[1] Freyberg. d. 26 Julii. 1799
Seyn Sie mir gegrüßt, lieber Hr. Professor. Ich weiß fast nicht, ob ich um Verzeihung bitten soll, weil so früh es wage Ihnen zu enuyiren, oder weil ich es spät thue. Oft stellte ich mich das Erste vor, und dann befolgte ich die Grundsätze des positiven Nichtschreibens, oder des negativen Schreibens; grade ebenso oft stellte ich mich das zweyte vor, und nahm die Grundsätze des positiven Schreibens oder des negativen Nichtschreibens an. Das Product dieser zwey gleichstarke, einander gestrebende Grundsätze war bis jezt, da der gute Geist und die lezterwähnten Grundsätze die Oberhand behielten – ein Zero.
Gefreuet hat mich in Berlin: die Bekanntschaft mit Ihren geistvollen Bruder, mit dem ich oft zusammen war, der mir meinen dortigen Aufenthalt sehr angenehm machte; obgleich ich freilich nicht immer mit ihm zusammenstimme. NB. Ist sein kleines Buch über den Fichtischen Atheism noch nicht heraus? Ich bin sehr neugierig – und wenn ich nur den Titel weiß (wenn er es anonym herausgegeben hat) so würde ich es bald unter der ungeheuren Menge von Schriften über diese Materie heraussuchen. Wenn Sie ihm schreiben, so grüßen Sie ihm recht sehr. Gefreuet hat mich ferner die Bekanntschaft mit Tieck, den ich den Ästetiker meiner Seele nennen mögte. Es thut mir oft leid, daß ich über so manche Dinge nicht mit ihm sprach. Grüßen Sie ihm ja. – Ferner hat mich die Bekanntschaft mit der geistvollen Madam Veit gefreuet, und mit den guten Schleyermacher, dessen Reden über die Religion wohl noch nicht heraus sind?
Geärgert haben mich: die Piccolominis; weil ich sie zu oft sahe, und jedesmahl etwas langweiliger fand, hauptsächlich weil so vieles gesagt wird von den Personen im Stücke, die den Personen im Parterre und einen ästetischen Kritiker weit besser anstehen würde, weil Ifland den Octavio so langweilig, Mattausch den Max so schlecht machte, und Fleck als Wallenstein meistens besoffen war. Geärgert hat mich ferner ganz Berlin, die hochköniglichen Drathpuppen, die erstorbene Natur und das Re[2]vue.
Vor allen Dingen hat es mich geärgert, daß mich die Regierung um mich wegen meiner theoretischen Verbrechen, die freilich sehr groß sind zu bestrafen zur Festungsarbeit in der hiesigen Bergwerksgaleere verurtheilte, und mich, als einen capital Verbrecher an Arme, Beine und Hals mit centnerschwerem Eisen belastet hat. Doch, wie es zu gehen pflegt, selbst meine Ketten sind schon halb um halb angenehm geworden. Da nun, wie Sie wissen werden, „die Menschen sich nicht kennen, nur die Galeerenschlaven, die an dem Banke festgeschmiedet keuchen; die kennen sich“ – so kann ich behaupten, daß ich meine Collegen hier kenne und darf Sie daher, mit vollem Rechte beurtheilen, welches hiemit, folgendergestalt geschieht:
„Elende Affen
Feilschen und gaffen,
Graben und pochen,
Schmelzen und kochen –
Wie sie da laufen –
Bestienhaufen! –
Möchte ihr ganzen Plunder nicht,
Und wenn ich ihn umsonst kriegt!“ –
Könnt ich nur über sie!
Daß ich in Dresden gewesen bin werden Sie aus dem inneliegenden Briefe an Ihrer Frau ersehen können. Und nun – kein Wort mehr von meiner Person; aber bester Schlegel, haben Sie Mitleiden mit mir, und schreiben Sie mich ja sobald wie möglich, wie es in Jena aussieht, wie man dort spricht, was – – – sagt, und – – – und – – – Sie verstehen mich. Sie können nicht glauben wie mich Jena interessirt; wahrlich mehr als irgend ein Ort sonst in der Welt. Man fühlt sein Glück am stärksten, und schäzt es am richtigsten, wenn man es verloren hat. Das ist eine triviale, aber deßhalb nicht weniger richtige Anmerkung. Schreiben Sie mir ja recht bald, bester Schlegel; obgleich ich wohl fühle, daß ich es nicht verdiene –
Ihr Freund
Steffens
Wollten Sie wohl Prof. Stahlʼn daran erinnern, daß er mich einen Kasten mit Mineralien überschicken muß, mit der Post. Er hat mich auf einen Brief nicht geantwortet, und bin in einer großen Verlegenheit deswegen.
Seyn Sie mir gegrüßt, lieber Hr. Professor. Ich weiß fast nicht, ob ich um Verzeihung bitten soll, weil so früh es wage Ihnen zu enuyiren, oder weil ich es spät thue. Oft stellte ich mich das Erste vor, und dann befolgte ich die Grundsätze des positiven Nichtschreibens, oder des negativen Schreibens; grade ebenso oft stellte ich mich das zweyte vor, und nahm die Grundsätze des positiven Schreibens oder des negativen Nichtschreibens an. Das Product dieser zwey gleichstarke, einander gestrebende Grundsätze war bis jezt, da der gute Geist und die lezterwähnten Grundsätze die Oberhand behielten – ein Zero.
Gefreuet hat mich in Berlin: die Bekanntschaft mit Ihren geistvollen Bruder, mit dem ich oft zusammen war, der mir meinen dortigen Aufenthalt sehr angenehm machte; obgleich ich freilich nicht immer mit ihm zusammenstimme. NB. Ist sein kleines Buch über den Fichtischen Atheism noch nicht heraus? Ich bin sehr neugierig – und wenn ich nur den Titel weiß (wenn er es anonym herausgegeben hat) so würde ich es bald unter der ungeheuren Menge von Schriften über diese Materie heraussuchen. Wenn Sie ihm schreiben, so grüßen Sie ihm recht sehr. Gefreuet hat mich ferner die Bekanntschaft mit Tieck, den ich den Ästetiker meiner Seele nennen mögte. Es thut mir oft leid, daß ich über so manche Dinge nicht mit ihm sprach. Grüßen Sie ihm ja. – Ferner hat mich die Bekanntschaft mit der geistvollen Madam Veit gefreuet, und mit den guten Schleyermacher, dessen Reden über die Religion wohl noch nicht heraus sind?
Geärgert haben mich: die Piccolominis; weil ich sie zu oft sahe, und jedesmahl etwas langweiliger fand, hauptsächlich weil so vieles gesagt wird von den Personen im Stücke, die den Personen im Parterre und einen ästetischen Kritiker weit besser anstehen würde, weil Ifland den Octavio so langweilig, Mattausch den Max so schlecht machte, und Fleck als Wallenstein meistens besoffen war. Geärgert hat mich ferner ganz Berlin, die hochköniglichen Drathpuppen, die erstorbene Natur und das Re[2]vue.
Vor allen Dingen hat es mich geärgert, daß mich die Regierung um mich wegen meiner theoretischen Verbrechen, die freilich sehr groß sind zu bestrafen zur Festungsarbeit in der hiesigen Bergwerksgaleere verurtheilte, und mich, als einen capital Verbrecher an Arme, Beine und Hals mit centnerschwerem Eisen belastet hat. Doch, wie es zu gehen pflegt, selbst meine Ketten sind schon halb um halb angenehm geworden. Da nun, wie Sie wissen werden, „die Menschen sich nicht kennen, nur die Galeerenschlaven, die an dem Banke festgeschmiedet keuchen; die kennen sich“ – so kann ich behaupten, daß ich meine Collegen hier kenne und darf Sie daher, mit vollem Rechte beurtheilen, welches hiemit, folgendergestalt geschieht:
„Elende Affen
Feilschen und gaffen,
Graben und pochen,
Schmelzen und kochen –
Wie sie da laufen –
Bestienhaufen! –
Möchte ihr ganzen Plunder nicht,
Und wenn ich ihn umsonst kriegt!“ –
Könnt ich nur über sie!
Daß ich in Dresden gewesen bin werden Sie aus dem inneliegenden Briefe an Ihrer Frau ersehen können. Und nun – kein Wort mehr von meiner Person; aber bester Schlegel, haben Sie Mitleiden mit mir, und schreiben Sie mich ja sobald wie möglich, wie es in Jena aussieht, wie man dort spricht, was – – – sagt, und – – – und – – – Sie verstehen mich. Sie können nicht glauben wie mich Jena interessirt; wahrlich mehr als irgend ein Ort sonst in der Welt. Man fühlt sein Glück am stärksten, und schäzt es am richtigsten, wenn man es verloren hat. Das ist eine triviale, aber deßhalb nicht weniger richtige Anmerkung. Schreiben Sie mir ja recht bald, bester Schlegel; obgleich ich wohl fühle, daß ich es nicht verdiene –
Ihr Freund
Steffens
Wollten Sie wohl Prof. Stahlʼn daran erinnern, daß er mich einen Kasten mit Mineralien überschicken muß, mit der Post. Er hat mich auf einen Brief nicht geantwortet, und bin in einer großen Verlegenheit deswegen.