[1] 1791 den 12ten Okto
Als ein Verdienst darf ich mir es doch wohl anrechnen daß ich itzt in der Unruhe an dir schreibe liebster Bruder; aber dafür mußt Du es auch verzeihn wenn dieser Brief sehr flüchtig geschrieben ist, da ich nur in abgebrochnen Augenblicken dazu kommen kann! Ich stelle mir es vor daß Du sehr gerne etwas vieles von unserm itzigen leben hören wirst, wenn Charlotte wieder weg, und das gückliche Leben ein Ende hat, sollst Du auch recht weitläuftige Beschreibungen von alledem dem haben was wir vorgenommen haben.
Am vorigen Donnerstag Abends 6 Uhr Mittags 2 Uhr kamm mein Bruder aus Harburg, uns für den Tag ganz unerwartet an; ich wir waren mit allen übrigen preparationen fertig, und ich war eben in der Küche gegangen um etwas Backwerk zu machen, er war mit Gärtner den Hamburger Bote gekommen, ich meldete ihn beym Vater als einen dürftigen fremden Prediger, der wahr[2]scheinlich um eine kleine Unterstützung nachsuchen würde (er hatte seinen Bothfelder blau Rock an, und konnte in dieser Kleidung sehr wohl dafür passieren) der Bediente hatte aber nicht reinen Mund gehalten, und meinem Vater schon zuvor gesagt daß Moritz da wäre, daß machte denn wohl daß mein Vater den Spaß bald merke! um 6 Uhr kam Lottchen, Tante Schlegeln, und Carl von Braunschweig wo sie anderthalb Tag sehr vergnügt in Gärtners Hause zugebracht, an. Die Freude war von beyden Seiten sehr groß und obgleich Lottchen sich schon den ganzen Tag darauf vorbereitet, daß sie sich nicht zu lebhaft freuen wollte, so sagte sie doch wie der Fuhrmann gesagt hätte nun in der ersten Rege, da wäre alle preparation umsonst gewesen! nun wars ein sprechen, ein Erzählen! Die Erfahrung habe ich auch gemacht, es ist nichts so erfreuliches als die Augenblicke des Wiedersehens, nach langer Trennung, die heftige agitation [3] bey meiner Ankunf in Dresden, und hier wieder in Hannover, vergeße ich in meinem Leben nicht! Tante Caroline kam den Abend darauf, und nun ist es eine Freude zu sehen, wie die beyden Tanten es so hille mit einander haben, des Schwatzens ist gar kein Ende, sie logiren beyde oben, auf meiner Stube und Kammer, die recht hübsch beyde egal hell blau gemahlt sind, mit einem gelben Rande. Es ist recht hübsch daß sie beyde zusammen hier sind, denn eine würde ohne die andere ihr conto nicht so gefunden haben. Lottchen und ich, wir beyde wohnen in der rothen Stube in der sonstigen Eßstube, das Visitenzimmer, ist unsre gewöhnliche Zusammenkunfts Stube, wo gefrühstückt wird, Besuche angenommen etc. Meiner Mutter Stube ist das gewöhnliche Eßzimmer.
Nun sind wir in der Zeit schon um ein merkliches weiter gerückt, es sind schon [4] volle 8 Tage seit L.ʼ Ankunft. Morgen reißt der Pastor schon wieder weg, daß bringt einen den Abschied näher, Lottchen heute über 14 Tage, die Zeit schwindet wie ein Traum. Heute ist mein Bruder nach Bothfeld gewandert, und wir sind zusammen diesen Abend zu einem Grand thée bey Lehz[en]s, und diesen Mittag ißt Caroline hier. Bialoblotzky hat ein paar mahl allein bey uns gegeße[n] ein paar mahl Pape Rehbergs und er, den Ab[end] wo es recht munter und hübsch war; einmahl sind wir zusammen bey R[e]hbergs gewesen wo aber niemand war als [H]err von Ompteda, ein Bruder des Offi[c]iers, ich glaube Du hast ihn in Göttinge[n] gekannt, es scheint ein artiger angenehmer Mann, er kömmt nach Dresden in Rudloffs stelle; es war Charlotten besonders, recht angenehm seine Bekanntschaft zu machen. Tatter sollte auch da seyn, blieb aber aus, und no[ch] mehrere, die Zimmermannen, Klockenbrin[g] [5] etc. die aber alle versagt gewesen. Es sind itzt viel Partien, da vor ein paar Tagen, der Demoisell Rudloff ihre Verheyratung mit dem Assessor Bömer gewesen. Dann haben wir Gestern Abend ziemlich große Gesellschaft gehabt. Alberti mit seinem Bruder dem Amtmann, und deßen Tochter, H. Schmidt, Herr Bialo. Pastor Hagemann und Frau, Demoisell Blauels; die Kummen blos zum Tee. Wir waren sehr lustig, hatten auch recht schönen Punsch, der zur Munterkeit wohl nicht wenig beyträgt.
Einmahl sind wir zum Kaffee en famille auf dem Garten gewesen, Lottchen war betrübt über die Laube, aber die übrigen Veränderungen mit dem Bosquet gefielen ihr sehr. Charlotte fängt an schon wieder sich sehr nach ihrem Manne zu sehnen, den ersten Tag hieß es sie blieb 4 Wochen nun sind 3 da[6]raus geworden. Sie wird Dir wie sie sagt nächstens schreiben. Von allen die herzlichsten Grüße. Sehr groß war die Freude von uns allen über Deine Briefe. Ich freue mich schon zum vora[us] auf deinen nächsten erzählenden da Du so eine interessante tour vorhast.
Carl bringt Lottchen bis Zerbst. 8 Tage wird er aus seyn. Adieu Adieu
Henriette Schlegel
N S.
Die vielen kleinen Reisen, die ich kürzlich gemacht, und noch vorhabe, haben mich in meinen Geschäften zurückgesetzt, und es fast unmöglich gemacht, Dir zu schreiben. Nächstens soll es doch gewiß geschehen, u. alle Deine Commissionen besorgt werden. Hiebey kömmt ein Brief von Papen. Lebe recht wohl
Karl Schlegel
d. 14 Octb. 1791.
Als ein Verdienst darf ich mir es doch wohl anrechnen daß ich itzt in der Unruhe an dir schreibe liebster Bruder; aber dafür mußt Du es auch verzeihn wenn dieser Brief sehr flüchtig geschrieben ist, da ich nur in abgebrochnen Augenblicken dazu kommen kann! Ich stelle mir es vor daß Du sehr gerne etwas vieles von unserm itzigen leben hören wirst, wenn Charlotte wieder weg, und das gückliche Leben ein Ende hat, sollst Du auch recht weitläuftige Beschreibungen von alledem dem haben was wir vorgenommen haben.
Am vorigen Donnerstag Abends 6 Uhr Mittags 2 Uhr kamm mein Bruder aus Harburg, uns für den Tag ganz unerwartet an; ich wir waren mit allen übrigen preparationen fertig, und ich war eben in der Küche gegangen um etwas Backwerk zu machen, er war mit Gärtner den Hamburger Bote gekommen, ich meldete ihn beym Vater als einen dürftigen fremden Prediger, der wahr[2]scheinlich um eine kleine Unterstützung nachsuchen würde (er hatte seinen Bothfelder blau Rock an, und konnte in dieser Kleidung sehr wohl dafür passieren) der Bediente hatte aber nicht reinen Mund gehalten, und meinem Vater schon zuvor gesagt daß Moritz da wäre, daß machte denn wohl daß mein Vater den Spaß bald merke! um 6 Uhr kam Lottchen, Tante Schlegeln, und Carl von Braunschweig wo sie anderthalb Tag sehr vergnügt in Gärtners Hause zugebracht, an. Die Freude war von beyden Seiten sehr groß und obgleich Lottchen sich schon den ganzen Tag darauf vorbereitet, daß sie sich nicht zu lebhaft freuen wollte, so sagte sie doch wie der Fuhrmann gesagt hätte nun in der ersten Rege, da wäre alle preparation umsonst gewesen! nun wars ein sprechen, ein Erzählen! Die Erfahrung habe ich auch gemacht, es ist nichts so erfreuliches als die Augenblicke des Wiedersehens, nach langer Trennung, die heftige agitation [3] bey meiner Ankunf in Dresden, und hier wieder in Hannover, vergeße ich in meinem Leben nicht! Tante Caroline kam den Abend darauf, und nun ist es eine Freude zu sehen, wie die beyden Tanten es so hille mit einander haben, des Schwatzens ist gar kein Ende, sie logiren beyde oben, auf meiner Stube und Kammer, die recht hübsch beyde egal hell blau gemahlt sind, mit einem gelben Rande. Es ist recht hübsch daß sie beyde zusammen hier sind, denn eine würde ohne die andere ihr conto nicht so gefunden haben. Lottchen und ich, wir beyde wohnen in der rothen Stube in der sonstigen Eßstube, das Visitenzimmer, ist unsre gewöhnliche Zusammenkunfts Stube, wo gefrühstückt wird, Besuche angenommen etc. Meiner Mutter Stube ist das gewöhnliche Eßzimmer.
Nun sind wir in der Zeit schon um ein merkliches weiter gerückt, es sind schon [4] volle 8 Tage seit L.ʼ Ankunft. Morgen reißt der Pastor schon wieder weg, daß bringt einen den Abschied näher, Lottchen heute über 14 Tage, die Zeit schwindet wie ein Traum. Heute ist mein Bruder nach Bothfeld gewandert, und wir sind zusammen diesen Abend zu einem Grand thée bey Lehz[en]s, und diesen Mittag ißt Caroline hier. Bialoblotzky hat ein paar mahl allein bey uns gegeße[n] ein paar mahl Pape Rehbergs und er, den Ab[end] wo es recht munter und hübsch war; einmahl sind wir zusammen bey R[e]hbergs gewesen wo aber niemand war als [H]err von Ompteda, ein Bruder des Offi[c]iers, ich glaube Du hast ihn in Göttinge[n] gekannt, es scheint ein artiger angenehmer Mann, er kömmt nach Dresden in Rudloffs stelle; es war Charlotten besonders, recht angenehm seine Bekanntschaft zu machen. Tatter sollte auch da seyn, blieb aber aus, und no[ch] mehrere, die Zimmermannen, Klockenbrin[g] [5] etc. die aber alle versagt gewesen. Es sind itzt viel Partien, da vor ein paar Tagen, der Demoisell Rudloff ihre Verheyratung mit dem Assessor Bömer gewesen. Dann haben wir Gestern Abend ziemlich große Gesellschaft gehabt. Alberti mit seinem Bruder dem Amtmann, und deßen Tochter, H. Schmidt, Herr Bialo. Pastor Hagemann und Frau, Demoisell Blauels; die Kummen blos zum Tee. Wir waren sehr lustig, hatten auch recht schönen Punsch, der zur Munterkeit wohl nicht wenig beyträgt.
Einmahl sind wir zum Kaffee en famille auf dem Garten gewesen, Lottchen war betrübt über die Laube, aber die übrigen Veränderungen mit dem Bosquet gefielen ihr sehr. Charlotte fängt an schon wieder sich sehr nach ihrem Manne zu sehnen, den ersten Tag hieß es sie blieb 4 Wochen nun sind 3 da[6]raus geworden. Sie wird Dir wie sie sagt nächstens schreiben. Von allen die herzlichsten Grüße. Sehr groß war die Freude von uns allen über Deine Briefe. Ich freue mich schon zum vora[us] auf deinen nächsten erzählenden da Du so eine interessante tour vorhast.
Carl bringt Lottchen bis Zerbst. 8 Tage wird er aus seyn. Adieu Adieu
Henriette Schlegel
N S.
Die vielen kleinen Reisen, die ich kürzlich gemacht, und noch vorhabe, haben mich in meinen Geschäften zurückgesetzt, und es fast unmöglich gemacht, Dir zu schreiben. Nächstens soll es doch gewiß geschehen, u. alle Deine Commissionen besorgt werden. Hiebey kömmt ein Brief von Papen. Lebe recht wohl
Karl Schlegel
d. 14 Octb. 1791.