[1] Braunschweig d. Aug.
1795.
Wehrtester Freund!
Ihren gütigen Brief vom 30sten Junius erhielt ich in den letzten Tagen meines Aufenthaltes in Holland. Die Unruhen vor meiner Abreise, nachher die Zerstreuungen bey der Ankunft in meiner Vaterstadt haben es mir unmöglich gemacht, Ihnen früher zu antworten. Erst hier, wo ich recht zum frohen Gefühle meiner neuen Unabhängigkeit und Muße komme, und wo dieß Gefühl mich antreibt, mich mit der eifrigsten Anstrengung Litterarischen Bemühungen zu widmen, kann ich Sie freundschaftlich begrüßen, und Sie bitten, mir zur Heimkehr in mein Vaterland und zu einer angemessneren [2] Bestimmung Glück zu wünschen.
Die erste Lieferung von Wielands Werken ist nicht mehr während meines Aufenthalts in Amsterdam angekommen. Ich habe dem Führer der Sellschopschen Buchhandlung den genauesten Unterricht über alles, was er zu thun hat, Nachweisung der Wohnungen seiner Subskribenten, auch ein kleines Avertissement über die zufällige Verzögerung der ersten, und die Erscheinung der zweyten Lieferung zurückgelassen. Da er ein rechtschaffner und ordentlicher, aber etwas langsamer Mann ist, so habe ich ihn sehr dringend aufgemuntert, die Sache mit Eifer zu betreiben. Gern hätte ich für den Fortgang eines für den Schriftsteller, für unsre Litteratur und für Sie selbst so rühmlichen Unter[3]nehmens mehr gethan. Allein wäre ich auch jetzt länger in Holland geblieben, so sind doch die dortigen Zeitumstände für dergleichen jetzt gar nicht günstig.
Unter der Sorge für meine Pränumeranten habe ich mich selbst vergessen. Ich hätte gern die wohlfeile Ausgabe, (die drey schöneren sind für einen privatisirenden Gelehrten zu theuer) könnten Sie mir wohl die ersten beyden Lieferungen noch für den Pränumerationspreis überlassen? Es hat aber keine Eil damit. Die Michaelismesse verschaffte vielleicht Gelegenheit, sie auf die wohlfeilste Art hieher zu schicken.
Es ist mir recht lieb, daß Sie die Unternehmung mit den lateinischen Dichtern noch nicht sogleich vornehmen wollen. [4] Meine Arbeit kann desto gründlicher werden, denn ich werde diesen Zeitraum mit Eifer benutzen mich darauf vorzubereiten. – Daß Sie vom Verlage meiner Schrift über Danteʼs Leben und Werke, so unbesehen, dennoch als von einer ausgemachten Sache reden, ist mir ein sehr schmeichelhafter Beweis Ihres Zutrauens. Nach der besondern, bloß für die Mitarbeiter bestimmten Ankündigung der Horen, die ich erst jetzt erhalten, soll innerhalb drey Jahren nichts wieder gedruckt werden dürfen, was dort erschienen ist, es müßten denn beträchtliche Veränderungen damit vorgenommen seyn. Da ich indessen bey Einrückung jenes Stückes, welches ich eigentlich gar nicht dazu bestimmt hatte, diese Bedingung [5] gar nicht wußte; und hätte ich sie gewußt, mir lieber ungeachtet des unmittelbaren Vortheils die Freyheit des künftigen Druckes vorbehalten hätte: so habe ich H. Schillern deswegen geschrieben, ob nicht hier eine billige Abweichung vom Gesetze Statt finden dürfte. Freylich ist die Schrift noch nicht fertig, und ich wünsche sie überall mit gleicher Vollendung auszuarbeiten: doch kann ich gewiß auf Ostern 1796 damit zu Stande seyn, wenn nicht ganz unerwartete Hindernisse dazwischen kommen.
Von dem neuen Plane, den Sie und Herr Körner entworfen haben, hat mir mein jüngerer Bruder schon etwas mehr geschrieben. Er scheint mir sehr interessant, [6] und die Gesellschaft eines Mannes von H. Körners Geist macht ihn noch einladender. In der Hoffnung bald einmahl seine persönliche Bekanntschaft zu machen, werde ich einen schriftlichen Umgang mit ihm anzuknüpfen suchen, und ihn bitten, mir seine Absichten bey diesem Plane näher zu entwickeln. Zu jeder litterarischen Unternehmung, der ich meine Kräfte gewachsen fühle, werde ich mit Freuden die Hand bieten. Ich bin ja jetzt von allem Andern frey, außer von diesem Geschäfte meiner Wahl.
Leben Sie recht wohl. Ich wünsche Ihnen frohen Muth und Gesundheit bey Ihrem arbeitsamen Leben. Bezeugen Sie Ihrer würdigen Gattin meine gefühlteste Hochachtung. Ganz der Ihrige
A. W. Schlegel
[7] Meine Adresse ist für jetzt: in Braunschweig beym H. Professor Neyron.
Schlegel hat mir diesen Brief zur Besorgung übergeben, und ich kann ihn nicht einsiegeln ohne das zu thun, was ich längst gern gethan hätte, wenn ich nicht immer fürchtete Ihre Geschäfte zu unterbrechen. Ich habe Ihnen nehmlich noch nicht den Empfang Ihres traurigen Päckchens gemeldet, noch Ihnen gedankt für Ihre Theilnehmung. Das Gefühl an meiner Glückseeligkeit, an meinem innern Frieden selbst, durch den Tod eingebüßt zu haben, wird keine Zeit lindern, und wenn es weniger lebhaft in mir ist, so ist es nur die Gewöhnung an Schmerz und Verlust welche es dämpft.
Schl. einige Monate bis zu seiner weitren Bestimmung hier [8] zu haben ist wirklich ein Trost für mich – den ich genieße, bis er auch wieder vorüber geht.
Wenn Sie ihm antworten so melden Sie mir doch, ob Sie mit Gotters Mscrpt zufrieden sind. Ihm selbst banget dabey wie mir seine Frau schreibt. Im Augenblick der Composition ist er bis zur Selbstgefälligkeit begeistert, aber nachher behandelt er sich mit großem Mistrauen.
Mit Ihnen bin ich nicht zufrieden – Sie hätten sollen in der Meße einen zweiten Theil vom Johann herausgeben aber keinen kleinem Menschen. Die liebe arme Frau. Möchte ihr die Last recht leicht werden! Ich grüße Sie beyde und Marianen aufs innigste. Es geht mir hier auf alle Weise wohl. Laßen Sie ja bald von sich hören.
C. B.
[4] Braunschweig im Aug. 1795
Schlegel
empf. d.
1795.
Wehrtester Freund!
Ihren gütigen Brief vom 30sten Junius erhielt ich in den letzten Tagen meines Aufenthaltes in Holland. Die Unruhen vor meiner Abreise, nachher die Zerstreuungen bey der Ankunft in meiner Vaterstadt haben es mir unmöglich gemacht, Ihnen früher zu antworten. Erst hier, wo ich recht zum frohen Gefühle meiner neuen Unabhängigkeit und Muße komme, und wo dieß Gefühl mich antreibt, mich mit der eifrigsten Anstrengung Litterarischen Bemühungen zu widmen, kann ich Sie freundschaftlich begrüßen, und Sie bitten, mir zur Heimkehr in mein Vaterland und zu einer angemessneren [2] Bestimmung Glück zu wünschen.
Die erste Lieferung von Wielands Werken ist nicht mehr während meines Aufenthalts in Amsterdam angekommen. Ich habe dem Führer der Sellschopschen Buchhandlung den genauesten Unterricht über alles, was er zu thun hat, Nachweisung der Wohnungen seiner Subskribenten, auch ein kleines Avertissement über die zufällige Verzögerung der ersten, und die Erscheinung der zweyten Lieferung zurückgelassen. Da er ein rechtschaffner und ordentlicher, aber etwas langsamer Mann ist, so habe ich ihn sehr dringend aufgemuntert, die Sache mit Eifer zu betreiben. Gern hätte ich für den Fortgang eines für den Schriftsteller, für unsre Litteratur und für Sie selbst so rühmlichen Unter[3]nehmens mehr gethan. Allein wäre ich auch jetzt länger in Holland geblieben, so sind doch die dortigen Zeitumstände für dergleichen jetzt gar nicht günstig.
Unter der Sorge für meine Pränumeranten habe ich mich selbst vergessen. Ich hätte gern die wohlfeile Ausgabe, (die drey schöneren sind für einen privatisirenden Gelehrten zu theuer) könnten Sie mir wohl die ersten beyden Lieferungen noch für den Pränumerationspreis überlassen? Es hat aber keine Eil damit. Die Michaelismesse verschaffte vielleicht Gelegenheit, sie auf die wohlfeilste Art hieher zu schicken.
Es ist mir recht lieb, daß Sie die Unternehmung mit den lateinischen Dichtern noch nicht sogleich vornehmen wollen. [4] Meine Arbeit kann desto gründlicher werden, denn ich werde diesen Zeitraum mit Eifer benutzen mich darauf vorzubereiten. – Daß Sie vom Verlage meiner Schrift über Danteʼs Leben und Werke, so unbesehen, dennoch als von einer ausgemachten Sache reden, ist mir ein sehr schmeichelhafter Beweis Ihres Zutrauens. Nach der besondern, bloß für die Mitarbeiter bestimmten Ankündigung der Horen, die ich erst jetzt erhalten, soll innerhalb drey Jahren nichts wieder gedruckt werden dürfen, was dort erschienen ist, es müßten denn beträchtliche Veränderungen damit vorgenommen seyn. Da ich indessen bey Einrückung jenes Stückes, welches ich eigentlich gar nicht dazu bestimmt hatte, diese Bedingung [5] gar nicht wußte; und hätte ich sie gewußt, mir lieber ungeachtet des unmittelbaren Vortheils die Freyheit des künftigen Druckes vorbehalten hätte: so habe ich H. Schillern deswegen geschrieben, ob nicht hier eine billige Abweichung vom Gesetze Statt finden dürfte. Freylich ist die Schrift noch nicht fertig, und ich wünsche sie überall mit gleicher Vollendung auszuarbeiten: doch kann ich gewiß auf Ostern 1796 damit zu Stande seyn, wenn nicht ganz unerwartete Hindernisse dazwischen kommen.
Von dem neuen Plane, den Sie und Herr Körner entworfen haben, hat mir mein jüngerer Bruder schon etwas mehr geschrieben. Er scheint mir sehr interessant, [6] und die Gesellschaft eines Mannes von H. Körners Geist macht ihn noch einladender. In der Hoffnung bald einmahl seine persönliche Bekanntschaft zu machen, werde ich einen schriftlichen Umgang mit ihm anzuknüpfen suchen, und ihn bitten, mir seine Absichten bey diesem Plane näher zu entwickeln. Zu jeder litterarischen Unternehmung, der ich meine Kräfte gewachsen fühle, werde ich mit Freuden die Hand bieten. Ich bin ja jetzt von allem Andern frey, außer von diesem Geschäfte meiner Wahl.
Leben Sie recht wohl. Ich wünsche Ihnen frohen Muth und Gesundheit bey Ihrem arbeitsamen Leben. Bezeugen Sie Ihrer würdigen Gattin meine gefühlteste Hochachtung. Ganz der Ihrige
A. W. Schlegel
[7] Meine Adresse ist für jetzt: in Braunschweig beym H. Professor Neyron.
Schlegel hat mir diesen Brief zur Besorgung übergeben, und ich kann ihn nicht einsiegeln ohne das zu thun, was ich längst gern gethan hätte, wenn ich nicht immer fürchtete Ihre Geschäfte zu unterbrechen. Ich habe Ihnen nehmlich noch nicht den Empfang Ihres traurigen Päckchens gemeldet, noch Ihnen gedankt für Ihre Theilnehmung. Das Gefühl an meiner Glückseeligkeit, an meinem innern Frieden selbst, durch den Tod eingebüßt zu haben, wird keine Zeit lindern, und wenn es weniger lebhaft in mir ist, so ist es nur die Gewöhnung an Schmerz und Verlust welche es dämpft.
Schl. einige Monate bis zu seiner weitren Bestimmung hier [8] zu haben ist wirklich ein Trost für mich – den ich genieße, bis er auch wieder vorüber geht.
Wenn Sie ihm antworten so melden Sie mir doch, ob Sie mit Gotters Mscrpt zufrieden sind. Ihm selbst banget dabey wie mir seine Frau schreibt. Im Augenblick der Composition ist er bis zur Selbstgefälligkeit begeistert, aber nachher behandelt er sich mit großem Mistrauen.
Mit Ihnen bin ich nicht zufrieden – Sie hätten sollen in der Meße einen zweiten Theil vom Johann herausgeben aber keinen kleinem Menschen. Die liebe arme Frau. Möchte ihr die Last recht leicht werden! Ich grüße Sie beyde und Marianen aufs innigste. Es geht mir hier auf alle Weise wohl. Laßen Sie ja bald von sich hören.
C. B.
[4] Braunschweig im Aug. 1795
Schlegel
empf. d.