Neu transkribiert und ausgezeichnet; zweimal kollationiert
TEI-Logo

Caroline von Schelling an August Wilhelm von Schlegel

[1] Montag d. 18 Jan.
Lieber Freund ich schreibe dir gleich wieder u wünschte nur ich hätte manches in meinen lezten Brief erst heut zu schreiben, damit er dich nicht in deinen Planen vielleicht gestört hätte. Welche sie auch seyn mögen, so darf er die Wirkung nicht haben. Brauchst du eine Summe zu etwas, so ist sie ja noch zu schaffen, und du hättest nur früher dergleichen erwähnen sollen, so konnte das bey Philipps Darlehn sein Bewenden haben. Mir selbst ist schon eingefallen, ob du nicht zu der eignen Unternehmung mit dem Shakesp. eine Auslage zu machen hättest. Melde mir nur gleich alles wovon die Rede ist ‒ und wenn du willst, so mache Philipp der Beschleunigung wegen von dortaus unmittelbar den Vorschlag uns das ganze Capital noch zu lassen. Ich will ihm alle Sicherheit geben.
[2] Wegen der hiesigen Vorlesungen ist noch nichts geschehn, weil Sch. eben indem er die Sache näher ins Auge faßte und dazu thun wollte, zweifelhaft gemacht wurde. Nicht als wenn an Zuhörern zu zweifeln wäre, aber Carl der viel unter den Studenten ist, versicherte, es sey ihnen gar nicht angemessen sich gleichsam durch Subscription binden zu lassen. Sie liefen weit lieber ohne weiteres zu. Es gehörte ein Mensch, eine immer wiederkommende Fliege wie Winkelm. dazu, um sie zusammenzutreiben, wie dieser für Friedrich that, aber eben dieses Beyspiel sey bey manchen noch in schlechten Andenken. Sie fanden nicht was sie suchten und wollten sich viele dem Teufel über ihre Unterschrift ergeben, der dritte Theil wenigstens ließ sich nicht einmal dadurch festhalten. Schelling dachte es also unter der Hand und gewiß wirksamer zu betreiben. Späterhin hättest du [3] selbst einen Anschlag machen müssen und allerdings eine Zahl festsetzen. Dieses bleibt dir ja immer frey, wenn jetzt nichts weiter geschehn soll. ‒ Noch sind die ästhetischen Landsmannschaften ganz in der Gewalt von Schütz und dergleichen Leuten. Nicht ein Liev- oder Curländer ZB. hört bey Schell. Da ist ein gewisser Doktor Fries oder wie er heißt, bey dem sie Logik hören, ein Schmidtianer; Loder soll auch dazu beygetragen haben, indem er seinen Landsleuten versichert, Sch. wäre zu schwer für den Anfang. Dieses wird sich gewiß geben, aber sehr wahrscheinlich würde Schütz jetzt noch allen vorgängigen Anstalten entgegen wirken. Viele Schweizer sind kürzlich angekommen.
Das bleibt doch gewiß daß du im künftigen Sommer hier bist? Ich erwarte übrigens die Mittheilungen deiner Plane mit großem Interresse.
[4] Rühmen muß ich dich mein allerliebster Freund, daß du in dem Zeitpunkt der ersten Nachrichten vom Ion noch so viel anders erzählst, und dich nicht wie Narcissus ganz in das schöne Bild vertiefest. ‒ Hätte ich vor Eifer und Eile jenen Abend nicht versäumt „über Leipzig“ auf die Adresse zu setzen, so wären mir derley ungesunde Berichte nicht zuvorgekommen. ‒ Wie hätte diese Person so früh erfahren können, der Herzog habe postirt u was Schiller gesagt u sw.? Schell. war den ganzen folgenden Tag bey G. und hörte die Berichte aus der Stadt bey Tisch. Diesen, der doch auch nur aus der Stadt durch Ritter und den Bauren Meyer an sie xxx erlassen seyn konnte, aber nicht. Wenn in[deß] Goethe kömmt, so soll ers uns vom Herzog bestimmt sagen, der mir höchst neugierig und begierig immer [5] näher zu kommen, aber keinesweges ungeduldig schien. ‒ Hätte Fr. von Kotzeb. die auf der adlichen Seite war, vielleicht dies an Frommans berichtet und so wär es zur Veit gelangt? Ich werd es gewiß noch erfahren, wie auch Schillers genaues Urtheil. Es wäre sehr hübsch wenn er sich dergleichen wirklich hätte verlauten lassen, sehr charakteristisch da er den logischen Zusammenhang immer auf Kosten des poetischen im Auge hat. Indeß weiß ich nicht wie Ion auch im ersten Betracht im mindesten getadelt werden könnte.
Tiek jetzt schon zu nennen als Vf. der Zeichnungen das ging doch schwerlich. Tiek nennen, hätte Schlegel nennen heißen, und ganz im Geheimniß der Aufführung seyn. Alles das kan nachgehohlt werden. Wird das Stück gedruckt, so müssen sie dazu in illuminirten Umrissen gegeben werden.
Ich hoffe mir den Spaß machen zu können dir eine soeben erschienene Recension [6] der Jungfrau von O. in der ALZ. beyzulegen. Darinn ist die Jungfrau nach Principien der Naturphilosophie construirt, und ist eigentlich eine Abhandlung bey Gelegenheit der Jungfrau, denn es komt wenig von ihr darinn vor, aber viel von Potenzen von Duplicität und Identität, vom Magneten sogar. Du wirst deine Freude haben. Und dieses ist das Werk eines jungen Mannes, oder vielmehr Jünglings, der sich Schützen erst nennen will, nachdem dieser es habe abdrucken lassen, Herrmann aus Leipzig hat es eingeschickt. Ich werde den Nahmen auch wohl erfahren, da Carl Sch. mit einem Studenten sehr vertraut ist, dem Schütz alles vertraut. Schütz hält es für ein eminentes Werk, und gründet die Hofnung einer neuen Epoche für die ALZ. auf diesen Pfeiler. Du wirst sehen daß manches recht gute darinn ist, nur nichts zu diesem Ziel treffendes, aber bemerke doch gefälligst [7] die angezeichnete Ignorirung. Die Recens. der Maria Stuart wirst du ja gesehn haben; mich bedünkte sie fast als wäre sie von Vermehren, oder gar von dem precieusen Historiker Breyer, aber obgemeldeter Student sagt aus, sie sey von Dellbrük, was denn auch sehr glaublig ist.
Ists aber nicht sehr komisch daß Schütz mit solcher Devotion jene aufnimmt, die ihm doch offenbar aus Schellings Hörsaal zukommt. Sch. meynt der Mensch müsse fast vorigen Sommer noch bey ihm gehört haben, einiger Partikularitäten wegen.

Was Du von Fichte schreibst, erklärt nun was wir eben zuvor erfahren hatten, daß dieser nehmlich ein Manifest an Schad hat ergehn lassen, worin er ihm sein System nochmals explizirt, und wie gewöhnlich behauptet Sch. verstände ihn nicht, aber auch, wie ungewöhnlich, nachher wieder sagt, sie wären Eins, [8] im Grunde. Schad hatte einen ganzen Abend von diesem Briefe besonder den Frauenzimmern erzählt, und die Kilian hatte eine Menge Sachen daraus behalten ZB. Schell. Natur wäre sein Nicht ich. Es ist doch artig welch ein Sinn für Spekulation hier rege ist.
Dieses hatte Fichte unstreitig in seinem Zorn gethan. Schad hatte übrigens gemeynt, umgekehrt, diesmal verstehe F. Sch. nicht.
Was Cotta geäußert haben mag ist nicht zu begreifen. Er hat sich vielleicht blos auf den möglichen Fall gegen Fichtes Unwillen verschanzt. Sch. hatte ihm nur geschrieben ‒ mit Fichte ein kritisch J. zu unternehmen dazu habe er keine Aussicht mehr, aber doch etwas hinzugefügt als fehle es F. blos an Lust u Zeit. Wir sind sehr begierig auf [9] die nähere Entwicklung. Es freut mich daß Sch. hievon noch nichts wußte da er seinen lezten Brief an F. schrieb der dadurch sehr unbefangen herzlich ward. Indeß ist er doch auch jetzt, da er es weiß, (denn er war da wie dein Brief kam u so lieferte ich es ihm unbedenklich aus) ganz sanftmüthig gegen Fichtes Zorn gesinnt. Äußerst merkwürdig war ihm die Nachricht von den 2 Bogen Wissenschaftslehre.
Daß er Schleyermachers Weigerung nicht für rein ansah, hast du aus seinen wenigen Worten darüber abnehmen können, und wir haben freylich gleich an einen unmittelbaren Einfluß Friedrichs dabey gedacht. Ein mittelbarer ist viel schlimmer, nehmlich daß sich Schleierm. im Allgemeinen so sklavisch scheuen sollte. So ist er denn wirklich nicht mehr werth wie das? [10] Ich muß lachen daß Friedrichs ProphetenGewalt grade auf die Berliner so heftig wirkt. Aber Friedrich geht eben zu Grunde in solchen Wirkungen.
Da du mir die Sander unter seinem Umgang nennst, so ist er es ja auch wohl, gegen den sie sich über meine vermeynte Medisance beklagt hat? O welch ein schlechter Zusammenhang! Glaub nur, er ist ganz gemein, er scheut sich nicht gegen diese Weiber von mir zu sprechen.
Es soll mir recht lieb seyn ihn noch zu treffen. ‒ Ich habe bey Tischbeins angefragt wie viel eine Fuhr von Leip. nach Berlin kostet, u will mich dann danach einrichten. Auf das Geld vom Ion will ich aber keine Einrichtung machen, sondern es bleibt dabey was ich dir zulezt schrieb [11] und zwar wirst du jetzt eine Auslage zu machen bekommen, mit deren Betrag ich bis zu weitrer Nachricht mich begnügen habe. Die Loder ist mit einem heißen Anliegen zu mir gekommen, um ein schönes Shawl, und damit es recht neu u gustos sey, soll ich die Unzelmann bitten es auszusuchen. Dieses werd ich auf einen Zettel thun, und ich lege dirs ans Herz ihn auf der Stelle an sie zu befördern, damit wenn du dieß etwa Montags erhalten solltest, Dienstags das verborlangte Kleinod schon abgehn könne. Er kann wohl auf 3–4 Louis dʼor kommen stell ich mir vor.
Potstausend lieber Schlegel, du willst mir bis Potsdam entgegen kommen! Das nehm ich an.

Eben bekomme ich die Blätter von der Jungfrau
[12] Höre, fast habe ich Lust folgendes durch die dritte oder sechste Hand in die ALz. einrücken zu lassen: „der vortrefliche wahrscheinlich junge und hoffnungsvolle Vf. hat den u den Fehler gegen die Chronologie begangen. H. Hofr. Sch. würde ihm dieses unstreitig anders berichten, wenn er sich bey ihm darüber befragen wollte.“ Oder etwas dem ähnliches. Ich will darüber zu Rath gehn.
Da dieß doch einmal ein doppeltes Briefgeld kostet, so lege ich die skizzirte und noch mehr gekrizelte Notiz von Tiek über die Ausstellungsbilder bey, ob euch der Vergleich vielleicht amüsire wie mich. Dagegen habe ich folgende Bitten: die unterstrichnen völlig indechiffrablen Worte sollst du mir deutlich geschrieben schicken, (denn wir haben hier diesen verworrnen Text ins reine geschrieben, auch ein klein wenig gereinigt) ferner was [13] Tiek damals seiner Schwester über den Hummel geschrieben hat. Ich will damit die Akten ergänzen, und dann Tieks Zeichnung auch hinzufügen, die ich zu meinem Ergötzen in eben den cavalieren Ton behandlen will, wie der seinige ist, der doch wunderbar nahe an französische Manier gränzt.
Ist Tieks Goethe angekommen? Meiner sieht jetzt göttlich auf einen sehr wohl proporzionirten Postament aus. Goethe hat den seinigen hinten ein wenig ausfuttern lassen daß er sich mehr vorwärts neigt, was ihm ein schlankes und hohes Ansehn geben soll; ich habe dieß bey meinen gar nicht nöthig gefunden. G. hat die Büste auf seinem eignen Zimmer.
Was sagen denn Hummel und die andern?
Wenn du mir etwas zu schicken hast so kannst du es zum Shawl fügen, etwa die fr. Comödien. Noch eins, sollte Alarkos fertig gedruckt werden [14] ehe ich hinkomme, so schicke uns gleich ein Exemplar.
Da ich deinem Bruder in Han. schreiben mußte, habe ich mich nicht entbrechen können ihnen die Freude mit dem Ion zu machen, doch verboten es laut werden zu lassen. Auch von deinen Vorlesungen glänzende Relationen. Hätt ich das mit dem Prinzen schon gewußt, das wäre noch ein Leckerbissen gewesen.
Also Fichte ließt nun auch? Ey!
Lebe wohl, mein herzlieber Freund.
Die Kälte hat sich gebrochen. Es kann nun wieder viel Koth und abscheuliche Wege geben.
Deine
C.
Du wirst Unzel. sagen daß der Loder durchaus drum zu thun ist daß sie ihn aussucht. ‒ Wenn Unzel. meine Ionischen Berichte zu Gesicht gekommen sind, so hab ich wohl unsern Ion zu sehr gelobt.
Orte
Personen
Periodika
Werke
  • Schelling, Caroline von  Geldmangel  erfragen  Schlegel, August Wilhelm von
  • Schelling, Caroline von  Geld  erbitten  Michaelis, Gottfried Philipp
  • Schelling, Caroline von  Geldauslage  vermuten  Shakespeare, William: Dramatische Werke [Ü: August Wilhelm von Schlegel]
  • Schelling, Caroline von  Vorlesung  planen  Schlegel, August Wilhelm von
  • Schelling, Caroline von  negativ bewerten  Winkelmann, Stephan August
  • Schelling, Caroline von  Vorlesung  negativ bewerten  Schütz, Christian Gottfried
  • Schelling, Caroline von  Vorlesung  negativ bewerten  Fries, Jakob Friedrich
  • Schelling, Caroline von  negativ bewerten  Loder, Justus Christian von
  • Schelling, Caroline von  Selbstkritik  ablehnen  Schlegel, August Wilhelm von
  • Schelling, Caroline von  Ankunft  erhoffen  Schlegel, August Wilhelm von
  • Schelling, Caroline von  Gerücht  wütend sein  Schlegel, Dorothea von
  • Schelling, Caroline von  wertschätzen  Goethe, Johann Wolfgang von
  • Schelling, Caroline von  negativ bewerten  Majer, Friedrich
  • Schelling, Caroline von  Bewertung  interessiert sein  Schiller, Friedrich
  • Schelling, Caroline von  Anonymität  bekräftigen  Tieck, Christian Friedrich
  • Schelling, Caroline von  Rezension  beilegen  Apel, Johann August: Schiller, Friedrich: Die Jungfrau von Orleans (Rezension)
  • Schelling, Caroline von  Erfolg  wünschen  Allgemeine Literatur-Zeitung (bis 1803: Jena; ab 1803: Halle)
  • Schelling, Caroline von  Autorschaftsattribution  Delbrück, Friedrich: Schiller, Friedrich: Maria Stuart (Rezension)
  • Schelling, Caroline von  Autorschaftsattribution  Apel, Johann August: Schiller, Friedrich: Die Jungfrau von Orleans (Rezension)
  • Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von  Kommunikationsstörung  Fichte, Johann Gottlieb
  • Schelling, Caroline von  Distanz  beklagen  Cotta, Johann Friedrich von
  • Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von  Redaktionskollektiv  bezweifeln  Fichte, Johann Gottlieb
  • Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von  Nicht-Beteiligung  beklagen  Schleiermacher, Friedrich
  • Schelling, Caroline von  charakterisieren  Schleiermacher, Friedrich
  • Schelling, Caroline von  charakterisieren  Schlegel, Friedrich von
  • Schlegel, Friedrich von  intrigieren  Schelling, Caroline von
  • Sander, Sophie  negativ bewerten  Schelling, Caroline von
  • Schelling, Caroline von  Reise  ankündigen  Schlegel, August Wilhelm von
  • Schelling, Caroline von  Rezension  positiv bewerten  Apel, Johann August: Schiller, Friedrich: Die Jungfrau von Orleans (Rezension)
  • Schelling, Caroline von  verspotten  Schütz, Christian Gottfried
  • Schelling, Caroline von  Text  beilegen  Tieck, Christian Friedrich
  • Schelling, Caroline von  Einlagebrief  Tieck, Christian Friedrich
  • Schelling, Caroline von  Empfangsbestätigung  erbitten  Tieck, Christian Friedrich: Büste von Johann Wolfgang von Goethe
  • Schelling, Caroline von  positiv bewerten  Tieck, Christian Friedrich: Büste von Johann Wolfgang von Goethe
  • Schelling, Caroline von  Buchsendung  erbitten  Schlegel, Friedrich von: Alarcos
  • Schelling, Caroline von  Bitte  vermitteln lassen  Schlegel, August Wilhelm von
  • Schelling, Caroline von  Bitte  vermitteln  Bethmann-Unzelmann, Friederike
Briefkopfdaten
  • Datum: 18. Januar [1802]
  • Absender: Caroline von Schelling ·
  • Empfänger: August Wilhelm von Schlegel ·
  • Absendeort: Jena · ·
  • Empfangsort: Berlin · ·
Druck
  • Datengeber: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 370516575
  • Bibliographische Angabe: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 274‒280 u. S. 634 (Kommentar).
Handschrift
  • Datengeber: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-36905
  • Signatur: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.22,Nr.17
  • Blatt-/Seitenzahl: 12 S. auf Doppelbl. u. 2 S., hs. m. U.
  • Format: 18,9 x 11,7 cm
Sprache
  • Deutsch
Editorische Bearbeitung
  • Bamberg, Claudia
  • Pahl, Florian

Basics · Zitieren