Gdfr d 3 Octr 1797
Umsonst habe ich mir geschmeichelt mit dem heutigen Postbothen einen Brief von Dir zu erhalten der mir recht ausführlich vom 9ten September und von Charles Abreise berichten solte – ach! wie lange werde ich wieder warten müßen. Seit 14 Tagen liegt ein Paquet mit Deinen Büchern hier welches mir ein hiesiger Fabrikant der Geschäfte in Berlin hatte hinbesorgen solte, aber es war ihm nicht gefällig es wird deshalb auf Strampfs retour warten – denn für die Ankunft Deiner mir geliehnen Bücher solst Du kein schweres Postgeld zahlen – es liegt darin ein Zettel deßen Inhalt eben nicht erfreulich ist, und wieder eine KrankheitsPeriode meldet, die dismahl recht hart war, und mich einige Tage in unserm KrankenStübchen, gefangen hielt, das will viel sagen –
den 13ten October. Auch dis liegt beinahe wieder 14 Tage – die für mich manches beschwerliche aber auch nicht leer an GeistesFreuden waren die ich bey meiner Kränklichkeit nur sehr sparsam genießen kann, und darf; am Mitwoch vor 14 Tagen als dem 27ten September war meine gute Zimmermann welches schon seit 2 Jahren nicht vorgekomen, bey mir – in meiner Stube – obschon wir Beide ziemlich schwach waren, so freuten wir uns doch dieses Beisamenseyns gar herzlich – ich begleitete sie, wir machten einen kleinen Umweg und waren sehr traulich | ich bekam Tages darauf erstaunendes Reißen im Kopf – welches erst gestern Abend mich ganz verlaßen hat – und mich die ganze Zeit nur wenig Stunden schlafen ließ; demohnbeschadet nahm ich vergangnen Montag das sehr schöne Wetter war nachdem ich schon verschiedne mahl kein Fuhrwerk bekommen und die Zimmermann schon eingeladen hatte, und fuhr mit ihr Solo, nach Nimptsch, aber ich wüste daß sie einige Bestellungen zu machen hatte, ich auch gern den Garten des Kaufmans Hüttel gesehen hätte ohne dort visite machen zu dürfen – welches denn alles nach Wunsch ablief – er wäre dem Glazhof noch weit vorzuziehen da er weit schönere NaturAnlagen hat, aber leider nicht gehörigt benuzt, sondern ganz verwildert – jedoch wünschte ich Dich zu uns, um alle unsre FriedensGedanken über die weitre Ausbildung anzuhören – in einem der Zimmermann bekanten WirtsHaus tranken wir Caffé, bey welchem ich ihr den unterwegens angefangnen Brief von F. D. E. vorlas – worüber allerley Anmerkungen gemacht wurden, besonders über die herrliche Fictionen die dieser Herr gewiße Leute, oder ihren Geist betreffend machen kann – für Heute genug! |
den 15ten October
So wenig Muth und Lust zum schreiben hatte ich noch, nie, so lange ich es als herschende Neigung in mir weiß, mich mit meinen Lieben zu unterhalten, oder auch sonst was, ab, oder aufzusezen; es geht mir aber nicht so wie Dir, daß ich alles in mir habe – wie Du sagst – und am Ende wenn ich nur mich hinseze, doch so viel schönes zu Papiere bringe – O! nein! – am Gefühl für manches und Mitempfindung fehlts zwar noch nicht – wiewohl auch ich während meiner jezigen Krankheitsperiode, solche Stunden hatte wo ich für nichts empfänglich – und noch öfter solche in welchen ich sorgfältig alles von mir weisen muß – was mich nur irgend berühren und angreifen kann – ja ja mein Lieber! Du must schon vorlieb nehmen mit dem Gestamle, Deiner stumpfwerdenden Lotte ein Wort welches ich mich schon längst gegen meine Freunde bediene – O! sehr gut kan ich mir die Situation des Onkels vorstellen – nur zu gut! als ich Deine Schilderung davon der Zimmermann vorlas – schlug sie an ihre Brust und rief traurig aus –: bin ich; welches ich Dir auch bezeugen kann – o Du Guter! als Du die Edle sahest, war schon nicht mehr das 30te Theil von dem Geiste da, der sie belebte als ich vor 4 Jahren sie genau kennen lernte, das kan ich Dich ganz ernstlich versichern – schon viel Anstrengung war dabey – wenn Du das Wort ganz faßen kanst – bey unseren lezten Solos wurde | mir dieses wieder recht lebhaft – und traurig – wenn ich denke, was wir sonst in einer halben Stunde sprachen – und wie vielerley an Mittheilungen – und Winken, über dis und jenes dabey vorkam – und wie viel pausen wir jezt machen müßen wie wenig am Ende von der großen provision Materie abgehandelt – doch Du glaubst es wohl am Ende nicht und denkst es fast, daß nach jeder schwachen periode sich ihr Geist lichtvoller aus dem Feuer – hervorhebt – nur von mir bitte solche tröstliche Dinge nicht zu glauben – doch das ist auch der Fall nicht, mit der Zimmermann kan und werde mich nie vergleichen – außer daß ich jezt weiß was, Reißen, Schwäche und Anstrengung ist – O! die Gute! wenn sie nur cörperlich litte die etliche 30 Jahre, aber eben so lange – stürmen auch inre Leiden auf sie, die es zu gar keiner Erholung komen laßen freilich stumpft die Zeit auch die Empfindlichkeit ab – jedoch komen zuweilen harte perioden, unerwartete Stöße die alte Wunden aufreißen – mais je vous en prie que cela reste entre nous, n’en parlons plus – dis sind ihre eignen Worte nach traulichen Mittheilungen und so in eben dem Thon bitte ich Dich – nichts davon zu erwähnen – keine weitre Erläuterungen zu begehren dis ist alles was ich Dir leisten kann – ohne die inigste | FreundtschaftsPflicht zu verlezen – auch gar nichts darfst Du in Deinem Briefe davon erwähnen – denn Du weist daß diese Lisette und Aulock gern lesen, und was würde dann? auch selbst der Zimmermann müßen diese wenige Worte zu Dir – ein Geheimniß bleiben; der Saz in Deinem Briefe im GeisterCapitel von der Verschiedenheit unsrer Freunde, wie diese oft so ganz gegen einander sein würden – und alles was Du darüber sagst gefält ihr am besten in Deiner Epistel – und sie, Lotte, und ich finden es sehr hübsch ausgedrükt – was nun die Reise, betrift meint die Zimmermann Du hättest nicht so viel davon, und von der Eintheilung Deiner Zeit erwähnen dürfen, indem wir mit wenig Worten viel verstehen, sie hat mir aufgetragen, Dir das zu sagen; Pritwiz und Aulock haben sich wie gewöhnlich an dieser Lectüre ergözt – beide grüßen Dich freundtschaftlich. Gestern habe ich seit einem Vierteljahr Moriz wieder gesehen er hat 2 Zähne – läuft am Gängelband wie ein Reh – daß ihm die Wärterin kaum nachkann – o! er ist ganz allerliebst – ich muß aufhören, ich habe mich entsezlich angegriffen – Gott gebe, daß ich die Woche Briefe von Dir erhalte, ach! was mag der gute Charles machen! bey jedem jungen Menschen der mir begegnet – denke ich Sein oft ganz frappant daß Dir das nicht lächerlich vorkomt – der gute Junge! |
den 28ten October
Nichts erkältet mehr die edelsten Theile des innern Menschen als Umgang mit Personen an denen man keinen Antheil nehmen kann – sagt Hesperus in meinen von Dir erhaltnen Auszügen – aber was greift auch eben diese Theile am meisten an, als Trenung von Menschen – zu welchen man sich so unaussprechlich hingezogen fühlt, und iniges Theilnehmen für sie fühlt – so geht mir’s jezt warlich kein Zeichen der Abstumpfung!!! – gestehe ich gern – es giebt Seiten in mir die troz aller Vernichtung des Cörpers gar leicht berührt – und angegriffen werden könen – – ein mir vorher noch so unbekantes Wesen – von welchem ich vorher noch nicht das mindeste gehört – sehen, und lieben, ist oft bei mir Werk eines Augenbliks – ganz was andres, wie mit der Geisler mit welcher ich schon durch schriftliche und mündliche Zeugniße bekant war – sondern mehr ähnliches mit einem attachement an eine gewiße Ernestine Sommerfeld – für die ich gleich beym ersten Ersehn das fühlte was mir durch alle Zeiten geblieben ist – das jezige Sujet ist eine Herrenhuterin – Schwester der Koenigsöhr die seit einem Vierteljahr in unsrer Anstalt die sich einige Wochen hier aufhielt um jene zu besuchen und nun wieder forteilt – sehr oft schon habe ich Euch | Beide hergewünscht, um dis mir so interressante Geschöpf zu sehen, welches, wohl, auch wenn es imer hier wäre, nie meine Freundin würde – aber deren Andenken sich demohngeachtet nie aus meiner Seele verlöschen wird – ich denke Du verstehst das Mittelding zwischen altäglicher Bekantschaft und Freundtschaft – ich kann Dirs nicht so ausdrüken – ganz einfältig will ich Dir den Reim hersezen den mir schon die ersten Tage ihres Hierseins ihr Andenken zuflüsterte – als die Arie – Gute Zeiten selge Stunden gespielt wurde.
Gute Zeiten, schöne Stunden,
Freuden, die mir längst geschwunden
Hell, und trüb, vor meinem Blick –
brachte mir Dein Bild zurük
Ja Dein ganzes Thun und Wesen,
ist gar lieblich mir gewesen,
Mancher Winck und Händedruk –
sagte Dir von mir genug
Freundtschaft die die Menschheit bindet,
wenn sie sich auf Einklang gründet
Stöhret Trenung niemals hie –
denn sie bleibt die Simpathie
Geh nun wieder zu den Deinen,
die sich schön mit Dir vereinen
Beim Genuß den Freundtschaft giebt,
denke meiner die Dich liebt. |
den 31ten October
Wenn Du mein Lieber! Dich noch an den Verlust zweyer lieben Kinder aus meiner Stube erinerst, die zwar nicht hier – aber doch bald nach den Ritteln dis Erdenleben verließen – wenn Dir sage ich das alles noch erinnerlich wie tief mich das Hinscheiden meiner unvergeßlichen Minette Tzirschky geschmerzt, welches ein unvergleichliches hoffnungsvolles, Kind war, deren Geist eine für ihre Jahre sehr ernsthafte Richtung hatte, ohne jedoch kindliche Freuden und Beschäftigungen zu verachten – wird dis Dirs alles leicht faßlich machen, wie mir in diesen Tagen zu Muthe ist, da die Mutter seit jenem ihr so traurigen Riß, nicht hier war, und heute mir ihre andre Tochter, ein Mädchen von 8 Jahren übergiebt – O! Worte könen das nicht so beschreiben – was wir Beide dabei fühlten und wies der Guten traurigen so wohlthätig war, als sie mir noch Abends Solo, von der unvergeßlichen Minette erzählte – O! Lieber! Du wirst das verstehen – und leicht glauben daß auch der guten Lohrel gedacht wurde diese kleine Ernestine sieht ihrer Schwester wenig gleich, doch ist leicht zu denken, daß mir durch ihren Aufenthalt meine kleine favorite die täglich mir vor der Seele schwebt noch eindrüklicher wird; zu eben der Zeit erschien noch eine für sich selbst interressantere – Juliane Ernestine Schitner – des Sindicus in Grotkau Tochter – ein liebenswürdiges Mädchen mit treflichen Anlagen auch erst 8 Jahr – wenn ichs erlebe, soll sie mir viel Freude machen – doch wieder zurük zu mir – zu diesem Allen komt noch, daß meine kleine Preußin von Gohr recht krank ist – und jenes liebenswürdige Geschöpf – die Hernhuterin, abgereist. O! hätten nur des armen Lebens Tage nicht Trenungen! |
den 6ten Norember
Schon wieder einige Posttage hin! und noch keine Briefe – nichts entschuldigt Dich – als eine harte Niederlage die das Schreiben unmöglich macht, sonst nichts! Du kenst mich mit alle meinem theilnehmenden mitfühlenden, und jezt so kränklichen Wesen – und kanst mich mit Deinem Schweigen so peinigen! Du! der sonst ungern meine Freuden sich veringern sah – es tief mit empfand jedes beschwerliche meiner Laage, und mit diesen mich so aufheiternden beruhigenden Nachrichten von Euch Beiden, zögerst Du so lange – ich könte Dir das nicht nachmachen wils auch nicht! wir verstehen es nicht, wie das mit Deiner Zärtlichkeit und Besorgniß um mich zusamen denkbar nur ist[,] noch dazu da wir gern etwas von Charles Abreise und seiner zu erwartenden neuen Laage wüsten; ich habe die Tage wieder viel gelitten. Doch Gott sei Dank! wenn es den Tag über recht schlim ist, dann geht es Abends beßer – schreibst Du jezt auch Fauler kaltscheinender Mensch! denn daß Du wirklich Deine Liebe mir entzogen — oder sie einiger Aenderung fähig wäre — wird mir nie einfallen. Seelig sind die Todten! die gewaltige Schreiber auch an ihre Freunde und Verwandte waren! verstanden? –
den 15ten Seit meinem lezten, hat sich unsre Anstalt – durch das Hinscheiden unsrer kleinen von Gohr veringert – das arme Kind hat noch unaussprechlich gelitten – und wir mit ihr! gestern haben wir sie auf den GottesAcker begleitet! es war und bleibt eine unvergeßliche Zeit besonders für Uns bei denen sie wohnte! Scheuerl gieng dicht hinterm Sarge, und dan wir mit den Kindern! |
Schon ist der 21te zu welchem Du mein Lieber! gewöhnlich Briefe von Lotten bekömst – aber dismahl war es mir unmöglich, ich kan diese Epistel nicht wegschiken, bis ich die Deine erhalten – ich habe heute vergebens drauf gehoft – aber vergebens! demohngeachtet kanst Du meiner inigsten Theilnahme an allem was Dein wahres Wohl nach Geist und Leib betrift – liebevoll versichert sein und gewiß glauben – daß ich, wenn ichs im Stande wäre zu Deinen Freuden, oder Geistigen Genuß in so fern er zur edlern Vervolkomnung Dein Selbst beiträgt – gern ein volles Maaß hinzuthäte – vorzüglich aber gar herzlich wünsche Dich noch einmahl vor meinem Flug ins rechte Vaterland ausführlich zu sprechen – und – wenn es nehmlich Deine Bestimung – noch Dich als Haupt eines häußlichen Greises zu wißen – auch dis noch zu erleben – und Deine LebensGefährtin persönlich zu kennen – so wie die Beiden Struensees diese Freude genoßen haben ihre Schwägerin als ein recht liebes Weib bei einem Besuch in Herrnhut kenen zu lernen – – Du lachst doch nicht mir ist dis eine sehr ernste Beschäftigung, obschon ich oft denke daß Du nur Freund – des häußlichen Glüks – aber nie Selbst in deßen Besiz Dich befinden wirst.
Folgende, inliegende angezeigte Sprüche, habe Dir heute gezogen Lotte hat sie aufgeschrieben – gewiß werden sie auch Dir merkwürdig lehrreich und aufmunternd sein |
den 23ten November
Vorgestern Abend – gab ich die Feyer des Tages doch in etwas auszuzeichnen allen meinen lieben Mittcolegen einen recht guten Thee – da wir denn welches bei mir jezt sehr selten vorkomt – bis gegen 11 uhr recht vergnügt zusamen waren – – seit Jahr und Tag – da ich so kränklich bin – spiele ich sehr selten – aber imer wenn so außerordentliche frohe oder trübe Seiten starck berührt werden – suche ich mir Luft durch so ein elendes Selbstgeklimpre zu verschaffen – welches diese Woche fast täglich geschehen – vorigen Sonabend und Sontag waren 2 Herenhutsche Schwestern hier – die mich Beide gleich – aber von verschiedner Art interressiren – nur eine Erscheinung waren sie, da sie nur zur Begleitung einer 3ten waren, die hieher zum Wohnen komt – aber mich gar nicht frappirt oder interressirt nicht wahr! es wäre beßer umgekehrt! eine ist mir schon seit 12 Jahren durch andre die hier gewohnt haben sehr bekant besonders durch meine Schytt von welcher Du in meinem lezten gelesen – wir sind uns ungesehn sehr nahe gekommen und es war eine eigne süße Empfindung – uns beim ersten Ersehn uns nicht nur nicht fremde – sondern es recht stark zu fühlen wie sehr wir füreinander gemacht – leider! konten wir uns nur ein Viertelstunde sprechen – sie heißt Zeidlern etwas älter und viel größer als ich – die andre, Louise Rosenbaum – die intimste Freundin meiner Arndt – ein liebes herrliches Geschöpf! wir fanden uns gleich nahmen aber natürlich die Arndt als Medium ann – | ob wir uns zwar Beide die aus Herzgefühl inigste Versicherung gaben, daß wir uns auch ohne unsre gemeinschaftliche Freundin viel sein würden.
den 8ten December Schon sind es 8 Tage daß ich Deinen lieben Brief habe und noch habe Dir dafür meinen herzlichen Dank nicht gebracht – nicht Krankheit hielt mich davon ab, sondern allerley kleine Geschäfte in meiner neuen Laage – Wundre Dich und staune wenn Du wilst mein Lieber! es ist schon nicht anders ich erhielt dis liebe längst gewünschte Paquet in meiner Stube im SchwesternHaus in welcher ich seit dem 27ten des vorigen Monats mich befinde – in meinem lezten Brief konte Dir davon noch nichts melden, weil ich noch nicht wüste, wenn, diese Sache ins Werk gesezt würde – wegen meiner Kränklichkeit war es höchst nötig – doch wolte ichs nicht übereilen – wünschte aber sehnlich vor Weinachten noch in Ruhe zu kommen – Andre sahen die Nothwendigkeit auch ein, und so wurde es denn nach und nach – zu meiner und andrer Freude, befinde ich mich nach meiner Art recht wol – und glaube gewiß daß Ruhe wegen meiner schwachen Nerven sehr wohlthuend – 12 Stunden gebe ich noch wöchentlich in der Anstalt – sonst keine – die übrige fülle ich mit striken aus– was aber künftig mit mir werden wird weis ich nicht – Scheuerl hat mir nichts gewißes bestimt aufs neue Jahr – ob ich mich in diesen 4 Wochen ganz erholen soll und mann andre Wege mit mir gehen wird weis ich nicht – alles spricht vom Erholen – ich bin sehr vergnügt, wohne wieder bei meiner mir so lieben traulichen Frize Graff – size auf der nehmlichen Stelle wo ich vor 4 Jahren saß ehe ich in die Anstalt zog – ist Dir das nicht drollig!!! ein andermahl mehr – gute Nacht |
Deine Vorurtheile wegen meines Wohnens im SchwesternHaus kann ich Dir freilich nicht benehmen – wißen solst Du es aber daß dis kein schneller Entschluß – sondern | ein wohl und reiflich überlegter Schritt, den ich der mir so lieben Kleinen, die | meiner Schwäche halben gewiß oft unnötiger Weise angefahren, und in ihren | schuldlosen Spielen durch meine Peinlichkeit gestöhrt wurden – als auch die nötige Sorge für mein eignes ich schuldig zu thun glaubte – | bei meinen Jahren und nach gemachten Erfahrungen – ist das Wohnen in den klösterlichen Mauern recht schön – besonders wenn mann selbst drauf bedacht ist – Ruhe zu | genießen – allein ich fürchte – wofern meine Beßerung so schnell fortwächst – wird man mich nicht lange hier laßen – Peistels mit denen ich seit 8 Jahren keinen Umgang als am 3ten Orte | hatte – suchen mich jezt – – ihr Hofmeister geht weg – – – und die Ungewißheit | läst in der mich Scheuerl meines Salariums wegen gelaßen – ließ mich fürchten | Er wiße etwas von dem Begehren – ach! wären es doch nur Stunden | und kein gänzliches Einwohnen – ich sehe Dich hier die Achseln zuken, über mein weigerndes Wesen – glaube aber mir – daß nur Gehorsam nicht Neigung | mich in dieses Haus bringen – ein andermahl mehr – bitte schreib mir noch dieses Jahr – was Charles sich entschließen wird – |
bitte das PostScript alles zu lesen – Antwort auf Deinen Brief wird nächstens folgen – aber erst eine von Dir
Umsonst habe ich mir geschmeichelt mit dem heutigen Postbothen einen Brief von Dir zu erhalten der mir recht ausführlich vom 9ten September und von Charles Abreise berichten solte – ach! wie lange werde ich wieder warten müßen. Seit 14 Tagen liegt ein Paquet mit Deinen Büchern hier welches mir ein hiesiger Fabrikant der Geschäfte in Berlin hatte hinbesorgen solte, aber es war ihm nicht gefällig es wird deshalb auf Strampfs retour warten – denn für die Ankunft Deiner mir geliehnen Bücher solst Du kein schweres Postgeld zahlen – es liegt darin ein Zettel deßen Inhalt eben nicht erfreulich ist, und wieder eine KrankheitsPeriode meldet, die dismahl recht hart war, und mich einige Tage in unserm KrankenStübchen, gefangen hielt, das will viel sagen –
den 13ten October. Auch dis liegt beinahe wieder 14 Tage – die für mich manches beschwerliche aber auch nicht leer an GeistesFreuden waren die ich bey meiner Kränklichkeit nur sehr sparsam genießen kann, und darf; am Mitwoch vor 14 Tagen als dem 27ten September war meine gute Zimmermann welches schon seit 2 Jahren nicht vorgekomen, bey mir – in meiner Stube – obschon wir Beide ziemlich schwach waren, so freuten wir uns doch dieses Beisamenseyns gar herzlich – ich begleitete sie, wir machten einen kleinen Umweg und waren sehr traulich | ich bekam Tages darauf erstaunendes Reißen im Kopf – welches erst gestern Abend mich ganz verlaßen hat – und mich die ganze Zeit nur wenig Stunden schlafen ließ; demohnbeschadet nahm ich vergangnen Montag das sehr schöne Wetter war nachdem ich schon verschiedne mahl kein Fuhrwerk bekommen und die Zimmermann schon eingeladen hatte, und fuhr mit ihr Solo, nach Nimptsch, aber ich wüste daß sie einige Bestellungen zu machen hatte, ich auch gern den Garten des Kaufmans Hüttel gesehen hätte ohne dort visite machen zu dürfen – welches denn alles nach Wunsch ablief – er wäre dem Glazhof noch weit vorzuziehen da er weit schönere NaturAnlagen hat, aber leider nicht gehörigt benuzt, sondern ganz verwildert – jedoch wünschte ich Dich zu uns, um alle unsre FriedensGedanken über die weitre Ausbildung anzuhören – in einem der Zimmermann bekanten WirtsHaus tranken wir Caffé, bey welchem ich ihr den unterwegens angefangnen Brief von F. D. E. vorlas – worüber allerley Anmerkungen gemacht wurden, besonders über die herrliche Fictionen die dieser Herr gewiße Leute, oder ihren Geist betreffend machen kann – für Heute genug! |
den 15ten October
So wenig Muth und Lust zum schreiben hatte ich noch, nie, so lange ich es als herschende Neigung in mir weiß, mich mit meinen Lieben zu unterhalten, oder auch sonst was, ab, oder aufzusezen; es geht mir aber nicht so wie Dir, daß ich alles in mir habe – wie Du sagst – und am Ende wenn ich nur mich hinseze, doch so viel schönes zu Papiere bringe – O! nein! – am Gefühl für manches und Mitempfindung fehlts zwar noch nicht – wiewohl auch ich während meiner jezigen Krankheitsperiode, solche Stunden hatte wo ich für nichts empfänglich – und noch öfter solche in welchen ich sorgfältig alles von mir weisen muß – was mich nur irgend berühren und angreifen kann – ja ja mein Lieber! Du must schon vorlieb nehmen mit dem Gestamle, Deiner stumpfwerdenden Lotte ein Wort welches ich mich schon längst gegen meine Freunde bediene – O! sehr gut kan ich mir die Situation des Onkels vorstellen – nur zu gut! als ich Deine Schilderung davon der Zimmermann vorlas – schlug sie an ihre Brust und rief traurig aus –: bin ich; welches ich Dir auch bezeugen kann – o Du Guter! als Du die Edle sahest, war schon nicht mehr das 30te Theil von dem Geiste da, der sie belebte als ich vor 4 Jahren sie genau kennen lernte, das kan ich Dich ganz ernstlich versichern – schon viel Anstrengung war dabey – wenn Du das Wort ganz faßen kanst – bey unseren lezten Solos wurde | mir dieses wieder recht lebhaft – und traurig – wenn ich denke, was wir sonst in einer halben Stunde sprachen – und wie vielerley an Mittheilungen – und Winken, über dis und jenes dabey vorkam – und wie viel pausen wir jezt machen müßen wie wenig am Ende von der großen provision Materie abgehandelt – doch Du glaubst es wohl am Ende nicht und denkst es fast, daß nach jeder schwachen periode sich ihr Geist lichtvoller aus dem Feuer – hervorhebt – nur von mir bitte solche tröstliche Dinge nicht zu glauben – doch das ist auch der Fall nicht, mit der Zimmermann kan und werde mich nie vergleichen – außer daß ich jezt weiß was, Reißen, Schwäche und Anstrengung ist – O! die Gute! wenn sie nur cörperlich litte die etliche 30 Jahre, aber eben so lange – stürmen auch inre Leiden auf sie, die es zu gar keiner Erholung komen laßen freilich stumpft die Zeit auch die Empfindlichkeit ab – jedoch komen zuweilen harte perioden, unerwartete Stöße die alte Wunden aufreißen – mais je vous en prie que cela reste entre nous, n’en parlons plus – dis sind ihre eignen Worte nach traulichen Mittheilungen und so in eben dem Thon bitte ich Dich – nichts davon zu erwähnen – keine weitre Erläuterungen zu begehren dis ist alles was ich Dir leisten kann – ohne die inigste | FreundtschaftsPflicht zu verlezen – auch gar nichts darfst Du in Deinem Briefe davon erwähnen – denn Du weist daß diese Lisette und Aulock gern lesen, und was würde dann? auch selbst der Zimmermann müßen diese wenige Worte zu Dir – ein Geheimniß bleiben; der Saz in Deinem Briefe im GeisterCapitel von der Verschiedenheit unsrer Freunde, wie diese oft so ganz gegen einander sein würden – und alles was Du darüber sagst gefält ihr am besten in Deiner Epistel – und sie, Lotte, und ich finden es sehr hübsch ausgedrükt – was nun die Reise, betrift meint die Zimmermann Du hättest nicht so viel davon, und von der Eintheilung Deiner Zeit erwähnen dürfen, indem wir mit wenig Worten viel verstehen, sie hat mir aufgetragen, Dir das zu sagen; Pritwiz und Aulock haben sich wie gewöhnlich an dieser Lectüre ergözt – beide grüßen Dich freundtschaftlich. Gestern habe ich seit einem Vierteljahr Moriz wieder gesehen er hat 2 Zähne – läuft am Gängelband wie ein Reh – daß ihm die Wärterin kaum nachkann – o! er ist ganz allerliebst – ich muß aufhören, ich habe mich entsezlich angegriffen – Gott gebe, daß ich die Woche Briefe von Dir erhalte, ach! was mag der gute Charles machen! bey jedem jungen Menschen der mir begegnet – denke ich Sein oft ganz frappant daß Dir das nicht lächerlich vorkomt – der gute Junge! |
den 28ten October
Nichts erkältet mehr die edelsten Theile des innern Menschen als Umgang mit Personen an denen man keinen Antheil nehmen kann – sagt Hesperus in meinen von Dir erhaltnen Auszügen – aber was greift auch eben diese Theile am meisten an, als Trenung von Menschen – zu welchen man sich so unaussprechlich hingezogen fühlt, und iniges Theilnehmen für sie fühlt – so geht mir’s jezt warlich kein Zeichen der Abstumpfung!!! – gestehe ich gern – es giebt Seiten in mir die troz aller Vernichtung des Cörpers gar leicht berührt – und angegriffen werden könen – – ein mir vorher noch so unbekantes Wesen – von welchem ich vorher noch nicht das mindeste gehört – sehen, und lieben, ist oft bei mir Werk eines Augenbliks – ganz was andres, wie mit der Geisler mit welcher ich schon durch schriftliche und mündliche Zeugniße bekant war – sondern mehr ähnliches mit einem attachement an eine gewiße Ernestine Sommerfeld – für die ich gleich beym ersten Ersehn das fühlte was mir durch alle Zeiten geblieben ist – das jezige Sujet ist eine Herrenhuterin – Schwester der Koenigsöhr die seit einem Vierteljahr in unsrer Anstalt die sich einige Wochen hier aufhielt um jene zu besuchen und nun wieder forteilt – sehr oft schon habe ich Euch | Beide hergewünscht, um dis mir so interressante Geschöpf zu sehen, welches, wohl, auch wenn es imer hier wäre, nie meine Freundin würde – aber deren Andenken sich demohngeachtet nie aus meiner Seele verlöschen wird – ich denke Du verstehst das Mittelding zwischen altäglicher Bekantschaft und Freundtschaft – ich kann Dirs nicht so ausdrüken – ganz einfältig will ich Dir den Reim hersezen den mir schon die ersten Tage ihres Hierseins ihr Andenken zuflüsterte – als die Arie – Gute Zeiten selge Stunden gespielt wurde.
Gute Zeiten, schöne Stunden,
Freuden, die mir längst geschwunden
Hell, und trüb, vor meinem Blick –
brachte mir Dein Bild zurük
Ja Dein ganzes Thun und Wesen,
ist gar lieblich mir gewesen,
Mancher Winck und Händedruk –
sagte Dir von mir genug
Freundtschaft die die Menschheit bindet,
wenn sie sich auf Einklang gründet
Stöhret Trenung niemals hie –
denn sie bleibt die Simpathie
Geh nun wieder zu den Deinen,
die sich schön mit Dir vereinen
Beim Genuß den Freundtschaft giebt,
denke meiner die Dich liebt. |
den 31ten October
Wenn Du mein Lieber! Dich noch an den Verlust zweyer lieben Kinder aus meiner Stube erinerst, die zwar nicht hier – aber doch bald nach den Ritteln dis Erdenleben verließen – wenn Dir sage ich das alles noch erinnerlich wie tief mich das Hinscheiden meiner unvergeßlichen Minette Tzirschky geschmerzt, welches ein unvergleichliches hoffnungsvolles, Kind war, deren Geist eine für ihre Jahre sehr ernsthafte Richtung hatte, ohne jedoch kindliche Freuden und Beschäftigungen zu verachten – wird dis Dirs alles leicht faßlich machen, wie mir in diesen Tagen zu Muthe ist, da die Mutter seit jenem ihr so traurigen Riß, nicht hier war, und heute mir ihre andre Tochter, ein Mädchen von 8 Jahren übergiebt – O! Worte könen das nicht so beschreiben – was wir Beide dabei fühlten und wies der Guten traurigen so wohlthätig war, als sie mir noch Abends Solo, von der unvergeßlichen Minette erzählte – O! Lieber! Du wirst das verstehen – und leicht glauben daß auch der guten Lohrel gedacht wurde diese kleine Ernestine sieht ihrer Schwester wenig gleich, doch ist leicht zu denken, daß mir durch ihren Aufenthalt meine kleine favorite die täglich mir vor der Seele schwebt noch eindrüklicher wird; zu eben der Zeit erschien noch eine für sich selbst interressantere – Juliane Ernestine Schitner – des Sindicus in Grotkau Tochter – ein liebenswürdiges Mädchen mit treflichen Anlagen auch erst 8 Jahr – wenn ichs erlebe, soll sie mir viel Freude machen – doch wieder zurük zu mir – zu diesem Allen komt noch, daß meine kleine Preußin von Gohr recht krank ist – und jenes liebenswürdige Geschöpf – die Hernhuterin, abgereist. O! hätten nur des armen Lebens Tage nicht Trenungen! |
den 6ten Norember
Schon wieder einige Posttage hin! und noch keine Briefe – nichts entschuldigt Dich – als eine harte Niederlage die das Schreiben unmöglich macht, sonst nichts! Du kenst mich mit alle meinem theilnehmenden mitfühlenden, und jezt so kränklichen Wesen – und kanst mich mit Deinem Schweigen so peinigen! Du! der sonst ungern meine Freuden sich veringern sah – es tief mit empfand jedes beschwerliche meiner Laage, und mit diesen mich so aufheiternden beruhigenden Nachrichten von Euch Beiden, zögerst Du so lange – ich könte Dir das nicht nachmachen wils auch nicht! wir verstehen es nicht, wie das mit Deiner Zärtlichkeit und Besorgniß um mich zusamen denkbar nur ist[,] noch dazu da wir gern etwas von Charles Abreise und seiner zu erwartenden neuen Laage wüsten; ich habe die Tage wieder viel gelitten. Doch Gott sei Dank! wenn es den Tag über recht schlim ist, dann geht es Abends beßer – schreibst Du jezt auch Fauler kaltscheinender Mensch! denn daß Du wirklich Deine Liebe mir entzogen — oder sie einiger Aenderung fähig wäre — wird mir nie einfallen. Seelig sind die Todten! die gewaltige Schreiber auch an ihre Freunde und Verwandte waren! verstanden? –
den 15ten Seit meinem lezten, hat sich unsre Anstalt – durch das Hinscheiden unsrer kleinen von Gohr veringert – das arme Kind hat noch unaussprechlich gelitten – und wir mit ihr! gestern haben wir sie auf den GottesAcker begleitet! es war und bleibt eine unvergeßliche Zeit besonders für Uns bei denen sie wohnte! Scheuerl gieng dicht hinterm Sarge, und dan wir mit den Kindern! |
Schon ist der 21te zu welchem Du mein Lieber! gewöhnlich Briefe von Lotten bekömst – aber dismahl war es mir unmöglich, ich kan diese Epistel nicht wegschiken, bis ich die Deine erhalten – ich habe heute vergebens drauf gehoft – aber vergebens! demohngeachtet kanst Du meiner inigsten Theilnahme an allem was Dein wahres Wohl nach Geist und Leib betrift – liebevoll versichert sein und gewiß glauben – daß ich, wenn ichs im Stande wäre zu Deinen Freuden, oder Geistigen Genuß in so fern er zur edlern Vervolkomnung Dein Selbst beiträgt – gern ein volles Maaß hinzuthäte – vorzüglich aber gar herzlich wünsche Dich noch einmahl vor meinem Flug ins rechte Vaterland ausführlich zu sprechen – und – wenn es nehmlich Deine Bestimung – noch Dich als Haupt eines häußlichen Greises zu wißen – auch dis noch zu erleben – und Deine LebensGefährtin persönlich zu kennen – so wie die Beiden Struensees diese Freude genoßen haben ihre Schwägerin als ein recht liebes Weib bei einem Besuch in Herrnhut kenen zu lernen – – Du lachst doch nicht mir ist dis eine sehr ernste Beschäftigung, obschon ich oft denke daß Du nur Freund – des häußlichen Glüks – aber nie Selbst in deßen Besiz Dich befinden wirst.
Folgende, inliegende angezeigte Sprüche, habe Dir heute gezogen Lotte hat sie aufgeschrieben – gewiß werden sie auch Dir merkwürdig lehrreich und aufmunternd sein |
den 23ten November
Vorgestern Abend – gab ich die Feyer des Tages doch in etwas auszuzeichnen allen meinen lieben Mittcolegen einen recht guten Thee – da wir denn welches bei mir jezt sehr selten vorkomt – bis gegen 11 uhr recht vergnügt zusamen waren – – seit Jahr und Tag – da ich so kränklich bin – spiele ich sehr selten – aber imer wenn so außerordentliche frohe oder trübe Seiten starck berührt werden – suche ich mir Luft durch so ein elendes Selbstgeklimpre zu verschaffen – welches diese Woche fast täglich geschehen – vorigen Sonabend und Sontag waren 2 Herenhutsche Schwestern hier – die mich Beide gleich – aber von verschiedner Art interressiren – nur eine Erscheinung waren sie, da sie nur zur Begleitung einer 3ten waren, die hieher zum Wohnen komt – aber mich gar nicht frappirt oder interressirt nicht wahr! es wäre beßer umgekehrt! eine ist mir schon seit 12 Jahren durch andre die hier gewohnt haben sehr bekant besonders durch meine Schytt von welcher Du in meinem lezten gelesen – wir sind uns ungesehn sehr nahe gekommen und es war eine eigne süße Empfindung – uns beim ersten Ersehn uns nicht nur nicht fremde – sondern es recht stark zu fühlen wie sehr wir füreinander gemacht – leider! konten wir uns nur ein Viertelstunde sprechen – sie heißt Zeidlern etwas älter und viel größer als ich – die andre, Louise Rosenbaum – die intimste Freundin meiner Arndt – ein liebes herrliches Geschöpf! wir fanden uns gleich nahmen aber natürlich die Arndt als Medium ann – | ob wir uns zwar Beide die aus Herzgefühl inigste Versicherung gaben, daß wir uns auch ohne unsre gemeinschaftliche Freundin viel sein würden.
den 8ten December Schon sind es 8 Tage daß ich Deinen lieben Brief habe und noch habe Dir dafür meinen herzlichen Dank nicht gebracht – nicht Krankheit hielt mich davon ab, sondern allerley kleine Geschäfte in meiner neuen Laage – Wundre Dich und staune wenn Du wilst mein Lieber! es ist schon nicht anders ich erhielt dis liebe längst gewünschte Paquet in meiner Stube im SchwesternHaus in welcher ich seit dem 27ten des vorigen Monats mich befinde – in meinem lezten Brief konte Dir davon noch nichts melden, weil ich noch nicht wüste, wenn, diese Sache ins Werk gesezt würde – wegen meiner Kränklichkeit war es höchst nötig – doch wolte ichs nicht übereilen – wünschte aber sehnlich vor Weinachten noch in Ruhe zu kommen – Andre sahen die Nothwendigkeit auch ein, und so wurde es denn nach und nach – zu meiner und andrer Freude, befinde ich mich nach meiner Art recht wol – und glaube gewiß daß Ruhe wegen meiner schwachen Nerven sehr wohlthuend – 12 Stunden gebe ich noch wöchentlich in der Anstalt – sonst keine – die übrige fülle ich mit striken aus– was aber künftig mit mir werden wird weis ich nicht – Scheuerl hat mir nichts gewißes bestimt aufs neue Jahr – ob ich mich in diesen 4 Wochen ganz erholen soll und mann andre Wege mit mir gehen wird weis ich nicht – alles spricht vom Erholen – ich bin sehr vergnügt, wohne wieder bei meiner mir so lieben traulichen Frize Graff – size auf der nehmlichen Stelle wo ich vor 4 Jahren saß ehe ich in die Anstalt zog – ist Dir das nicht drollig!!! ein andermahl mehr – gute Nacht |
Deine Vorurtheile wegen meines Wohnens im SchwesternHaus kann ich Dir freilich nicht benehmen – wißen solst Du es aber daß dis kein schneller Entschluß – sondern | ein wohl und reiflich überlegter Schritt, den ich der mir so lieben Kleinen, die | meiner Schwäche halben gewiß oft unnötiger Weise angefahren, und in ihren | schuldlosen Spielen durch meine Peinlichkeit gestöhrt wurden – als auch die nötige Sorge für mein eignes ich schuldig zu thun glaubte – | bei meinen Jahren und nach gemachten Erfahrungen – ist das Wohnen in den klösterlichen Mauern recht schön – besonders wenn mann selbst drauf bedacht ist – Ruhe zu | genießen – allein ich fürchte – wofern meine Beßerung so schnell fortwächst – wird man mich nicht lange hier laßen – Peistels mit denen ich seit 8 Jahren keinen Umgang als am 3ten Orte | hatte – suchen mich jezt – – ihr Hofmeister geht weg – – – und die Ungewißheit | läst in der mich Scheuerl meines Salariums wegen gelaßen – ließ mich fürchten | Er wiße etwas von dem Begehren – ach! wären es doch nur Stunden | und kein gänzliches Einwohnen – ich sehe Dich hier die Achseln zuken, über mein weigerndes Wesen – glaube aber mir – daß nur Gehorsam nicht Neigung | mich in dieses Haus bringen – ein andermahl mehr – bitte schreib mir noch dieses Jahr – was Charles sich entschließen wird – |
bitte das PostScript alles zu lesen – Antwort auf Deinen Brief wird nächstens folgen – aber erst eine von Dir