[1] Hannover den 13ten May 94
Daß ist ja schön liebster Bruder daß dein Stillschweigen was uns allen anfieng ängstlich zu werden, nichts schlimmes auf sich hatte! Nun kann ich dir denn auch dafür endlich einmahl etwas frohes schreiben. Am vorigen Donnerstag kamm der H. Abt zu meiner Mutter, um ihr zu sagen daß H. Ernst zum 2ten Prediger in Moringen ernannt sey. Gleich anfänglich war meiner Mutter die weite Entfernung (es ist 10 Meilen von hier 1 Meile hinter Nordheim) sehr aufgefallen, und sie weinte sehr heftig, welches mir denn das Herz noch schwerer machte da ich ohnehin mich schon sehr für die Trennung fürchtete, und der Augenblick mir auch einen Kampf kostete wo ich es entschieden sehe daß ich alle die lieblingsträume von dem Leben auf dem Lande nahe bey Hannover aufgeben mußte! Aber sehr bald haben wir uns gefaßt, und sehen nun ein, daß wirklich sehr gut für uns gesorgt ist. Man hat H. Ernst wie Leß meiner Mutter mit vielen Lobsprüchen über seine Geschicklichkeit und Predigten gesagt, geglaubt, daß sein sächsischer Dialekt weniger dort auffallen würde, als auf dem platten Lande, daß [2] er dort gar keinen Landhaushalt bekäme, und daß hübscher Umgang dort sey. Dieses sind auch allerdings Vortheile und es wurde noch hinzugesetzt, daß wenn er erst dort sich mehr an den niedersächsischen Dialekt gewöhnt, er alsdann immer könne anders gesetzt werden. Es soll eine der herlichsten, fruchtbarsten Gegenden seyn. Das Haus ziemlich gut, und auch wahrscheinlich gut im Stand gesetzt da der Vorgänger der da über 12 Jahr ruhig zugebracht sehr auf Nettigkeit gesehen hat. Die Stelle soll reichlich 400 R. eintragen, und ziemlich wohlfeil zu leben seyn, im Anschlage steht sie aber nur mit 320 R. Zu Johanni soll wird er wahrscheinlich schon antreten, und ich denke ihn gleich mit zu begleiten, so wie ich auch hoffe daß meine Mutter und Bruder uns hin begleiten werden; da wird es denn noch bis dahin eine sehr unruhige Geschäfts volle Zeit seyn, wo ich mich wohl zuweilen nach Ruhe sehnen werde, so wie der ganze Winter schon sehr geschäftigt zugebracht ist. Rehbergs sind diejenigen die den wärmsten und eifrigsten Theil bey unserm Glück nehmen. Mein guter Ernst glaube ich schreibt auch. Wir [3] sind beyde, über die Entscheidung unsers Schicksals sehr zufrieden, und je näher ich ihn habe kennen lernen, je mehr sehe ich es mit Zuversicht, daß ich recht glücklich mit ihm leben werde, so wie ich hoffe auch das meinige zu seinem Glücke beyzutragen. Du liebster Wilhelm kannst für itzt kein Zeuge unsers Glücks, und unserer Verbindung seyn, aber deiner guten Wünsche und deiner zärtlichsten Bruderliebe, halte ich mich gewiß. Du wirst deine Schwester in Moringen eben so lieb haben als wie sie noch in Hannover war! Moritzen hoffe ich noch zu sehen, auch vielleicht Crusen. Der Tante Caroline haben wir es schon halb und halb angetragen ihre Tage bey uns zuzubringen. Erlaubt es die Wohnung nur einigermaßen so hoffe ich gewiß daß sie es thun wird. Wir haben beyde die letzte Zeit etwas gestümpert Ernst und ich, aber nun scheint et ja beßer zu gehen, ich glaube wirklich daß die mancherley Unruhe viel dazu beygetragen. Moritzen wird man auch mit bedenken bey einer Vacanz die durch Wunstorf entsteht, aber er wird sich bequemen müßen eine mitlere Superintendur anzunehmen [4] wenn er diesmahl wieder ausschlägt so fürchte ich daß es vorbey seyn wird. Bey Carl hat man gesagt, wenn sich nicht sehr bald ein Fall im Consistorio zutrüge, so würde man ihn in ein anderes Collegium versetzen. Müllern können sie itzt nichts anhaben, er ist wieder sehr fleißig und ganz ordentlich. Der arme Biallo ist sehr krank, etwas vom Faulenfieber, so daß man für ihn fürchtet, er selbst spricht sehr viel von seinem Tode, und macht Einrichtungen, welches der sehr jungen Frau, sehr angreifend seyn muß. Indeßen ist doch noch Hofnung da.
Nun muß ich dir noch wohl so viel möglich einige Fragen beantworten. Das Buch ist so gleich nach deiner Abreise an Fiorillo geschickt worden. Wegen deiner Papiere sollen deine Vorschriften aufs pünktlichste befolgt werden. Die Rechnungen bey Ritscher und Helwing will H. Ernst übernehmen zu bezahlen, itzt sind sie auf der Leipziger Meße, und dir alsdann die Quittungen schicken.
Wegen der Hemden für dich mein Bester da müste ich ich dich bitten Gedult zu haben bis ich in Moringen bin da soll es eines meiner ersten Geschäfte seyn, bis dahin wird es aber wohl ohnmöglich seyn. Wegen Fritzen bleibt uns immer vieles noch räthselhaft, Lottchen lobt ihn auch daß er sehr fleißig ist; ich glaube Lottchen hat ihm 100 R. bis zur Ankunft deines Geldes vorgeschoßen die sie uns beyden destinirt haben. Ernst sein Capital welches er sich immer zur [3] Einrichtung aufgehoben, ist nun auch unterwegs, also hat er auch darinnen eine Sorge weniger, daß wir ganz rein von Schulden anfangen können. Wenehr die Mutter einzieht weis ich noch nicht, es hat sich manche Unbequem[2]lichkeit bey dem Hause entdeckt, daß sie unruhig macht. Unten ist es lebendig voll Ratzen, es wird zwar versichert daß sie nicht herauf kommen, aber die Furcht dafür bleibt doch. Nun noch mahls liebster Bruder behalte mich lieb [1] und freue dich mit uns! Die Mutter und Carl grüßen herzlich, die Mutter wird nächstens schreiben, sie dankt zum voraus für deinen lieben Brief
Deine treue Schwester
Henriette Schlegel
Daß ist ja schön liebster Bruder daß dein Stillschweigen was uns allen anfieng ängstlich zu werden, nichts schlimmes auf sich hatte! Nun kann ich dir denn auch dafür endlich einmahl etwas frohes schreiben. Am vorigen Donnerstag kamm der H. Abt zu meiner Mutter, um ihr zu sagen daß H. Ernst zum 2ten Prediger in Moringen ernannt sey. Gleich anfänglich war meiner Mutter die weite Entfernung (es ist 10 Meilen von hier 1 Meile hinter Nordheim) sehr aufgefallen, und sie weinte sehr heftig, welches mir denn das Herz noch schwerer machte da ich ohnehin mich schon sehr für die Trennung fürchtete, und der Augenblick mir auch einen Kampf kostete wo ich es entschieden sehe daß ich alle die lieblingsträume von dem Leben auf dem Lande nahe bey Hannover aufgeben mußte! Aber sehr bald haben wir uns gefaßt, und sehen nun ein, daß wirklich sehr gut für uns gesorgt ist. Man hat H. Ernst wie Leß meiner Mutter mit vielen Lobsprüchen über seine Geschicklichkeit und Predigten gesagt, geglaubt, daß sein sächsischer Dialekt weniger dort auffallen würde, als auf dem platten Lande, daß [2] er dort gar keinen Landhaushalt bekäme, und daß hübscher Umgang dort sey. Dieses sind auch allerdings Vortheile und es wurde noch hinzugesetzt, daß wenn er erst dort sich mehr an den niedersächsischen Dialekt gewöhnt, er alsdann immer könne anders gesetzt werden. Es soll eine der herlichsten, fruchtbarsten Gegenden seyn. Das Haus ziemlich gut, und auch wahrscheinlich gut im Stand gesetzt da der Vorgänger der da über 12 Jahr ruhig zugebracht sehr auf Nettigkeit gesehen hat. Die Stelle soll reichlich 400 R. eintragen, und ziemlich wohlfeil zu leben seyn, im Anschlage steht sie aber nur mit 320 R. Zu Johanni soll wird er wahrscheinlich schon antreten, und ich denke ihn gleich mit zu begleiten, so wie ich auch hoffe daß meine Mutter und Bruder uns hin begleiten werden; da wird es denn noch bis dahin eine sehr unruhige Geschäfts volle Zeit seyn, wo ich mich wohl zuweilen nach Ruhe sehnen werde, so wie der ganze Winter schon sehr geschäftigt zugebracht ist. Rehbergs sind diejenigen die den wärmsten und eifrigsten Theil bey unserm Glück nehmen. Mein guter Ernst glaube ich schreibt auch. Wir [3] sind beyde, über die Entscheidung unsers Schicksals sehr zufrieden, und je näher ich ihn habe kennen lernen, je mehr sehe ich es mit Zuversicht, daß ich recht glücklich mit ihm leben werde, so wie ich hoffe auch das meinige zu seinem Glücke beyzutragen. Du liebster Wilhelm kannst für itzt kein Zeuge unsers Glücks, und unserer Verbindung seyn, aber deiner guten Wünsche und deiner zärtlichsten Bruderliebe, halte ich mich gewiß. Du wirst deine Schwester in Moringen eben so lieb haben als wie sie noch in Hannover war! Moritzen hoffe ich noch zu sehen, auch vielleicht Crusen. Der Tante Caroline haben wir es schon halb und halb angetragen ihre Tage bey uns zuzubringen. Erlaubt es die Wohnung nur einigermaßen so hoffe ich gewiß daß sie es thun wird. Wir haben beyde die letzte Zeit etwas gestümpert Ernst und ich, aber nun scheint et ja beßer zu gehen, ich glaube wirklich daß die mancherley Unruhe viel dazu beygetragen. Moritzen wird man auch mit bedenken bey einer Vacanz die durch Wunstorf entsteht, aber er wird sich bequemen müßen eine mitlere Superintendur anzunehmen [4] wenn er diesmahl wieder ausschlägt so fürchte ich daß es vorbey seyn wird. Bey Carl hat man gesagt, wenn sich nicht sehr bald ein Fall im Consistorio zutrüge, so würde man ihn in ein anderes Collegium versetzen. Müllern können sie itzt nichts anhaben, er ist wieder sehr fleißig und ganz ordentlich. Der arme Biallo ist sehr krank, etwas vom Faulenfieber, so daß man für ihn fürchtet, er selbst spricht sehr viel von seinem Tode, und macht Einrichtungen, welches der sehr jungen Frau, sehr angreifend seyn muß. Indeßen ist doch noch Hofnung da.
Nun muß ich dir noch wohl so viel möglich einige Fragen beantworten. Das Buch ist so gleich nach deiner Abreise an Fiorillo geschickt worden. Wegen deiner Papiere sollen deine Vorschriften aufs pünktlichste befolgt werden. Die Rechnungen bey Ritscher und Helwing will H. Ernst übernehmen zu bezahlen, itzt sind sie auf der Leipziger Meße, und dir alsdann die Quittungen schicken.
Wegen der Hemden für dich mein Bester da müste ich ich dich bitten Gedult zu haben bis ich in Moringen bin da soll es eines meiner ersten Geschäfte seyn, bis dahin wird es aber wohl ohnmöglich seyn. Wegen Fritzen bleibt uns immer vieles noch räthselhaft, Lottchen lobt ihn auch daß er sehr fleißig ist; ich glaube Lottchen hat ihm 100 R. bis zur Ankunft deines Geldes vorgeschoßen die sie uns beyden destinirt haben. Ernst sein Capital welches er sich immer zur [3] Einrichtung aufgehoben, ist nun auch unterwegs, also hat er auch darinnen eine Sorge weniger, daß wir ganz rein von Schulden anfangen können. Wenehr die Mutter einzieht weis ich noch nicht, es hat sich manche Unbequem[2]lichkeit bey dem Hause entdeckt, daß sie unruhig macht. Unten ist es lebendig voll Ratzen, es wird zwar versichert daß sie nicht herauf kommen, aber die Furcht dafür bleibt doch. Nun noch mahls liebster Bruder behalte mich lieb [1] und freue dich mit uns! Die Mutter und Carl grüßen herzlich, die Mutter wird nächstens schreiben, sie dankt zum voraus für deinen lieben Brief
Deine treue Schwester
Henriette Schlegel