[1] Jena d. 24 Febr. 1797
Mein werthester Freund!
Es war mir sehr unerwartet, Ihren Brief von Halle datirt zu sehen, und es thut mir leid, daß durch diese Entfernung meine Hoffnung, die mit Ihnen gestiftete Bekanntschaft zu erneuern und fortzusetzen, weiter hinausgerückt worden ist. Vielleicht berühre ich indessen auf einer Reise im bevorstehenden Frühjahre Halle. – Meine Anzeige des Taschenbuchs habe ich schon vor einigen Tagen zu baldigster Besorgung übergeben. Es wäre gewiß keine zweyte Erinnerung an mein Versprechen nöthig gewesen, wenn mich nicht, seit Sie mich in W.[eimar] sahen, eine Reihe verschiedner Arbeiten, die sich durchaus nicht abweisen ließen, gar nicht hätte zu Odem kommen lassen. Ich wünschte, meine Überzeugung hätte mir erlaubt mit größerer Wärme zu loben, als ich gethan; denn in der That, liebster Falk, ich habe einen zu hohen Begriff von Ihren Talenten, als daß ich finden könnte, das Taschenbuch entspreche denselben völlig. Eine gute Probe für den Witz ist es, wie mich däucht, wenn man ihm die Einkleidung nehmen darf, worin er vorgetragen worden. Mit den Einkleidungen ist es überhaupt eine eigne Sache: es ist beynah unmöglich neu darin zu seyn. Ich sehe wohl ein, daß der Witz entweder einer Einkleidung bedarf, oder gelegentlich vorgebracht werden muß, wie in einigen Kritiken Lessings in der Dramaturgie, in einer Menge Aufsätzen von Voltaire, in psychikalischen Unter[2]suchungen von Lichtenberg u.s.w. Natürlich muß das Lächerliche um so stärker wirken, wenn es nicht förmlich angekündigt wird, sondern wenn vielmehr der Leser bloß eine ernsthafte Belehrung erwartet.
Übrigens glaube ich nicht, daß eine Recension etwas beträchtliches für ein satyrisches Werk ausrichten könne. Ein solches muß seiner Natur nach jedem Angriffe trotzen, und alle Recensenten der Welt müssen es nicht niederschreiben können.
Im Kosmopoliten habe ich noch nichts gelesen – der Angriff auf die Xenien interessirt mich nicht sehr, da so vieles dagegen geschrieben wird, daß man kaum mehr vorkommen kann, alles zu lesen – der Ausfall auf Sie kann Ihnen auch wohl bey der geringen Bedeutung des Journals und seiner Urheber ziemlich gleichgültig seyn. Haben Sie Dank für das mitgetheilte Gedicht; es scheint mir eine sehr gelungne Anwendung des Boileauschen Einfalls: La raison dit Virgile et la rime Quinaut.
Sie haben mich doch nicht weiter als den Recensenten der Almanache genannt? Als ich an der Kritik über Voß arbeitete, wußte ich noch nichts von seiner Krankheit. Zu meinem Troste hat man mir versichert, daß V.[oß] sich gar nichts aus Recensionen macht, sondern nur darüber zu lachen pflegt. Meine Art ist Lob und Tadel gleich lebhaft zu sagen. Wenn unsre Kritik mehr auf Lessingsche Art scharf zu Werke ginge, so wären wir schon weiter. Ich weiß nicht, was Wielanden eingekommen ist, daß er Vossen seine unläugbaren Verdienste auf eine unbillige, leidenschaftliche, und weil gar keine wahre Einsicht in die Sache [3] daraus hervorleuchtet, auf eine illiberale Art abzusprechen versucht hat. (Im Febr.[uarheft] des Merkur.) Wie wird es seinen Übersetzungen aus den Alten ergehen, wenn V.[oß] sie kritisch prüfen will?
Ihre Grüße an hiesige Bekannte habe ich ausgerichtet: Sie stehen überall in gutem Andenken. Empfehlen Sie so wohl mich als meinen Bruder bestens dem Hrn. Prof. Wolf. Mein Bruder hofft ihm mit nächstem schreiben zu können.
Mit der Agnes ist hier ebenfalls noch niemand recht auf den Grund.
Leben Sie wohl.
Ganz der Ihrige
A. W. Schlegel
Sie nennen den gewissen Herrn Krause als den Verfasser der Recension der Horen in den Annalen. Ist dieß ganz ausgemacht? und woher weiß man es? Gesteht er es vielleicht selbst öffentlich ein?
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Mein werthester Freund!
Es war mir sehr unerwartet, Ihren Brief von Halle datirt zu sehen, und es thut mir leid, daß durch diese Entfernung meine Hoffnung, die mit Ihnen gestiftete Bekanntschaft zu erneuern und fortzusetzen, weiter hinausgerückt worden ist. Vielleicht berühre ich indessen auf einer Reise im bevorstehenden Frühjahre Halle. – Meine Anzeige des Taschenbuchs habe ich schon vor einigen Tagen zu baldigster Besorgung übergeben. Es wäre gewiß keine zweyte Erinnerung an mein Versprechen nöthig gewesen, wenn mich nicht, seit Sie mich in W.[eimar] sahen, eine Reihe verschiedner Arbeiten, die sich durchaus nicht abweisen ließen, gar nicht hätte zu Odem kommen lassen. Ich wünschte, meine Überzeugung hätte mir erlaubt mit größerer Wärme zu loben, als ich gethan; denn in der That, liebster Falk, ich habe einen zu hohen Begriff von Ihren Talenten, als daß ich finden könnte, das Taschenbuch entspreche denselben völlig. Eine gute Probe für den Witz ist es, wie mich däucht, wenn man ihm die Einkleidung nehmen darf, worin er vorgetragen worden. Mit den Einkleidungen ist es überhaupt eine eigne Sache: es ist beynah unmöglich neu darin zu seyn. Ich sehe wohl ein, daß der Witz entweder einer Einkleidung bedarf, oder gelegentlich vorgebracht werden muß, wie in einigen Kritiken Lessings in der Dramaturgie, in einer Menge Aufsätzen von Voltaire, in psychikalischen Unter[2]suchungen von Lichtenberg u.s.w. Natürlich muß das Lächerliche um so stärker wirken, wenn es nicht förmlich angekündigt wird, sondern wenn vielmehr der Leser bloß eine ernsthafte Belehrung erwartet.
Übrigens glaube ich nicht, daß eine Recension etwas beträchtliches für ein satyrisches Werk ausrichten könne. Ein solches muß seiner Natur nach jedem Angriffe trotzen, und alle Recensenten der Welt müssen es nicht niederschreiben können.
Im Kosmopoliten habe ich noch nichts gelesen – der Angriff auf die Xenien interessirt mich nicht sehr, da so vieles dagegen geschrieben wird, daß man kaum mehr vorkommen kann, alles zu lesen – der Ausfall auf Sie kann Ihnen auch wohl bey der geringen Bedeutung des Journals und seiner Urheber ziemlich gleichgültig seyn. Haben Sie Dank für das mitgetheilte Gedicht; es scheint mir eine sehr gelungne Anwendung des Boileauschen Einfalls: La raison dit Virgile et la rime Quinaut.
Sie haben mich doch nicht weiter als den Recensenten der Almanache genannt? Als ich an der Kritik über Voß arbeitete, wußte ich noch nichts von seiner Krankheit. Zu meinem Troste hat man mir versichert, daß V.[oß] sich gar nichts aus Recensionen macht, sondern nur darüber zu lachen pflegt. Meine Art ist Lob und Tadel gleich lebhaft zu sagen. Wenn unsre Kritik mehr auf Lessingsche Art scharf zu Werke ginge, so wären wir schon weiter. Ich weiß nicht, was Wielanden eingekommen ist, daß er Vossen seine unläugbaren Verdienste auf eine unbillige, leidenschaftliche, und weil gar keine wahre Einsicht in die Sache [3] daraus hervorleuchtet, auf eine illiberale Art abzusprechen versucht hat. (Im Febr.[uarheft] des Merkur.) Wie wird es seinen Übersetzungen aus den Alten ergehen, wenn V.[oß] sie kritisch prüfen will?
Ihre Grüße an hiesige Bekannte habe ich ausgerichtet: Sie stehen überall in gutem Andenken. Empfehlen Sie so wohl mich als meinen Bruder bestens dem Hrn. Prof. Wolf. Mein Bruder hofft ihm mit nächstem schreiben zu können.
Mit der Agnes ist hier ebenfalls noch niemand recht auf den Grund.
Leben Sie wohl.
Ganz der Ihrige
A. W. Schlegel
Sie nennen den gewissen Herrn Krause als den Verfasser der Recension der Horen in den Annalen. Ist dieß ganz ausgemacht? und woher weiß man es? Gesteht er es vielleicht selbst öffentlich ein?
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