[1] Jena 3ter Jul. 01.
Verzeihen Sie, werthester Freund, daß ich erst jezt antworte. Ich bin die lezte Zeit sehr beschäftigt gewesen mit dem Studium fremder, besonders alter, Werke, und jezt bin ich es mit eignen Arbeiten. Die Fortsetzung meiner Zeitschrift soll bald erscheinen; ich bin eben beschäftigt damit. Sehr wünsche ich, zu dem Taschenbuch noch etwas beitragen zu können. Was Ihnen Caroline abgeschrieben hat sind Bruchstüke aus einer Reihe von Gedichten in elegischer u. epigrammat[ischer] Form. Bei Ihrer Hierherkunft will ich Ihnen zeigen, was etwa gedrukt werden könnte; Sie sollen dann urtheilen ob es der Mühe werth ist. Von meinen nächsten poët[ischen] Planen alsdann auch mehreres! Sie [2] sollen mir zuvor noch einige Geheimnisse der Kunst verrathen. Was den Pfarrer betrifft, so fürchte ich fast mehr die späteren Verbesserungen, als die ersten Fehler; ich bin mir bewußt, daß sie nicht sehr glüklich waren, u. da es einmal ein regelunrechtes Gedicht ist, so will ich lieber einige wenigstens der Correcturen wieder hinwegnehmen, damit es seinen Character nicht verläugnen zu wollen scheine.
Für d[as] Ex[emplar] der Charakteristiken bin ich Ihnen sehr verbunden. Es hat mir eine der belehrendsten u. unterhaltendsten Lektüren gewährt. Sehr bedaure ich, Ihr Exempl[ar] von meiner Zeitschr. nicht gleich mit dem für Fichte nach Berlin geschikt zu haben, jezt halte ich es nicht mehr der Mühe werth. Von meinem Entwurf der Nat.ph. hat in der Erl. Z. eine Rec. von [3] Eschenmayer gestanden. Sie ist im Geiste des Aufsatzes, den Sie vielleicht im vorlezten Heft meiner Zeitschr. gelesen haben, u. es soll mich nicht wundern, wenn sie Fichte sehr gut gefunden hat. Fichteʼns Schreiben an Reinhold hat unsre ganze Bewunderung erregt; ich lese es immer wieder. Es ist von dem Herrlichsten, das Fichte geschrieben hat. – Von wem die Rec. des Athenäum in der Erl. Z. ist, weiß ich nicht, noch weniger von wem die Ihrer Gedichte. Diese ist Hundearbeit, oder vielmehr Eselsarbeit. – Daselbst hat eine Rec. meines Ideal. gestanden, die ohne Zweifel von Steffens ist. Haben Sie dessen Beiträge nicht zu Gesicht bekommen? Es ist ein vortreffliches Werk, eine unschäzbare Acquisition für die Naturphilos. u. alle Theile der Physik. – Er hat unlängst eine Reise an den Rhein, nach Franken, Bamberg u. s. w. gemacht, u. wird den Rest des Sommers hier zubringen, sobald er von Freiberg sich losmachen kann. – Ich muß Ihnen doch noch schreiben, daß man Ihre Erklærung wegen des [4] Kotzebue bei der Lit. Z. ordentlich für einen Raub betrachtet zu haben scheint. Sie haben sie gleich abgedrukt, und – bis jezt wenigstens nichts dafür gefodert. Auf den Brief von Fichte haben Sie mich sehr begierig gemacht. Ich bin aber meiner Sache so weit gewiß, daß ich nicht einen Augenblik zweifle, Fichte werde mir ‒ künftig wenigstens Recht geben. Leider weiß ich selbst, daß dieß so weit ich mich bisher habe erklæren können, noch nicht möglich war.
Ich muß Ihnen noch schreiben daß ich ein sehr eifriger Leser u. Verehrer der Reden über die Religion geworden bin. Sie wißen, wie es mir, aus einer unverzeihlichen Nachlæßigkeit oder Trägheit damit ergangen war. Ich ˹ehre˺ jezt den Verf[asser], als einen Geist, den man nur auf der ganz gleichen Linie mit den ersten Original-Philosophen betrachten kann. Ohne diese Originalität ist es nicht möglich, so das Innerste [5] der Spekulation durchdrungen zu haben, ohne auch nur eine Spur der Stuffen, die man durchgehen mußte, zurükzulassen. Das Werk wie es ist scheint mir bloß aus sich selbst entsprungen, u. ist dadurch nicht nur die schönste Darstellung, sondern zugleich selbst ein Bild des Universum, u. gleichwohl muß, wer etwas der Art hervorbringen will die tiefsten philos. Studien gemacht haben – oder er hat durch blinde göttliche Inspiration geschrieben. –
Was Carolinens Gesundheit betrift, so scheint sie außer einer wahrscheinlich nie ganz zu überwindenden Schwäche vorzüglich des Nervensystems [6] in einer Verfaßung zu seyn, welche wenigstens kein tiefer greifendes Übel ankündigt und gegründete Hofnung läßt, sie werde uns noch erhalten werden. Die lezte kühle Zeit hat ihr etwas zugesezt, doch ohne weitere böse Folgen. Am meisten bedarf sie der Ruhe und Stille. Sie ist heiter in ihrem Sinn, liest viel, u. überlæßt sich ganz der Freude auch die tiefern Studien nicht zu scheuen. Die freie Luft genießt sie so viel möglich.
Sollten Sie von Rösch[laubs] Distichen keinen Gebrauch machen können, so bitte ich sie mir aus, da ich ihnen eine gute Bestimmung geben kann.
Leben Sie wohl u. vergnügt.
Schelling.
Verzeihen Sie, werthester Freund, daß ich erst jezt antworte. Ich bin die lezte Zeit sehr beschäftigt gewesen mit dem Studium fremder, besonders alter, Werke, und jezt bin ich es mit eignen Arbeiten. Die Fortsetzung meiner Zeitschrift soll bald erscheinen; ich bin eben beschäftigt damit. Sehr wünsche ich, zu dem Taschenbuch noch etwas beitragen zu können. Was Ihnen Caroline abgeschrieben hat sind Bruchstüke aus einer Reihe von Gedichten in elegischer u. epigrammat[ischer] Form. Bei Ihrer Hierherkunft will ich Ihnen zeigen, was etwa gedrukt werden könnte; Sie sollen dann urtheilen ob es der Mühe werth ist. Von meinen nächsten poët[ischen] Planen alsdann auch mehreres! Sie [2] sollen mir zuvor noch einige Geheimnisse der Kunst verrathen. Was den Pfarrer betrifft, so fürchte ich fast mehr die späteren Verbesserungen, als die ersten Fehler; ich bin mir bewußt, daß sie nicht sehr glüklich waren, u. da es einmal ein regelunrechtes Gedicht ist, so will ich lieber einige wenigstens der Correcturen wieder hinwegnehmen, damit es seinen Character nicht verläugnen zu wollen scheine.
Für d[as] Ex[emplar] der Charakteristiken bin ich Ihnen sehr verbunden. Es hat mir eine der belehrendsten u. unterhaltendsten Lektüren gewährt. Sehr bedaure ich, Ihr Exempl[ar] von meiner Zeitschr. nicht gleich mit dem für Fichte nach Berlin geschikt zu haben, jezt halte ich es nicht mehr der Mühe werth. Von meinem Entwurf der Nat.ph. hat in der Erl. Z. eine Rec. von [3] Eschenmayer gestanden. Sie ist im Geiste des Aufsatzes, den Sie vielleicht im vorlezten Heft meiner Zeitschr. gelesen haben, u. es soll mich nicht wundern, wenn sie Fichte sehr gut gefunden hat. Fichteʼns Schreiben an Reinhold hat unsre ganze Bewunderung erregt; ich lese es immer wieder. Es ist von dem Herrlichsten, das Fichte geschrieben hat. – Von wem die Rec. des Athenäum in der Erl. Z. ist, weiß ich nicht, noch weniger von wem die Ihrer Gedichte. Diese ist Hundearbeit, oder vielmehr Eselsarbeit. – Daselbst hat eine Rec. meines Ideal. gestanden, die ohne Zweifel von Steffens ist. Haben Sie dessen Beiträge nicht zu Gesicht bekommen? Es ist ein vortreffliches Werk, eine unschäzbare Acquisition für die Naturphilos. u. alle Theile der Physik. – Er hat unlängst eine Reise an den Rhein, nach Franken, Bamberg u. s. w. gemacht, u. wird den Rest des Sommers hier zubringen, sobald er von Freiberg sich losmachen kann. – Ich muß Ihnen doch noch schreiben, daß man Ihre Erklærung wegen des [4] Kotzebue bei der Lit. Z. ordentlich für einen Raub betrachtet zu haben scheint. Sie haben sie gleich abgedrukt, und – bis jezt wenigstens nichts dafür gefodert. Auf den Brief von Fichte haben Sie mich sehr begierig gemacht. Ich bin aber meiner Sache so weit gewiß, daß ich nicht einen Augenblik zweifle, Fichte werde mir ‒ künftig wenigstens Recht geben. Leider weiß ich selbst, daß dieß so weit ich mich bisher habe erklæren können, noch nicht möglich war.
Ich muß Ihnen noch schreiben daß ich ein sehr eifriger Leser u. Verehrer der Reden über die Religion geworden bin. Sie wißen, wie es mir, aus einer unverzeihlichen Nachlæßigkeit oder Trägheit damit ergangen war. Ich ˹ehre˺ jezt den Verf[asser], als einen Geist, den man nur auf der ganz gleichen Linie mit den ersten Original-Philosophen betrachten kann. Ohne diese Originalität ist es nicht möglich, so das Innerste [5] der Spekulation durchdrungen zu haben, ohne auch nur eine Spur der Stuffen, die man durchgehen mußte, zurükzulassen. Das Werk wie es ist scheint mir bloß aus sich selbst entsprungen, u. ist dadurch nicht nur die schönste Darstellung, sondern zugleich selbst ein Bild des Universum, u. gleichwohl muß, wer etwas der Art hervorbringen will die tiefsten philos. Studien gemacht haben – oder er hat durch blinde göttliche Inspiration geschrieben. –
Was Carolinens Gesundheit betrift, so scheint sie außer einer wahrscheinlich nie ganz zu überwindenden Schwäche vorzüglich des Nervensystems [6] in einer Verfaßung zu seyn, welche wenigstens kein tiefer greifendes Übel ankündigt und gegründete Hofnung läßt, sie werde uns noch erhalten werden. Die lezte kühle Zeit hat ihr etwas zugesezt, doch ohne weitere böse Folgen. Am meisten bedarf sie der Ruhe und Stille. Sie ist heiter in ihrem Sinn, liest viel, u. überlæßt sich ganz der Freude auch die tiefern Studien nicht zu scheuen. Die freie Luft genießt sie so viel möglich.
Sollten Sie von Rösch[laubs] Distichen keinen Gebrauch machen können, so bitte ich sie mir aus, da ich ihnen eine gute Bestimmung geben kann.
Leben Sie wohl u. vergnügt.
Schelling.