[1] Amsterdam, den 14ten Dez. 94.
Mein werthester Herr und Freund!
Soll ich es unternehmen, mich wegen meines unverzeihlichen Stillschweigens zu rechtfertigen, und darf ich hoffen, bey Ihnen Nachsicht zu finden? Nur dieß will ich sagen, daß ich damahls, als ich Ihren letzten Brief empfing, mir die Erscheinung der ersten Lieferung von Wielands Werken näher dachte, und daher meine Antwort bis dahin aufschob, damit ich Ihnen bey Ihren überhäuften Geschäften nicht zweymahl beschwerlich zu fallen brauchte. Nachher kam eine Zeit, wo ich nicht wußte, ob ich nicht bald Holland würde verlassen und das Subskripzionsgeschäft an Sellschop und Huart übergeben müssen. Jetzt scheint es, daß uns wenigstens für den Winter noch Aufschub gegönnt wird. Sollte Wieland erscheinen, so können Sie jetzt das Packet noch mit Sicherheit über Arnhem schicken. Wie lange das aber dauern wird, läßt sich freylich nicht berechnen, und, in Hinsicht auf unvorhergesehene Eräugnisse, wäre die Post von Hanover auf Naarden, von wo aus die Sachen zu Wasser hieher besorgt werden, wohl zuverläßiger. Doch Sie werden das selbst besser wissen.
Was die Lateinischen Dichter betrifft, so habe ich angefangen, am Propertius zu arbeiten. Freylich könnte ich in Teutschland und in einer freyeren Lage in zwey Monaten mehr verrichten, als hier in einem Jahre. Auch kann ich die Bücher, die man zu gelehrten Arbeiten braucht, nicht so haben, wie ich wünschte. Doch wer weiß, wie bald mein hiesiger Aufenthalt geendigt seyn wird? Ich bitte Sie recht sehr, sich nicht an mich gebunden zu halten, wenn Sie einen geschickteren Arbeiter zu dieser Sache finden können. Ihre Güte für mich muß Ihnen keinen Nachtheil bringen.
ver[so]
[2] Dann und wann benutze ich meine Zwischenzeiten der Muße auch zur Fortsetzung eines kleinen Werkes über Danteʼs Leben und Werke, wozu die Einleitung, die noch sehr umgearbeitet werden muß, ein mahl in Bürgers Akademie gestanden hat. Mein Bruder hat Manuskript davon in Händen, und wenn ich so frey seyn dürfte, es Ihrer Aufmerksamkeit zu empfehlen, so könnte er es Ihnen zuschicken, wenn Sie einmahl Zeit und Lust haben, einige Bogen zu lesen. Ganz ist die Schrift noch nicht fertig: sie wird, denke ich, nur einen mäßigen Oktavband ausmachen.
Leben Sie recht wohl, mein sehr werthgeschätzter Freund! Ich verlange herzlich, einmahl wieder Nachricht von Ihrem Wohlseyn zu empfangen, an welchem ich nie aufhören kann, lebhaft Antheil zu nehmen. Empfehlen Sie mich Ihrer würdigen Frau Gemahlin aufs beste.
Verzeihen Sie die unregelmäßige Form dieses Briefes. Ganz der Ihrige
AWSchlegel
An
Herrn Göschen
in
Leipzig
durch Einschluß
Amsterdam d. 14: Dec. 1794
Schlegel
empf. d. 31: Dbr
Mein werthester Herr und Freund!
Soll ich es unternehmen, mich wegen meines unverzeihlichen Stillschweigens zu rechtfertigen, und darf ich hoffen, bey Ihnen Nachsicht zu finden? Nur dieß will ich sagen, daß ich damahls, als ich Ihren letzten Brief empfing, mir die Erscheinung der ersten Lieferung von Wielands Werken näher dachte, und daher meine Antwort bis dahin aufschob, damit ich Ihnen bey Ihren überhäuften Geschäften nicht zweymahl beschwerlich zu fallen brauchte. Nachher kam eine Zeit, wo ich nicht wußte, ob ich nicht bald Holland würde verlassen und das Subskripzionsgeschäft an Sellschop und Huart übergeben müssen. Jetzt scheint es, daß uns wenigstens für den Winter noch Aufschub gegönnt wird. Sollte Wieland erscheinen, so können Sie jetzt das Packet noch mit Sicherheit über Arnhem schicken. Wie lange das aber dauern wird, läßt sich freylich nicht berechnen, und, in Hinsicht auf unvorhergesehene Eräugnisse, wäre die Post von Hanover auf Naarden, von wo aus die Sachen zu Wasser hieher besorgt werden, wohl zuverläßiger. Doch Sie werden das selbst besser wissen.
Was die Lateinischen Dichter betrifft, so habe ich angefangen, am Propertius zu arbeiten. Freylich könnte ich in Teutschland und in einer freyeren Lage in zwey Monaten mehr verrichten, als hier in einem Jahre. Auch kann ich die Bücher, die man zu gelehrten Arbeiten braucht, nicht so haben, wie ich wünschte. Doch wer weiß, wie bald mein hiesiger Aufenthalt geendigt seyn wird? Ich bitte Sie recht sehr, sich nicht an mich gebunden zu halten, wenn Sie einen geschickteren Arbeiter zu dieser Sache finden können. Ihre Güte für mich muß Ihnen keinen Nachtheil bringen.
ver[so]
[2] Dann und wann benutze ich meine Zwischenzeiten der Muße auch zur Fortsetzung eines kleinen Werkes über Danteʼs Leben und Werke, wozu die Einleitung, die noch sehr umgearbeitet werden muß, ein mahl in Bürgers Akademie gestanden hat. Mein Bruder hat Manuskript davon in Händen, und wenn ich so frey seyn dürfte, es Ihrer Aufmerksamkeit zu empfehlen, so könnte er es Ihnen zuschicken, wenn Sie einmahl Zeit und Lust haben, einige Bogen zu lesen. Ganz ist die Schrift noch nicht fertig: sie wird, denke ich, nur einen mäßigen Oktavband ausmachen.
Leben Sie recht wohl, mein sehr werthgeschätzter Freund! Ich verlange herzlich, einmahl wieder Nachricht von Ihrem Wohlseyn zu empfangen, an welchem ich nie aufhören kann, lebhaft Antheil zu nehmen. Empfehlen Sie mich Ihrer würdigen Frau Gemahlin aufs beste.
Verzeihen Sie die unregelmäßige Form dieses Briefes. Ganz der Ihrige
AWSchlegel
An
Herrn Göschen
in
Leipzig
durch Einschluß
Amsterdam d. 14: Dec. 1794
Schlegel
empf. d. 31: Dbr