[1] Jena, den 17. Nov. 96.
Liebster Göschen!
Die Ausrichtung Ihres Auftrages an Schiller war mir sehr angelegen, da ich sowohl ein freundschaftliches als ein litterarisches Interesse dabey hatte. Ich habe daher gleich den Tag darauf, als ich Schillern besuchte, Gelegenheit genommen mit ihm davon zu sprechen. Heute, als ich eben damit umging, Ihnen die Resultate unsrer Unterredung mitzutheilen, bekomme ich ein Billet von ihm, daß sie in der Kürze enthält: ich denke es wird am besten seyn, es Ihnen zu überschicken, da ich seine Meynung nicht wohl bestimmter ausdrücken kann, als er selbst gethan hat.
Sie sehen, es würde Sch. lieb seyn zu einer freundlichen Verständigung über [2] diese Sache zu kommen. Zu der Mißhelligkeit zwischen Ihnen und Cotta hat er nicht den entferntesten Anlaß gegeben: denn die Aufträge, womit er diesen an Sie schickte, waren so wenig eine Beeinträchtigung Ihrer Rechte, daß er vielmehr den Vorbehalt derselben in Ansehung des Karlos bey dem Vertrage mit C. über seine andern Schauspiele zur ausdrücklichen Bedingung gemacht hatte. Sch. wünschte daher, die beyden Verleger möchten sich zur Herausgabe seiner sämmtlichen Schauspiele vereinigen, oder C. möchte mit Ihnen einen Vergleich über die Abtretung des Karlos schließen, oder sie möchten sich wenigstens über gleichförmigen Druck und Format verabreden, damit der Karlos mit den übrigen Stücken, ungeachtet der Verschiedenheit der Verleger als ein Ganzes betrachtet [3] werden könnte. – Leidenschaftliche Aufwallungen sind Schuld daran gewesen, daß es damahls gar nicht recht zu diesen Erörterungen gekommen ist; und ich dächte, es wäre besser jetzt das Vorgefallene von beyden Seiten zu vergessen, als nach zwey Jahren noch genau zu untersuchen, wer das erste beleidigende Wort gesagt, und wie dann eins das andre hervorgelockt hat. In solchen Augenblicken entfährt einem manches, was man nachher lieber nicht gesagt hätte, oder auch wohl den Augenblick darauf schon nicht ganz bestimmt mehr weiß. Cotta müßte seinen Vortheil schlecht verstanden haben, wenn er den üblen Willen gehabt hätte, Sie gegen sich aufzubringen, da er Ihre von Schiller anerkannten Rechte durchaus nicht mit Gewalt erobern konnte.
Ich sollte also denken, nur unvor[4]sichtige, vielleicht gar zufällige Aeußerungen von ihm hatten Ihren Unwillen veranlaßt. Auf jeden Fall konnte Cotta’s Unrecht auf Ihr Verhältniß zu Schiller eigentlich keinen Einfluß haben.
Zu einem neuen Druck des Karlos in der alten Gestalt werden Sie bey der nahen Aussicht auf die Umarbeitung wohl selbst nicht große Lust haben. Sch. sagte mir noch, er würde jetzt in dem einzigen Falle gerne darein willigen, daß es durchaus nothwendig wäre, um einem neuen Nachdruck vorzubeugen, und dann würde er doch wünschen, daß eine ganz kleine Auflage gemacht würde, die etwa nur hinreichte, um die Nachfrage bis ins J. 1798 zu befriedigen, für welche er dann aber auch gar nichts verlangte. Er meynte indessen, eine Ankündigung des verbesserten Karlos, [5] den man allenfalls auf einen etwas früheren Zeitpunkt versprechen könnte, würde die Kauflustigen bewegen, lieber bis dahin zu warten. Wenn Sie in Schillers Vorschläge eingehen, so würden wir bald im Reinen darüber seyn, wie und von wem diese Ankündigung zu machen wäre.
Die ersten Zeilen in Schillers Billet beziehen sich auf vorläufige Vorschläge für die Zukunft, deren er in unserm Gespräche erwähnte.
Vom Geisterseher hat Sch. diese Zeit her gar nicht reden hören [?wollen], weil er sich nicht überwinden kann, den zweyten Theil niederzuschreiben, ob er ihn gleich ganz im Kopfe hat. Ueber das Anerbieten, daß er Ihnen macht, ihn des Styls wegen durchzusehen, freue ich mich: denn nun gebe ich noch nicht [6] alle Hoffnung zu einer Fortsetzung auf. Es ist nur der erste Entschluß, sich mit einer Sache zu beschäftigen, die einem ganz fremd geworden ist, was große Ueberwindung kostet: vielleicht führt ihn die Durchsicht des ersten Theiles weiter als er jetzt denkt, und dann kann sich der zweite leicht daran knüpfen.
Das wäre, denke ich, so ziemlich alles Wesentlich, was ich Ihnen zu schreiben hätte. Vielleicht werden Sie nun Schillern unmittelbar antworten, und ich würde mich unendlich freuen, wenn so alles wieder auf die beste Art in Gang käme. Schreiben Sie mir doch aber auch bald, ich wünsche zu erfahren, wie Ihre Fußreise abgelaufen, und ob Sie gesund und wohlbehalten in Leipzig angekommen sind.
An Michaelis werden Sie hoffentlich ein Paar Zeilen meinetwegen [7] geschrieben haben, und das Manuscript müssen Sie mir ja unter Ihren Kleinodien verwahren. Wegen des Vorschlags mit der Geßnerschen Buchhandlung habe ich eine Bedenklichkeit, die mir nicht gleich beyfiel, als Sie mir davon sagten. Ich habe in ziemlich freundschaftlichen Verhältnissen mit Eschenburg gestanden. Durch meine Uebersetzung des Shakespeare spiele ich ihm eigentlich einen schlimmen Dienst. Wie sorgfältig ich auch die seinige in meinem Aufsatze über Sh. geschont habe, so bleibt das doch immer, daß wenn man eine Arbeit von neuem macht, man dadurch die Arbeit des Vorgängers für unnütz erklärt, oder unnütz zu machen sucht. Eschenburg hat eine neue Auflage seiner Uebersetzung bey Geßner besorgen sollen. Er hat mir zwar gesagt, er stehe auf meine Ankündigung davon ab; in[8]dessen fürchte ich doch den Schein zu haben als suchte ich ihn zu verdrängen, wenn ich meine Uebersetzung der Geßnerschen Buchhandlung zuerst antrage. Ich habe daher auch noch nicht an Wieland geschrieben. –
Leben Sie recht wohl, bester Göschen. Tausend herzliche Empfehlungen von mir und meiner Frau an Sie, Ihre liebe Gattin und alle die Ihrigen.
A. W. Schlegel.
Liebster Göschen!
Die Ausrichtung Ihres Auftrages an Schiller war mir sehr angelegen, da ich sowohl ein freundschaftliches als ein litterarisches Interesse dabey hatte. Ich habe daher gleich den Tag darauf, als ich Schillern besuchte, Gelegenheit genommen mit ihm davon zu sprechen. Heute, als ich eben damit umging, Ihnen die Resultate unsrer Unterredung mitzutheilen, bekomme ich ein Billet von ihm, daß sie in der Kürze enthält: ich denke es wird am besten seyn, es Ihnen zu überschicken, da ich seine Meynung nicht wohl bestimmter ausdrücken kann, als er selbst gethan hat.
Sie sehen, es würde Sch. lieb seyn zu einer freundlichen Verständigung über [2] diese Sache zu kommen. Zu der Mißhelligkeit zwischen Ihnen und Cotta hat er nicht den entferntesten Anlaß gegeben: denn die Aufträge, womit er diesen an Sie schickte, waren so wenig eine Beeinträchtigung Ihrer Rechte, daß er vielmehr den Vorbehalt derselben in Ansehung des Karlos bey dem Vertrage mit C. über seine andern Schauspiele zur ausdrücklichen Bedingung gemacht hatte. Sch. wünschte daher, die beyden Verleger möchten sich zur Herausgabe seiner sämmtlichen Schauspiele vereinigen, oder C. möchte mit Ihnen einen Vergleich über die Abtretung des Karlos schließen, oder sie möchten sich wenigstens über gleichförmigen Druck und Format verabreden, damit der Karlos mit den übrigen Stücken, ungeachtet der Verschiedenheit der Verleger als ein Ganzes betrachtet [3] werden könnte. – Leidenschaftliche Aufwallungen sind Schuld daran gewesen, daß es damahls gar nicht recht zu diesen Erörterungen gekommen ist; und ich dächte, es wäre besser jetzt das Vorgefallene von beyden Seiten zu vergessen, als nach zwey Jahren noch genau zu untersuchen, wer das erste beleidigende Wort gesagt, und wie dann eins das andre hervorgelockt hat. In solchen Augenblicken entfährt einem manches, was man nachher lieber nicht gesagt hätte, oder auch wohl den Augenblick darauf schon nicht ganz bestimmt mehr weiß. Cotta müßte seinen Vortheil schlecht verstanden haben, wenn er den üblen Willen gehabt hätte, Sie gegen sich aufzubringen, da er Ihre von Schiller anerkannten Rechte durchaus nicht mit Gewalt erobern konnte.
Ich sollte also denken, nur unvor[4]sichtige, vielleicht gar zufällige Aeußerungen von ihm hatten Ihren Unwillen veranlaßt. Auf jeden Fall konnte Cotta’s Unrecht auf Ihr Verhältniß zu Schiller eigentlich keinen Einfluß haben.
Zu einem neuen Druck des Karlos in der alten Gestalt werden Sie bey der nahen Aussicht auf die Umarbeitung wohl selbst nicht große Lust haben. Sch. sagte mir noch, er würde jetzt in dem einzigen Falle gerne darein willigen, daß es durchaus nothwendig wäre, um einem neuen Nachdruck vorzubeugen, und dann würde er doch wünschen, daß eine ganz kleine Auflage gemacht würde, die etwa nur hinreichte, um die Nachfrage bis ins J. 1798 zu befriedigen, für welche er dann aber auch gar nichts verlangte. Er meynte indessen, eine Ankündigung des verbesserten Karlos, [5] den man allenfalls auf einen etwas früheren Zeitpunkt versprechen könnte, würde die Kauflustigen bewegen, lieber bis dahin zu warten. Wenn Sie in Schillers Vorschläge eingehen, so würden wir bald im Reinen darüber seyn, wie und von wem diese Ankündigung zu machen wäre.
Die ersten Zeilen in Schillers Billet beziehen sich auf vorläufige Vorschläge für die Zukunft, deren er in unserm Gespräche erwähnte.
Vom Geisterseher hat Sch. diese Zeit her gar nicht reden hören [?wollen], weil er sich nicht überwinden kann, den zweyten Theil niederzuschreiben, ob er ihn gleich ganz im Kopfe hat. Ueber das Anerbieten, daß er Ihnen macht, ihn des Styls wegen durchzusehen, freue ich mich: denn nun gebe ich noch nicht [6] alle Hoffnung zu einer Fortsetzung auf. Es ist nur der erste Entschluß, sich mit einer Sache zu beschäftigen, die einem ganz fremd geworden ist, was große Ueberwindung kostet: vielleicht führt ihn die Durchsicht des ersten Theiles weiter als er jetzt denkt, und dann kann sich der zweite leicht daran knüpfen.
Das wäre, denke ich, so ziemlich alles Wesentlich, was ich Ihnen zu schreiben hätte. Vielleicht werden Sie nun Schillern unmittelbar antworten, und ich würde mich unendlich freuen, wenn so alles wieder auf die beste Art in Gang käme. Schreiben Sie mir doch aber auch bald, ich wünsche zu erfahren, wie Ihre Fußreise abgelaufen, und ob Sie gesund und wohlbehalten in Leipzig angekommen sind.
An Michaelis werden Sie hoffentlich ein Paar Zeilen meinetwegen [7] geschrieben haben, und das Manuscript müssen Sie mir ja unter Ihren Kleinodien verwahren. Wegen des Vorschlags mit der Geßnerschen Buchhandlung habe ich eine Bedenklichkeit, die mir nicht gleich beyfiel, als Sie mir davon sagten. Ich habe in ziemlich freundschaftlichen Verhältnissen mit Eschenburg gestanden. Durch meine Uebersetzung des Shakespeare spiele ich ihm eigentlich einen schlimmen Dienst. Wie sorgfältig ich auch die seinige in meinem Aufsatze über Sh. geschont habe, so bleibt das doch immer, daß wenn man eine Arbeit von neuem macht, man dadurch die Arbeit des Vorgängers für unnütz erklärt, oder unnütz zu machen sucht. Eschenburg hat eine neue Auflage seiner Uebersetzung bey Geßner besorgen sollen. Er hat mir zwar gesagt, er stehe auf meine Ankündigung davon ab; in[8]dessen fürchte ich doch den Schein zu haben als suchte ich ihn zu verdrängen, wenn ich meine Uebersetzung der Geßnerschen Buchhandlung zuerst antrage. Ich habe daher auch noch nicht an Wieland geschrieben. –
Leben Sie recht wohl, bester Göschen. Tausend herzliche Empfehlungen von mir und meiner Frau an Sie, Ihre liebe Gattin und alle die Ihrigen.
A. W. Schlegel.