[1] Jena d. 4 May 1800
Seyn Sie tausendmal bedankt für die Erquickung des vortrefflichen Ungarischen Weins, der meiner Frau ein wahrer Balsam ist. Leider ist sie immer noch in dem Falle dergleichen Stärkungen zu bedürfen, ihre Kräfte nehmen äußerst langsam zu, und die krampfhaften Zustände stellen sich dazwischen immer wieder ein. Der Arzt wünscht, daß sie eine Reise machen möchte, er glaubt dieß könne für die Genesung entscheidend seyn, und dazu muß man, wo möglich, das jetzige herrliche Wetter benutzen. Sie wird also wahrscheinlich übermorgen ihr Krankenlager verlassen, ich begleite sie bis Rudolstatt oder Saalfeld, sie geht nach Bamberg, von wo sie nur wenige Stunden zu dem Bade hat, das sie nun bald gebrauchen soll, nemlich Bocklet.
Mein Bruder hat es sehr beklagt, Sie nicht zu treffen, doch hat er uns einige [2] Hoffnung mitgebracht, daß wir Sie bald hier sehen werden. Ich denke bald einmal wieder nach Weimar zu kommen, wenn ich erst eine Geschäftsreise nach Leipzig überstanden habe.
Mit der mir verschafften Bibliotheque des Romans ist mir wesentlich geholfen, und ich werde sie nächstens zurückbesorgen. Zwar dient so etwas nur in Ermangelung der Originale: ein solcher moderner Franzose ist ein fast unbrauchbares Geschöpf, wo es auf Darstellung des Geistes alter Dichtung ankommt; es ist unglaublich, wie abgeschmackt nicht nur, sondern auch unkritisch und ungelehrt des Gr.[afen] Tressan Arbeiten in diesem Fache sind. Ich halte mich daher so viel möglich an die Quellen, und suche mich deswegen der Sprache unsrer alten Minnesinger ganz zu bemächtigen, welches so wohl wegen des Mangels an Hülfsmitteln, als weil die Abdrücke von fehlerhaften Lesearten wimmeln, gar nicht leicht ist.
[3] Übrigens bin ich in diesen Tagen fleißig gewesen, und habe schon einen Gesang von meinem großen Gedichte fertig. Ich hoffe diesen Sommer noch beträchtlich vorzurücken, denn ich glaube nicht an die Gedichte, woran man 20 bis 30 Jahre arbeitet.
Über den Mahomet mündlich. – Sie werden nun Tiecks Dichtungen empfangen haben, ich bin begierig wie Sie die Melusine und das Rothkäppchen finden. Tieck ist immer noch nicht ganz hergestellt, ich denke er müßte ein Bad brauchen, was er aber nicht glauben will.
Schelling hat uns vorgestern früh verlassen.
Leben Sie recht wohl, die besten Empfehlungen von allen.
AWSchlegel
Ich lege einen Brief meines Schwagers, des Garnison-Arztes Michaelis in Harburg, [bey,] der das Detail von einem schrecklichen Ereigniß [4] enthält, wovon Sie vielleicht in den Zeitungen gelesen haben. Ein Artikel im Hamburger Correspond. darüber war von derselben Hand, aber abgekürzter.
Jetzt habe ich von den Aretin. Sonetten das 1te u 3te erhalten; ich hoffe das zweyte wird nicht etwa unterwegs verlohren gegangen seyn.
Seyn Sie tausendmal bedankt für die Erquickung des vortrefflichen Ungarischen Weins, der meiner Frau ein wahrer Balsam ist. Leider ist sie immer noch in dem Falle dergleichen Stärkungen zu bedürfen, ihre Kräfte nehmen äußerst langsam zu, und die krampfhaften Zustände stellen sich dazwischen immer wieder ein. Der Arzt wünscht, daß sie eine Reise machen möchte, er glaubt dieß könne für die Genesung entscheidend seyn, und dazu muß man, wo möglich, das jetzige herrliche Wetter benutzen. Sie wird also wahrscheinlich übermorgen ihr Krankenlager verlassen, ich begleite sie bis Rudolstatt oder Saalfeld, sie geht nach Bamberg, von wo sie nur wenige Stunden zu dem Bade hat, das sie nun bald gebrauchen soll, nemlich Bocklet.
Mein Bruder hat es sehr beklagt, Sie nicht zu treffen, doch hat er uns einige [2] Hoffnung mitgebracht, daß wir Sie bald hier sehen werden. Ich denke bald einmal wieder nach Weimar zu kommen, wenn ich erst eine Geschäftsreise nach Leipzig überstanden habe.
Mit der mir verschafften Bibliotheque des Romans ist mir wesentlich geholfen, und ich werde sie nächstens zurückbesorgen. Zwar dient so etwas nur in Ermangelung der Originale: ein solcher moderner Franzose ist ein fast unbrauchbares Geschöpf, wo es auf Darstellung des Geistes alter Dichtung ankommt; es ist unglaublich, wie abgeschmackt nicht nur, sondern auch unkritisch und ungelehrt des Gr.[afen] Tressan Arbeiten in diesem Fache sind. Ich halte mich daher so viel möglich an die Quellen, und suche mich deswegen der Sprache unsrer alten Minnesinger ganz zu bemächtigen, welches so wohl wegen des Mangels an Hülfsmitteln, als weil die Abdrücke von fehlerhaften Lesearten wimmeln, gar nicht leicht ist.
[3] Übrigens bin ich in diesen Tagen fleißig gewesen, und habe schon einen Gesang von meinem großen Gedichte fertig. Ich hoffe diesen Sommer noch beträchtlich vorzurücken, denn ich glaube nicht an die Gedichte, woran man 20 bis 30 Jahre arbeitet.
Über den Mahomet mündlich. – Sie werden nun Tiecks Dichtungen empfangen haben, ich bin begierig wie Sie die Melusine und das Rothkäppchen finden. Tieck ist immer noch nicht ganz hergestellt, ich denke er müßte ein Bad brauchen, was er aber nicht glauben will.
Schelling hat uns vorgestern früh verlassen.
Leben Sie recht wohl, die besten Empfehlungen von allen.
AWSchlegel
Ich lege einen Brief meines Schwagers, des Garnison-Arztes Michaelis in Harburg, [bey,] der das Detail von einem schrecklichen Ereigniß [4] enthält, wovon Sie vielleicht in den Zeitungen gelesen haben. Ein Artikel im Hamburger Correspond. darüber war von derselben Hand, aber abgekürzter.
Jetzt habe ich von den Aretin. Sonetten das 1te u 3te erhalten; ich hoffe das zweyte wird nicht etwa unterwegs verlohren gegangen seyn.