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Dorothea von Schlegel to Gustav von Schlabrendorf

Ich wende mich an Sie Herr Graf – nicht weil so viele Hunderte sich mit ihren Angelegenheiten an Sie wenden, dies grade könnte mich abhalten es zu thun, aber weil Ihr Ansehen, und einige Worte die ich Sie sprechen gehört mein ganzes Zutrauen zu Ihnen neigten. Wer etwas zu bitten hat muß kurz seyn; also schnell zur Sache.
Mit welchen Aussichten, und Hoffnungen ich und Schlegel her gekommen, wie diese theils zerronnen, theils sich anders verhalten haben als wir geglaubt, davon will ich Sie nicht unterhalten. Sie hören dergleichen gewiß täglich so oft von denen die sich Ihres Raths, Ihrer Hülfe bedienen, daß Ihnen eine solche Wiederhohlung gewiß nicht angenehm sein kann; und mich kränkt es jedesmal aufs Neue wenn ich darüber sprechen, mich an gewiße Dinge erinnern muß! –
Wir sind nun einmal hier und unser Aufenthalt in Paris muß verlängert werden, er muß wenigstens einige Jahre dauern wenn er von Nutzen seyn, wenn die Reise nicht zur Thorheit werden soll. – Schlegel findet was Kunst und was Wissenschaft betrifft die größten Schätze hier, es hieße Sie beleidigen, wenn ich nicht voraussetzte daß Sie besser als irgend einer es einsehen wie Schlegel diese Schätze benutzen würde, für Kunst und Wissenschaft, wenn er nur einige Muße hätte, wenn ihm nur die äußern Bedingungen dazu leider nicht so sehr fehlten. Ich darf sagen es giebt keinen Gelehrten in Deutschland für den von jeher so wenig geschehen wäre als für Schlegel. Er lebte unter einigen Druck und beständigen Sorgen, von seiner frühsten Jugend – Niemand hat je etwas für ihn gethan!
Hier in Paris wird jede Fodrung größer mag man auch noch so sehr sich einschränken! Meine kleine Einkünfte mit denen ich bis jetzt so viel als möglich deckte, sind auf ein Jahr voraus daraufgegangen, auf Reisekosten etc. etc. Auch würden sie hier auf keinen Fall zureichen. Schlegel muß, um den Nutzen den er von Paris haben kann nicht zu versäumen, wenigstens 1 ½ Jahr bis zwey Jahr ungestört arbeiten können und zwar nicht für Buchhändler; theils hat er noch viel zu thun um versprochene Arbeiten zu liefern die schon voraus bezahlt sind, theils weil ich mich dagegen setze daß er auf irgend einem Werk neuen Vorschuß nehme; es ist unter aller Abhängigkeit, die allerärgste von Buchhändlern abzuhängen! Es ist Schlegel (wie Sie vielleicht auch schon wissen werden) eine Stelle bei der instruction publique versprochen worden; theils sind es aber Franzosen die es ihm versprochen, theils müßte er noch sehr lange, vielleicht noch 6 Monate und länger warten, eh er installirt würde, und – es darf nicht so lange anstehen eh ihn geholfen wird – es ist die höchste Zeit – und zuletzt kann ein rechtlicher Mensch, mit guten Gewissen keine Stelle hier nehmen, so lange die Einrichtungen so lächerlich und elend bleiben. Kann Schlegel sein Studium der morgenländischen Sprachen hier fortsetzen wie er es mit so gutem Erfolg schon angefangen, nur ein bis zwei Jahre; kann er dabey die Antiken, die Gemählde studieren, zu deren tiefe Kenntniße er schon seit zwölf Jahre so gute Vorkenntniße gesammelt hat und kann er seinen Geist nur etwas von dem Druck aufrichten, der von außen her ihn zu zerstören droht, so ist gar kein Zweifel, ja es ist völlige Gewißheit da, daß er auf eine deutsche Universität eine Stelle bekömt wenn er in Frankreich nichts für sich findet. Es ist also die Frage, und hier kömmt meine Bitte um hülfreichen Rath, was kann man thun? was kann er thun? – Er ist zu jeder Thätigkeit bereit, die ihn Mittel verschafft zu studiren, nützlich zu seyn, und seine Familie vor Mangel zu sichern. Sie kennen Paris so gut Herr Graf, so mancher wendet sich an Sie, in jedem Verhältniß! Giebt es, oder gäbe es denn keine Art von Amt daß er auf einige Jahre bekleiden, keine Art von Geschäft zu treiben daß uns auf einige Jahre sicherte? Ich beschwöre Sie, glauben Sie nicht – vermengen Sie ihn nicht mit einen andern der – Ich gestehe Ihnen aufrichtig, ich fürchte, Sie vergleichen Schlegel mit L. der Ihnen so viel Verdruß gemacht hat, und schon der bloße Gedanke macht mich zittern – Schlegel wünscht weiter nichts als daß man auf eine rechtliche Weise Gebrauch von seinen Talenten mache. Keine Aufopferung soll uns zu groß dünken, so gar wann es nöthig wäre uns auf diese Zeit zu trennen, daß er vielleicht reisen, oder in ein anderes Haus ohne mich wohnen müßte. Oder aber sollte es irgend etwas geben, wozu ich meine Dienste, meine Thätigkeit anwenden könnte – herzlich gern bin ich bereit – O rathen Sie uns Herr Graf, es geschieht in der That etwas gutes damit, und nicht etwa ein vorübergehendes sondern durch den Gebrauch den Schlegels davon machen wird ein ewigdauerndes Gute.
Ich habe Ihnen nun so ungezwungen und eigentlich unüberlegt mit meinem Vertrauen, vielleicht einen sehr unangenehmen Augenblick, einen unvortheilhaften Eindruck gemacht! Ich will nicht überlegen ob es so ist, denn ich will es wagen, und wenn ich überlegte, könnte ich leicht wieder zaghaft werden.
Schlegel weiß kein Wort daß ich mich an Sie gewendet, es ist das erste Mal daß ich etwas vor ihm verberge; Ich habe das Zutrauen zu Ihnen daß ich es diesesmal gethan zu haben nie bereuen werde, ich bitte Sie um völlige Verschwiegenheit meines Anliegens. Ich habe es schriftlich gewählt zu thun, weil, in dem Fall daß Sie nichts für Uns thun, uns nicht rathen könnten, so ist Ihnen der für jede gute empfindliche Seele unangenehme Augenblick erspart mir eine abschlägige Antwort zu geben. Sie antworten mir auf diesen Fall nicht, und vergessen meine Bitte.
Wäre ich aber so glücklich, daß Sie diese nicht übel aufnehmen, und wirklich einen Weg für uns wüßten und uns rathen könnten, wie wir aus diesem Labyrinthe kommen könnten, so gewähren Sie mir dann auch zugleich die Bitte mich zu besuchen und mündlich alles übrige zu verabreden. Sie werden dann dankbare Menschen kennen lernen verehrungswürdiger Mann! Dankbare Menschen und die es verdienen glücklich zu seyn, weil sie es seyn könnten. Nehmen Sie die Versicherung meiner vollkommensten
Hochachtung
Dor. Schlegel geb. Mendelsohn
Noch einmal wage ich es meine Bitte um Verschwiegenheit zu wiederhohlen.
Rue de Clichy nr. 19
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Metadata Concerning Header
  • Date: [zweite Hälfte Dezember 1802]
  • Sender: Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Gustav von Schlabrendorf ·
  • Place of Dispatch: Paris · ·
  • Place of Destination: Paris · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 26. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Pariser und Kölner Lebensjahre (1802‒1808). Erster Teil (Juni 1802 ‒ Dezember 1805). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hans Dierkes. Paderborn 2018, S. 58‒60.
Language
  • German

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