[1] Berlin d 27t. Dec.
Ich kann mich unmöglich enthalten meinem lezten Briefe sogleich einen andern nachzuschiken, um Ihnen für die Kozebuade zu danken die damals schon auf der Post, aber noch nicht in meinen Händen war. Wir haben sie denselben Abend gemeinschaftlich bei Tiek gelesen unter unauslöschlichem Gelächter und eben so permanenter Bewunderung, und mir hat sie noch hernach die angenehmste unruhige Nacht gemacht deren ich mich zu erinnern weiß. Ja, das ist Ihnen über alle Vorstellung gelungen, und wenn auch nur wenige Menschen das Ganze recht zu würdigen im Stande sind so wird es doch seinen objektiven Zwek gewiß nicht verfehlen, und es steht zu hoffen daß manche Stüke gar nicht werden gegeben werden können ohne daß Jedermann an Ihre göttlichen Parodien denkt und lautes Gelächter das ganze Haus ergreift. Das Crescendo worin das Ganze fortgeht macht einen herrlichen Effekt; selbst die Gesänge nach dem Drama was man nicht für möglich halten sollte, machen noch eine Steigerung und der Abschied ist wie ein Tusch mit Pauken und Trompeten, ein Tutti von Gezisch und ein lauter unwillkührlicher Ausbruch der Freude über das gelungene Werk. Hinter jeder Stelle die mich erfreut fällt mir auch ein, „Das sind die Hyperboren“ p – kurz es ist göttlich. Hier ist übrigens für alle [2] Produktionen dieser Art das ungünstigste Terrain. Haben doch schon Einige unter andern mein Freund Engel und auch der ehrliche Herz nichts daran so hervorstechend gefunden als die Ruchlosigkeit das Unglük des armen Kotzebue zu einem Gegenstande des Spottes zu machen, und Andere haben so wenigen Sinn daß sie es für eine Arbeit von Tiek halten, wahrscheinlich bloß auf den Grund des sprechenden Hundes. Mit dem Vater Unser hätten Sie nicht so gewißenhaft sein sollen; es hat gar zu schöne Stellen. Das Verbieten hat ja auch bei so einer Piece nichts zu sagen und ist vielmehr ein gutes passe partout. Die beiden Dichter werden hoffentlich auch ihre Freude dran haben.
Das Triolet aber, lieber Freund, ist für Merkel viel zu niedlich, und die ganze Pointe ist – wenigstens für die Berliner – nicht deutlich genug ausgesprochen. Wer nicht grade das Archiv der Zeit gelesen hat wird nicht wißen wovon die Rede ist denn in Merkels Briefen hatten die meisten den Blunder übersehn. Ihren Auftrag an Tiek habe ich bestellt, und ich hoffe er schreibt Ihnen heute auch. An ihn oder Bernhardi muß ich Sie auch des Chamäleons wegen verweisen – ich habe es nicht gesehen also konnte ich doch nichts gründliches darüber [3] sagen. Am Besten werden Sie es aus Tieks polemischer Schrift kennen lernen, wenn nur erst die lezten Seiten geschrieben und ein Verleger dazu da wäre! Laßen Sie ihn mit dieser Schrift nur machen, sie wird sehr gute Wirkung thun eine Defension ist doch wirklich auch einmal nöthig und diese ist so ein für allemal. Macht Ihr nur immer wieder Ausfälle, so denken sich die Leute den Kampf der beiden Thebanischen Brüder und denken, Ihr seid wenigstens doch auch im Sterben. Die ruhige und gründliche Verachtung die in dieser Schrift herrscht wird Ihnen gewiß Freude machen. Haben Sie schon Merkels Schimpfik über Ihre Gedichte gelesen? ich gestehe Ihnen aufrichtig daß ich nicht umhin kann den Menschen zu bewundern; er ist wirklich groß in seiner Art. Auch wird er von allen seinen hiesigen Partheigenoßen gehörig verachtet, er muß dies selbst fühlen und hören, und läßt sich doch nicht stören. Liegt darin nicht wirklich etwas außerordentliches?
Ihres Herzogs unscherzhafte Maaßregel um die Oestreicher wieder empor zu bringen war mir neu. Schade, wenn dadurch etwas verloren geht, und dies wäre, wie es scheint, ziemlich im alten Styl der Komödie geworden. Solche kleine Launen leidet wol Goethe wie geschikte Ehefrauen es zu thun pflegen?
[4] Leben Sie wol lieber Hyperborer und halten Sie – wenn es Ihnen bei Goethe’s Anwesenheit möglich ist – Wort mit der Kürze des Jenaischen Aufenthaltes.
Schleiermacher
Ich kann mich unmöglich enthalten meinem lezten Briefe sogleich einen andern nachzuschiken, um Ihnen für die Kozebuade zu danken die damals schon auf der Post, aber noch nicht in meinen Händen war. Wir haben sie denselben Abend gemeinschaftlich bei Tiek gelesen unter unauslöschlichem Gelächter und eben so permanenter Bewunderung, und mir hat sie noch hernach die angenehmste unruhige Nacht gemacht deren ich mich zu erinnern weiß. Ja, das ist Ihnen über alle Vorstellung gelungen, und wenn auch nur wenige Menschen das Ganze recht zu würdigen im Stande sind so wird es doch seinen objektiven Zwek gewiß nicht verfehlen, und es steht zu hoffen daß manche Stüke gar nicht werden gegeben werden können ohne daß Jedermann an Ihre göttlichen Parodien denkt und lautes Gelächter das ganze Haus ergreift. Das Crescendo worin das Ganze fortgeht macht einen herrlichen Effekt; selbst die Gesänge nach dem Drama was man nicht für möglich halten sollte, machen noch eine Steigerung und der Abschied ist wie ein Tusch mit Pauken und Trompeten, ein Tutti von Gezisch und ein lauter unwillkührlicher Ausbruch der Freude über das gelungene Werk. Hinter jeder Stelle die mich erfreut fällt mir auch ein, „Das sind die Hyperboren“ p – kurz es ist göttlich. Hier ist übrigens für alle [2] Produktionen dieser Art das ungünstigste Terrain. Haben doch schon Einige unter andern mein Freund Engel und auch der ehrliche Herz nichts daran so hervorstechend gefunden als die Ruchlosigkeit das Unglük des armen Kotzebue zu einem Gegenstande des Spottes zu machen, und Andere haben so wenigen Sinn daß sie es für eine Arbeit von Tiek halten, wahrscheinlich bloß auf den Grund des sprechenden Hundes. Mit dem Vater Unser hätten Sie nicht so gewißenhaft sein sollen; es hat gar zu schöne Stellen. Das Verbieten hat ja auch bei so einer Piece nichts zu sagen und ist vielmehr ein gutes passe partout. Die beiden Dichter werden hoffentlich auch ihre Freude dran haben.
Das Triolet aber, lieber Freund, ist für Merkel viel zu niedlich, und die ganze Pointe ist – wenigstens für die Berliner – nicht deutlich genug ausgesprochen. Wer nicht grade das Archiv der Zeit gelesen hat wird nicht wißen wovon die Rede ist denn in Merkels Briefen hatten die meisten den Blunder übersehn. Ihren Auftrag an Tiek habe ich bestellt, und ich hoffe er schreibt Ihnen heute auch. An ihn oder Bernhardi muß ich Sie auch des Chamäleons wegen verweisen – ich habe es nicht gesehen also konnte ich doch nichts gründliches darüber [3] sagen. Am Besten werden Sie es aus Tieks polemischer Schrift kennen lernen, wenn nur erst die lezten Seiten geschrieben und ein Verleger dazu da wäre! Laßen Sie ihn mit dieser Schrift nur machen, sie wird sehr gute Wirkung thun eine Defension ist doch wirklich auch einmal nöthig und diese ist so ein für allemal. Macht Ihr nur immer wieder Ausfälle, so denken sich die Leute den Kampf der beiden Thebanischen Brüder und denken, Ihr seid wenigstens doch auch im Sterben. Die ruhige und gründliche Verachtung die in dieser Schrift herrscht wird Ihnen gewiß Freude machen. Haben Sie schon Merkels Schimpfik über Ihre Gedichte gelesen? ich gestehe Ihnen aufrichtig daß ich nicht umhin kann den Menschen zu bewundern; er ist wirklich groß in seiner Art. Auch wird er von allen seinen hiesigen Partheigenoßen gehörig verachtet, er muß dies selbst fühlen und hören, und läßt sich doch nicht stören. Liegt darin nicht wirklich etwas außerordentliches?
Ihres Herzogs unscherzhafte Maaßregel um die Oestreicher wieder empor zu bringen war mir neu. Schade, wenn dadurch etwas verloren geht, und dies wäre, wie es scheint, ziemlich im alten Styl der Komödie geworden. Solche kleine Launen leidet wol Goethe wie geschikte Ehefrauen es zu thun pflegen?
[4] Leben Sie wol lieber Hyperborer und halten Sie – wenn es Ihnen bei Goethe’s Anwesenheit möglich ist – Wort mit der Kürze des Jenaischen Aufenthaltes.
Schleiermacher