Landsb. d. 7ten Merz 1797
Mein lieber Neveu
Es sind noch so mancherley aus Ihren beyden lezten Briefen vorhandene Pünktchen die ich damals nicht gleich beantwortet habe, welches ich also lieber jetzt en attendant thun will, damit ich nicht nachher wieder übereilt werde
Mit sehr vieler Theilnehmung haben wir die Nachricht von der anhaltenden Kränklichkeit ihrer lieben Schwester vernomen; um so mehr freueten wir uns, als wir heute von der Benike hörten, daß es sich doch etwas bessere, ich hoffe in Ihrem nächsten ausführlichere Bestätigung
Mit Emilien werden wir es wohl richtig getroffen haben, daß ihr mager werden vom Wachsthum herrühre, sie befindet sich jetzt ziemlich munter, und war sehr erfreut über die 3 Büchlein
Von unsres würdigen Spaldings neuester Schrift haben Sie mir den allerersten Wink gegeben, hätte ich vorher irgend etwas davon gewußt, so würde ich Sie gebeten haben, es mir mit den lezten Büchern mitzuschicken – nun aber da mir die Benike gesagt, daß Sie im May herkomen würden, darf ich vielleicht hoffen, daß Sie mir diese Schrift und vielleicht noch ein paar Kleinigkeiten mitbringen; denn ich denke, daß wir hier doch wohl sicher rechnen können daß dieser gute Vorsatz auch gewiß werde erfüllt werden
Mademoiselle Hahn hat denn die Wißbegierde der hiesigen Neugierigen (ob das gerade nur das weibliche Geschlecht betreffe, oder ob nicht dazu auch wohl mehrere Männer gehören dürften, wage ich nicht zu entscheiden,) treflich unterhalten, und – wie es scheint – ungemein befriediget. Auf dem hiesigen Clubb ist jetzt ein mächtiger Zwiespalt, der eine nahe Auflösung desselben muthmaßen läßt; ohne Zweifel wird Ihnen unsre liebe Benike umständlichere Nachricht davon gegeben haben
Unser armer Feldprediger ist seit 8 Tagen krank an einem schlimen Fieber, weshalb er auch einige Tage das Bette hat hüten müßen | doch werde ich Ihnen hoffentlich noch vor dem Schluße dieses Briefes von seiner völligen Beßerung Nachricht geben können Mein lieber College Kieter hat am vorigen Donnerstag seine Hochzeit gehabt, und erwartete heute oder morgen seine junge Frau; er hatte am Freytag müßen voran reisen weil er vorgestern Communion halten mußte, und hat nun wieder frisch weg für den Feldprediger zu taufen und zu trauen
So eben komt Mama mit Frau D vom Topfmarkt, morgen sind wir den ganzen Tag bey Benike’s wo vermuthlich auch die lieben Grahlowschen seyn werden, auch wohl Frau Werkmeister und Hollaz[.] Adieu für heut.
den 9ten Das wird diesmal wohl ein ziemlich langer Brief werden, denn eben habe ich diesen Vormittag, als unsere kleine Gesellschaft schon hier war, Ihren lieben Brief vom 6ten erhalten, wofür ich Ihnen eben so herzlich danke, als Mama für die überschikten niedlichen Verse, die auch heute schon ihre Wanderung zur Frau D. angetreten haben[.] Ja warlich recht sehr artig sollen Sie heißen, denn Sie haben unsere Erwartung bey weitem übertroffen. Zwar Mama hatte einen sehr starken Glauben (und schikte zu dem Ende gleich nach 8 auf die Post, wir konten aber keinen Bescheid erhalten, da der Briefträger die Briefe schon hatte) der meinige hingegen war desto schwächer und ich besorgte in der That, daß Sie die Entschuldigung – Sie hätten sich eben nicht aufgelegt gefunden – vielleicht geltend machen dürften[.] Noch mehr war ich erstaunt und erfreut, daß Sie meine Fragen – dem größten Theile nach – so ausführlich und umständlich beantwortet auch mich wegen der Xenien so schön au fait setzen: Denn ehe diese Sächelchen in der Allgemeinen Literatur Zeitung vorkommen, dürfte wohl noch mancher Monath vorübergehen und hier sind die Freunde der Literatur, doch etwas selten, wie es mir bis jetzt wenigstens vorkommt. Mit Herrn Prediger Bethe kann man noch so am ersten darüber schwatzen, und ich habe seine Gesellschaft gestern, wo wir bey Benikeʼs | recht sehr vergnügt waren, treflich benutzt[.] Ich habe auch der Benike die lezten GelegenheitsReden von unserem Sack schicken müßen, da ihr denn auch die Vermählungsrede vorzüglich gefallen[.] Da wird nun dieser trefliche Mann freilich auch wohl ein artig Geschenk erhalten, wenn ich aber durch mein Wünschen etwas vermöchte, so wünschte ich wohl, daß die hohen Herrschaften – wo nicht baare Friedrichsdʼor – doch ein gut Stück Silber opfern möchten; aber so viel ich noch von den vorigen Vermählungen erinnere, werden fast immer Dosen gegeben die denn freilich wohl lieblich anzuschauen, aber – und dann habe ich dabey noch so eine kleine Bedenklichkeit, daß nach Sacks Tode, von Herzen wünsche ich daß derselbe noch sehr fern seyn möge – diese schönen Sächelchen doch sehr wahrscheinlich – in alle Welt wandern werden
Die Xenien sind denn nun doch – abgesehen vom Witze – in der That etwas zu bitter, mit unter auch grob, und die Achtung, die man Männern, denen man doch keinesweges alles Verdienst absprechen kann, schuldig ist, wird ganz aus den Augen gesetzt, auch laufen manche sehr schaale Wortspiele mit unter, wie gegen Wolf, wohin auch vielleicht das abgekürzte Nikel gehören dürfte, aber freilich möchte Nicolai durch seine dickleibige Antwort auch wohl eben nicht am besten für seine fama gesorgt haben
Von den Unruhen in Schlesien verhallet wohl nichts ins größere Publicum? Ich hatte die Nachricht schon vor 8 Tagen durch einen Drossener, der mich besuchte, der gab auch unter den bereits verhafteten einen KriegsRath und einen Prediger an, die, wie er sagte, bereits durch Crossen gebracht, auch Herr Actuarius Scheele, den ich Tages darauf sprach, hatte davon gehört. Nun führt mich den Abend mein – guter oder böser – Genius auf den Clubb – ich frage Benike ob er etwas davon wüßte, und der bringt die Frage für die ganze Versamlung, da denn Seine Wohlweisheit Herr Henneberger es in sehr beleidigenden Ausdrücken als eine abgeschmakte Lüge, oder eine aufgewärmte alte Geschichte verwarf, da ja kein gescheuter Mensch in gegenwärtigen Zeitläuften auf so etwas komen könnte[.] Ich sagte | nur darauf, daß also auch wohl alle, die für den sogenanten Ludwig XVIII hätten in Paris etwas unternehmen wollen – seiner Meinung verrückt seyn müßten! Ich kann nun zwar nicht bergen, daß ich mich über jene Abgeordneten so wie über Ludwig XVIII gar sehr gewundert – daß ich ihnen allen ebenfalls nicht gar viel bon sens zutraue – und gleichwol haben sie sich, ohne eigentlich verrückt zu seyn, in eine so äußerst misliche, halsbrechende Sache eingelaßen
Jezt ruft Mama und das schöne Wetter mich in den Garten, zuvor aber muß ich Ihnen doch noch sagen, daß ihre lezte Dinte viel schwarzer ist, und meine Augen gar nicht so angreift; ihre vorhergehenden Briefe müßen beynahe ¼ Jahr liegen, dann wird die Dinte auch schwarz, wie ich jezt bey der Durchsicht der hier in Landsberg von Ihnen erhaltenen Briefe bemerke
den 15ten Da bin ich freilich wohl recht faul gewesen, daß ich so lange nicht an diesem Brief geschrieben – allein einestheils waren in der Zeit so manche andre Briefe groß und klein zu schreiben, und dann lokte auch das Wetter manchmal und Abends ward auch ein paarmal auf die Ressource gegangen; und dann habe ich seit Sonntag mich durch einen großen Stoß Allgemeine Literatur Zeitung durcharbeiten müßen. Gewöhnlich erhalte ich ein doppeltes Pack – manchmal aber 3fach auch wohl 4fach, und bei Bülch sollen sie sich nun schon seit länger als ¼ Jahr verlegt oder verloren haben, daher ich sie auch nun nicht weiter zu ihm schicken darf, sondern gerade zu Appel Und diesen Morgen – da ich nun so sicher darauf gerechnet, an diesem Brief weiter zu schreiben, ward ich durch die Berliner Zeitung abgehalten, da ich der Mama doch einige Berlinische Neuigkeiten die Taufe des jungen Prinzen u. s. w. vorlesen mußte[.] Da ist mir denn wieder eine Anomalie in der Hofetiquette vorgekomen, die mich nicht wenig, wie Wilmsen zu sagen pflegt, griesgrammet[.] Da haben Seine Majestät der Kronprinzessin wohl zu ihrem Geburtstage gratuliert; aber von dem 7 oder 8 Tage vorher angefallenen Geburtstage der Schwester[,] der Wittwe des Prinzen Ludwig ist altum silentium. Ist das auch fein, daß – selbst fürstliche – Wittwen so wenig geachtet werden? |
Holla! da komt eben ihr Brief an – mit dem Angebinde, da ich eben von Geburtstagen schreibe[.] Nun das wird der guten Benike gewiß herrlich wohl thun. Matthisson, den sie sich immer so sehnlich gewünscht, nur neulich erst sagte sie zum Prediger Bethe sie wolle sich nächstens diese Gedichte aus Berlin komen laßen[.] Auch der Band gefällt hier sehr, ich aber gestehe Ihnen gern, daß ich unter ihren Büchern einige gesehen habe, deren Band mir noch besser gefiel[.] Indeß hier wird er imer viel Beyfall finden[.] Wir haben uns vorgenomen morgen gleich nach Tische bey dem herrlichen Wetter eine kleine Promenade zu machen, erst aber zu Benikes zu gehen, die wir dann hoffentlich, da er doch gemeiniglich spät vom Rathhause kommt noch bey Tische überfallen und so das Angebinde werden zu eignen Händen überreichen können. Heute ist sie mit der Emilie und Frau Werkmeister und Mademoiselle Stenigke nach Grahlow gefahren[.] Sollte sie nun etwa wieder ein wenig Husten, wie das wohl komen könnte, mitbringen, dann wird sie wieder aufs neue in ihrem Glauben an die Schwindsucht bestärkt werden
Ihr dritter Brief enthält wieder mancherley für mich sehr interessante Nachrichten. Was das für Vetter und Cousinen im Sackschen Hause – weiß ich mir gar nicht zu erklären – Also wieder eine Dose – von der Prinzessin Auguste – die freilich elegant genug seyn mag, aber – doch davon hatte ich ja schon vorher geschrieben
Meinen Wilmsen könnte ich also vielleicht auch bald verlieren[.] So geht eins nach dem andern[.] Er hat schon verschiedentlich; Anfälle von der Pleuresie gehabt[.] Nun wundere ich mich auch nicht, daß er mir auf meinen letzten Brief nicht geantwortet hat. Für die Nachricht von der Gräfin Lichtenau danke ich Ihnen recht sehr, ich hatte mich schon hier deswegen erkundigt und man sagte mir, der Titel rühre von den in diesem Kreise gelegenen der jungen Gräfin von der Marck geschenkten ehemaligen von Brenckenhofschen Gütern her – ich konnte darin aber den rechten Zusamenhang nicht entdecken. Aber nun noch eine Frage: Wo ist der Lichtenausche Balkon? Mir deucht zwar wohl schon ehedem gehört zu haben, daß der König ihr noch als der Riezin ein Palais geschenkt – ich weiß aber doch nicht recht, wie oder wo. | Herzlich gefreut hat mich die Nachricht, daß unser alter Graf Finckenstein nächst dem Kronprinzen – der einzige gewesen, der es gewagt, die zugedachte Ehre abzulehnen – Und so freut es mich auch, daß unser KirchenDirectorium gegen den schlechten Becker Ernst gezeigt.
Zu den Predigten, mit deren Uebersetzung Sie gegenwärtig beschäftigt sind, will ich mich im Voraus als Subscribent melden, – wenn ich nemlich Ostern 1798 noch lebe[.] Nun aber da Sie mir abermals schreiben, daß Sie jetzt wirklich ein Bändchen philosophischer Abhandlungen unter Händen haben, werde ich nicht ermangeln, fleißig daran zu erinnern, daß Sie Wort halten. Da Sie neuerlich in so manchen Stücken – wider mein Erwarten – so pünktlich gewesen sind, so glaube ich nun schier, daß Sie – von dem sonst gewohnten Aufschieben ganz zurükgekomen sind, und daß Sie also auch – dies Vorhaben – aufs baldeste zur Wirklichkeit kommen laßen werden
den 17ten Daß dieser Brief nicht mit der heutigen Post – wie ich mir vorgenomen hatte – fortgehen kann, ist – diesmal – nicht meine Schuld, so wie es auch meine Schuld nicht ist, daß unser Vorhaben nicht – so wie wir es uns vorgesezt, – hat ausgeführt werden können; sondern eine neue Unpäßlichkeit der Mama, die aber, wie ich hoffe, nicht anhaltend seyn wird. Als ich gestern die Catechisation geendigt, während welcher Zeit sie sich mit unserer kleinen Gesellschtaft hatte beschäftigen müßen, klagte sie über heftiges Kopfweh, welches mit einem kleinen Flußfieber verbunden, es ihr unmöglich machte, aus der Stube, geschweige aus dem Hause zu gehen[.] Also brachte ich um 12 Emilien nach Hause und übergab Brief und Buch welches denn eine recht große Freude verursachte, denn sie scheint besorgt zu haben, daß Sie diesmal an ihren Geburtstag nicht gedacht[.] Gegen Abend kam sie zu uns, um Mama zu besuchen, die aber gerade in der Fieberhitze lag und ihrer Gewohnheit nach, wie Sie sich noch wohl von vorigen Zeiten erinnern werden – mancherley untereinander schwazte größtentheils französisch welches ich dann der Benike verdeutschen mußte[.] Endlich wurden auch Sie unter dem Namen, den die alte, längst verstorbne Gerraux in Halle Ihnen gab Monsieur Cambray erwähnet |
Und so hatte die Benike die von uns nach dem Clubb ging, Mama gar nicht sprechen können, die erst eine halbe Stunde nachher erwachte oder wieder zu sich kam. Heute befindet sie sich Gott sey Dank! doch ein gut Theil besser Gestern Nachmittag als ich bey Madame Bethe sah ich die Herren Officiers nach der Schule gehen wo sie das Lustspiel von Kotzebue die Verleumder probirten, welches sie den 28ten aufführen wollen, wobey auch Herr Abernethy, der Herr Kämmerer und Frau [Teichinspector Runge], Rollen haben, wie ich heute von der Predigerin Kieter die ihren ersten Besuch machte, erfuhr
Gern möchte ich noch länger mit Ihnen plaudern, aber meine Augen wollen es nicht zulaßen, auch schlägt es 11 Uhr, Also wünsche ich gute Nacht
den 18ten Hier erfolgt denn der versprochene Brief an den Vetter Kammerdirektor. Ob er nun aber anjetzt in Berlin anzutreffen seyn wird, weiß ich nicht, denn er ist wie die Wandervögel – jedoch mit dem Unterschied, daß diese instinktmäßig ihre Zeit halten, unser Herr Vetter aber durch seine Geschäfte bestimmt wird[.] Ich habe ihn doch auch mit den Klagen bekannt machen wollen, die Herr Kriege gegen mich erhebt, – daß in den Colonien der Schulmeister nichts tauge id quod concedo – daß seine Wohnung nichts tauge, quod nego – daß ich unverantwortlich gehandelt, daß ich mir von den dortigen Colonisten nicht habe Jura stolae bezahlen laßen. Da Herr Kuhlwein wie es heißt zur Comödie auf den 28ten hier seyn wird; so habe ich vielleicht Gelegenheit von dem zu erfahren wie weit der Herr Kriege mit den vorgenomnen Verbeßerungen – in den Colonieen – wovon Sie, wo ich nicht sehr irre, mir auch beyläufig einmal schrieben, bereits gekomen ist. Wenn andre Nachrichten gegründet, wovor ich aber gar nicht stehe – so soll bis jetzt Herr Kuhlwein ein großer Gönner von Herrn Kriege seyn |
Auch an Ihren lieben Bruder erfolgt ein klein Brieflein[.] Gern hätte ich auch an Herrn Sack geschrieben, dies muß ich aber zum nächstenmal verschieben
Mama ist heut wieder ganz munter und läßt nochmals sehr danken für die hübschen Verschen so wie ich auch nochmals für alle die mancherley schönen Sachen, die Sie mir geschrieben danke. Ich bin, wie Sie wissen
Ihr aufrichtig treuer Oheim St.
Herrn Vetter Reinhard bitte vielmals zu grüßen, und alle die sich dort noch meiner erinnern
Mein lieber Neveu
Es sind noch so mancherley aus Ihren beyden lezten Briefen vorhandene Pünktchen die ich damals nicht gleich beantwortet habe, welches ich also lieber jetzt en attendant thun will, damit ich nicht nachher wieder übereilt werde
Mit sehr vieler Theilnehmung haben wir die Nachricht von der anhaltenden Kränklichkeit ihrer lieben Schwester vernomen; um so mehr freueten wir uns, als wir heute von der Benike hörten, daß es sich doch etwas bessere, ich hoffe in Ihrem nächsten ausführlichere Bestätigung
Mit Emilien werden wir es wohl richtig getroffen haben, daß ihr mager werden vom Wachsthum herrühre, sie befindet sich jetzt ziemlich munter, und war sehr erfreut über die 3 Büchlein
Von unsres würdigen Spaldings neuester Schrift haben Sie mir den allerersten Wink gegeben, hätte ich vorher irgend etwas davon gewußt, so würde ich Sie gebeten haben, es mir mit den lezten Büchern mitzuschicken – nun aber da mir die Benike gesagt, daß Sie im May herkomen würden, darf ich vielleicht hoffen, daß Sie mir diese Schrift und vielleicht noch ein paar Kleinigkeiten mitbringen; denn ich denke, daß wir hier doch wohl sicher rechnen können daß dieser gute Vorsatz auch gewiß werde erfüllt werden
Mademoiselle Hahn hat denn die Wißbegierde der hiesigen Neugierigen (ob das gerade nur das weibliche Geschlecht betreffe, oder ob nicht dazu auch wohl mehrere Männer gehören dürften, wage ich nicht zu entscheiden,) treflich unterhalten, und – wie es scheint – ungemein befriediget. Auf dem hiesigen Clubb ist jetzt ein mächtiger Zwiespalt, der eine nahe Auflösung desselben muthmaßen läßt; ohne Zweifel wird Ihnen unsre liebe Benike umständlichere Nachricht davon gegeben haben
Unser armer Feldprediger ist seit 8 Tagen krank an einem schlimen Fieber, weshalb er auch einige Tage das Bette hat hüten müßen | doch werde ich Ihnen hoffentlich noch vor dem Schluße dieses Briefes von seiner völligen Beßerung Nachricht geben können Mein lieber College Kieter hat am vorigen Donnerstag seine Hochzeit gehabt, und erwartete heute oder morgen seine junge Frau; er hatte am Freytag müßen voran reisen weil er vorgestern Communion halten mußte, und hat nun wieder frisch weg für den Feldprediger zu taufen und zu trauen
So eben komt Mama mit Frau D vom Topfmarkt, morgen sind wir den ganzen Tag bey Benike’s wo vermuthlich auch die lieben Grahlowschen seyn werden, auch wohl Frau Werkmeister und Hollaz[.] Adieu für heut.
den 9ten Das wird diesmal wohl ein ziemlich langer Brief werden, denn eben habe ich diesen Vormittag, als unsere kleine Gesellschaft schon hier war, Ihren lieben Brief vom 6ten erhalten, wofür ich Ihnen eben so herzlich danke, als Mama für die überschikten niedlichen Verse, die auch heute schon ihre Wanderung zur Frau D. angetreten haben[.] Ja warlich recht sehr artig sollen Sie heißen, denn Sie haben unsere Erwartung bey weitem übertroffen. Zwar Mama hatte einen sehr starken Glauben (und schikte zu dem Ende gleich nach 8 auf die Post, wir konten aber keinen Bescheid erhalten, da der Briefträger die Briefe schon hatte) der meinige hingegen war desto schwächer und ich besorgte in der That, daß Sie die Entschuldigung – Sie hätten sich eben nicht aufgelegt gefunden – vielleicht geltend machen dürften[.] Noch mehr war ich erstaunt und erfreut, daß Sie meine Fragen – dem größten Theile nach – so ausführlich und umständlich beantwortet auch mich wegen der Xenien so schön au fait setzen: Denn ehe diese Sächelchen in der Allgemeinen Literatur Zeitung vorkommen, dürfte wohl noch mancher Monath vorübergehen und hier sind die Freunde der Literatur, doch etwas selten, wie es mir bis jetzt wenigstens vorkommt. Mit Herrn Prediger Bethe kann man noch so am ersten darüber schwatzen, und ich habe seine Gesellschaft gestern, wo wir bey Benikeʼs | recht sehr vergnügt waren, treflich benutzt[.] Ich habe auch der Benike die lezten GelegenheitsReden von unserem Sack schicken müßen, da ihr denn auch die Vermählungsrede vorzüglich gefallen[.] Da wird nun dieser trefliche Mann freilich auch wohl ein artig Geschenk erhalten, wenn ich aber durch mein Wünschen etwas vermöchte, so wünschte ich wohl, daß die hohen Herrschaften – wo nicht baare Friedrichsdʼor – doch ein gut Stück Silber opfern möchten; aber so viel ich noch von den vorigen Vermählungen erinnere, werden fast immer Dosen gegeben die denn freilich wohl lieblich anzuschauen, aber – und dann habe ich dabey noch so eine kleine Bedenklichkeit, daß nach Sacks Tode, von Herzen wünsche ich daß derselbe noch sehr fern seyn möge – diese schönen Sächelchen doch sehr wahrscheinlich – in alle Welt wandern werden
Die Xenien sind denn nun doch – abgesehen vom Witze – in der That etwas zu bitter, mit unter auch grob, und die Achtung, die man Männern, denen man doch keinesweges alles Verdienst absprechen kann, schuldig ist, wird ganz aus den Augen gesetzt, auch laufen manche sehr schaale Wortspiele mit unter, wie gegen Wolf, wohin auch vielleicht das abgekürzte Nikel gehören dürfte, aber freilich möchte Nicolai durch seine dickleibige Antwort auch wohl eben nicht am besten für seine fama gesorgt haben
Von den Unruhen in Schlesien verhallet wohl nichts ins größere Publicum? Ich hatte die Nachricht schon vor 8 Tagen durch einen Drossener, der mich besuchte, der gab auch unter den bereits verhafteten einen KriegsRath und einen Prediger an, die, wie er sagte, bereits durch Crossen gebracht, auch Herr Actuarius Scheele, den ich Tages darauf sprach, hatte davon gehört. Nun führt mich den Abend mein – guter oder böser – Genius auf den Clubb – ich frage Benike ob er etwas davon wüßte, und der bringt die Frage für die ganze Versamlung, da denn Seine Wohlweisheit Herr Henneberger es in sehr beleidigenden Ausdrücken als eine abgeschmakte Lüge, oder eine aufgewärmte alte Geschichte verwarf, da ja kein gescheuter Mensch in gegenwärtigen Zeitläuften auf so etwas komen könnte[.] Ich sagte | nur darauf, daß also auch wohl alle, die für den sogenanten Ludwig XVIII hätten in Paris etwas unternehmen wollen – seiner Meinung verrückt seyn müßten! Ich kann nun zwar nicht bergen, daß ich mich über jene Abgeordneten so wie über Ludwig XVIII gar sehr gewundert – daß ich ihnen allen ebenfalls nicht gar viel bon sens zutraue – und gleichwol haben sie sich, ohne eigentlich verrückt zu seyn, in eine so äußerst misliche, halsbrechende Sache eingelaßen
Jezt ruft Mama und das schöne Wetter mich in den Garten, zuvor aber muß ich Ihnen doch noch sagen, daß ihre lezte Dinte viel schwarzer ist, und meine Augen gar nicht so angreift; ihre vorhergehenden Briefe müßen beynahe ¼ Jahr liegen, dann wird die Dinte auch schwarz, wie ich jezt bey der Durchsicht der hier in Landsberg von Ihnen erhaltenen Briefe bemerke
den 15ten Da bin ich freilich wohl recht faul gewesen, daß ich so lange nicht an diesem Brief geschrieben – allein einestheils waren in der Zeit so manche andre Briefe groß und klein zu schreiben, und dann lokte auch das Wetter manchmal und Abends ward auch ein paarmal auf die Ressource gegangen; und dann habe ich seit Sonntag mich durch einen großen Stoß Allgemeine Literatur Zeitung durcharbeiten müßen. Gewöhnlich erhalte ich ein doppeltes Pack – manchmal aber 3fach auch wohl 4fach, und bei Bülch sollen sie sich nun schon seit länger als ¼ Jahr verlegt oder verloren haben, daher ich sie auch nun nicht weiter zu ihm schicken darf, sondern gerade zu Appel Und diesen Morgen – da ich nun so sicher darauf gerechnet, an diesem Brief weiter zu schreiben, ward ich durch die Berliner Zeitung abgehalten, da ich der Mama doch einige Berlinische Neuigkeiten die Taufe des jungen Prinzen u. s. w. vorlesen mußte[.] Da ist mir denn wieder eine Anomalie in der Hofetiquette vorgekomen, die mich nicht wenig, wie Wilmsen zu sagen pflegt, griesgrammet[.] Da haben Seine Majestät der Kronprinzessin wohl zu ihrem Geburtstage gratuliert; aber von dem 7 oder 8 Tage vorher angefallenen Geburtstage der Schwester[,] der Wittwe des Prinzen Ludwig ist altum silentium. Ist das auch fein, daß – selbst fürstliche – Wittwen so wenig geachtet werden? |
Holla! da komt eben ihr Brief an – mit dem Angebinde, da ich eben von Geburtstagen schreibe[.] Nun das wird der guten Benike gewiß herrlich wohl thun. Matthisson, den sie sich immer so sehnlich gewünscht, nur neulich erst sagte sie zum Prediger Bethe sie wolle sich nächstens diese Gedichte aus Berlin komen laßen[.] Auch der Band gefällt hier sehr, ich aber gestehe Ihnen gern, daß ich unter ihren Büchern einige gesehen habe, deren Band mir noch besser gefiel[.] Indeß hier wird er imer viel Beyfall finden[.] Wir haben uns vorgenomen morgen gleich nach Tische bey dem herrlichen Wetter eine kleine Promenade zu machen, erst aber zu Benikes zu gehen, die wir dann hoffentlich, da er doch gemeiniglich spät vom Rathhause kommt noch bey Tische überfallen und so das Angebinde werden zu eignen Händen überreichen können. Heute ist sie mit der Emilie und Frau Werkmeister und Mademoiselle Stenigke nach Grahlow gefahren[.] Sollte sie nun etwa wieder ein wenig Husten, wie das wohl komen könnte, mitbringen, dann wird sie wieder aufs neue in ihrem Glauben an die Schwindsucht bestärkt werden
Ihr dritter Brief enthält wieder mancherley für mich sehr interessante Nachrichten. Was das für Vetter und Cousinen im Sackschen Hause – weiß ich mir gar nicht zu erklären – Also wieder eine Dose – von der Prinzessin Auguste – die freilich elegant genug seyn mag, aber – doch davon hatte ich ja schon vorher geschrieben
Meinen Wilmsen könnte ich also vielleicht auch bald verlieren[.] So geht eins nach dem andern[.] Er hat schon verschiedentlich; Anfälle von der Pleuresie gehabt[.] Nun wundere ich mich auch nicht, daß er mir auf meinen letzten Brief nicht geantwortet hat. Für die Nachricht von der Gräfin Lichtenau danke ich Ihnen recht sehr, ich hatte mich schon hier deswegen erkundigt und man sagte mir, der Titel rühre von den in diesem Kreise gelegenen der jungen Gräfin von der Marck geschenkten ehemaligen von Brenckenhofschen Gütern her – ich konnte darin aber den rechten Zusamenhang nicht entdecken. Aber nun noch eine Frage: Wo ist der Lichtenausche Balkon? Mir deucht zwar wohl schon ehedem gehört zu haben, daß der König ihr noch als der Riezin ein Palais geschenkt – ich weiß aber doch nicht recht, wie oder wo. | Herzlich gefreut hat mich die Nachricht, daß unser alter Graf Finckenstein nächst dem Kronprinzen – der einzige gewesen, der es gewagt, die zugedachte Ehre abzulehnen – Und so freut es mich auch, daß unser KirchenDirectorium gegen den schlechten Becker Ernst gezeigt.
Zu den Predigten, mit deren Uebersetzung Sie gegenwärtig beschäftigt sind, will ich mich im Voraus als Subscribent melden, – wenn ich nemlich Ostern 1798 noch lebe[.] Nun aber da Sie mir abermals schreiben, daß Sie jetzt wirklich ein Bändchen philosophischer Abhandlungen unter Händen haben, werde ich nicht ermangeln, fleißig daran zu erinnern, daß Sie Wort halten. Da Sie neuerlich in so manchen Stücken – wider mein Erwarten – so pünktlich gewesen sind, so glaube ich nun schier, daß Sie – von dem sonst gewohnten Aufschieben ganz zurükgekomen sind, und daß Sie also auch – dies Vorhaben – aufs baldeste zur Wirklichkeit kommen laßen werden
den 17ten Daß dieser Brief nicht mit der heutigen Post – wie ich mir vorgenomen hatte – fortgehen kann, ist – diesmal – nicht meine Schuld, so wie es auch meine Schuld nicht ist, daß unser Vorhaben nicht – so wie wir es uns vorgesezt, – hat ausgeführt werden können; sondern eine neue Unpäßlichkeit der Mama, die aber, wie ich hoffe, nicht anhaltend seyn wird. Als ich gestern die Catechisation geendigt, während welcher Zeit sie sich mit unserer kleinen Gesellschtaft hatte beschäftigen müßen, klagte sie über heftiges Kopfweh, welches mit einem kleinen Flußfieber verbunden, es ihr unmöglich machte, aus der Stube, geschweige aus dem Hause zu gehen[.] Also brachte ich um 12 Emilien nach Hause und übergab Brief und Buch welches denn eine recht große Freude verursachte, denn sie scheint besorgt zu haben, daß Sie diesmal an ihren Geburtstag nicht gedacht[.] Gegen Abend kam sie zu uns, um Mama zu besuchen, die aber gerade in der Fieberhitze lag und ihrer Gewohnheit nach, wie Sie sich noch wohl von vorigen Zeiten erinnern werden – mancherley untereinander schwazte größtentheils französisch welches ich dann der Benike verdeutschen mußte[.] Endlich wurden auch Sie unter dem Namen, den die alte, längst verstorbne Gerraux in Halle Ihnen gab Monsieur Cambray erwähnet |
Und so hatte die Benike die von uns nach dem Clubb ging, Mama gar nicht sprechen können, die erst eine halbe Stunde nachher erwachte oder wieder zu sich kam. Heute befindet sie sich Gott sey Dank! doch ein gut Theil besser Gestern Nachmittag als ich bey Madame Bethe sah ich die Herren Officiers nach der Schule gehen wo sie das Lustspiel von Kotzebue die Verleumder probirten, welches sie den 28ten aufführen wollen, wobey auch Herr Abernethy, der Herr Kämmerer und Frau [Teichinspector Runge], Rollen haben, wie ich heute von der Predigerin Kieter die ihren ersten Besuch machte, erfuhr
Gern möchte ich noch länger mit Ihnen plaudern, aber meine Augen wollen es nicht zulaßen, auch schlägt es 11 Uhr, Also wünsche ich gute Nacht
den 18ten Hier erfolgt denn der versprochene Brief an den Vetter Kammerdirektor. Ob er nun aber anjetzt in Berlin anzutreffen seyn wird, weiß ich nicht, denn er ist wie die Wandervögel – jedoch mit dem Unterschied, daß diese instinktmäßig ihre Zeit halten, unser Herr Vetter aber durch seine Geschäfte bestimmt wird[.] Ich habe ihn doch auch mit den Klagen bekannt machen wollen, die Herr Kriege gegen mich erhebt, – daß in den Colonien der Schulmeister nichts tauge id quod concedo – daß seine Wohnung nichts tauge, quod nego – daß ich unverantwortlich gehandelt, daß ich mir von den dortigen Colonisten nicht habe Jura stolae bezahlen laßen. Da Herr Kuhlwein wie es heißt zur Comödie auf den 28ten hier seyn wird; so habe ich vielleicht Gelegenheit von dem zu erfahren wie weit der Herr Kriege mit den vorgenomnen Verbeßerungen – in den Colonieen – wovon Sie, wo ich nicht sehr irre, mir auch beyläufig einmal schrieben, bereits gekomen ist. Wenn andre Nachrichten gegründet, wovor ich aber gar nicht stehe – so soll bis jetzt Herr Kuhlwein ein großer Gönner von Herrn Kriege seyn |
Auch an Ihren lieben Bruder erfolgt ein klein Brieflein[.] Gern hätte ich auch an Herrn Sack geschrieben, dies muß ich aber zum nächstenmal verschieben
Mama ist heut wieder ganz munter und läßt nochmals sehr danken für die hübschen Verschen so wie ich auch nochmals für alle die mancherley schönen Sachen, die Sie mir geschrieben danke. Ich bin, wie Sie wissen
Ihr aufrichtig treuer Oheim St.
Herrn Vetter Reinhard bitte vielmals zu grüßen, und alle die sich dort noch meiner erinnern