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Valerius Wilhelm Neubeck to August Wilhelm von Schlegel

[1] Steinau d. 2ten Sept. 97.
Anstatt des Danks, welchen ich dem Verfasser der Kritik meines Gedichtes schuldig bin für die belohnende Anerkennung des Eifers und der Mühe, so ich darauf verwendet habe; anstatt des Danks, den ich nur verlegen Ihnen bringen kann, will ich Ihnen nicht verbergen, daß der volle Beyfall, den Sie meinem Versuch ertheilen, mich überraschte, und daß ich solchen lediglich als eine Belohnung ansehn darf, deren Sie das Verdienst des guten Willens, dessen ich mich allein bewußt bin, vermöge Ihrer Kenntniß des Umfangs der zu überwindenden Schwierigkeiten, nicht unwürdig hielten. Ich dachte mir, als ich den Entwurf machte, ein kleines, auserlesenes Publikum unter den Freunden der alten Kunst, und schätze mich sehr glücklich, daß ichs endlich gefunden habe. Schon lange war mir der Urheber der meisterhaften Uebers. des Dante u. Petrarka rühmlich bekannt, und nach der Erscheinung Ihres Shakspear wünschte ich nichts lebhafter, als in näherer Verbindung mit einem Kunstverwandten zu stehen, den Bürger ehrte u. liebte. Daß mein Gedicht mir dies Glück verschaffte, [2] gehört unter die günstigen Einflüße des guten Gestirns, das erst jetzt über diesen Versuch in der didakt. Poesie aufzugehen scheint; zu welcher schmeichelhaften Hofnung mich Ihr Wunsch berechtiget, mein Gedicht mehr in Umlauf gebracht zu sehn. Es ist wahr, daß die guten Najaden in nichts weniger als einem ästhetischen Gewand erschienen, woran ich aber nicht Schuld bin. Eine neue Auflage zu bewerkstelligen war daher längst mein Gedanke, da überdieß nur 300 Exempl. abgedruckt worden, und bis auf einige 20 Stück vergriffen sind. Die geringe Teilnahme des Publ. hielt mich indeß immer noch zurück, und ich ließ es gut seyn, da sich zumal die Geschäfte meines Amts vervielfachten. Ihr gütiges Anerbieten, die Veranstaltung einer neuen Ausgabe zu vermitteln, und sich deßhalb für mich bei einigen Buchhändlern, die Sie kennen, zu verwenden, ist mir daher, ich gestehe es frey, sehr willkommen. Mit dem Buchhändler Korn zu Breslau, der mein Gedicht in Commission genommen, habe ich mich völlig auseinandergesetzt, und kann also jeden andern Verlag wählen, bey welchem auch vielleicht mehr in Betreff der äußern Eleganz zu erwarten ist. Voll Vertraun überlasse ich Ihnen daher ganz die Vermittelung und Einrichtung der künftigen Auflage, und werde Ihnen bloß, wenn Sie einen Verleger gefunden haben, einige [3] Zusätze und kleine Abänderungen übersenden um solche beym Abdruck einschalten zu lassen. Sie sehen, ich bediene mich Ihres Anerbietens mit einer Zuversicht u. Freymüthigkeit, die sich nur durch das Zutraun entschuldigen läßt, das aus der Art des Anerbietens selber entspringt.
Sehr freue ich mich über die Fortsetzung Ihres Shakspear, und sehe mit Verlangen Ihrem Prometheus entgegen. Die erfreuliche Neuigkeit von Göthe’s Hermann und Dorothea ist in den Erdwinkel, worin ich wohne, noch nicht gedrungen, ich sage Ihnen also Dank dafür. Sie wissen, wie man erwartet, was Göthe schreibt. Gegenwärtig muß ich mit Armstrong ausrufen:
I Seldom court the Nine;
Another art, a Serious art, is mine.

Für die Dichtkunst ist hier eine sterile Gegend; freuen soll es mich daher, wenn Sie mir zuweilen in Briefen erscheinen wollen. Dieß könnte vielleicht Anlaß geben, daß ich die glückliche Stimmung wieder erhalte, welche mir jetzt ganz zur Vollendung meiner Sudeten fehlt. Versichern darf ich wohl nun nicht erst, wie gern ich Ihre Einladung zu gegenseitigem Verkehr annehme.
[4] In meinem Städchen fehlt es mir gänzlich an literarischem Umgang. Meine einzige Zuflucht ist bisweilen ein flüchtiger Besuch in Liegnitz, wohin ich 4 Meilen Weges habe, und wo ich unter einigen Lehrern der dasigen Akademie, unter denen ich besonders den Prof. Schmit, einen Riesen in der italischen Literatur, und den Prof. Werdermann, einen kritischen Philosophen aber voll martialischen Witzes, zu meinen werthesten Freunden zähle, sehr angenehm einige Stunden zubringe. Daß die Oreaden mir so hold werden, als die 3000 Töchter des alten Ocean, in welche ich allzumal – unter uns – ein wenig verliebt bin, werde ich wohl einmal unsern Freund Fischer im Gebirge aufsuchen müssen. Diese sanftere Schweiz ist recht dazu angelegt, das Leben froh zu genießen, und den Geist zu den stillen Offenbarungen der Natur einzuweihen. Leben Sie wohl! Ich bin mit wahrer Hochachtung
Ihr ergebenster
Neubeck.
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Metadata Concerning Header
  • Date: Samstag, 2. September 1797
  • Sender: Valerius Wilhelm Neubeck ·
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel ·
  • Place of Dispatch: Steinau, Oder ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fambach, Oscar: Das grosse Jahrzehnt in der Kritik seiner Zeit. Die wesentlichen und die umstrittenen Rezensionen aus der periodischen Literatur des Übergangs von der Klassik zur Frühromantik, begleitet von den Stimmen der Umwelt; in Einzeldarstellungen. Berlin: Akademie Verl. 1958, S. 145–146
Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-35010
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.17,Nr.3
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,3 x 11,9 cm
Language
  • German
  • English
Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia

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