[1] Weißenfels: den 30sten Novem[ber]
1797. [Donnerstag]
Erst jezt hab ich mich von Hemsterhuis’ trennen können – Bis jetzt hat sich auch meine Reise verzögert. Morgen geh ich von hier ab – und gerade nach Freyberg. In Dresden denk ich Weyhnachten zu seyn. Nach Berlin hab ich geschrieben. Nun da ich zur Ruhe komme, hoff ich nach Berlin und Jena fleißiger zu schreiben.
Der Recensent ihres Shakespear ist ein gutmeynender Mensch. Seine Recension ist aber wahrhaftig keine Poësie. Was hätte sich nicht über Ihren Shakespeare, besonders in Beziehung auf das Ganze, sagen lassen. Er ist unter den Übersetzungen, was W[ilhelm] Meister unter den Romanen ist. Giebts denn schon eine Ähnliche? So lange wir Deutschen übersetzen, so national dieser Hang des Übersetzens ist, indem es fast keinen deutschen Schriftsteller von Bedeutung giebt – der nicht übersezt hätte, und warlich darauf soviel sich einbildet, als auf Originalwercke, [2] so scheint man doch über nichts unbelehrter zu seyn, als über das Übersetzen. Bey uns kann es zur Wissenschaft und zur Kunst werden. Ihr Shakespear ist ein trefflicher Canon für den wissenschaftlichen Beobachter. Außer den Römern sind wir die einzige Nation, die den Trieb des Übersetzens so unwiederstehlich gefühlt, und ihm so unendlich viel Bildung schuldig sind. Daher manche Aehnlichkeit unsrer und der spätrömischen litterairischen Kultur. Dieser Trieb ist eine Indication des sehr hohen, ursprünglichen Karacters des deutschen Volks. Deutschheit ist Kosmopolitismus mit der kräftigsten Individualitaet gemischt. Nur für uns sind Übersetzungen Erweiterungen gewesen. Es gehört poetische Moralität, Aufopferung der Neigung, dazu, um sich einer wahren Übersetzung zu unterziehn – Man übersezt aus ächter Liebe zum Schönen, und zur vaterländischen Litteratur. Übersetzen ist so gut dichten, als eigne Wercke zu stande bringen – und schwerer, seltner.
[3] Am Ende ist alle Poësie Übersetzung. Ich bin überzeugt, daß der deutsche Shakespeare jezt besser, als der Englische ist. Auf den Hamlet freue ich mich, wie ein Kind. Ich möchte wissen, ob ich Recht oder Unrecht hätte – Sind nicht Hamlet und Elektra Pendants? Meinem Gefühl nach – scheidet sich griechische und moderne Poësie hier äußerst anschaulich. Sie müssen wissen, ich habe zeither Sofocles und Shakespear, beyde in den schlechten Übersetzungen, wechselweise gelesen.
Leben Sie wohl – und behalten Sie
beyde mich ein bischen lieb. Auch
Augusten einen Gruß. Bald mehr.
Ihr
Freund
Hardenberg.
[4] An den Herrn
Rath Schlegel
in Jena
1797. [Donnerstag]
Erst jezt hab ich mich von Hemsterhuis’ trennen können – Bis jetzt hat sich auch meine Reise verzögert. Morgen geh ich von hier ab – und gerade nach Freyberg. In Dresden denk ich Weyhnachten zu seyn. Nach Berlin hab ich geschrieben. Nun da ich zur Ruhe komme, hoff ich nach Berlin und Jena fleißiger zu schreiben.
Der Recensent ihres Shakespear ist ein gutmeynender Mensch. Seine Recension ist aber wahrhaftig keine Poësie. Was hätte sich nicht über Ihren Shakespeare, besonders in Beziehung auf das Ganze, sagen lassen. Er ist unter den Übersetzungen, was W[ilhelm] Meister unter den Romanen ist. Giebts denn schon eine Ähnliche? So lange wir Deutschen übersetzen, so national dieser Hang des Übersetzens ist, indem es fast keinen deutschen Schriftsteller von Bedeutung giebt – der nicht übersezt hätte, und warlich darauf soviel sich einbildet, als auf Originalwercke, [2] so scheint man doch über nichts unbelehrter zu seyn, als über das Übersetzen. Bey uns kann es zur Wissenschaft und zur Kunst werden. Ihr Shakespear ist ein trefflicher Canon für den wissenschaftlichen Beobachter. Außer den Römern sind wir die einzige Nation, die den Trieb des Übersetzens so unwiederstehlich gefühlt, und ihm so unendlich viel Bildung schuldig sind. Daher manche Aehnlichkeit unsrer und der spätrömischen litterairischen Kultur. Dieser Trieb ist eine Indication des sehr hohen, ursprünglichen Karacters des deutschen Volks. Deutschheit ist Kosmopolitismus mit der kräftigsten Individualitaet gemischt. Nur für uns sind Übersetzungen Erweiterungen gewesen. Es gehört poetische Moralität, Aufopferung der Neigung, dazu, um sich einer wahren Übersetzung zu unterziehn – Man übersezt aus ächter Liebe zum Schönen, und zur vaterländischen Litteratur. Übersetzen ist so gut dichten, als eigne Wercke zu stande bringen – und schwerer, seltner.
[3] Am Ende ist alle Poësie Übersetzung. Ich bin überzeugt, daß der deutsche Shakespeare jezt besser, als der Englische ist. Auf den Hamlet freue ich mich, wie ein Kind. Ich möchte wissen, ob ich Recht oder Unrecht hätte – Sind nicht Hamlet und Elektra Pendants? Meinem Gefühl nach – scheidet sich griechische und moderne Poësie hier äußerst anschaulich. Sie müssen wissen, ich habe zeither Sofocles und Shakespear, beyde in den schlechten Übersetzungen, wechselweise gelesen.
Leben Sie wohl – und behalten Sie
beyde mich ein bischen lieb. Auch
Augusten einen Gruß. Bald mehr.
Ihr
Freund
Hardenberg.
[4] An den Herrn
Rath Schlegel
in Jena