[1] G[öttingen], den 30. Jul. 1792.
O Aar, o junger Aar! oder hörst du dich lieber den kleinen Mußgrave nennen, von welchem der alte Balladist seinen Sang mit dem Verse beschließt:
Und der kleine Mußgrave that keinen (scil. Streich) mehr.
Die Zeit des MusenAlm. ist da, und gleichwohl höre und sehe ich von dir nichts. O Aar, bist du nur in Holland so verrohrdommelt, daß du keinen Flug mehr thun kannst? Armes Gefieder? Ich muß dich aufwecken aus deinem Geistesschlafe. Empfange hiermit zwei Mus. Alm. Bogen und erkenne abermals daraus, was du schon mehrmalen erkannt hast, daß Niemand in Deutschland Verse zu machen versteht, als dein großer Meister Volker, und dessen gleichfals großer, nur wie billig um eine Linie kleinerer Jünger, von dem es aber nun leider zu heißen scheint:
Und der kleine Mußgrave that keinen mehr.
Sieh, wie der alte Entellus noch den poetischen Kolben zu schwingen vermag. Und diese Heloise ist nicht das einzige Stück, das diesen Almanach verherrlichen wird. Mein Köcher ist noch voll goldner Pfeile, [2] die alle fertig sind, noch abgeschossen werden zu können. Nimm dich zusammen, Knappe, und folge mir nach. Hast du etwas fertig, so sende mirs gleich; oder ist es noch nicht fertig, so kneife dir die Waden, daß es fertig werde in Zeit von 4‒5 Wochen. Denn so lange kann ich die Bude noch offen erhalten.
Von meinen häuslichen Schicksalen hat dir vermuthlich das Gerücht durch Madame B[öhmer] einiges verkündigt. Ich habe mich bereits im verwichenen Winter von dem verschwenderischten, üppigsten, heuchlerischten, verbuhltesten und ehebrecherischten aller Weiber unter Gottes Sonne gerichtlich scheiden lassen müssen. Die Furciferaria war ein wahrer Tugendspiegel dagegen. Sie mag mich in dem einen Ehejahre und zwar schon seit den ersten Monathen desselben ppter mit sechserley Arten von Hörnern beehret und in Ansehung meiner Vermögenumstände um einige Tausend Thaler zurück gesetzt haben. Wenn übrigens das Kapital meiner Leibes- und Gemüthskräfte nicht so unerschöpflich wäre, so würde ich unstreitig jetzt nirgends mehr, als bloß in der deutschen Litterärgeschichte noch leben. Solch ein [3] Kabinetsstück von ehelicher Untugend, wie dieses Weib war, existirt wohl in der Natur der Dinge nicht mehr. Millionen Männer sind zwar schon von Weibern betrogen worden, und Millionen werden noch betrogen werden; aber das darf ich ohne Hyperbel behaupten, keiner unwürdiger und schmählicher, als ich. Ach, ich wollte, ich könnte dir die Geschichte meiner dritten unglücklichen Ehe so ganz mittheilen!
I could a tale unfold, whose lightest word
Would harrow up thy soul, freeze thy young blood,
Make thy two eyes, like stars, start from their spheres,
Thy knotty and combined locks to part
And each particular hair to stand on End
Like quills upon the fretfull porcupine.
Wenn wir uns einmahl wieder sehen! – Jetzt nur noch ein: Gott sey Dank! daß wir erlöset sind aus diesen Trübsalen. –
Gott bewahre dich, lieber Junge, vor schlechten Weibern! Es giebt ihrer mehrere, als du glaubst, und ich trotz aller meiner Kunde, ehemals selbst glaubte. Ich habe bei dieser Gelegenheit tiefe Blicke in die weibliche Natur gethan........
[4] Ich hätte dir sonst noch viel und mancherley zu schreiben; allein wo wollte ich wohl Zeit und Geduld her nehmen? Wenn ich indessen gleich nur selten und wenig schreibe, so sey dennoch versichert, daß ich dich lieb und werth habe von nun an bis in Ewigkeit, Amen.
B.
In Göttingen ist das meiste noch ziemlich auf dem alten Fuß, außer daß seit verwichenen Ostern ein gewisser Doctor aestheticus Nahmens Karl Reinhard hier angezogen ist, der mir die aesthetischen und stylistischen Brotkrumen auf der daran so ergiebigen Georgia Augusta vor dem Maule wegzuschnappen gedenkt. Ich habe ihm aber einen höchst malitiösen Streich gespielt, und Eines seiner Leiermatzlieder unmittelbar neben meiner Heloise im Mus. Alm. abdrucken lassen. Darob wirst du, wenn du den Mus. Alm. einst zusehen bekommst, dich nicht wenig gaudiren. Die Academie ruhet seit dem 3. Stück. Wenn ich dir den Alm. schicke mehr davon.
O Aar, o junger Aar! oder hörst du dich lieber den kleinen Mußgrave nennen, von welchem der alte Balladist seinen Sang mit dem Verse beschließt:
Und der kleine Mußgrave that keinen (scil. Streich) mehr.
Die Zeit des MusenAlm. ist da, und gleichwohl höre und sehe ich von dir nichts. O Aar, bist du nur in Holland so verrohrdommelt, daß du keinen Flug mehr thun kannst? Armes Gefieder? Ich muß dich aufwecken aus deinem Geistesschlafe. Empfange hiermit zwei Mus. Alm. Bogen und erkenne abermals daraus, was du schon mehrmalen erkannt hast, daß Niemand in Deutschland Verse zu machen versteht, als dein großer Meister Volker, und dessen gleichfals großer, nur wie billig um eine Linie kleinerer Jünger, von dem es aber nun leider zu heißen scheint:
Und der kleine Mußgrave that keinen mehr.
Sieh, wie der alte Entellus noch den poetischen Kolben zu schwingen vermag. Und diese Heloise ist nicht das einzige Stück, das diesen Almanach verherrlichen wird. Mein Köcher ist noch voll goldner Pfeile, [2] die alle fertig sind, noch abgeschossen werden zu können. Nimm dich zusammen, Knappe, und folge mir nach. Hast du etwas fertig, so sende mirs gleich; oder ist es noch nicht fertig, so kneife dir die Waden, daß es fertig werde in Zeit von 4‒5 Wochen. Denn so lange kann ich die Bude noch offen erhalten.
Von meinen häuslichen Schicksalen hat dir vermuthlich das Gerücht durch Madame B[öhmer] einiges verkündigt. Ich habe mich bereits im verwichenen Winter von dem verschwenderischten, üppigsten, heuchlerischten, verbuhltesten und ehebrecherischten aller Weiber unter Gottes Sonne gerichtlich scheiden lassen müssen. Die Furciferaria war ein wahrer Tugendspiegel dagegen. Sie mag mich in dem einen Ehejahre und zwar schon seit den ersten Monathen desselben ppter mit sechserley Arten von Hörnern beehret und in Ansehung meiner Vermögenumstände um einige Tausend Thaler zurück gesetzt haben. Wenn übrigens das Kapital meiner Leibes- und Gemüthskräfte nicht so unerschöpflich wäre, so würde ich unstreitig jetzt nirgends mehr, als bloß in der deutschen Litterärgeschichte noch leben. Solch ein [3] Kabinetsstück von ehelicher Untugend, wie dieses Weib war, existirt wohl in der Natur der Dinge nicht mehr. Millionen Männer sind zwar schon von Weibern betrogen worden, und Millionen werden noch betrogen werden; aber das darf ich ohne Hyperbel behaupten, keiner unwürdiger und schmählicher, als ich. Ach, ich wollte, ich könnte dir die Geschichte meiner dritten unglücklichen Ehe so ganz mittheilen!
I could a tale unfold, whose lightest word
Would harrow up thy soul, freeze thy young blood,
Make thy two eyes, like stars, start from their spheres,
Thy knotty and combined locks to part
And each particular hair to stand on End
Like quills upon the fretfull porcupine.
Wenn wir uns einmahl wieder sehen! – Jetzt nur noch ein: Gott sey Dank! daß wir erlöset sind aus diesen Trübsalen. –
Gott bewahre dich, lieber Junge, vor schlechten Weibern! Es giebt ihrer mehrere, als du glaubst, und ich trotz aller meiner Kunde, ehemals selbst glaubte. Ich habe bei dieser Gelegenheit tiefe Blicke in die weibliche Natur gethan........
[4] Ich hätte dir sonst noch viel und mancherley zu schreiben; allein wo wollte ich wohl Zeit und Geduld her nehmen? Wenn ich indessen gleich nur selten und wenig schreibe, so sey dennoch versichert, daß ich dich lieb und werth habe von nun an bis in Ewigkeit, Amen.
B.
In Göttingen ist das meiste noch ziemlich auf dem alten Fuß, außer daß seit verwichenen Ostern ein gewisser Doctor aestheticus Nahmens Karl Reinhard hier angezogen ist, der mir die aesthetischen und stylistischen Brotkrumen auf der daran so ergiebigen Georgia Augusta vor dem Maule wegzuschnappen gedenkt. Ich habe ihm aber einen höchst malitiösen Streich gespielt, und Eines seiner Leiermatzlieder unmittelbar neben meiner Heloise im Mus. Alm. abdrucken lassen. Darob wirst du, wenn du den Mus. Alm. einst zusehen bekommst, dich nicht wenig gaudiren. Die Academie ruhet seit dem 3. Stück. Wenn ich dir den Alm. schicke mehr davon.