[1] Jena d. 18 Dez 98
Mit dem wärmsten Danke schicke ich Ihnen die mitgetheilten Bogen zurück, die ich mit großer Freude gelesen und wieder gelesen habe. Es scheint mir unendlich wichtig, daß die reinen Gesetze der Kunst, die sonst immer wie mathematische Demonstrazionen aussehen, gegen die empirischen Theorien so lebendig und kraftvoll vorgetragen werden; die Zeit ist reif dazu.
Es ist merkwürdig, daß das Argument, wodurch Diderot die Unmöglichkeit der Korrektheit im strengsten Sinne, zu beweisen sucht, schon bey Plato in seiner Republik vorkommt. Dieser gebraucht es nämlich in der Absicht zu zeigen daß von der Kunst keine Wahrheit zu hoffen sey. Für die welche den Werth eines Kunstwerks in die Belehrung (eines bildenden in die physiologischen, eines Romans oder Schauspiels in [2] die psychologischen Aufschlüsse, die es ertheilen soll) setzen, bleibt es auch wie mich dünkt ein vortreffliches Argumentum ad hominem, welches sie aus ihrem Gesichtspunkte nicht zu widerlegen vermögen. Und jene Art, die Kunst zu beurtheilen, ist noch herrschender, als man laut eingestehen will.
Hirt hat auch S. 26 eine kleine Zurechtweisung bekommen, ohne daß Sie vielleicht daran gedacht. Ich wünsche ihm viele folgende.
Der zweyte Aufsatz veranlaßte mich zu allerley Gedanken über die Art wie zeichnende Kunst die Poesie begleiten darf u soll, wo sie also auf die Selbständigkeit die sonst mit Recht von ihr gefodert wird freywillig Verzicht thut, und zu einer bloßen Begleitung nach Art der Musikalischen wird.
[3] Mich verlangt recht sehr darnach, über alle diese Gegenstände mich bald mündlich mit Ihnen unterreden zu können.
Leben Sie recht wohl und vergessen Sie uns nicht.
AWSchlegel
[4]
Mit dem wärmsten Danke schicke ich Ihnen die mitgetheilten Bogen zurück, die ich mit großer Freude gelesen und wieder gelesen habe. Es scheint mir unendlich wichtig, daß die reinen Gesetze der Kunst, die sonst immer wie mathematische Demonstrazionen aussehen, gegen die empirischen Theorien so lebendig und kraftvoll vorgetragen werden; die Zeit ist reif dazu.
Es ist merkwürdig, daß das Argument, wodurch Diderot die Unmöglichkeit der Korrektheit im strengsten Sinne, zu beweisen sucht, schon bey Plato in seiner Republik vorkommt. Dieser gebraucht es nämlich in der Absicht zu zeigen daß von der Kunst keine Wahrheit zu hoffen sey. Für die welche den Werth eines Kunstwerks in die Belehrung (eines bildenden in die physiologischen, eines Romans oder Schauspiels in [2] die psychologischen Aufschlüsse, die es ertheilen soll) setzen, bleibt es auch wie mich dünkt ein vortreffliches Argumentum ad hominem, welches sie aus ihrem Gesichtspunkte nicht zu widerlegen vermögen. Und jene Art, die Kunst zu beurtheilen, ist noch herrschender, als man laut eingestehen will.
Hirt hat auch S. 26 eine kleine Zurechtweisung bekommen, ohne daß Sie vielleicht daran gedacht. Ich wünsche ihm viele folgende.
Der zweyte Aufsatz veranlaßte mich zu allerley Gedanken über die Art wie zeichnende Kunst die Poesie begleiten darf u soll, wo sie also auf die Selbständigkeit die sonst mit Recht von ihr gefodert wird freywillig Verzicht thut, und zu einer bloßen Begleitung nach Art der Musikalischen wird.
[3] Mich verlangt recht sehr darnach, über alle diese Gegenstände mich bald mündlich mit Ihnen unterreden zu können.
Leben Sie recht wohl und vergessen Sie uns nicht.
AWSchlegel
[4]