[1] Berlin d. 17t. Sept. 1.
Es ist mir sehr angenehm liebster Freund, daß Ihnen die Kritik des Macbeth einiges Vergnügen gemacht hat, wiewohl es mir vorkommt als hätten Sie auch außerdem daß sie Ihnen zu wenig pikant ausgefallen ist noch etwas gegen sie in Petto, wohinter ich noch nicht recht kommen kann. Ich habe einige gar nicht üble Einfälle über die Hexen und das Morgenlied mit Fleiß abgewiesen, die ich anderswo nicht würde gestrichen haben. Allein ich glaub daß man einem solchen Institut wie der Erlanger Zeitung nicht um etwas so unwesentlichen willen unnüze Händel erregen müsse. Was nöthig ist steht doch da, und ich denke wer nicht ganz mit Blindheit geschlagen ist muß es auch finden. Memel hat mir viel Bewunderung bezeigt, ob verstehende oder gewöhnliche weiß ich nicht; das schlimmste ist daß sie in Thätlichkeiten übergegangen ist. Er muthet mir nemlich in seiner Entzükung im Ernst zu Ihren und den Eschenburgschen Shakespeare zu beurtheilen; er habe schon 2 Recensionen cassirt, sei heilig entschlossen nur ein Meisterstük hierüber andruken zu lassen, und erwarte das von mir. Denken Sie! Nun sehe ich zwar aus Ihrem Briefe daß Sie Sich das wollen gefallen lassen, ich möchte [2] Sie aber doch bitten mich dessen zu überheben, welches Sie am besten bewerkstelligen können wenn Sie ihm einen andern vorschlagen. Sollte denn Tiek gar nicht zu bereden sein dieses Werk nun endlich zu vollbringen? und sollte nicht am Ende Bernhardi noch beßer darauf gesattelt sein als ich? Ich müßte noch unendlich viel Studien dazu machen, von der Art die mir sehr viel Zeit kosten, und ich habe leider gar keine übrig. Denken Sie daß ich versprochen habe zur Michaelismesse 1802 die Kritik der Moral fertig zu liefern, und daß ich dazu noch Alles was es von Moral giebt durchzustudiren und zu excerpiren habe, und daß vielleicht am Ende gar auch für den Plato bis dahin noch etwas zu thun sein kann.
Wie können Sie nur in Hinsicht auf diesen den Friedrich vertheidigen wollen. Ich glaube daß ich eben so viel allgemeine Studien aufzuweisen habe als er deren Resultate uns für die ganze Arbeit zu Nuze kommen werden, und gegen die am Ende weniger einzuwenden sein möchte als gegen sein aufgestelltes System. Noch dazu ist das was er mir davon mitgetheilt hat so obenhin und ohne Detail daß sich nicht einmal etwas gründliches darüber sagen läßt. Laßen Sie Sich einmal den Bogen den er mir geschikt hat zeigen und urtheilen Sie dann selbst, und besehen Sie Sich hernach wenn Sie herkommen meine [3] Studien dagegen. Dem sei aber wie ihm wolle; wenn er sich mit diesen allgemeinen Studien ein ganzes Jahr lang und darüber begnügen wollte, so hätte er nicht zwei Messen fälschlicherweise einen Band versprechen und mich nicht unnöthigerweise treiben müßen. Mit dem Phädrus ist er sehr schlecht umgegangen und ich kann ihm schon aus den 2 Bogen die ich gelesen habe die unverantwortlichsten Nachläßigkeiten nachweisen, nicht nur Drukfehler und handgreifliche Schreibfehler sondern mehrere Stellen wo er mich offenbar hätte verbessern und andere wo er wenigstens große Bedenklichkeiten erst hätte äußern sollen. Die große Genauigkeit mit der er ihn gelesen haben will, wird nur darin bestehn, daß er keinen Griechen hat stehn lassen ohne ihn in einen Hellenen zu verwandeln. Auch habe ich ihm schon erklärt daß ich schlechterdings auf dem Umdruk aller dieser Stellen bestehe. Und nun da er doch nichts daran thut ersuche ich Sie Sich aufs baldigste den Phaidros und den Protagoras und die dazu gehörigen Anmerkungen von ihm ausliefern zu lassen und mir zuzuschiken. Ich werde diese beiden Dialogen jezt mit Heindorf lesen und vielleicht noch einige Hülfsmittel in die Hände bekommen die mir bisher gefehlt haben und werde also viel zur Vervollkomnung der Arbeit thun können da sie bei ihm gewiß ganz unnüz liegt. Erweisen Sie mir diese einzige Liebe, ich beschwöre Sie darum – daß ich dem ohnbeschadet an dem guten Zeugniß, welches Sie ihm geben meine Freude habe darf ich nicht erst sagen.
[4] Die Trimeter haben mich sehr ergözt, indeß wage ich Ihnen eine kleine Einwendung zu machen. Ich glaube nemlich daß wir uns der leidigen Alexandriner wegen noch mehr als die Griechen hüten müssen auch nur den kleinsten Abschnitt in die Mitte der zweiten Dipodie zu bringen, wie
Des blinden Greisen Kind / Antigone wohin
Lieber würde ich mir gleich im ersten Vers die Freiheit der ungleichen Füsse vindiciren und sagen
Des blinden Greisen Tochter Antigone wohin
Nur der 3te 4te 5te 9te 10te und 13te scheinen mir in dieser Hinsicht vollkommen denn ich glaube ehe die Menschen an diesen Vers gewöhnt sind müßte schlechterdings kein Wort mit dem 3ten Fuß endigen. Ferner glaube ich daß man sich den Tribrachys und Anapäst viel erlauben müsse aber nie den Daktylus weil bei uns die Länge vor 2 kurzen so unmenschlich lang ist und gar keine Jamben sondern nur einen Trochäen repräsentiren kann. Belehren Sie mich doch hierüber. Was man in der Uebersezung dem Choreischen Sylbenmaaß substituiren muß, darüber bin ich im Reinen: aber in einem ganz eignen Gedicht darüber wäre ich auf Ihre Meinung sehr begierig. – Werden Sie mich nicht auslachen sondern mich lieber corrigiren, wenn ich fortfahre wo Sie stehn gehlieben sind?
Die Recension der Charakteristiken ist bereits abgegangen; ich wünsche daß sie Ihnen recht sein möge. Für Ihre Vorlesung kann ich nur sehr indirekt etwas thun indem ich Andere antreibe sich recht dafür zu interessiren, denn ich selbst sehe wie Sie wissen keinen Menschen. Die Esel die Sie mir über die Predigten bohren haben Sie noch bei mir gut. Leben Sie wohl und grüssen Sie Alles von mir
Schl.
Es ist mir sehr angenehm liebster Freund, daß Ihnen die Kritik des Macbeth einiges Vergnügen gemacht hat, wiewohl es mir vorkommt als hätten Sie auch außerdem daß sie Ihnen zu wenig pikant ausgefallen ist noch etwas gegen sie in Petto, wohinter ich noch nicht recht kommen kann. Ich habe einige gar nicht üble Einfälle über die Hexen und das Morgenlied mit Fleiß abgewiesen, die ich anderswo nicht würde gestrichen haben. Allein ich glaub daß man einem solchen Institut wie der Erlanger Zeitung nicht um etwas so unwesentlichen willen unnüze Händel erregen müsse. Was nöthig ist steht doch da, und ich denke wer nicht ganz mit Blindheit geschlagen ist muß es auch finden. Memel hat mir viel Bewunderung bezeigt, ob verstehende oder gewöhnliche weiß ich nicht; das schlimmste ist daß sie in Thätlichkeiten übergegangen ist. Er muthet mir nemlich in seiner Entzükung im Ernst zu Ihren und den Eschenburgschen Shakespeare zu beurtheilen; er habe schon 2 Recensionen cassirt, sei heilig entschlossen nur ein Meisterstük hierüber andruken zu lassen, und erwarte das von mir. Denken Sie! Nun sehe ich zwar aus Ihrem Briefe daß Sie Sich das wollen gefallen lassen, ich möchte [2] Sie aber doch bitten mich dessen zu überheben, welches Sie am besten bewerkstelligen können wenn Sie ihm einen andern vorschlagen. Sollte denn Tiek gar nicht zu bereden sein dieses Werk nun endlich zu vollbringen? und sollte nicht am Ende Bernhardi noch beßer darauf gesattelt sein als ich? Ich müßte noch unendlich viel Studien dazu machen, von der Art die mir sehr viel Zeit kosten, und ich habe leider gar keine übrig. Denken Sie daß ich versprochen habe zur Michaelismesse 1802 die Kritik der Moral fertig zu liefern, und daß ich dazu noch Alles was es von Moral giebt durchzustudiren und zu excerpiren habe, und daß vielleicht am Ende gar auch für den Plato bis dahin noch etwas zu thun sein kann.
Wie können Sie nur in Hinsicht auf diesen den Friedrich vertheidigen wollen. Ich glaube daß ich eben so viel allgemeine Studien aufzuweisen habe als er deren Resultate uns für die ganze Arbeit zu Nuze kommen werden, und gegen die am Ende weniger einzuwenden sein möchte als gegen sein aufgestelltes System. Noch dazu ist das was er mir davon mitgetheilt hat so obenhin und ohne Detail daß sich nicht einmal etwas gründliches darüber sagen läßt. Laßen Sie Sich einmal den Bogen den er mir geschikt hat zeigen und urtheilen Sie dann selbst, und besehen Sie Sich hernach wenn Sie herkommen meine [3] Studien dagegen. Dem sei aber wie ihm wolle; wenn er sich mit diesen allgemeinen Studien ein ganzes Jahr lang und darüber begnügen wollte, so hätte er nicht zwei Messen fälschlicherweise einen Band versprechen und mich nicht unnöthigerweise treiben müßen. Mit dem Phädrus ist er sehr schlecht umgegangen und ich kann ihm schon aus den 2 Bogen die ich gelesen habe die unverantwortlichsten Nachläßigkeiten nachweisen, nicht nur Drukfehler und handgreifliche Schreibfehler sondern mehrere Stellen wo er mich offenbar hätte verbessern und andere wo er wenigstens große Bedenklichkeiten erst hätte äußern sollen. Die große Genauigkeit mit der er ihn gelesen haben will, wird nur darin bestehn, daß er keinen Griechen hat stehn lassen ohne ihn in einen Hellenen zu verwandeln. Auch habe ich ihm schon erklärt daß ich schlechterdings auf dem Umdruk aller dieser Stellen bestehe. Und nun da er doch nichts daran thut ersuche ich Sie Sich aufs baldigste den Phaidros und den Protagoras und die dazu gehörigen Anmerkungen von ihm ausliefern zu lassen und mir zuzuschiken. Ich werde diese beiden Dialogen jezt mit Heindorf lesen und vielleicht noch einige Hülfsmittel in die Hände bekommen die mir bisher gefehlt haben und werde also viel zur Vervollkomnung der Arbeit thun können da sie bei ihm gewiß ganz unnüz liegt. Erweisen Sie mir diese einzige Liebe, ich beschwöre Sie darum – daß ich dem ohnbeschadet an dem guten Zeugniß, welches Sie ihm geben meine Freude habe darf ich nicht erst sagen.
[4] Die Trimeter haben mich sehr ergözt, indeß wage ich Ihnen eine kleine Einwendung zu machen. Ich glaube nemlich daß wir uns der leidigen Alexandriner wegen noch mehr als die Griechen hüten müssen auch nur den kleinsten Abschnitt in die Mitte der zweiten Dipodie zu bringen, wie
Des blinden Greisen Kind / Antigone wohin
Lieber würde ich mir gleich im ersten Vers die Freiheit der ungleichen Füsse vindiciren und sagen
Des blinden Greisen Tochter Antigone wohin
Nur der 3te 4te 5te 9te 10te und 13te scheinen mir in dieser Hinsicht vollkommen denn ich glaube ehe die Menschen an diesen Vers gewöhnt sind müßte schlechterdings kein Wort mit dem 3ten Fuß endigen. Ferner glaube ich daß man sich den Tribrachys und Anapäst viel erlauben müsse aber nie den Daktylus weil bei uns die Länge vor 2 kurzen so unmenschlich lang ist und gar keine Jamben sondern nur einen Trochäen repräsentiren kann. Belehren Sie mich doch hierüber. Was man in der Uebersezung dem Choreischen Sylbenmaaß substituiren muß, darüber bin ich im Reinen: aber in einem ganz eignen Gedicht darüber wäre ich auf Ihre Meinung sehr begierig. – Werden Sie mich nicht auslachen sondern mich lieber corrigiren, wenn ich fortfahre wo Sie stehn gehlieben sind?
Die Recension der Charakteristiken ist bereits abgegangen; ich wünsche daß sie Ihnen recht sein möge. Für Ihre Vorlesung kann ich nur sehr indirekt etwas thun indem ich Andere antreibe sich recht dafür zu interessiren, denn ich selbst sehe wie Sie wissen keinen Menschen. Die Esel die Sie mir über die Predigten bohren haben Sie noch bei mir gut. Leben Sie wohl und grüssen Sie Alles von mir
Schl.