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Friedrich von Schlegel to Friedrich Immanuel Niethammer

Dreßden den 27ten März 96.
Ich ergreife gern jede Möglichkeit, unsre Verbindung zu beyderseitiger Zufriedenheit zu erhalten, und die Aussicht, welche mir Ihr Brief dazu eröffnet, war mir angenehm.
Es ist aber ein neues Misverständniß zwischen uns getreten. Wenn ich auch einen sehr unmäßigen Werth auf meine Versuche legte, so könnte es mir doch nicht einfallen, Ihnen mit der Zurückhaltung derselben zu drohen, da Sie so viele und so gute Mitarbeiter haben, daß Sie mich leicht entbehren können. Indessen halte ich es allerdings für einen Herausgeber für wichtig, auch keinen irgend brauchbaren Mitarbeiter abzuschrecken.
Meine Meynung war nur, daß wenn ich befürchten müßte, daß meine Beyträge so unangenehmen Verzögerungen und Misverständnissen fernerhin ausgesetzt seyn würden, ich mich genöthigt sähe, so ungern ich solches auch thun würde, die für das Journal bestimmten Beyträge, als eine kleine Sammlung für sich drucken zu lassen. Es liegt mir daran die aesthetischen Aufsätze, so bald als möglich dem Publicum vorzulegen, weil ich mich in einer kritischen Schrift die zu Ostern erscheint auf mein aesthet.[isches] System bezogen, und die Bekanntmachung desselben in der Vorrede angekündigt habe. – Es ist schwer ohne persönliche Bekanntschaft sich zu einem gelehrten Zweck zu vereinigen. Glückt es ja, so ist es oft nur ein ohngefähres glückliches Zusammentreffen. Man kann sich gegenseitig schätzen, und ist doch beständigen Misverständnissen ausgesetzt; wie unser Beyspiel bestätigt.
Allerdings hatte ich es bey Mich.[aelis] zur ausdrücklichen Bedingung [gemacht], den Aufsatz sogleich zurück[zu]senden. Ja ich habe dieß mehr als einmal geschrieben, und zuletzt da ich keine Antwort bekam (es war unterdessen ein Brief an mich verlohren gegangen) schrieb ich ihm daß ich die Nichtzurücksendung als eine Erklärung der Aufnahme ansehen würde, daß ich jenes ‚sogleich‘ nicht auch an Sie geschrieben habe, wie ich glaubte gethan zu haben, ist eine bloße Vergessenheit. – Indessen wünschte ich doch sehr, Sie hätten es supplirt, da es sich bey einem Aufsatz, der eine ephemerische Beziehung hat, beynahe von selbst versteht. Ich glaube nicht daß dieß mehr ist, als man von der nothwendigen Pünktlichkeit eines Herausgebers erwarten darf. Es ist wenigstens der einzige Anspruch, welchen ich an einen Herausgeber mache, und [es wird mir], wenn Sie sich geneigt sähen, ihn zu befriedigen Ehre und Vergnügen seyn, an Ihrer Zeitschrift ferner Theil zu nehmen.
Wenn demjenigen, was Sie an dem Aufsatze, welchen Sie noch in Händen haben, vermissen, durch Wegstreichen abgeholfen werden kann, so thun Sie solches, wie es Ihnen gut dünkt; so weit es geschehen kann, ohne etwas hinzuzusetzen. Wo nicht, so schicken Sie mir denselben sobald als möglich zurück. Ich bitte dann aber, daß Sie die Stellen, welche Sie für überflüssig halten mit rother Dinte etwa bezeichnen, oder mir etwas darüber schreiben. Ich werde es versuchen, ihn in eine andre Form zu bringen, ohne ihn zu verlängern. Ob es mir möglich seyn wird, daran zweifle ich sehr.
Für den ersten der aesthet.[ischen] Aufsätze wünschte ich sehr, daß Sie eine Stelle in dem nächsten Stück, welche noch nicht besetzt ist, bestimmen könnten.
Lassen Sie mich gütigst Ihre Gedanken über die Recension der Horen, oder die Revision der krit.[ischen] Aesthetik wissen. Ich fühle mich mehr zu letztem geneigt. Doch würde ich auch an der ersten con amore arbeiten. – Nur so viel darüber. Kürzer als der Aufsatz, den Sie in Händen haben, könnte sie durchaus nicht werden. Ich würde am längsten bey den aesthet.[ischen] Briefen und dem Aufsatz von Weisshuhn verweilen. Was die Aufsätze von Humbold und Bendavid betrifft, so bin ich weder in der Physiologie noch in der Baukunst so bewandert, daß ich ins Detail gehn könnte. Herders und Jacobis Aufsätze scheinen mir für eine ernstliche philos. [ophische] Prüfung nicht reif genug. Ueber Erhards polit.[ischen] Aufsatz könnte ich nur sehr weitläuftig oder sehr kurz seyn, und würde das letzte wählen, weil die Abhandlung mir überhaupt ziemlich mittelmäßig zu seyn scheint. Doch würde ich mich bemühen, über jeden dieser Aufsätze etwas bedeutendes zu sagen. – In den aesthet.[ischen] Briefen finde ich vieles zu billigen, aber auch vieles zu bestreiten, und zu widerlegen, und ich bin gewohnt Lob und Tadel so stark zu sagen als ich sie empfinde. Der Ton hoffe ich wird so seyn, daß niemand über die Aufnahme den Herausgeber tadeln wird. Das Urtheil selbst ist meine Sache. Um so mehr da die Recensenten Ihres Journals meist anonym sind. Oder haben Sie diese Einrichtung abgeändert? Ich hasse die Anonymität, und so sonderbar es klingt ich würde anonym nicht so freymüthig urtheilen können.
In der Revision der aesthet.[ischen] Schr.[iften] würde ich auch auf Weisshuhns Aufsatz Rücksicht nehmen, der manches enthält, was mir ernstliche Prüfung zu verdienen scheint. Auf andre Schriften kann ich aber keine Rücksicht nehmen, weil mein Büchervorrath nicht sehr groß, und die Schriften zur Kantischen Philosophie, die berühmtesten ausgenommen, hier schwer zu haben sind. Ist Ihnen etwas Wichtiges ausser den von mir genannten bekannt, so nennen Sie es mir, damit ichs zu dem Zweck mir kann kommen lassen. Dalbergs Aesthetik habe ich gelesen, aber ich glaube, man kann sie füglich mit Stillschweigen übergehen.
Die Revision würde ich mit dem ersten aesthet.[ischen] Aufsatze, oder bald nachher übersenden.
Was ich über Fichte’s System zu sagen habe, will ich noch eine Weile reif werden lassen. Ich werde die Form von Briefen wählen.
Am Ende des künftigen Sommers werde ich wahrscheinlich das Vergnügen haben, Sie persönlich kennen zu lernen.
Ich bitte um eine recht baldige Antwort, und bin in der angenehmen Hoffnung unsre Verbindung wiederhergestellt und dauerhaft erneuert zu sehen, und mit aufrichtiger Hochachtung
Ihr ergebenster
Friedrich Schlegel.
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Metadata Concerning Header
  • Date: Sonntag, 27. März 1796
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Immanuel Niethammer ·
  • Place of Dispatch: Dresden · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 23. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bis zur Begründung der romantischen Schule (15. September 1788 ‒ 15. Juli 1797). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Ernst Behler u.a. Paderborn u.a. 1987, S. 293‒295.
Language
  • German

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