Sie haben den charakteristischen Unterschied zwischen Wissen, Glauben und meinen zwar im Ganzen richtig getroffen, aber doch nicht genau genug ausgedrükt und nicht so reichlich als es die Materie erlaubte angewendet.
Wissen ist ein Fürwahrhalten aus objektiven Gründen, deren ich mir als zureichend und allgemein gültig bewußt bin, und das Bewußtseyn dieses Fürwahrhaltens heißt Überzeugung.
Glauben ist ein Fürwahrhalten aus subjektiven Gründen, da ich Existenz oder Eigenschaften eines Gegenstandes außer mir annehme nicht weil ich sie durch sich selbst oder mittelbar durch andere Objekte erkenne, sondern weil etwas in mir selbst ist oder seyn soll welches mit jenem in einem nothwendigen Verhältniß steht. Der Gegenstand oder die Idee dieses subjektiven Grundes ist nun das Interesse auf welchem der Glaube beruht.
Es giebt ein noch höheres Fürwahrhalten aus subjektiven Gründen, welches sich aber deswegen nicht auf ein äußeres Objekt, sondern auf das fürwahrhaltende Subjekt selbst bezieht. Dies ist das unmittelbare Selbstbewußtseyn. Auf | diesem muß immer das Interesse, welches den Grund des Glaubens enthält beruhn, und da dieses Selbstbewußtseyn doppelter Art ist, so wird es auch der Grund des Glaubens und also der Glaube selbst seyn.
Ich bin mir entweder selbstbewußt meiner menschlichen Natur und dessen, was unmittelbar dazu gehört, und ein Glaube dessen Interesse hierin gegründet ist, ist ein nothwendiger Glaube, den ich von jedem Menschen fodern kann; oder ich bin mir bewußt gewisser Modifikationen und eines gewissen Zustandes der menschlichen Natur in meinem Individuo, und ein Glaube dessen Interesse sich bloß hierauf bezieht ist auch nur ein subjektiver Glaube im engern Sinn des Wortes.
Meinen endlich kann sowol ein objektives als ein subjektives Fürwahrhalten seyn aber immer mit dem Bewußtseyn der Unzulänglichkeit der Gründe begleitet; im ersten Fall wenn die objektiven Gründe nicht hinreichen ein Erkenntniß welches sich als solches erweisen und mittheilen läßt zu begründen; im lezten, wenn das angenommene nicht in einem erweislich nothwendigen Verhältniß mit dem Interesse steht, worauf ich es gründe.
Die große Frage ist nun diese: was ist in der Religion Wissen? was ist in ihr Glauben? was ist in ihr bloßes Meinen?
Sie haben Ihre Deduktion der Religion von der Idee der Welt angefangen; wären Sie bei diesem Prinzip geblieben so hätten Sie eine natürliche Religion bekommen, in welcher schlechterdings gar nichts von Glaube enthalten seyn kann. Es stehn Ihnen bei diesem Prinzip nur zwei Wege offen
1. entweder sehn Sie die Welt als einen ordentlichen objektiven Erkenntnißgrund an, und Ihre Religion ist ein Wissen, wenn dieser hinreichend ist. Sind Sie aber mit Kant überzeugt daß die kosmologische Idee nicht hinreicht um die Erkenntniß eines übersinnlichen außerweltlichen Wesens zu begründen, so ist sie ein bloßes Meinen. In beiden Fällen ist sie nicht eigentlich Religion, da sie nicht vom praktischen ausgeht, sondern eine Theorie, die ihrem Inhalt nach theologisch, ihrem Zwek und ihrer Dependenz nach kosmologisch ist.
2. oder Sie sehn die Welt nicht als Erkenntnißgrund an, sondern nur das Interesse Ihrer Vernunft als Grund ein solches Wesen anzunehmen. Aber auch so würde sich Ihre Religion nicht als Glaube qualifiziren, denn selbst jetzt nachdem wir so viele Naturgeseze entdeckt haben, welche den teleologischen (auf Zwekverhältnisse gerichteten) Gesichtspunkt der Welt rechtfertigen, können wir die Einwendung der Atheisten: „daß die Natur zwar ein unendliches Objekt zur Erkenntniß von Zweken für uns sei, aber dennoch keinesweges ein Wesen vorausseze, welches diese Zweke sich würklich vorgesezt habe“ nicht hinlänglich widerlegen, wenn wir nicht schon anderweitige Gründe haben das Daseyn Gottes anzunehmen, (denn in diesem Fall ist es hernach leicht das Verhältniß worin wir ihn gegen die Welt denken hinlänglich zu rechtfertigen). Da also die Annahme der Existenz Gottes nicht in einem erweislich nothwendigen Verhältniß zu | Ihrem Interesse der Welterklärung steht, so bliebe Ihre Religion nur ein praktisches Meinen. Wie untergeordnet übrigens dieses Interesse selbst ist, wenn wir es in Rüksicht seines praktischen Werths betrachten, dies werden Sie Selbst leicht sehn.
Wenn wir einmal mit Kant annehmen (und ich denke gegen Sie kann ich seine ersten Säze annehmen, ohne sie erst zu beweisen) daß keine theoretische Idee hinreicht einen Erkenntnißgrund für die Existenz Gottes oder für die Unsterblichkeit der Seele abzugeben, so können wir unsere Religion nicht anders über das bloße Meinen erheben, als wenn wir zugleich dem Wissen völlig entsagen und uns auf das bloße Glauben einschränken: zu dem Ende aber müssen wir nicht von etwas außer uns, sondern von etwas in uns, vom praktischen ausgehn.
Das Bewußtseyn des Sittengesezes es mag nun unentwickelt als Gefühl oder entwickelt als Vernunfteinsicht in uns gefunden werden gehört zu dem unmittelbaren Selbstbewußtseyn der menschlichen Natur in uns; eben dazu gehört auch das Bewußtseyn des Strebens nach Glükseligkeit, und aus diesen beiden und der Art von Verbindung welche das Sittengesez für sie fodern soll, deducirt Kant einen Glauben an die Existenz Gottes und die Unsterblichkeit der Seele, welcher eben deswegen ein nothwendiger Glaube wäre. Es wäre hier zu weitläufig Ihnen die Gründe anzuführen welche ich gegen diese Deduktion des Glaubens, welche ihn zu einem nothwendigen macht, zu haben glaube; aber so viel scheint mir gewiß: wenn diese Deduktion unrichtig ist, so giebt es in der Religion überall keinen solchen nothwendigen Glauben, sondern aller Glaube an die religiösen Wahrheiten gehört in die Klasse, welche ich oben den subjektiven Glauben genannt habe.
Mir scheint aller Grund zum Glauben an die Religion in dem Bedürfniß zu liegen dem bei uns von innen so sehr angefochtnen Sittengesez eine äußere Stüze zu verschaffen; und so verschieden auch jeder sich selbst dieses erklären mag, so wird es am Ende doch immer auf diese beiden Punkte hinauslaufen:
1. Da unsere Triebe immer gegen das Sittengesetz angehn und dieses nicht ein Gesez ist, welches in unserm Begehrungsvermögen liegt, sondern nur eins, welches ihm gleichsam aufgedrungen wird, und wir können die Ansprüche der Vernunft auf unser Begehrungsvermögen nicht allezeit klar bei uns rechtfertigen, wenn wir nicht ein Wesen als praktisches Ideal annehmen, durch welches, indem wir darin die Wirklichkeit eines durch Vernunft allein praktisch bestimmten Wesens gewahr werden, die Möglichkeit dieser Bestimmung in uns anschaulich gemacht wird. – Dies beruht nicht auf dem allgemeinen, sondern auf dem individuellen Selbstbewußtseyn, weil es sich nur auf die Art bezieht wie wir eine allgemein als nothwendig erkannte Idee gegen die (durch den | individuellen Zustand eines jeden gegebenen und nicht in der Natur als nothwendig erkannten) Widersprüche der Sinnlichkeit autorisiren.
2. Da unser (ebenfalls individuelles) Bewußtseyn uns zeigt wie wenig wir in diesem Leben die Foderungen des Sittengesezes erfüllen, so daß es nach den Vorspiegelungen der Sinnlichkeit nicht einmal der Mühe lohnen würde, es sich aufgegeben zu haben, so sehn wir uns genöthigt ein fortgeseztes Daseyn anzunehmen, um unsern praktischen Spielraum zu vermehren. Dies hebt noch zugleich den Widerspruch zwischen einem aller Zeitbestimmung widersprechenden Gesez und seiner Anwendung auf ein durch Zeit begränztes Daseyn.
Weniger rein sind die Gründe welche sich darauf beziehn, daß es
1. kein Sittengesez geben könne, wenn es nicht einen Gesezgeber außer uns gäbe, und
2. keine Verbindlichkeit desselben ohne Belohnungen und Strafen.
Ich nenne diese Gründe weniger rein, weil jener erste nicht immer mit dem gefühlten sondern auch mit dem deutlich gedachten Sittengesez bestehn könne; diese hingegen nur mit den unentwikelten Ideen davon, und nicht mit dem Licht worin sie durch die systematische Ausführung der Vernunft gesezt werden. Ich nehme also jene an und verwerfe diesen.
Wenn ich nun in meiner praktischen Vernunft Data genug finde jene Ideen auszuführen, so daß sie dem Zwek entsprechen, um dessentwillen ich sie annehme, so bleibe ich bei der Religion der reinen Vernunft stehn. Dabei findet ein sehr ehrerbietiges Urtheil über solche positive Religionen statt, welche der Moralität gemäß sind; ja auch eine gewiße Bestimmung, die ihnen gegeben wird; aber das geht verloren, daß ich eine derselben als unmittelbare übernatürliche Offenbarung annehme. Um mich dahin zu bringen, muß ein neues Interesse hinzukommen, ich muß nämlich in meinem Bewußtseyn gelehrt werden,
1. daß ich für mich nicht im Stande sei das Sittengesez richtig zu erkennen,
2. daß ich für mich nicht im Stande sei einen solchen fortgesezten Zustand zu erlangen wie er zur Vermehrung meiner Sittlichkeit gehört, indem entweder ich nicht fähig bin ihn anzunehmen, oder das höchste Wesen welches ich angenommen nicht fähig ihn mir zu geben.
Wenn jener Glaube an die Religion überhaupt nur ein subjektiver Glaube ist, den ich nicht von jedermann fodern kann, so ist es noch viel mehr dieser an die geoffenbarte Religion. Ich bemerke über beide Punkte nur folgendes
ad 1. es ist natürlich daß ich da ich das Handeln nach dem (unerkennbaren) Sittengesez doch für nothwendig halte, ich nun eine übermenschliche Belehrung darüber glauben muß;
ad 2. wenn dieses Hinderniß nur von jenem Mangel an Erkenntniß abgeleitet wird, so wird es durch den übernatürlichen Lehrer mit gehoben. Soll es noch einen anderen Grund haben, so wird sich immer finden, daß dieses | aus dem ursprünglichen Interesse nicht nothwendig fließt und daß alles was ich darauf gründe z. B. Opfer, stellvertretende Versöhnung, entweder Irrthum oder doch ein bloßes Meinen ist.
Was Sie von dem System des Glaubens und der Art es zu haben und anzuwenden sagen hat meinen ganzen Beifall; nur daß sich aus den hier angegebenen Grundsäzen noch näher entwikeln ließe, was zum Glauben und was zum Meinen in der Religion gehörig ist.
Wissen ist ein Fürwahrhalten aus objektiven Gründen, deren ich mir als zureichend und allgemein gültig bewußt bin, und das Bewußtseyn dieses Fürwahrhaltens heißt Überzeugung.
Glauben ist ein Fürwahrhalten aus subjektiven Gründen, da ich Existenz oder Eigenschaften eines Gegenstandes außer mir annehme nicht weil ich sie durch sich selbst oder mittelbar durch andere Objekte erkenne, sondern weil etwas in mir selbst ist oder seyn soll welches mit jenem in einem nothwendigen Verhältniß steht. Der Gegenstand oder die Idee dieses subjektiven Grundes ist nun das Interesse auf welchem der Glaube beruht.
Es giebt ein noch höheres Fürwahrhalten aus subjektiven Gründen, welches sich aber deswegen nicht auf ein äußeres Objekt, sondern auf das fürwahrhaltende Subjekt selbst bezieht. Dies ist das unmittelbare Selbstbewußtseyn. Auf | diesem muß immer das Interesse, welches den Grund des Glaubens enthält beruhn, und da dieses Selbstbewußtseyn doppelter Art ist, so wird es auch der Grund des Glaubens und also der Glaube selbst seyn.
Ich bin mir entweder selbstbewußt meiner menschlichen Natur und dessen, was unmittelbar dazu gehört, und ein Glaube dessen Interesse hierin gegründet ist, ist ein nothwendiger Glaube, den ich von jedem Menschen fodern kann; oder ich bin mir bewußt gewisser Modifikationen und eines gewissen Zustandes der menschlichen Natur in meinem Individuo, und ein Glaube dessen Interesse sich bloß hierauf bezieht ist auch nur ein subjektiver Glaube im engern Sinn des Wortes.
Meinen endlich kann sowol ein objektives als ein subjektives Fürwahrhalten seyn aber immer mit dem Bewußtseyn der Unzulänglichkeit der Gründe begleitet; im ersten Fall wenn die objektiven Gründe nicht hinreichen ein Erkenntniß welches sich als solches erweisen und mittheilen läßt zu begründen; im lezten, wenn das angenommene nicht in einem erweislich nothwendigen Verhältniß mit dem Interesse steht, worauf ich es gründe.
Die große Frage ist nun diese: was ist in der Religion Wissen? was ist in ihr Glauben? was ist in ihr bloßes Meinen?
Sie haben Ihre Deduktion der Religion von der Idee der Welt angefangen; wären Sie bei diesem Prinzip geblieben so hätten Sie eine natürliche Religion bekommen, in welcher schlechterdings gar nichts von Glaube enthalten seyn kann. Es stehn Ihnen bei diesem Prinzip nur zwei Wege offen
1. entweder sehn Sie die Welt als einen ordentlichen objektiven Erkenntnißgrund an, und Ihre Religion ist ein Wissen, wenn dieser hinreichend ist. Sind Sie aber mit Kant überzeugt daß die kosmologische Idee nicht hinreicht um die Erkenntniß eines übersinnlichen außerweltlichen Wesens zu begründen, so ist sie ein bloßes Meinen. In beiden Fällen ist sie nicht eigentlich Religion, da sie nicht vom praktischen ausgeht, sondern eine Theorie, die ihrem Inhalt nach theologisch, ihrem Zwek und ihrer Dependenz nach kosmologisch ist.
2. oder Sie sehn die Welt nicht als Erkenntnißgrund an, sondern nur das Interesse Ihrer Vernunft als Grund ein solches Wesen anzunehmen. Aber auch so würde sich Ihre Religion nicht als Glaube qualifiziren, denn selbst jetzt nachdem wir so viele Naturgeseze entdeckt haben, welche den teleologischen (auf Zwekverhältnisse gerichteten) Gesichtspunkt der Welt rechtfertigen, können wir die Einwendung der Atheisten: „daß die Natur zwar ein unendliches Objekt zur Erkenntniß von Zweken für uns sei, aber dennoch keinesweges ein Wesen vorausseze, welches diese Zweke sich würklich vorgesezt habe“ nicht hinlänglich widerlegen, wenn wir nicht schon anderweitige Gründe haben das Daseyn Gottes anzunehmen, (denn in diesem Fall ist es hernach leicht das Verhältniß worin wir ihn gegen die Welt denken hinlänglich zu rechtfertigen). Da also die Annahme der Existenz Gottes nicht in einem erweislich nothwendigen Verhältniß zu | Ihrem Interesse der Welterklärung steht, so bliebe Ihre Religion nur ein praktisches Meinen. Wie untergeordnet übrigens dieses Interesse selbst ist, wenn wir es in Rüksicht seines praktischen Werths betrachten, dies werden Sie Selbst leicht sehn.
Wenn wir einmal mit Kant annehmen (und ich denke gegen Sie kann ich seine ersten Säze annehmen, ohne sie erst zu beweisen) daß keine theoretische Idee hinreicht einen Erkenntnißgrund für die Existenz Gottes oder für die Unsterblichkeit der Seele abzugeben, so können wir unsere Religion nicht anders über das bloße Meinen erheben, als wenn wir zugleich dem Wissen völlig entsagen und uns auf das bloße Glauben einschränken: zu dem Ende aber müssen wir nicht von etwas außer uns, sondern von etwas in uns, vom praktischen ausgehn.
Das Bewußtseyn des Sittengesezes es mag nun unentwickelt als Gefühl oder entwickelt als Vernunfteinsicht in uns gefunden werden gehört zu dem unmittelbaren Selbstbewußtseyn der menschlichen Natur in uns; eben dazu gehört auch das Bewußtseyn des Strebens nach Glükseligkeit, und aus diesen beiden und der Art von Verbindung welche das Sittengesez für sie fodern soll, deducirt Kant einen Glauben an die Existenz Gottes und die Unsterblichkeit der Seele, welcher eben deswegen ein nothwendiger Glaube wäre. Es wäre hier zu weitläufig Ihnen die Gründe anzuführen welche ich gegen diese Deduktion des Glaubens, welche ihn zu einem nothwendigen macht, zu haben glaube; aber so viel scheint mir gewiß: wenn diese Deduktion unrichtig ist, so giebt es in der Religion überall keinen solchen nothwendigen Glauben, sondern aller Glaube an die religiösen Wahrheiten gehört in die Klasse, welche ich oben den subjektiven Glauben genannt habe.
Mir scheint aller Grund zum Glauben an die Religion in dem Bedürfniß zu liegen dem bei uns von innen so sehr angefochtnen Sittengesez eine äußere Stüze zu verschaffen; und so verschieden auch jeder sich selbst dieses erklären mag, so wird es am Ende doch immer auf diese beiden Punkte hinauslaufen:
1. Da unsere Triebe immer gegen das Sittengesetz angehn und dieses nicht ein Gesez ist, welches in unserm Begehrungsvermögen liegt, sondern nur eins, welches ihm gleichsam aufgedrungen wird, und wir können die Ansprüche der Vernunft auf unser Begehrungsvermögen nicht allezeit klar bei uns rechtfertigen, wenn wir nicht ein Wesen als praktisches Ideal annehmen, durch welches, indem wir darin die Wirklichkeit eines durch Vernunft allein praktisch bestimmten Wesens gewahr werden, die Möglichkeit dieser Bestimmung in uns anschaulich gemacht wird. – Dies beruht nicht auf dem allgemeinen, sondern auf dem individuellen Selbstbewußtseyn, weil es sich nur auf die Art bezieht wie wir eine allgemein als nothwendig erkannte Idee gegen die (durch den | individuellen Zustand eines jeden gegebenen und nicht in der Natur als nothwendig erkannten) Widersprüche der Sinnlichkeit autorisiren.
2. Da unser (ebenfalls individuelles) Bewußtseyn uns zeigt wie wenig wir in diesem Leben die Foderungen des Sittengesezes erfüllen, so daß es nach den Vorspiegelungen der Sinnlichkeit nicht einmal der Mühe lohnen würde, es sich aufgegeben zu haben, so sehn wir uns genöthigt ein fortgeseztes Daseyn anzunehmen, um unsern praktischen Spielraum zu vermehren. Dies hebt noch zugleich den Widerspruch zwischen einem aller Zeitbestimmung widersprechenden Gesez und seiner Anwendung auf ein durch Zeit begränztes Daseyn.
Weniger rein sind die Gründe welche sich darauf beziehn, daß es
1. kein Sittengesez geben könne, wenn es nicht einen Gesezgeber außer uns gäbe, und
2. keine Verbindlichkeit desselben ohne Belohnungen und Strafen.
Ich nenne diese Gründe weniger rein, weil jener erste nicht immer mit dem gefühlten sondern auch mit dem deutlich gedachten Sittengesez bestehn könne; diese hingegen nur mit den unentwikelten Ideen davon, und nicht mit dem Licht worin sie durch die systematische Ausführung der Vernunft gesezt werden. Ich nehme also jene an und verwerfe diesen.
Wenn ich nun in meiner praktischen Vernunft Data genug finde jene Ideen auszuführen, so daß sie dem Zwek entsprechen, um dessentwillen ich sie annehme, so bleibe ich bei der Religion der reinen Vernunft stehn. Dabei findet ein sehr ehrerbietiges Urtheil über solche positive Religionen statt, welche der Moralität gemäß sind; ja auch eine gewiße Bestimmung, die ihnen gegeben wird; aber das geht verloren, daß ich eine derselben als unmittelbare übernatürliche Offenbarung annehme. Um mich dahin zu bringen, muß ein neues Interesse hinzukommen, ich muß nämlich in meinem Bewußtseyn gelehrt werden,
1. daß ich für mich nicht im Stande sei das Sittengesez richtig zu erkennen,
2. daß ich für mich nicht im Stande sei einen solchen fortgesezten Zustand zu erlangen wie er zur Vermehrung meiner Sittlichkeit gehört, indem entweder ich nicht fähig bin ihn anzunehmen, oder das höchste Wesen welches ich angenommen nicht fähig ihn mir zu geben.
Wenn jener Glaube an die Religion überhaupt nur ein subjektiver Glaube ist, den ich nicht von jedermann fodern kann, so ist es noch viel mehr dieser an die geoffenbarte Religion. Ich bemerke über beide Punkte nur folgendes
ad 1. es ist natürlich daß ich da ich das Handeln nach dem (unerkennbaren) Sittengesez doch für nothwendig halte, ich nun eine übermenschliche Belehrung darüber glauben muß;
ad 2. wenn dieses Hinderniß nur von jenem Mangel an Erkenntniß abgeleitet wird, so wird es durch den übernatürlichen Lehrer mit gehoben. Soll es noch einen anderen Grund haben, so wird sich immer finden, daß dieses | aus dem ursprünglichen Interesse nicht nothwendig fließt und daß alles was ich darauf gründe z. B. Opfer, stellvertretende Versöhnung, entweder Irrthum oder doch ein bloßes Meinen ist.
Was Sie von dem System des Glaubens und der Art es zu haben und anzuwenden sagen hat meinen ganzen Beifall; nur daß sich aus den hier angegebenen Grundsäzen noch näher entwikeln ließe, was zum Glauben und was zum Meinen in der Religion gehörig ist.