiß auch noch kein Wort davon. Werden Sie nicht Schüzens Auffoderung in Rüksicht der Recension des Don Quixote annehmen? [4] Der Soltau scheint nicht ruhen zu wollen, und es ist wol nicht hinreichend daß Sie ihn im Intelligenzblatt so ein wenig auf die Finger klopfen. Warum wollen Sie auch das Intelligenzblatt bereichern, das doch auch, Schelling sage was er will, nur ein sehr schlechter Plaz ist.
Wie steht es denn lieber Freund mit Ihrem Hieherkommen? ist das jezt vor der Hand ganz aufgegeben und werde ich nach Dresden kommen müßen um Sie zu sehn. Nicht als ob Dresden nur so ein Muß für mich wäre – ich will mich sehr freuen wenn es mir möglich ist hinzureisen; aber Sie alle zusammen möchte ich gar zu gern auch hier haben, um meinetwillen und um des Ganzen willen, denn Ihr müßtet Euch gar prächtig hier machen.
Leben Sie wol, lieber Freund, und treten Sie bald Ihr Redactorat an mit so großen Vollmachten als Sie nöthig finden.
Schleiermacher