[1] Hannover den 22 Nov. 95.
Liebster Wilhelm, endlich dencke ich wieder darauf, mein Gefängniß, in welches ich durch ein höchstlangweiliges und beschwerliches Uebel nun schon in die 5te Woche gehalten bin, allmählich wieder zu verlassen, wiewohl ich noch nicht ganz wieder hergestellt bin. Das beste dabey war noch, daß ich dabey arbeiten konnte, ob es mir gleich schwerer ward, und auch etwas angriff. Desto gesünder werde ich ja nun wohl darnach werden. – Von Dir habe ich seitdem nichts gehört, als nur dann und wann durch meine Mutter. Meinen letzten Brief, worin ich Dir das übrige Geld wieder zurück schickte, hast Du doch wohl erhalten.
Dein Dante, den wir mit Papens gemeinschaftlich gelesen, hat uns einige angenehme Abende ge[2]macht. In Deinen Versen findet man keine Spuhren, wodurch es fühlbar werden könnte, daß es eine Uebersetzung sey, auch wird man durch Deinen Commentar, der viele intressante Bemerkungen enthalt, leicht in den Stand gesetzt, sich in den Geist dieses Dichters und seines Zeitalters zu versetzen. Auch Pape ist sehr dafür eingenommen. Es frappirt ihm besonders das Anschauliche in den einzeilnen Darstellungen, durch wenige kühne Züge. Bey meiner Frau und der Frau von Pape hat auch besonders seine erste Liebe viel Glück gemacht.
Jezt habe ich endlich auch Fritzens Aufsatz in der Berlinischen Monathsschrift über Diotima gelesen. Eine einmalige flüchtige Lectüre eines [3] solches Aufsatzes unter vielen andern hetrogenen Beschäftigungen und Zerstreuungen ist zu wenig zur richtigen Beurtheilung, zumal da das Zeitalter, worauf es sich bezieht, mir selbst zu fremd ist, und er so durchaus seinen eignen Gang geht. Ich finde ihn verständlicher, als die meisten seiner andern Aufsätze, voll reicher neuer Gedanken die mir wenigstens neu waren, und den glücklichen Blick verrathen, womit er seinen Gegenstand umfaßt. Aber eben die Reichhaltigkeit und Vielseitigkeit seiner Ideen scheint es mir zu verursachen, daß es schwer wird, seinen ganzen Ideengang zu übersehen; welches ich jedoch nur auf mich einschräncken und nicht allgemein gesagt haben will. Jedoch so viel glaube ich, daß, so viel auch von jeher von Griechen, Griechischem Geist, Cultur und Sitten und zwar von solchen am meisten, die sie am wenigsten [4] kennen gesprochen wird ist, und noch wird, sein Werck doch kein allgemeines Intresse finden wird, da der Gegenstand den meisten zu entlegen ist; und wenn auch viele es lesen sollten, so wird es doch vorzüglich nur für Kenner seyn.
Noch über eins wollte ich Dir schreiben. Ich habe jezt wegen der neuen Auflagen der Erxlebenschen Wercke nach dessen Tode, Namens der Erben mit dem Buchhändler Dietrich in Göttingen nun endlich einen Vergleich zu Stande gebracht, wobey eine Hauptbedingung darin besteht, daß er ihnen jezt noch 100 r. an Büchern geben muß, die sie selbst auswählen können. 30 r. an Büchern sind mir davon von meiner Schwiegermutter geschenkt, die ich also jezt auszuwählen habe. Einige juristische Bücher, als mir unentbehrliches Handwerkzeug muß ich mir noch anschaffen. Außerdem dachte ich mir noch einige zu unserm Vergnügen, von bleibendem [5] Werthe und Intresse, die das Anziehende nicht bey der ersten Lectüre verlieren, anzuschaffen; als etwa Eschenburgs Uebersetzung vom Shackespear (was kostet sie?) Auch fehlt mir ein französisches Lexicon, welches ich mir anschaffen muß; wovon ich mir ein gutes vorzuschlagen bitte. Indessen sollte dieß meiner Meinung nach nur etwa 25 r. kommen. Die andern 25 Rt. möchte ich, meinen Ansprüchen wo nicht auf einen Protector doch Liebhaber der Wissenschaften unbeschadet, in allen Ehren gern zu Gelde machen; wie Du mir in meiner Lage nicht verdencken wirst, da ich in der That in meiner jetzigen Wohnung keinen Platz zu einer großen Bibliotheck habe, und mich auch einigermassen mit [6] geliehenen Büchern behelfen, kann, das Geld aber zu manchen Dingen brauchen kann; zumal da ich jezt vorhabe, mir ein eignes Haus, sollte es auch nur ein kleines GartenHaus seyn, zu bauen; denn ich habe meinen Garten selbst angenommen, weil meine Frau eine große Freundin von Gartenleben ist, und es mir gewiß auch gut bekommen wird. – So weit die Vorrede. Solltest Du nun selbst ein oder das andere Buch Dir unumgänglich nothwendig anschaffen müssen, oder dort selbst sonst welche kennen, die sich welche anschaffen müssen, worüber Du allenfalls auch Cruse befragen kannst, so bitte ich mir die Bücher und den Preis zu melden, und verschreibe ich sie sodann mit den meinigen und schaffe sie womöglich Postfrey hin. – Ich müßte aber baldigst darüber Nachricht haben, um damit ich mich weil ich sie gleich verschreiben wollte, und mich noch an andere wenden könnte, wenn jezt dort keine nöthig wären.
[7] Meine Mutter befindet sich jezt wieder recht gut; merklich beßer als diesen Sommer. Meine Schwiegermutter ist aber eine Zeither unpaß gewesen, auch die Crausen, die eine Operation an ihrem Auge hat vornehmen lassen, die aber glücklich abgegangen. Von dem treuen Gefährten meiner Freuden u Leiden soll ich Dich bestens grüßen
JKF Schlegel
Lieber Bruder
Ich dancke Ihnen recht herzlich für die Güte mit welcher Sie meine Bitte, in ansehung der Tassen erfüllen wollen. Da Sie mir aber schrieben: daß es vieleicht lange dauren könnte, eh ich sie von Fürstenberg bekähme und ich Gelegenheit hatte hir Gotaer Tassen zu bekommen, so habe ich diese gekauft. wenn wir nun mahl bessere gebrauchen so werde ich so frei seyn, Sie wieder zu bemühn.
Heute geht mein lieber Mann zum ersten mahl wieder aus. er hat recht lange und viel leiden müßen.
geben Sie uns bald die Nachricht daß Sie recht wohl sind.
Ihre
Schwester Julie Schlegel
[8] [leer]
Liebster Wilhelm, endlich dencke ich wieder darauf, mein Gefängniß, in welches ich durch ein höchstlangweiliges und beschwerliches Uebel nun schon in die 5te Woche gehalten bin, allmählich wieder zu verlassen, wiewohl ich noch nicht ganz wieder hergestellt bin. Das beste dabey war noch, daß ich dabey arbeiten konnte, ob es mir gleich schwerer ward, und auch etwas angriff. Desto gesünder werde ich ja nun wohl darnach werden. – Von Dir habe ich seitdem nichts gehört, als nur dann und wann durch meine Mutter. Meinen letzten Brief, worin ich Dir das übrige Geld wieder zurück schickte, hast Du doch wohl erhalten.
Dein Dante, den wir mit Papens gemeinschaftlich gelesen, hat uns einige angenehme Abende ge[2]macht. In Deinen Versen findet man keine Spuhren, wodurch es fühlbar werden könnte, daß es eine Uebersetzung sey, auch wird man durch Deinen Commentar, der viele intressante Bemerkungen enthalt, leicht in den Stand gesetzt, sich in den Geist dieses Dichters und seines Zeitalters zu versetzen. Auch Pape ist sehr dafür eingenommen. Es frappirt ihm besonders das Anschauliche in den einzeilnen Darstellungen, durch wenige kühne Züge. Bey meiner Frau und der Frau von Pape hat auch besonders seine erste Liebe viel Glück gemacht.
Jezt habe ich endlich auch Fritzens Aufsatz in der Berlinischen Monathsschrift über Diotima gelesen. Eine einmalige flüchtige Lectüre eines [3] solches Aufsatzes unter vielen andern hetrogenen Beschäftigungen und Zerstreuungen ist zu wenig zur richtigen Beurtheilung, zumal da das Zeitalter, worauf es sich bezieht, mir selbst zu fremd ist, und er so durchaus seinen eignen Gang geht. Ich finde ihn verständlicher, als die meisten seiner andern Aufsätze, voll reicher neuer Gedanken die mir wenigstens neu waren, und den glücklichen Blick verrathen, womit er seinen Gegenstand umfaßt. Aber eben die Reichhaltigkeit und Vielseitigkeit seiner Ideen scheint es mir zu verursachen, daß es schwer wird, seinen ganzen Ideengang zu übersehen; welches ich jedoch nur auf mich einschräncken und nicht allgemein gesagt haben will. Jedoch so viel glaube ich, daß, so viel auch von jeher von Griechen, Griechischem Geist, Cultur und Sitten und zwar von solchen am meisten, die sie am wenigsten [4] kennen gesprochen wird ist, und noch wird, sein Werck doch kein allgemeines Intresse finden wird, da der Gegenstand den meisten zu entlegen ist; und wenn auch viele es lesen sollten, so wird es doch vorzüglich nur für Kenner seyn.
Noch über eins wollte ich Dir schreiben. Ich habe jezt wegen der neuen Auflagen der Erxlebenschen Wercke nach dessen Tode, Namens der Erben mit dem Buchhändler Dietrich in Göttingen nun endlich einen Vergleich zu Stande gebracht, wobey eine Hauptbedingung darin besteht, daß er ihnen jezt noch 100 r. an Büchern geben muß, die sie selbst auswählen können. 30 r. an Büchern sind mir davon von meiner Schwiegermutter geschenkt, die ich also jezt auszuwählen habe. Einige juristische Bücher, als mir unentbehrliches Handwerkzeug muß ich mir noch anschaffen. Außerdem dachte ich mir noch einige zu unserm Vergnügen, von bleibendem [5] Werthe und Intresse, die das Anziehende nicht bey der ersten Lectüre verlieren, anzuschaffen; als etwa Eschenburgs Uebersetzung vom Shackespear (was kostet sie?) Auch fehlt mir ein französisches Lexicon, welches ich mir anschaffen muß; wovon ich mir ein gutes vorzuschlagen bitte. Indessen sollte dieß meiner Meinung nach nur etwa 25 r. kommen. Die andern 25 Rt. möchte ich, meinen Ansprüchen wo nicht auf einen Protector doch Liebhaber der Wissenschaften unbeschadet, in allen Ehren gern zu Gelde machen; wie Du mir in meiner Lage nicht verdencken wirst, da ich in der That in meiner jetzigen Wohnung keinen Platz zu einer großen Bibliotheck habe, und mich auch einigermassen mit [6] geliehenen Büchern behelfen, kann, das Geld aber zu manchen Dingen brauchen kann; zumal da ich jezt vorhabe, mir ein eignes Haus, sollte es auch nur ein kleines GartenHaus seyn, zu bauen; denn ich habe meinen Garten selbst angenommen, weil meine Frau eine große Freundin von Gartenleben ist, und es mir gewiß auch gut bekommen wird. – So weit die Vorrede. Solltest Du nun selbst ein oder das andere Buch Dir unumgänglich nothwendig anschaffen müssen, oder dort selbst sonst welche kennen, die sich welche anschaffen müssen, worüber Du allenfalls auch Cruse befragen kannst, so bitte ich mir die Bücher und den Preis zu melden, und verschreibe ich sie sodann mit den meinigen und schaffe sie womöglich Postfrey hin. – Ich müßte aber baldigst darüber Nachricht haben, um damit ich mich weil ich sie gleich verschreiben wollte, und mich noch an andere wenden könnte, wenn jezt dort keine nöthig wären.
[7] Meine Mutter befindet sich jezt wieder recht gut; merklich beßer als diesen Sommer. Meine Schwiegermutter ist aber eine Zeither unpaß gewesen, auch die Crausen, die eine Operation an ihrem Auge hat vornehmen lassen, die aber glücklich abgegangen. Von dem treuen Gefährten meiner Freuden u Leiden soll ich Dich bestens grüßen
JKF Schlegel
Lieber Bruder
Ich dancke Ihnen recht herzlich für die Güte mit welcher Sie meine Bitte, in ansehung der Tassen erfüllen wollen. Da Sie mir aber schrieben: daß es vieleicht lange dauren könnte, eh ich sie von Fürstenberg bekähme und ich Gelegenheit hatte hir Gotaer Tassen zu bekommen, so habe ich diese gekauft. wenn wir nun mahl bessere gebrauchen so werde ich so frei seyn, Sie wieder zu bemühn.
Heute geht mein lieber Mann zum ersten mahl wieder aus. er hat recht lange und viel leiden müßen.
geben Sie uns bald die Nachricht daß Sie recht wohl sind.
Ihre
Schwester Julie Schlegel
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