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Caroline von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

Jena d. 24 Aprill [1801].
Sieh dieses Datum, mein lieber Schlegel, ich bin seit gestern Abend hier. Deinen Brief bekam ich noch in Braunschweig und sein Inhalt hat mir meine Reisebetrachtungen sehr getrübt. Mußt Du einen so einfältigen Verdruß haben! Unger scheint wirklich nicht recht bey Sinnen zu seyn. Du hast Dir bisher nichts davon merken lassen, daß Du ihn in Verdacht hättest, so daß mich die Sache sehr überraschte. Ich wünsche nicht, daß sie Dich nöthigt jetzt nach Leipzig zu kommen, weil es Deinen andern Planen zuwider geht, aber Dich bald hier zu sehn wünsche ich mit Verlangen. Wie hätte es mich aufgerichtet Dich hier zu finden. Ich habe mich stark gemacht auf alle Weise, aber diese Bemühungen zehrten auch alles in mir auf, selbst die traurige Freude Schelling wiederzusehn. Er sieht sehr übel aus, aber er ist sanft und vernünftig. Erst diesen Morgen ließ ich ihm meine Ankunft wissen, ob wir schon ziemlich früh gestern kamen um 7 Uhr. Zu Friedrich muste ich noch in Geschäften schicken. Die Veit ist in Leipzig. Fr. schrieb mir diesen Morgen beykommende Zeilen. Ich nahm ihn an, er fand Schelling bey mir, der kurz zuvor gekommen war. Für eine gleichgültige Conversazion war alles auf den besten Fuß, wir haben den Modum der Ermordung Pauls abgehandelt. Eine Gelegenheit, die ich ihm gab mit mir allein zu reden, wenigstens zu sagen, daß er es wünsche, nutzte er nicht, vielleicht weil er sich nicht recht besann, denn er war so träumend, gar seltsam nach seiner Weise. Ich kann nun nichts weiter thun, als nicht laut werden über den mir ganz unerwarteten Grad von Verwahrlosung alles dessen, was ich ganz zuverlässig unversehrt zurückließ, auch Rose, wie sie versichert, deren Sanftmuth ganz in Harnisch gebracht ist, zumal da ihr ihre leibliche Schwester auch solche Streiche gespielt, ihren Koffer erbrochen und ein seidnes Kleid herausgenommen hat, um damit Gevatter zu stehn. Dieses ist eine rechte Komödie ‒ ich mache es dazu um mich nicht zu ärgern, denn arg ist es. Ich erspare Dir gern das Detail. Alles Geräth ist immer hin und her getragen worden, so wie die Veit etwas gebraucht hat. Beträchtliche Stücke fehlen noch gänzlich. Du würdest lachen, wenn Du sähest, wie sich Rose eräschert. Ich will nun die Trümmern zusammenlesen und Dir die Stätte bereiten, Du kanst Dich auch darauf verlassen, daß ich mich aller Weiblichkeit entschlagen werde ‒ wenn Du aber wieder sagst: thue die Kleinlichkeit von Dir ‒ so fürchte ich, Du wirst es doch selbst in punkto des Verlustes ernsthaft finden müssen. Da in unser Departement diese Kleinlichkeiten gehören, so ist es nicht klein sie zu achten....
Wenn ich Zeit hätte, Du liebster Freund, so wollte ich es gar nicht erwähnen, aber es ist mir in der Eile und Wirblichkeit aus der Feder gelaufen. Laß es wieder laufen, und schreibe mir nur gleich, wie Deine Ungerischen Angelegenheiten stehn. Weise mir auch balde Geld zu, denn es fehlt uns bitterlich, ich habe von Luise schon viel borgen müssen. Zu der Messe reisen die Buchhändler jetzt erst, wie ich sehe. Nun kommt Tiek also erst, und ist noch nicht hier gewesen. Deine Mutter hat mir geschrieben, viel von Lottchens Krankheit. Ach lieber Freund, die Gefahr scheint mir nicht vorüber. Sieh sie, wenn es möglich ist.
Aber bleib nicht lange weg, sei Deiner Freundin gut, ich will alles thun um Dir eine angenehme Existenz zu machen, bleibe jezt stille und hoffe auf Dich.
Ermüdet finde ich mich sehr, am meisten vom Sorgen und Besorgen, mein Kopf brennt davon, verzeih die Unordnung dieses Briefs, den ich doch gern noch schreiben wollte.
Luise hat Hufelands diesen Morgen besucht und ist sehr gut aufgenommen ‒ sie gehen auf einige Zeit nach Weimar und der Geheimerath Voigt nach Petersburg. Entre nous, Se. Durchlaucht sind etwas toll. Es sieht auch hier aus danach, sehr leer.
Aber ein schöner Frühling wird kommen und viele Gänge grünen schon, wo Du den Tristan dichten kannst.
In Deinem Schreibtisch kann ich das Inventarium von Rose gar nicht finden. Wo ist es denn wohl? Sie hat heute schon ein neues aufgesetzt um zu vergleichen. Ich habe den Schlüssel zu Deinem Schreibtisch, weil unten Wäsche lag, und werde ihn behalten, weil er in keinen bessern Händen seyn kann ‒ nicht wahr?
Emma läuft gewaltig herum und grüßt Dich. Wir verlangen alle nach Dir. Lebe wohl, recht wohl.
  • Welcker, Emma (geb. Wiedemann)  grüßen  Schlegel, August Wilhelm von
  • Welcker, Emma (geb. Wiedemann)  grüßen lassen  Schelling, Caroline von
  • Schelling, Caroline von  charakterisieren  Unger, Johann Friedrich Gottlieb
  • Schelling, Caroline von  Ankunft  erwarten  Schlegel, August Wilhelm von
  • Schelling, Caroline von  Begegnung  sich freuen  Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von
  • Schelling, Caroline von  Einlagebrief  Schlegel, Friedrich von
  • Schelling, Caroline von  charakterisieren  Schlegel, Friedrich von
  • Schelling, Caroline von  Verlagskontakt  sich erkundigen  Unger, Johann Friedrich Gottlieb
  • Schelling, Caroline von  Geldsendung  erbitten  Schlegel, August Wilhelm von
  • Schelling, Caroline von  Geldauslage  erbitten  Wiedemann, Luise
  • Schelling, Caroline von  Begegnung  empfehlen  Schlegel, August Wilhelm von
  • Schelling, Caroline von  Begegnung  empfehlen  Ernst, Charlotte
  • Schelling, Caroline von  Schreibpraxis  ermutigen  Schlegel, August Wilhelm von: Tristan
Metadata Concerning Header
  • Date: 24. April [1801]
  • Sender: Caroline von Schelling ·
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 370516575
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 107‒109 u. S. 609‒610 (Kommentar).
Language
  • German

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