[1] Hannover d. 8 Jan. 1796
Liebster Bruder, von H. Dietrichs in Göttingen, an den ich wegen vieler Geschäfte nicht sogleich schreiben können, erhalte ich eben Nachricht, daß er den Gibbon erst für mich kommen ließe; daß aber Johnsons engl. Dictionary nicht, wie Du glaubtest, ganz englisch, sondern das in Deutschland gedruckte nach Johnsons Grundsätzen deutsch und englich bearbeitet sey. Es kömmt also darauf an, ob Du dieses noch willst, oder vielleichst statt dessen die englische Ausgabe, worüber ich mir Nachricht erbitte.
Warum hast Du uns denn nicht gemeldet, daß Du in Schillers Calender ein Gedicht gegeben. Ich bin sehr dadurch überrascht; wir lasen es zusammen in Nienburg, wohin ich den Assessor [2] von Pape, der zum Landtage hin muß, zu meiner Erholung und besonders der Motion wegen hin begleitet habe. Es hat unseren vollsten Beyfall gehabt; wie denn dieser Calender eine recht außerlesene Sammlung von Gedichten enthält. Ich habe bey weitem noch nicht alle gelesen, aber vorzüglich haben mir einige von Schillern, und die schöne Sammlung von Epigrammen, die ja wohl von Göthe ist, gefallen. Sie enthalten einen solchen treffenden Sinn, in einem so leichten und gefälligen Gewande, daß sie mich auf das angenehmste beschäftigt haben. – Göthens letztes Mährchen in den Unterhaltungen der Ausgewanderten hat uns beym Vorlesen äußerst gespannt, und ein Gefühl des Wunderbaren fast schwindlich [3] gemacht; nur ist man am Ende sehr unbefriedigt, weil man den Aufschluß des allegorischen Sinns erwartet, der nicht erfolgt, und vielleicht auch nicht erfolgen soll, den wir uns aber nicht selbst geben konnten. – Deine Briefe haben wir noch nicht gelesen, wie wir denn jezt seltner zum lesen kommen können. Auf Deine Recension in der Allg. Litter. Zeitung über Göthes und Schillers neueste Poesieen bin ich begierig. Wenn Fritzens Werk im Buchladen zu haben ist, wirst Du es mir melden.
Meine kleine Reise ist mir recht gut bekommen, und angenehm gewesen, ich hoffe ja, daß es Dir auch gut geht. Kürzlich habe ich hier [4] zufälliger Weise H. Doctor Michaelis im hiesigen Concerte kennen lernen, welches mir recht angenehm war. Es heißt, daß er als Stadtphysicus nach Harburg kömmt. Das Project, meinen Bruder nach Stolzenau zu bringen, ist noch immer im Gang, und durch meine Reise nach Nienburg, wo ich darüber einige Nachrichten eingezogen, noch mehr in Gang gebracht. Man muß es nun erwarten, wozu er sich entschließt. Er hat große Lust nach Göttingen in Luthers Stelle zu kommen; diese wird aber schwerlich jezt vacant. Mache Crusen meine besten Empfehlungen. Ich hätte wohl Lust, im nächsten Sommer mit meiner Frau eine kleine Reise nach Braunschweig zu machen, doch ist das noch weit hin und ungewiß Karl Schlegel
Liebster Bruder, von H. Dietrichs in Göttingen, an den ich wegen vieler Geschäfte nicht sogleich schreiben können, erhalte ich eben Nachricht, daß er den Gibbon erst für mich kommen ließe; daß aber Johnsons engl. Dictionary nicht, wie Du glaubtest, ganz englisch, sondern das in Deutschland gedruckte nach Johnsons Grundsätzen deutsch und englich bearbeitet sey. Es kömmt also darauf an, ob Du dieses noch willst, oder vielleichst statt dessen die englische Ausgabe, worüber ich mir Nachricht erbitte.
Warum hast Du uns denn nicht gemeldet, daß Du in Schillers Calender ein Gedicht gegeben. Ich bin sehr dadurch überrascht; wir lasen es zusammen in Nienburg, wohin ich den Assessor [2] von Pape, der zum Landtage hin muß, zu meiner Erholung und besonders der Motion wegen hin begleitet habe. Es hat unseren vollsten Beyfall gehabt; wie denn dieser Calender eine recht außerlesene Sammlung von Gedichten enthält. Ich habe bey weitem noch nicht alle gelesen, aber vorzüglich haben mir einige von Schillern, und die schöne Sammlung von Epigrammen, die ja wohl von Göthe ist, gefallen. Sie enthalten einen solchen treffenden Sinn, in einem so leichten und gefälligen Gewande, daß sie mich auf das angenehmste beschäftigt haben. – Göthens letztes Mährchen in den Unterhaltungen der Ausgewanderten hat uns beym Vorlesen äußerst gespannt, und ein Gefühl des Wunderbaren fast schwindlich [3] gemacht; nur ist man am Ende sehr unbefriedigt, weil man den Aufschluß des allegorischen Sinns erwartet, der nicht erfolgt, und vielleicht auch nicht erfolgen soll, den wir uns aber nicht selbst geben konnten. – Deine Briefe haben wir noch nicht gelesen, wie wir denn jezt seltner zum lesen kommen können. Auf Deine Recension in der Allg. Litter. Zeitung über Göthes und Schillers neueste Poesieen bin ich begierig. Wenn Fritzens Werk im Buchladen zu haben ist, wirst Du es mir melden.
Meine kleine Reise ist mir recht gut bekommen, und angenehm gewesen, ich hoffe ja, daß es Dir auch gut geht. Kürzlich habe ich hier [4] zufälliger Weise H. Doctor Michaelis im hiesigen Concerte kennen lernen, welches mir recht angenehm war. Es heißt, daß er als Stadtphysicus nach Harburg kömmt. Das Project, meinen Bruder nach Stolzenau zu bringen, ist noch immer im Gang, und durch meine Reise nach Nienburg, wo ich darüber einige Nachrichten eingezogen, noch mehr in Gang gebracht. Man muß es nun erwarten, wozu er sich entschließt. Er hat große Lust nach Göttingen in Luthers Stelle zu kommen; diese wird aber schwerlich jezt vacant. Mache Crusen meine besten Empfehlungen. Ich hätte wohl Lust, im nächsten Sommer mit meiner Frau eine kleine Reise nach Braunschweig zu machen, doch ist das noch weit hin und ungewiß Karl Schlegel