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Henriette Ernst to August Wilhelm von Schlegel

[1] 1793 den 17ten Nov:
Schon recht oft hatte war ich willens dir zu schreiben bester Bruder, aber immer kamen Abhaltungen dazwischen. Die eine davon war daß unser guter lieber Ernst auch einen Anstoß von der nemlichen Krankheit bekam, er wurde zwar nicht so krank wie wir gewesen, aber es machte uns allen und besonders mir viel Sorgen. Im Anfange konnte man doch nicht gleich mit Gewisheit voraussehen, ob es nicht übel werden könte; ein paar Tage war er wirklich recht sehr krank. Daß ich in den Tagen alles befürchtete wirst du begreiflich finden, da ich ohnedieß mehr zum fürchten als hoffen disponirt war. Gottlob daß es so über gegangen! es sind aber doch fatale Krankheiten, die lange nachhängen; itzt sind wir alle aber wieder recht wohl; und haben noch immer einen rechten starken Apetit. Es traf sich in allen Betracht sehr zur unrechten Zeit mit Ernst, denn sein 2tes Examen war gerade in der Woche angesetzt; daß wurde nun aufgehoben, und wird nun am Ende dieses Montas seyn. Daß wir beyde, und zwar wie es sich versteht, mit der Mutter Einwilligung uns miteinander versprochen haben, habe ich dir ja wohl schon das vorigemal geschrieben? Ernst war eben im Begrif es dir zu schreiben wie er krank wurde, und itzt haben ihn noch immer gehäufte Geschäfte abgehalten. Er predigt alle Nachmittage, hält des Montags die Bettstunde und krammt in der Bücherkammer des sel. Vatters zur Auction zurechte, und aufs Examen gehört doch auch immer eine kleine preparation; ich bin [2] aber von deinen besten Wünschen für unser Glück überzeugt; du hast mir in deinen letzten Briefen wieder so viele Beweise von deine[r] Brüderlichen Freundschaft gegeben für die ich dir recht innig danke.
Wirklich bedarf ich itzt oft dergleichen Trostes. Du frägst, ob es wohl zu fürchten, daß meines Vaters Tod eine Veränderung auf Ernsts Aussichten machte? Ich fürchte es nicht, freilich wohl die Aenderung daß er nun keine Ansprüche mehr auf die hiesige Capelans Stelle macht; aber das könnte itzt auch gar nichts wünschenswerthes mehr für uns haben; aber nach den Äußerungen aller Consistorialräthe und auch des Präsidenten glaube ich daß ihm keine gar zu kleine Stelle wird angetragen werden, und daß er vielleicht schon bey der nächsten Besetzung die so etwa nach Weihnachten seyn wird, mit ernannt werden wird, und also vielleicht schon zu Ostern wird antreten müßen. So bald sich etwas näheres determinirt, so bist du einer der ersten dem ich es mittheile. Ob unser Wunsch nun, nicht zu weit von Hannover entfernt zu werden wird in Erfüllung gehen weis ich nicht, es wird darauf ankommen wie die Prediger versetzt werden.
Ob nun Moritz nach Lüchow kommen wird, daß muß die Zeit lehren, aber beynahe glaube ich es doch nicht. Ich wünschte sehr daß er eine gute Versorgung bekäme, womit er zufrieden seyn könnte. Binnen hier und ein Viertheiljahr muß sich viel äußern ausweisen. Wenn es mit Ernst’s Versorgung so bald kommen sollte, so kannst du dir wohl vorstel[3]len daß noch für uns recht viel Geschäfte seyn werden; itzt arbeiten wir schon zum voraus darauf. Einigermaßen ist es gut daß wir itzt so viel Geschäfte haben, es zerstreuet doch immer etwas. Den Garten wird meine Mutter wohl vermiethen weil es ihr gar zu viel Umstände machen würde ihn selbst zu bestellen, und Vergnügen können wir doch nunmehr, nicht mehr draußen finden alles, alles giebt eine traurige Errinnerung! Eine Wohnung hat meine Mutter schon beynahe so gut als gewis. An einer recht hübschen Gegend auf dem Steinwege nahe am Kalenburger Thore das ehemalige Borgerdingsche Haus, wenn du dir es erinnerst. Es ist die erste Etage, Carl zieht auch mit hinein, sie geben beyde 100 R. es sind recht hübsche Tapeten darin; sie denken sich beyde Mittags das Eßen von der Schenke haben zu laßen, um den Haushalt klein und ruhig zu haben. Zu Johannë ziehen sie schon ein, um Uhlens der wie du wohl schon wißen wirst der Nachfolger meines sel. Vaters ist Zeit zu laßen, wenn sie etwa Änderungen hier im Hause vorhaben. Ich hoffe meine Mutter wird in Ansehung der Tapeten und übrigen Sachen auch der Häuser auf dem Garten, gut mit Uhlen auseinander kommen; es ist ein schlimm Ding eher daß alles zu Stande ist. Uhle ist beym Consistorio schon eingeführt. Mit Carlʼs Versorgung ist es itzt ganz stille, und auch bey der Gelegenheit wie er beßer war hat er bey dem couren bey den Geheimderäthen nichts gehört. Es war nemlich die Rede davon gewesen Müllern, der sehr unbrauchbar ist in pension zu setzen, und anstatt [4] deßen meinen Bruder einrücken zu laßen; ob man nun ersten, ein Hauptversehen von ihm abwarten will, weis ich nicht.
Wegen dem Brief den du Tattern schreiben wolltest, thätest du da nicht beßer wenn du ihn hierher an uns schicktest, wir kö[nn]ten ihn alsdann durch den Depeschen Sekretair Parz, am sichersten bestellen. Denn es ist immer möglich daß der Prinz August itzt nicht in London sich aufhällt. Indeßen will ich doch suchen noch zu erfahren wie du den Brief am besten addressirst und es dir alsdann noch schreiben. Wegen deiner Bücher die noch hier sind was willst du für eine Verfügung damit treffen. Willst du etwa die du noch davon zu haben willst dir auszeichnen, und die übrigen mit in des Vaters auction verkaufen laßen? oder was soll sonst damit geschehen? Du müstest hierauf aber bald Nachricht schreiben damit sie dem Cataloge beygefügt werden könten.
Rehbergs sind uns etwas näher gekommen, aber auf der Burgstraße neben dem Ballhofe an, aber noch haben wir keinen großen Gebrauch davon machen können, theils weil der kleine Kayser so lange hier gewesen, der Gottlob heute wieder nach Bremen abgereiset ist, und weil es theils auch beynahe immer regnigtes Wetter. Wir gehen itzt überhaupt nicht viel aus, da wir so viel Geschäfte haben. Von Weihnachten an behalten wir nur ein Dienstmädchen, ein Mädchen und der Diener wird abgeschaft. Der Diener kömmt auf das Seminario. Lottchen und Ernst in Dresden befinden sich ganz gut, es hat doch die Nachricht ihrer Gesundheit, wie es scheint, nicht geschadet, ob es sie gleich sehr affiçirt hat, und Lottchen ist um sich zu erholen einige Tage auf einem Weinberge bey guten Freunden gewesen; Vielleicht lege ich dir noch einen Brief von Lottchen mit bey. Sie will viel für mich thun. Deine dich zärtlich liebende Schwester
Henriette Schlegel
  • Ernst, Henriette  Zeitverzug  begründen  Schlegel, August Wilhelm von
  • Ernst, Henriette  Gesundheit  mitteilen  Ernst, Sigmund
  • Schlegel, August Wilhelm von  Briefsendung  planen  Tatter, Georg Ernst
  • Schlegel, August Wilhelm von  Brief  senden lassen  Partz, Ernst Ludwig
  • Schlegel, August Wilhelm von  Brief  senden lassen  Ernst, Henriette
  • Schlegel, August Wilhelm von  Brief  senden  Tatter, Georg Ernst
  • Ernst, Henriette  Bücherverkauf  erfragen  Schlegel, August Wilhelm von
  • Ernst, Henriette  Einlagebrief  ankündigen  Ernst, Charlotte
Metadata Concerning Header
  • Date: Sonntag, 17. November 1793
  • Sender: Henriette Ernst ·
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel ·
  • Place of Dispatch: Hannover · ·
  • Place of Destination: Amsterdam · ·
Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-33449
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.7,Nr.75
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 23 x 18,9 cm
Language
  • German
Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia

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