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Novalis an August Wilhelm von Schlegel

[1] Siebeneichen; bey Meißen.
den 25sten Dec[ember]
1797. [Montag]
Auf Ihren lieben Brief hat zum Theil schon ein älterer Brief, mit der Beylage des Hemsterhuis, geantwortet. Die Executorialien waren mir sehr angenehm, weil ich daraus die Gewisheit eines Unternehmens ersehe, von dem ich mir sehr viel verspreche. Meiner Theilnahme, wenn Sie davon Gebrauch machen wollen und können, seyn Sie versichert. Nur muß ich noch einige Fristen mir ausbitten. Ich bin in der That jezt in köstlichen Untersuchungen begriffen – aber nur noch einige Zeit – Ostern soll ihr Bruder manches bekommen. Meistern hab ich jezt ganz beyseite gesezt – diese Aufgabe ist so gemischt – daß ich ohne eine Menge Vorarbeiten nicht eine Zeile von mir gelten lassen [kann]. [2] Dieser Gegenstand wird überdem von Fr[iedrich] Schl[egel] ganz erschöpft. Die ersten Stücke ihres Blatts werden so üppig genug seyn – an Stoff denk ich, wirds nicht fehlen, eher an Platz. Wird es auch so mannichfach, daß die eigentlichen Gegenstände meiner Beschäftigungen dahin passen?
Auf das Gedicht über H[ermann] u[nd] D[orothea] in der Litt[eratur] Z[eitung] bin ich sehr begierig. Heil Ihnen, daß Sie Mahadöh so nah sind. In Freyberg ist hierinn alles leer und kahl – kein fortstrebender Kopf – Indeß soll mich Briefwechsel schadlos halten. Mit Schelling bin ich sehr freund geworden. Wir haben einige köstliche Stunden symphilosophirt. Mehr davon an Ihren Bruder. Er ist in der That ein äußerst hoffnungsvoller Mensch – [3] allempfänglich. Etwas sehr interressantes sagt er mir über Göthe – Er hält die Odyssee für Göthens Matrix – den Commentar für ihn – Seine Poëtik wird gewiß merckwürdig – der 2te Theil seiner Ideen sehr neu, und weit über den Ersten, dessen Schwächen er lebhaft fühlt.
Ihre Schwester hab ich 2mal verfehlt. Nach den Feyertagen hoff ich Sie zu sehn. Bey Körners bin ich gewesen – habe alles wahr gefunden, was unter uns darüber gäng und gäbe war. Paradoxerweise hat Sie mir noch am besten gefallen. Sie war sehr aufgelegt und liebenswürdig. Sein Aussehn hat mich von ihm au fait gesezt. Von Ihnen, soviel wie Nichts – Lauter Allgemeines und von Schiller und Göthe. Lezterer soll einen Prometheus auf dem Ambos haben – [4] Einen herrlichen Gesang der Okeaniden haben sie gehört. Nach den Feyertagen seh ich sie wieder – vielleicht Gesslern mit – merckwürdig, als Maximum eines gebildeten – Weltmanns. Empfehlen Sie mich Ihrer guten Frau – Bald mehr – freylich bin ich wieder ab von der Poesie und ganz in der Natur versunken. Mystische Fragmente sind das vielleicht, was ich anzubieten habe – Ein Bogen davon wird des Nächsten an Ihren Bruder gelangen. Friede Sey mit Ihnen.
v Hardenberg.
Von Humbolds sen. Karakteristik des Zeitalters haben Sie wohl nichts gehört? – ich habe bescheidene Zweifel gegen seine Gewachsenheit erregt. Er ist jezt in Paris.
  • Novalis  Buchsendung  Hemsterhuis, Frans: Œuvre philosophiques
  • Novalis  Publikation  zusichern  Athenaeum
  • Novalis  Rezension  erhoffen  Schlegel, August Wilhelm von: Goethe, Johann Wolfgang von: Hermann und Dorothea (Rezension)
  • Novalis  Freundschaft  planen  Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von
  • Novalis  grüßen lassen  Schlegel, August Wilhelm von
  • Novalis  grüßen  Schelling, Caroline von
  • Novalis  negativ bewerten  Humboldt, Wilhelm von: Das achtzehnte Jahrhundert
Briefkopfdaten
  • Datum: Montag, 25. Dezember 1797
  • Absender: Novalis ·
  • Empfänger: August Wilhelm von Schlegel ·
  • Absendeort: Schloss Siebeneichen (Meißen) ·
  • Empfangsort: Jena · ·
Druck
  • Bibliographische Angabe: Novalis: Schriften. Tagebücher, Briefwechsel, Zeitgenössische Zeugnisse. Hg. v. Richard Samuel, Hans-Joachim Mähl und Gerhard Schulz. Bd. 4. Stuttgart u.a. 1998, S. 239‒240.
Handschrift
  • Datengeber: Frankfurt am Main, Freies Deutsches Hochstift
  • Signatur: Hs-11866
  • Blatt-/Seitenzahl: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 8°
Sprache
  • Deutsch

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