Potsdam d. 23t. Merz. 99.
Die Ueberschrift, liebe Lotte, wird Dir vielleicht die erste Ahndung von der Ursach meines ungewöhnlich langen, und in Beziehung auf Deinen Brief doppelt unbegreiflichen Schweigens geben: doch ist es damit nicht so arg als Du vielleicht denkst, es ist eben daß ich schon einige Wochen in Geschäften hier bin und leider wahrscheinlich noch ein Paar Monate hier bleiben werde. Zuerst wollte ich nicht eher anfangen auf Deinen Brief zu antworten bis ich die Schlößler gesehen hätte, das dauerte dann ziemlich lange, weil ich ihre Wohnung nur mit Mühe erfahren konnte indem Strampfs nicht mehr ihr altes Logis haben sondern in einer ganz andern Gegend der Stadt wohnen. Ich mache mir gern solche Geseze damit so etwas nicht ganz unterbleibt, es ist aber diesmal nicht viel damit geworden, ich habe die Delville gar nicht gesehn sondern nur ihn, und ich habe nicht was ordentliches aus ihm herausgebracht, er behält gar zu sehr Alles in sich. Ich nahm mir vor noch einmal hinzugehn um noch einen Versuch auf sie zu machen; aber da kam bald darauf diese Potsdamsche Geschichte in Anregung und da unterblieb Besuch und Schreiben weil es mir viel Verwirrung machte, und diese mich eben nicht in die angenehmste Stimmung versezte. Hier habe ich denn nicht nur in Amtgeschäften viel zu thun, viel alte Verwirrungen auszuwikeln und an Häuslichkeiten von Personen die mich nicht unmittelbar intereßiren bei denen ich nun aber doch einmal bin allerlei Antheil zu nehmen, sondern ich habe mich auch, unwißend daß mir so etwas begegnen konnte in Berlin für die lezte Hälfte des Winters mit Privatarbeiten beinahe überhäuft, die ich nun unter allen diesen Störungen doch beendigen muß weil ich mein Wort gegeben habe und nicht mehr von mir abhänge. Da habe ich denn bis jezt weder Muße noch Ruhe genug gehabt zu einem Briefe an Dich zu kommen. Zwar schreibe ich fast täglich an einen oder den andern in Berlin, aber es sind immer nur ein Paar flüchtige Zeilen in ein Paar Minuten hingeworfen und an Dich wollte ich gern ordentlich und ausführlich schreiben. Ich wollte, aber es wird eben auch nicht gehn wie ich will, es wird nicht mehr werden als ich diesen Abend noch schreiben kann, denn Morgen früh muß die Epistel zur Post wenn sie, wie ich wünsche noch zum Ein und dreißigsten in Gnadenfrei sein soll. – Deinen zweiten Brief mit allen Einlagen habe ich nicht hier bekommen sondern in Berlin, wo ich auf 2 Tage war um Schlegels Geburtstag zu begehen. Ich bekam ihn kurz vor meiner Rükreise und stekte ihn ungelesen zu mir um ihn mir auf hier zu ersparen; da habe ich denn die Einlagen erst wieder nach Berlin schiken müßen, und ich zweifle sogar daß sie schon bestellt sein werden da leider unser Aufwärter dort am Gallenfieber krank liegt.
Du hast wol ganz Recht gehabt, liebe, ganz unbedingt und unbesehen vorauszusezen daß Deine Dir abgenöthigten Erklärungen über mich von mir nicht anders als wohl aufgenommen werden konnten. Es ist mir sehr lieb, daß Du Dich hast erbitten laßen von Deinem System das sonst alle Ausführlichkeiten über solche Dinge vermeidet, einmal abzugehn; ich danke Dir herzlich dafür, und ich bitte Dich es in Beziehung auf mich immer zu thun wenn ich Dir abmerke daß Du etwas auf dem Herzen hast. Erlaube mir nun Dir nach meiner besten Ueberzeugung wenigstens auf die Hauptsachen zu antworten, ganz aufrichtig und unverholen. Du fürchtest zuerst die zarten und innigen Verhältniße mit Personen des andern Geschlechts, und darin hast Du freilich voll|kommen Recht: es ist etwas gefährliches darin und sieht aus der Ferne wo man Alles nur im Allgemeinen erblikt noch gefährlicher aus als in der Nähe. Ueber mich zu wachen darin ist mein beständiges Geschäft, ich gebe mir Rechenschaft über das kleinste, und so lange ich das thue denke ich habe ich nicht nöthig irgend ein Verhältniß abzubrechen welches mir sonst wesentlich und wichtig ist, welches zu meiner Bildung gereicht und worin ich mancherlei Gutes stifte. So bin ich mir in Rüksicht der Benike bewußt daß grade die sehr vertraute Freundschaft die zwischen uns obwaltete, und die sie offen machte über jedes Verhältniß und jede Gesinnung von sehr gutem Einfluß auf sie gewesen ist, ich meine innerlich, und rechne das nicht einmal daß es mir Gelegenheit gab ihr auch äußerlich hülfreich zu sein in schwierigen Fällen wo sie sonst gewiß oft eine falsche Parthie ergriffen hätte. Der Herz ihr Leben ist freilich ganz anders, still und ruhig ohne solche Stürme und Angst vor Schiffbruch wie der Benike ihres und ich kann also auch solche Verdienste nicht um sie haben, auch ist ihr Gemüth und ihr Charakter in sich viel fester, daß sie sich auf sich selbst verlaßen kann und meiner nicht bedarf; ich gehöre aber doch in anderer Rüksicht wesentlich zu ihrer Existenz, ich kann ihre Einsichten, ihre Ansichten ihr Gemüth auf mancher Seite ergänzen und so thut sie mir auch. Etwas leidenschaftliches wird zwischen uns nie kommen, da sind wir wol in Beziehung auf einander über die entschiedensten Proben hinweg; nimm es nicht für Eigendünkel daß ich darüber so gewiß spreche, es ist eine lange Erfahrung und eine sorgfältige Beobachtung was mich dazu in Stand sezt, und ich glaube wenn Du uns nur eine Stunde zusammen sähest würdest Du dieselbe Ueberzeugung haben. Was mir in dieser Art begegnet ist habe ich Dir aufrichtig bekannt, es ist mir eine lehrreiche Begebenheit die ich eben auch nicht mißen möchte und die Grunow und ich sind nun in einem freundschaftlichen Verhältniß was durch keine Rükerinnerung verstimmt wird. Es liegt sehr tief in meiner Natur, liebe Lotte, daß ich mich immer genauer an Frauen anschließen werde als an Männer, denn es ist so vieles in meinem Gemüth was diese selten verstehen. Ich muß also, wenn ich nicht auf wahre Freundschaft Verzicht thun will, was Du denn doch auch nicht fordern wirst, auf diesem sonst so gefährlichen Standpunkt stehen bleiben, der aber eben deswegen weil ich so darauf stehe nicht so gefährlich ist. Deßen will ich mich aber nicht überheben sondern immer auf meiner Hut sein. Du meinst eben diese Verhältniße wären wol auch meinen Berufspflichten im Wege und sezten mich wenigstens einem bösen Scheine aus. Was das erste betrift da mußt Du Dich nun lediglich auf mein Wort verlaßen, daß es nicht so ist. Ich verrichte Alles was mir obliegt sehr pünktlich und genau, aber darauf würde ich, wie Du leicht denken kannst gar keinen Werth legen wenn ich nicht auch wirklich mit ganzem Herzen dabei wäre, eine Sache die wenige von meinen Freunden recht verstehn und die nur die Herz sich eigentlich reimen kann. Was aber den Schein betrift so habe ich darüber meine eignen Grundsäze: ich glaube daß es meinem Stande gradezu obliegt ihn zu verachten – ich meine nicht aus leidigem Uebermuth Dinge zu thun die man sonst nicht thun würde, nur um zu zeigen daß man sich aus der gemeinen Meinung nichts macht, sondern das, daß so oft es hinreichende Gründe giebt etwas zu thun man nach dem Schein dabei nichts fragen müße. Das ist, wie mirs scheint sehr nöthig, und ganz eigentlich Pflicht. Daß ein Mann mit einer rechtlichen Frau allein ist Stunden und halbe Tage lang ist wol gar nichts auffallendes in der Welt und Niemand sucht einen bösen Schein dahinter, eine Frau eigentlich zur Freundin zu haben ist schon übler und daß die Herz grade eine Jüdin ist gereicht gewiß Vielen zum Anstoß, aber das ist eben eins von den jämmerlichsten Vorurtheilen. Gewacht habe ich bei ihr nur auf ausdrükliches Bitten ihres Mannes als ihre weiblichen Freundinnen nicht mehr konnten, und ich finde darin nichts unter der männlichen Würde. Das liegt wol nie in wirklichen Diensten die man einer | Frau erzeigt sondern nur in der kleinlichen Galanterie und den süßlichen Aufmerksamkeiten zu denen ich, wenn sie mir auch nicht sonst zuwider wären, immer zu unbeholfen sein werde. – Der Hauptpunkt aber und der eigentliche Unterschied unsrer Denkungsart über diese Dinge liegt darin daß Du eben überhaupt dagegen bist sich in vieles einzumischen, an vielem Theil zu nehmen und in vielerlei Verbindungen mit Menschen zu leben, und ich bin grade dafür. Sage mir, liebe, gehst Du nicht zu sehr von dem System des geselligen Lebens aus welches in der Gemeine das herrschende ist, und bringst Du nicht den Unterschied zwischen Gemeine und Welt zu wenig in Anschlag. In der Gemeine wird der Mensch gebildet durch Einsamkeit und stilles Nachdenken, in der Welt kann er es nur werden durch die mannigfaltigste und zusamengesezteste Thätigkeit. Es sind zwei verschiedene Wege aber beide sind gut, und jeder Mensch hat nur darauf zu sehn daß er den einschlage der seiner Natur am angemessensten ist, und daß er sich dann auch hübsch dahin stelle wo er diesen befolgen kann. Ein Mensch der sich in die Angelegenheiten von mehreren verwikeln und in mehreren Familien Hausfreund sein wollte, wäre in der Gemeine eine sehr überflüßige Person, ja er wäre sogar tadelnswerth und würde allerdings beßer thun sich daraus zu entfernen weil er in die Grundsäze nicht hineinpaßte. Aber eben so wenig würde in der Welt ein Mensch etwas taugen der sich in sich verschließen und nach eurer Weise leben wollte: er füllte seinen Plaz in der That sehr schlecht aus, er wäre mitten in der Welt eigentlich doch ein Gemeinglied und thäte beßer auch lieber in die Gemeine zu gehn. Ich getraue mich in der Welt hundert und tausend sehr achtungswerthe Menschen zu finden die Dich gar nicht verstehen würden wenn Du sagst daß dieses vielfache Leben, dieses getheilte Interesse die Selbstbeobachtung und die Kenntniß des eignen Herzens hindere. Sie würden sagen das sei ja das einzige Mittel dazu zu gelangen. Man könne sich ja nicht kennen lernen – eben so wenig als andre Menschen – wenn man sich nicht handeln sähe, und vieles müße ja verborgen bleiben wenn es nicht angeregt werde durch den Wechsel immer neuer und andrer Verhältniße und Vorfälle. Du siehst wie die Gesichtspunkte verschieden sind und Du wirst auch leicht sehen wie jeder auf dem seinigen Recht hat. Es ist mit der Seele wie mit dem Körper: welcher nur weniger und sparsamer Reize gewohnt ist, den afficirt auch etwas an sich geringes schon merklich, welcher stärkerer und öfterer Bewegungen gewohnt ist, an den müßen auch wirksamere Reize gebracht werden wenn etwas ausgerichtet werden soll. Das erste ist euer Fall in eurem stillen und einfachen Leben, Kleinigkeiten die der Mensch in der Welt gar nicht wahrnimmt bringen Euch schon zum Nachdenken und deken Euch etwas auf – was allerdings ein großer Vorzug ist, und ich danke es meinem Aufenthalt in der Gemeine daß ich ihn in einem höheren Grade besize als irgend ein Mensch vielleicht, den ich in der Welt kenne – bei ihm muß Alles erst in eine merkliche Thätigkeit versezt werden ehe er es wahrnehmen soll. Halte das, was ich eben von mir gerühmt habe für keinen Widerspruch mit dem Bestreben meine Art zu leben zu rechtfertigen. Wenn ich nicht von jener Fähigkeit ein gut Theil hätte, so wäre in der That mein übriges Leben für die Verwiklungen in die mich meine Berufsverhältniße als Prediger, als Bürger, und wenn ich es sagen darf als angehender Gelehrter nothwendig und unvermeidlich bringen noch zu eingezogen und einfach, und das was in mir vorgeht würde bald auch für meinen Blik, der durch die Verhältniße vielerlei Gegenstände in lebhafter Bewegung zu sehen gewohnt wird, unmerklich werden; es ist in der That ein wahres Mittelding zwischen einem – nicht zerstreuten sondern ganz vernünftigen – Welt und Geschäfts und einem Gemeinleben. Nimm um beide Gesichtspunkte zu vergleichen noch das hinzu. Jeder Mensch muß schlechterdings in einem Zustande moralischer Geselligkeit stehn, er muß einen oder mehrere Menschen haben denen er das innerste seines Wesens, seines Herzens und seine Führungen kund thut, nichts muß in ihm sein, wo möglich, was nicht noch irgend einem außer ihm mitgetheilt wurde. Das liegt in dem göttlichen Ausspruche es ist nicht gut daß der Mensch allein sei mehr als irgend etwas anderes. Ihr steht in einer solchen Art von Geselligkeit mit euren Arbeitern, und bedürft selten anderer Menschen dazu. | Dergleichen giebt es aber in der Welt nicht, und da die Menschen gegen einander mit ihrem innern wie billig sehr zurükhaltend sind, so muß man sich erst ein sehr freundschaftliches Vertrauen erwerben ehe man so etwas herauslokt und um zu so einer vertrauten Freundschaft zu kommen muß man mit mehreren Verbindungen anfangen in denen man sie suchen und anzutreffen hoffen kann. So mußt Du die Sache auch ansehn, und in der That bin ich bei allen den Menschen die ich sehr liebe mehr oder weniger Arbeiter und sie sind es auch bei mir. – Da hast Du mein Glaubensbekenntniß über diesen Gegenstand ganz offen und so ausführlich als ich es jezt geben konnte. Du wirst wenigstens, hoffe ich, daraus sehen wie ernstlich ich Deine freundlichen Warnungen nehme und wie viel mir daran liegt mein Gemüth und mein Leben so offen als möglich vor Dich hinzustellen und Dich in Stand zu sezen daß Du richtig darüber urtheilen könnest. Du sollst diese Aufrichtigkeit immer bei mir finden, es ist mir gar viel daran gelegen, daß dieses Verhältniß unter uns bewahrt bleibe.
Mit Karls großem Briefe an Dich, das ist ein rechtes Elend. Ich weiß daß er da ist, er kam in den lezten Tagen vor meiner Abreise hieher, ich weiß auch daß ich ihn mitnehmen wollte so wie ich Deinen Brief mitgenommen habe, aber vergeßen ist er; und Gott weiß in welches Fach meines Sekretärs und unter welche Papiere er in der lezten Verwirrung gekommen sein mag. Tausendmal bitte ich Dich unterdeß um Verzeihung, ich werde in 14 Tagen wahrscheinlich wieder auf ein Paar Tage in Geschäften nach Berlin müßen und dann will ich ihn schon herbeischaffen; es ist eine häßliche Unordnung, ich gestehe es, und wo ich nicht irre hat er auch schon einmal durch meine Schuld Nachrichten von Dir zu spät bekommen. Uebrigens aber glaube ich thust Du ihm doch Unrecht denn wo ich nicht sehr irre hat er Dir von Berlin aus als er von Arnsberg nach Stettin bei mir durchging geschrieben; erhalten hast Du gewiß Alles was er durch mich an Dich geschikt hat; denn bis aufs Verlieren erstrekt sich meine Unordnung nicht. An sein Etablissement habe ich schon oft mit Sorgen gedacht; aber was hilft alles denken wenn wir kein Geld haben. Einige Jahre kann ers am Ende wol noch mit ansehn. Ich hatte ihm geschrieben den Tag vor meiner Besuchreise nach Berlin, will ihm aber in der künftigen Woche – die Morgen angeht – wieder schreiben und ihm Deinen Brief schiken.
Deine Gesundheit hoffe ich ist gut, da Du gar nichts nachtheiliges von ihr schreibst, wenn sie aber auch noch so gut ist so bitte ich Dich doch die Idee eine Badereise im Sommer zu machen ja nicht aufzugeben. Geldrüksichten laß Dich ja nicht abhalten; ich werde in wenigen Wochen im Stande sein Dir eine kleine Beihülfe dazu zu schiken, und wenn sie nicht hinreichen sollte so sage es nur ehrlich denn ich verstehe das nicht was Ihr Frauenzimmer so braucht: bis zur Badezeit wird dann immer noch Rath zu mehr ohne die geringste Beschwerde für mich, denn ich bin dies Jahr in ganz leidlichen Umständen.
Daß ich übrigens im Stande bin auch das was mir lieb ist wenns drauf ankommt aufzuopfern sehe ich nun seit 6 Wochen aus meiner Existenz hier entfernt von allen meinen Freunden (denn 4 Meilen ist so gut als 20) an einem Ort wo ich noch keinen Menschen gefunden habe an den ich mich auch nur entfernt anschließen könnte. Ich bin hier um die Geschäfte des alten Hofprediger Bamberger (des Vaters der Eichmann) der gänzlichen Unvermögens halber sich zur Ruhe gesezt hat zu versehen bis der König der diese Stelle unmittelbar vergiebt (weil er so lange er hier ist sonntäglich in die Kirche kommt) einen andern ernannt hat. Es war keine Schuldigkeit herzugehn, es ist auch kein Vortheil dabei, auch keine Aussicht auf Dankbarkeit denn die Leute denen ein Gefallen damit geschieht, wißen nicht was es mich kostet und können es also nicht erkennen; aber da man mir vorstellte daß es das schiklichste sei was geschehen könne so habe ichs für meine Pflicht gehalten, und in Gottes Namen auf einige Monate Alles im Stich gelaßen. Manchmal verdrießt mich der Gedanke daß nur ein übereilter Schritt des Ministers und des Kirchendirektoriums es nothwendig gemacht hat, ich halte aber doch so ganz leidlich aus. Angenehm ist mirs einmal vor einem andern und sehr zahlreichen Auditorio meine Worte anbringen zu können, denn die Kirche ist hier immer ziemlich besezt, und das ist mir mehr werth als die Ehre die ich gestern gehabt habe, daß der König aus meinen Händen das Abendmal genommen hat, ob ich ihm gleich von Herzen gut bin. Morgen früh werde ich im Geist unter Euch in der Gemeine sein. Und am 31ten laß Dirs recht wol sein unter Deinen Lieben dort und denke meiner auch in herzlicher Liebe und Freundschaft wie ich es thun werde. Ich umarme Dich herzlich und bitte Dich bei so bewandten Umständen mit dieser Epistel vorlieb zu nehmen, die bei weitem nicht Alles enthält was ich Dir habe sagen wollen: aber es ist Nacht und ich habe noch zu thun, ich zweifle ob ich zu Bett kommen werde ehe der Tag graut.
Dein treuer
Friz
Die Ueberschrift, liebe Lotte, wird Dir vielleicht die erste Ahndung von der Ursach meines ungewöhnlich langen, und in Beziehung auf Deinen Brief doppelt unbegreiflichen Schweigens geben: doch ist es damit nicht so arg als Du vielleicht denkst, es ist eben daß ich schon einige Wochen in Geschäften hier bin und leider wahrscheinlich noch ein Paar Monate hier bleiben werde. Zuerst wollte ich nicht eher anfangen auf Deinen Brief zu antworten bis ich die Schlößler gesehen hätte, das dauerte dann ziemlich lange, weil ich ihre Wohnung nur mit Mühe erfahren konnte indem Strampfs nicht mehr ihr altes Logis haben sondern in einer ganz andern Gegend der Stadt wohnen. Ich mache mir gern solche Geseze damit so etwas nicht ganz unterbleibt, es ist aber diesmal nicht viel damit geworden, ich habe die Delville gar nicht gesehn sondern nur ihn, und ich habe nicht was ordentliches aus ihm herausgebracht, er behält gar zu sehr Alles in sich. Ich nahm mir vor noch einmal hinzugehn um noch einen Versuch auf sie zu machen; aber da kam bald darauf diese Potsdamsche Geschichte in Anregung und da unterblieb Besuch und Schreiben weil es mir viel Verwirrung machte, und diese mich eben nicht in die angenehmste Stimmung versezte. Hier habe ich denn nicht nur in Amtgeschäften viel zu thun, viel alte Verwirrungen auszuwikeln und an Häuslichkeiten von Personen die mich nicht unmittelbar intereßiren bei denen ich nun aber doch einmal bin allerlei Antheil zu nehmen, sondern ich habe mich auch, unwißend daß mir so etwas begegnen konnte in Berlin für die lezte Hälfte des Winters mit Privatarbeiten beinahe überhäuft, die ich nun unter allen diesen Störungen doch beendigen muß weil ich mein Wort gegeben habe und nicht mehr von mir abhänge. Da habe ich denn bis jezt weder Muße noch Ruhe genug gehabt zu einem Briefe an Dich zu kommen. Zwar schreibe ich fast täglich an einen oder den andern in Berlin, aber es sind immer nur ein Paar flüchtige Zeilen in ein Paar Minuten hingeworfen und an Dich wollte ich gern ordentlich und ausführlich schreiben. Ich wollte, aber es wird eben auch nicht gehn wie ich will, es wird nicht mehr werden als ich diesen Abend noch schreiben kann, denn Morgen früh muß die Epistel zur Post wenn sie, wie ich wünsche noch zum Ein und dreißigsten in Gnadenfrei sein soll. – Deinen zweiten Brief mit allen Einlagen habe ich nicht hier bekommen sondern in Berlin, wo ich auf 2 Tage war um Schlegels Geburtstag zu begehen. Ich bekam ihn kurz vor meiner Rükreise und stekte ihn ungelesen zu mir um ihn mir auf hier zu ersparen; da habe ich denn die Einlagen erst wieder nach Berlin schiken müßen, und ich zweifle sogar daß sie schon bestellt sein werden da leider unser Aufwärter dort am Gallenfieber krank liegt.
Du hast wol ganz Recht gehabt, liebe, ganz unbedingt und unbesehen vorauszusezen daß Deine Dir abgenöthigten Erklärungen über mich von mir nicht anders als wohl aufgenommen werden konnten. Es ist mir sehr lieb, daß Du Dich hast erbitten laßen von Deinem System das sonst alle Ausführlichkeiten über solche Dinge vermeidet, einmal abzugehn; ich danke Dir herzlich dafür, und ich bitte Dich es in Beziehung auf mich immer zu thun wenn ich Dir abmerke daß Du etwas auf dem Herzen hast. Erlaube mir nun Dir nach meiner besten Ueberzeugung wenigstens auf die Hauptsachen zu antworten, ganz aufrichtig und unverholen. Du fürchtest zuerst die zarten und innigen Verhältniße mit Personen des andern Geschlechts, und darin hast Du freilich voll|kommen Recht: es ist etwas gefährliches darin und sieht aus der Ferne wo man Alles nur im Allgemeinen erblikt noch gefährlicher aus als in der Nähe. Ueber mich zu wachen darin ist mein beständiges Geschäft, ich gebe mir Rechenschaft über das kleinste, und so lange ich das thue denke ich habe ich nicht nöthig irgend ein Verhältniß abzubrechen welches mir sonst wesentlich und wichtig ist, welches zu meiner Bildung gereicht und worin ich mancherlei Gutes stifte. So bin ich mir in Rüksicht der Benike bewußt daß grade die sehr vertraute Freundschaft die zwischen uns obwaltete, und die sie offen machte über jedes Verhältniß und jede Gesinnung von sehr gutem Einfluß auf sie gewesen ist, ich meine innerlich, und rechne das nicht einmal daß es mir Gelegenheit gab ihr auch äußerlich hülfreich zu sein in schwierigen Fällen wo sie sonst gewiß oft eine falsche Parthie ergriffen hätte. Der Herz ihr Leben ist freilich ganz anders, still und ruhig ohne solche Stürme und Angst vor Schiffbruch wie der Benike ihres und ich kann also auch solche Verdienste nicht um sie haben, auch ist ihr Gemüth und ihr Charakter in sich viel fester, daß sie sich auf sich selbst verlaßen kann und meiner nicht bedarf; ich gehöre aber doch in anderer Rüksicht wesentlich zu ihrer Existenz, ich kann ihre Einsichten, ihre Ansichten ihr Gemüth auf mancher Seite ergänzen und so thut sie mir auch. Etwas leidenschaftliches wird zwischen uns nie kommen, da sind wir wol in Beziehung auf einander über die entschiedensten Proben hinweg; nimm es nicht für Eigendünkel daß ich darüber so gewiß spreche, es ist eine lange Erfahrung und eine sorgfältige Beobachtung was mich dazu in Stand sezt, und ich glaube wenn Du uns nur eine Stunde zusammen sähest würdest Du dieselbe Ueberzeugung haben. Was mir in dieser Art begegnet ist habe ich Dir aufrichtig bekannt, es ist mir eine lehrreiche Begebenheit die ich eben auch nicht mißen möchte und die Grunow und ich sind nun in einem freundschaftlichen Verhältniß was durch keine Rükerinnerung verstimmt wird. Es liegt sehr tief in meiner Natur, liebe Lotte, daß ich mich immer genauer an Frauen anschließen werde als an Männer, denn es ist so vieles in meinem Gemüth was diese selten verstehen. Ich muß also, wenn ich nicht auf wahre Freundschaft Verzicht thun will, was Du denn doch auch nicht fordern wirst, auf diesem sonst so gefährlichen Standpunkt stehen bleiben, der aber eben deswegen weil ich so darauf stehe nicht so gefährlich ist. Deßen will ich mich aber nicht überheben sondern immer auf meiner Hut sein. Du meinst eben diese Verhältniße wären wol auch meinen Berufspflichten im Wege und sezten mich wenigstens einem bösen Scheine aus. Was das erste betrift da mußt Du Dich nun lediglich auf mein Wort verlaßen, daß es nicht so ist. Ich verrichte Alles was mir obliegt sehr pünktlich und genau, aber darauf würde ich, wie Du leicht denken kannst gar keinen Werth legen wenn ich nicht auch wirklich mit ganzem Herzen dabei wäre, eine Sache die wenige von meinen Freunden recht verstehn und die nur die Herz sich eigentlich reimen kann. Was aber den Schein betrift so habe ich darüber meine eignen Grundsäze: ich glaube daß es meinem Stande gradezu obliegt ihn zu verachten – ich meine nicht aus leidigem Uebermuth Dinge zu thun die man sonst nicht thun würde, nur um zu zeigen daß man sich aus der gemeinen Meinung nichts macht, sondern das, daß so oft es hinreichende Gründe giebt etwas zu thun man nach dem Schein dabei nichts fragen müße. Das ist, wie mirs scheint sehr nöthig, und ganz eigentlich Pflicht. Daß ein Mann mit einer rechtlichen Frau allein ist Stunden und halbe Tage lang ist wol gar nichts auffallendes in der Welt und Niemand sucht einen bösen Schein dahinter, eine Frau eigentlich zur Freundin zu haben ist schon übler und daß die Herz grade eine Jüdin ist gereicht gewiß Vielen zum Anstoß, aber das ist eben eins von den jämmerlichsten Vorurtheilen. Gewacht habe ich bei ihr nur auf ausdrükliches Bitten ihres Mannes als ihre weiblichen Freundinnen nicht mehr konnten, und ich finde darin nichts unter der männlichen Würde. Das liegt wol nie in wirklichen Diensten die man einer | Frau erzeigt sondern nur in der kleinlichen Galanterie und den süßlichen Aufmerksamkeiten zu denen ich, wenn sie mir auch nicht sonst zuwider wären, immer zu unbeholfen sein werde. – Der Hauptpunkt aber und der eigentliche Unterschied unsrer Denkungsart über diese Dinge liegt darin daß Du eben überhaupt dagegen bist sich in vieles einzumischen, an vielem Theil zu nehmen und in vielerlei Verbindungen mit Menschen zu leben, und ich bin grade dafür. Sage mir, liebe, gehst Du nicht zu sehr von dem System des geselligen Lebens aus welches in der Gemeine das herrschende ist, und bringst Du nicht den Unterschied zwischen Gemeine und Welt zu wenig in Anschlag. In der Gemeine wird der Mensch gebildet durch Einsamkeit und stilles Nachdenken, in der Welt kann er es nur werden durch die mannigfaltigste und zusamengesezteste Thätigkeit. Es sind zwei verschiedene Wege aber beide sind gut, und jeder Mensch hat nur darauf zu sehn daß er den einschlage der seiner Natur am angemessensten ist, und daß er sich dann auch hübsch dahin stelle wo er diesen befolgen kann. Ein Mensch der sich in die Angelegenheiten von mehreren verwikeln und in mehreren Familien Hausfreund sein wollte, wäre in der Gemeine eine sehr überflüßige Person, ja er wäre sogar tadelnswerth und würde allerdings beßer thun sich daraus zu entfernen weil er in die Grundsäze nicht hineinpaßte. Aber eben so wenig würde in der Welt ein Mensch etwas taugen der sich in sich verschließen und nach eurer Weise leben wollte: er füllte seinen Plaz in der That sehr schlecht aus, er wäre mitten in der Welt eigentlich doch ein Gemeinglied und thäte beßer auch lieber in die Gemeine zu gehn. Ich getraue mich in der Welt hundert und tausend sehr achtungswerthe Menschen zu finden die Dich gar nicht verstehen würden wenn Du sagst daß dieses vielfache Leben, dieses getheilte Interesse die Selbstbeobachtung und die Kenntniß des eignen Herzens hindere. Sie würden sagen das sei ja das einzige Mittel dazu zu gelangen. Man könne sich ja nicht kennen lernen – eben so wenig als andre Menschen – wenn man sich nicht handeln sähe, und vieles müße ja verborgen bleiben wenn es nicht angeregt werde durch den Wechsel immer neuer und andrer Verhältniße und Vorfälle. Du siehst wie die Gesichtspunkte verschieden sind und Du wirst auch leicht sehen wie jeder auf dem seinigen Recht hat. Es ist mit der Seele wie mit dem Körper: welcher nur weniger und sparsamer Reize gewohnt ist, den afficirt auch etwas an sich geringes schon merklich, welcher stärkerer und öfterer Bewegungen gewohnt ist, an den müßen auch wirksamere Reize gebracht werden wenn etwas ausgerichtet werden soll. Das erste ist euer Fall in eurem stillen und einfachen Leben, Kleinigkeiten die der Mensch in der Welt gar nicht wahrnimmt bringen Euch schon zum Nachdenken und deken Euch etwas auf – was allerdings ein großer Vorzug ist, und ich danke es meinem Aufenthalt in der Gemeine daß ich ihn in einem höheren Grade besize als irgend ein Mensch vielleicht, den ich in der Welt kenne – bei ihm muß Alles erst in eine merkliche Thätigkeit versezt werden ehe er es wahrnehmen soll. Halte das, was ich eben von mir gerühmt habe für keinen Widerspruch mit dem Bestreben meine Art zu leben zu rechtfertigen. Wenn ich nicht von jener Fähigkeit ein gut Theil hätte, so wäre in der That mein übriges Leben für die Verwiklungen in die mich meine Berufsverhältniße als Prediger, als Bürger, und wenn ich es sagen darf als angehender Gelehrter nothwendig und unvermeidlich bringen noch zu eingezogen und einfach, und das was in mir vorgeht würde bald auch für meinen Blik, der durch die Verhältniße vielerlei Gegenstände in lebhafter Bewegung zu sehen gewohnt wird, unmerklich werden; es ist in der That ein wahres Mittelding zwischen einem – nicht zerstreuten sondern ganz vernünftigen – Welt und Geschäfts und einem Gemeinleben. Nimm um beide Gesichtspunkte zu vergleichen noch das hinzu. Jeder Mensch muß schlechterdings in einem Zustande moralischer Geselligkeit stehn, er muß einen oder mehrere Menschen haben denen er das innerste seines Wesens, seines Herzens und seine Führungen kund thut, nichts muß in ihm sein, wo möglich, was nicht noch irgend einem außer ihm mitgetheilt wurde. Das liegt in dem göttlichen Ausspruche es ist nicht gut daß der Mensch allein sei mehr als irgend etwas anderes. Ihr steht in einer solchen Art von Geselligkeit mit euren Arbeitern, und bedürft selten anderer Menschen dazu. | Dergleichen giebt es aber in der Welt nicht, und da die Menschen gegen einander mit ihrem innern wie billig sehr zurükhaltend sind, so muß man sich erst ein sehr freundschaftliches Vertrauen erwerben ehe man so etwas herauslokt und um zu so einer vertrauten Freundschaft zu kommen muß man mit mehreren Verbindungen anfangen in denen man sie suchen und anzutreffen hoffen kann. So mußt Du die Sache auch ansehn, und in der That bin ich bei allen den Menschen die ich sehr liebe mehr oder weniger Arbeiter und sie sind es auch bei mir. – Da hast Du mein Glaubensbekenntniß über diesen Gegenstand ganz offen und so ausführlich als ich es jezt geben konnte. Du wirst wenigstens, hoffe ich, daraus sehen wie ernstlich ich Deine freundlichen Warnungen nehme und wie viel mir daran liegt mein Gemüth und mein Leben so offen als möglich vor Dich hinzustellen und Dich in Stand zu sezen daß Du richtig darüber urtheilen könnest. Du sollst diese Aufrichtigkeit immer bei mir finden, es ist mir gar viel daran gelegen, daß dieses Verhältniß unter uns bewahrt bleibe.
Mit Karls großem Briefe an Dich, das ist ein rechtes Elend. Ich weiß daß er da ist, er kam in den lezten Tagen vor meiner Abreise hieher, ich weiß auch daß ich ihn mitnehmen wollte so wie ich Deinen Brief mitgenommen habe, aber vergeßen ist er; und Gott weiß in welches Fach meines Sekretärs und unter welche Papiere er in der lezten Verwirrung gekommen sein mag. Tausendmal bitte ich Dich unterdeß um Verzeihung, ich werde in 14 Tagen wahrscheinlich wieder auf ein Paar Tage in Geschäften nach Berlin müßen und dann will ich ihn schon herbeischaffen; es ist eine häßliche Unordnung, ich gestehe es, und wo ich nicht irre hat er auch schon einmal durch meine Schuld Nachrichten von Dir zu spät bekommen. Uebrigens aber glaube ich thust Du ihm doch Unrecht denn wo ich nicht sehr irre hat er Dir von Berlin aus als er von Arnsberg nach Stettin bei mir durchging geschrieben; erhalten hast Du gewiß Alles was er durch mich an Dich geschikt hat; denn bis aufs Verlieren erstrekt sich meine Unordnung nicht. An sein Etablissement habe ich schon oft mit Sorgen gedacht; aber was hilft alles denken wenn wir kein Geld haben. Einige Jahre kann ers am Ende wol noch mit ansehn. Ich hatte ihm geschrieben den Tag vor meiner Besuchreise nach Berlin, will ihm aber in der künftigen Woche – die Morgen angeht – wieder schreiben und ihm Deinen Brief schiken.
Deine Gesundheit hoffe ich ist gut, da Du gar nichts nachtheiliges von ihr schreibst, wenn sie aber auch noch so gut ist so bitte ich Dich doch die Idee eine Badereise im Sommer zu machen ja nicht aufzugeben. Geldrüksichten laß Dich ja nicht abhalten; ich werde in wenigen Wochen im Stande sein Dir eine kleine Beihülfe dazu zu schiken, und wenn sie nicht hinreichen sollte so sage es nur ehrlich denn ich verstehe das nicht was Ihr Frauenzimmer so braucht: bis zur Badezeit wird dann immer noch Rath zu mehr ohne die geringste Beschwerde für mich, denn ich bin dies Jahr in ganz leidlichen Umständen.
Daß ich übrigens im Stande bin auch das was mir lieb ist wenns drauf ankommt aufzuopfern sehe ich nun seit 6 Wochen aus meiner Existenz hier entfernt von allen meinen Freunden (denn 4 Meilen ist so gut als 20) an einem Ort wo ich noch keinen Menschen gefunden habe an den ich mich auch nur entfernt anschließen könnte. Ich bin hier um die Geschäfte des alten Hofprediger Bamberger (des Vaters der Eichmann) der gänzlichen Unvermögens halber sich zur Ruhe gesezt hat zu versehen bis der König der diese Stelle unmittelbar vergiebt (weil er so lange er hier ist sonntäglich in die Kirche kommt) einen andern ernannt hat. Es war keine Schuldigkeit herzugehn, es ist auch kein Vortheil dabei, auch keine Aussicht auf Dankbarkeit denn die Leute denen ein Gefallen damit geschieht, wißen nicht was es mich kostet und können es also nicht erkennen; aber da man mir vorstellte daß es das schiklichste sei was geschehen könne so habe ichs für meine Pflicht gehalten, und in Gottes Namen auf einige Monate Alles im Stich gelaßen. Manchmal verdrießt mich der Gedanke daß nur ein übereilter Schritt des Ministers und des Kirchendirektoriums es nothwendig gemacht hat, ich halte aber doch so ganz leidlich aus. Angenehm ist mirs einmal vor einem andern und sehr zahlreichen Auditorio meine Worte anbringen zu können, denn die Kirche ist hier immer ziemlich besezt, und das ist mir mehr werth als die Ehre die ich gestern gehabt habe, daß der König aus meinen Händen das Abendmal genommen hat, ob ich ihm gleich von Herzen gut bin. Morgen früh werde ich im Geist unter Euch in der Gemeine sein. Und am 31ten laß Dirs recht wol sein unter Deinen Lieben dort und denke meiner auch in herzlicher Liebe und Freundschaft wie ich es thun werde. Ich umarme Dich herzlich und bitte Dich bei so bewandten Umständen mit dieser Epistel vorlieb zu nehmen, die bei weitem nicht Alles enthält was ich Dir habe sagen wollen: aber es ist Nacht und ich habe noch zu thun, ich zweifle ob ich zu Bett kommen werde ehe der Tag graut.
Dein treuer
Friz