Berlin den 27ten November,
Dienstag, Abends.
Mein innigstgeliebter Tieck,
Es sieht zuweilen wohl so aus, als wenn ich ohne Dich eine Zeitlang so nothdürftig vergnügt leben könnte; aber im Grunde ists doch nicht wahr, und ich betrüge mich selbst, wenn ich mir so viel zutraue. Du kannst versichert seyn, daß ich in dieser Stunde aus wahrem Bedürfniß an Dich schreibe: es ist mir um diesen Abend noch mit Ehren u guter Manier zu erleben, so nothwendig, als Dir, etwas theatralisches zu dichten. Wo sind die schönen Zeiten, da ich keinen Nachmittag oder Vormittag ruhig seyn konnte, wenn ich Dich nicht gesehn hatte; da ich an jedem Tage mit Dir 1 od. 2 Stunden zusammen genoß, u unsre Seelen sich einander umarmten? Wie oft strichen wir gegen Mittag, wie oft zur Zeit der untergehenden Sonne, im Thiergarten herum, den ich nun wohl über einen Monat nicht gesehn habe! Und wenn wir Abschied nahmen, thaten wir es nie ohne voraus zu bestimmen, wann wir uns wiedersehen würden. Einst, da ich Dich an einem SonntagNachmittag aufsuchen wollte, lief ich die Stadt herum, suchte vorm Komödienhause, u 2 mal vor Deiner Thür; kehrte zurück, u gieng in meiner Stube eine halbe Stunde auf u nieder, u weinte. O wenn Du wüßtest, ja fühlen könntest, wie diese Thränen für Dich voll Wonne waren! – Aber was hilft mir die freundschaftliche Unfreundlichkeit, Dich an diese Vergangenheiten zu erinnern! Ich war gerade in einer so weichen Stimmung.
Und ich merke, daß ich sie nicht so gleich verliere, weil sie mir so süß ist. /
An Rambach u Bernhardi hab ich Deinen Gruß bestellt: sie freuten sich sehr darüber. Letzterer hat auch Deinen Brief mit großem Vergnügen gelesen. Er, der einzige, dem ich mich itzt vertraulich mittheilen, und aus dessen Geist ich Nahrung schöpfen kann, (denn bey meiner täglichen Gesellschaft muß er gewöhnl. die Fasten observiren.) Er ist auch so gebunden als ich, und seine Zeit ist eingeschränkt. Arbeiten fürs Seminarium haben ihn gehindert, daß ich ihn seit einiger Zeit in 8 Tagen etwa nur einmal gesehen habe. –
Aber ich will nicht klagen. Was sind das alles auch für Kleinigkeiten gegen die Zukunft, die mich so unendlich belohnen soll?
Was mit dieser Zukunft zusammenhängt will ich Dir doch zuerst melden. Der Prediger Schuderoff hat neulich an meinen Vater u mich geschrieben, und auf meine Anfrage, mir mit heitrer Miene u freundschaftlichem Händedruck geantwortet, daß er uns beyde mit offenen Armen auf Ostern aufnehmen wolle. Oder vielmehr nach Ostern, denn in den Festtagen selbst, ist er mit Predigten, usw. so überhäuft, daß er blos für sein Amt leben kann. Mit inniger Freude hat er uns zugleich bekannt gemacht, u mit der wärmsten Theilnehmung haben wir es angehört, daß er im Januar ein herzlich gutes Mädchen aus der Nachbarschaft heirathen wird. Er hat mir mit der lebhaftesten Freude geschrieben, wie er uns mit seiner Künftigen, u mit den herrl. Gegenden worin er so glückl. lebt, u mit den benachbarten Städten, usw. bekannt machen, und uns wohl gar auf den Weg nach Erlangen bringen wolle. Und es ist ihm sehr lieb / Dich zu sehn u zu sprechen, da ich ihm schon mehrmals von Dir erzählt habe, wie das denn natürlich ist. Er kann auch schon recht artig Deinen Namen schreiben. Seiner Braut hat er auch schon gesagt, daß wir kommen würden. Kurz sein Brief ist so voll Zärtlichkeiten, daß ich meiner Hoffnung nicht ein besseres Fest zu geben weiß, als sie auf künftige Ostern hinzuweisen. Ich denke, wir werden dann sehr glückliche Tage haben. –
Sieh einmal, wie ich immer in die Extreme falle! Mit dem Vergangenen fieng ich an! – Ein Sprung, ein paar Zeilen kostet er, u ich bin in der Zukunft. Soll ich einmal wider meine Natur (contra naturam meam et indolem) mich auf die goldene (vielmehr nur vergoldete) Mittelstraße begeben, u von der Gegenwart sprechen? – (Von der ich, im Vorbeygehen sey es gesagt, noch diesen Sommer ein merkwürdiges GegenArgument aufgefunden, indem ich in dem Dorfe Falkenberg, 1 Meile v. Berl, im herrschaftl. Garten, eine hölzerne Brücke mit eigenen Augen gesehen, wo die goldene Mittelstraße sicher ins Wasser führte, und man sich nur den Extremen der Seitenpfosten überlassen mußte, um sein Leben zu fristen. Wer weiß, ob bey der berühmten u berufenen Bittermannischen Hünerstall-Brücke die Excellenz nicht blos darum das Malheur gehabt, weil sie jener elenden Schulregel gefolgt ist? Sie sieht mir indolent genug dazu aus, mit allen Phlegmatikern ein Anhänger dieses gemeinen aber nichts weniger als allgemeinen Gemeinplatzes zu seyn. Und, quae cum ita sint, um, Kürze halber, von dem zweifelhaften: Wer weiß, sogleich zur / Gewißheit überzuspringen; weil dem also ist, sag ich, so ist handgreiflich, daß die verdammte Mittelstraße auch im Drama den größten Schaden anrichtet. Denn wenn die Excellenz nur ein wenig mehr Genie gehabt hätte, so hätte sie sich an die Extremitäten des Seitengeländers gehalten, hätte sich in ihrem Leben nicht so blamirt, den Rock vor dem honorablen Publiko auswässern zu müssen u, worauf ich hier besonders ziele, hätte nicht die Sünden der Autoren vermehrt, durch Hinzufügung des 1000sten schlechten Tragödienplans zu den bereits vorhandenen 999.) Ich will es einmal thun. (Besuche die vorige Seite, wenn Du wissen willst, worauf dies geht.)
Ich weiß aber nicht, wie ich in diesen Ton falle. Es läßt, als sollte dies eine Probe von meinen künftigen witzigen Schriften seyn, zu denen doch, bild’ ich mir ein, in meiner Seele nie ein Embryo lag. Ich thue Dir vielleicht in dem Augenblicke da Du dies liest, einen sehr schlechten Gefallen damit. Doch Du mißverstehst mich doch nie, und erkennst, als ein rechtschaffner Botaniker, den Grund u Boden auch aus den seltenen Gewächsen, (N. B. neulich fand ich in einem alten Musikalienkatalog: „Konzert-Gewächse“!!) die sich darauf befinden.
Ich wollte von der Gegenwart reden. Dahin gehört, daß ich neulich 2 mal in der Komödie gewesen bin. Zuerst hab ich die Räuber gesehen. Fleck strengte sich diesmal sehr an, u zeigte sich als ein Genie: vornehml. in dem ächten Ausdruck der Wuth, u in der Natur abgestoßner leidenschaft/licher Interjektionen. Czechtizky, bey dem ein verzerrter Mund, wolfsartig gewiesene Zähne, und ein aus dem Hinterhalt hervorglotzendes Auge, Universalzeichen für alle Leidenschaften sind, wie er es mit denen die ihn applaudiren, verabredet zu haben scheint, daß sie es seyn sollen, – verläugnete als Franz, wie man denken kann, sein Charakteristisches weniger als je. Einige Stellen gelangen ihm vielleicht. Aber ich kann nur oberflächl. darüber urtheilen, weil mein Platz mir nicht zuließ, strenge Acht zu geben. Die Herdt als Amalie ist ein Muster zu allem was zu einem elenden Spiele gehört. Die Räuberscenen werden immer abscheul., besonders durch Kaselitz wenn er im Hemde erscheint. Garly spielte den Kosinsky, mit sehr gewählten u schön ineinanderfliessenden Gebehrden, die nur noch etwas zu sehr, wie mich dünkt, den gebildeten Hoff-Acquis verriethen. Franz sah als Grimm wie der niederträchtigste u ruppigste Schuhflicker aus; u Berger verdarb eine andre Räuberrolle.
Das zweytemal das ich in der Komödie war, hab ich die erste Wiederholung eines hervorgesuchten alten Stückes: Athelstan, nach dem Engl., Trauersp. in 5 Akten, gesehn. In langer Zeit ist mir kein so plump anfängermässiges, u seichtes, schwaches Stück vorgekommen, wo jedes Wort, jeder Gedanke von der Heerstraße genommen ist, (nach Deinem artigen Ausdruck.) Du wirst es wohl kennen. Aber was mich entschädigte / war Flecks unendl. schönes Spiel. Sein Athelstan brachte mir seinen König Lear sehr lebhaft ins Gedächtniß. Er griff sich sehr an, u traff wieder mit den glücklichsten Gebehrden, mit dem wahrsten Accente des Tons, das Heftige, das Ueberstöhmende der Leidenschaft. Es ist mir so erfreulich als überraschend gewesen, ihn 2 mahl hintereinander, in solchen großen Rollen so glänzen zu sehn. Fürs erstemal kann ich Bernhardi als meinen Zeugen anführen. Berger ist mir übrigens nie unausstehlicher gewesen, wie er mir als Kön. Harold gewesen ist. Keiner als Du kann ihm den verdammt singenden, u abgleitenden, u ruckweise von pianissimo zum fortissime übergehenden Ton seiner Rede so gut nachmachen. Alles Affektvolle wird durch das Manierirte seiner Sprache verwischt. – Beym Athelstan gebrauchte man zum Füllstein, das Milchmädchen, od. die beyden Jäger. Ich sah dies kleine Ding, was sich, (mit Vorbehalt meiner allemaligen Grundsätze über die Operetten, sey es gesagt,) recht artig u nett ausnimmt, zum erstenmale; sah zum erstenmale den Hn Greibe erstarren, hörte zum erstenmale (mirabile auditu) sein Herz im Leibe knarren. Greibe spielt wirklich sein Komisches mit einer recht edlen Simplicität. Lippert ist oft gemein. Die Baranius hat einige Arien die mir sehr wohl gefallen / haben; wie ich denn überhaupt von der angenehmen, paßlichen u einfachen Musik viel Vergnügen gehabt habe.
Vielleicht hab ichs Dir auch noch nicht einmal geschrieben, daß ich auch vor einiger Zeit den Barbier v. Sevilla gesehn habe. In d. Musik ist viel Schönes; Kaselitz u Unzelmann spielen allerliebst; usw usw. Du bist doch wohl nachgerade so weit gekommen, meine (unmaaßgeblichen) Urtheile suppliren zu können?
So viel von Theatemachrichten. – Es kommt hiebey eine kleine Probe von verzweifelten Reimen, die freilich manchmal zweifelhaft seyn mögen, ob sie sich reimen sollen oder nicht; die aber, eben weil sie in der Verzweiflung geschrieben sind, nicht verzweifeln dürfen, von Dir bemitleidet, u als arme bedauernswürdige verzweifelnde u verzweiflungsvolle Reime glimpflich beurtheilt zu werden. Zu Deutsch: ich schicke Dir ein kl. Gedicht, und erwarte von Dir Dein aufrichtiges Urtheil darüber. Ich weiß nicht eher was dran ist, als bis Du mirs gesagt hast. An diesem aber bin ich beinahe geneigt zu glauben, daß wenig oder nichts dran sey, sondern daß es zu der bekannten u beliebten Dichtungsgattung der ungereimten Reime gehöre. Beyläufig will ich Dir aber aus Proben eines altdeutschen Gedichts, die mir in die Hände gekommen sind, zeigen, mit welcher Natur darin die Verzweiflung ausgedrückt ist. Der Bruder nimmt vom Bruder Abschied:
Nu wilt du von mir scheiden,
So begynnen ich mich so leiden,
Das ich werde nimmermehr gemut;
Und alles das da heisset gut, /
Da will ich auch von ziehen,
Und alle Tugend fliehen,
Ich gediene auch Gott nimmermehr.
Wäre in meinem Gedicht das Ende der 4ten Strophe wohl zu dulden?
Warum ich diesen Brief ehe Du antwortest schreibe, hab ich Dir gleich am Anfang gesagt: es ist mein Bekenntniß. Aber schreib mir nun auch bald.
Es wird Dich wohl nicht befremden, wenn ich von Schmols Briefen weiß. Gütiger Himmel, es ist eine traurige Erfahrung, daß sich Menschen so fürchterlich ändern, u so räthselhaft werden! Ich mag kein Wort weiter drüber verlieren. Aber das wünschte ich, dazu beytragen zu können, daß Du Dich beruhigest. Du kannst es Dir ja wohl vorstellen, daß Deine liebe, gute Schwester Deine Aeltern u sich selbst mit den natürlichsten Gründen gegen jene mir unbegreiflichen Niederträchtigkeiten, besänftigt hat. Gottlob daß Du fort aus Halle bist. Schreiben wirst Du ihm doch gewiß wohl nicht. Ich wünsche von ganzer Seele, u bitte Dich inniglich, ihn und seine schlechten Streiche so bald als mögl. zu vergessen. Ich mag nichts mehr davon sagen, über diesen unerhörten Vorfall. Ich bitte Dich nur, Dich zu beruhigen, lieber Tieck!
Donnerstag, Abends.
Gestern war ich mit Bernhardi in dem Koncert, wie gewöhnl. des Mittwochs. Weil ich da gewöhnl. sehr aufmerksam bin, so ist es mir besonders auffallend, wie müde die Musik mich immer macht: ich fühle es wirkl. sehr, wie die Töne, wenn man sie mit ganzer Seele aufnimmt, die Nerven ausdehnen, spannen u erschlaffen.
Bernh. grüßt Dich herzl., wird Dir bald antworten, u macht sich zu einer recht fleißigen Korrespondenz mit Dir im Winter Hoffnung. Du hast auch an Ramb. geschrieben? u an Deine Schwester? Wir wundern uns alle, aber nicht ohne herzl. Freude, über Deine Sorg/falt und Aemsigk. im Schreiben. Ich höre Du bist so fleißig in G., u lebst vergnügt. Bleib gesund u arbeite nicht zu viel, damit ich Dich auf Ostern wohlauf sehe.
Du glaubst nicht, wie lebhaft ich gestern Abend, am Ende des Konzerts, als ich im Winkel saß, an unsre herrl. Tage auf der Reise, bsers an den in Wörlitz dachte. Gott was war das für ein Vormittag! Idealischer hab’ ich nie einen verlebt. Erinnerst Du Dich des halben Stündchens, da wir in dem Felsengemache auf den Steinen saßen, u durch die Oeffnung auf den ruhigen Kanal heruntersahn? Wie lachte alles um uns her, wie milde leuchtete die Sonne, u in welch liebliches Blau hatte sich der Himmel gekleidet! Bey allem dem aber bin ich fast überzeugt, daß ich mir diesen Morgen itzt noch schöner vorstelle, als er in der That war; u ich glaube daß es mir mit allen meinen vergangenen angenehmen Schicksalen so geht. In der Erinnerung sondert die Phantasie alles heterogene von selber ab, scheidet alles stillschweigend aus, was nicht in den Hauptcharakter des Bildes gehört, u giebt uns für das immer noch mangelhafte individuelle Bild, ein Ideal. Noch eigentlicher ist dies das Geschäft der Hoffnung. Ueberhaupt glaub’ ich, daß in d. Welt nichts so schön sey, daß man sichs nicht noch schöner vorstellen könnte, und daß also der so gemeine Ausruf bey einer schönen Gegend: man kann sie sich nicht schöner vorstellen, grundfalsch ist. Einen Strauch hingesetzt, wo ein dürrer Fleck, eine Lücke in der Landschaft war; eine hervorstehende Felsmasse die eine reizende Aussicht verdeckt, weggenommen; u das Ganze gewinnt unter unsrer schöpferischen Hand unendl. Doch das ist wohl leicht einzusehn. /
Neulich hat der Vater v. meinem H. Vetter geschrieben. Ich kann es ihm nicht verdenken, daß er es etwas übel genommen hat, wenn ich mich v. seiner Gesellschaft so entfernt hielt, auf der Reise. Doch, einerley. Sein Sohn wird in Erlang., vermuthl. mit seinem Vetter der schon da ist zusammenziehn. An diesen werde ich schreiben, um mir 2 Quartiere für uns, in Einem Hause zu bestellen. Mich dünkt Du hast mir auch sonst gesagt, lieber in andern Häusern als Professorenhäusern. – Ich wünsche v. ganzer Seele, daß Du mich nicht allzu fade wiederfinden mögest. Ich bin sonst itzt in der schönsten Schule, es zu werden. Aber noch ein Wort über den Umgang mit meiner tägl. Gesellschaft. Ich kann mich noch immer nicht überzeugen, u werde es auch schwerl., daß man bey dergl. Leuten seinen Charakter so ganz offen zeigen, u bey jeder Gelegenheit, wenn auch nicht seine ungewöhnlichern Meynungen mit Indiscretion aufdringen, doch sie ganz rund heraus sagen müsse, wenn man dazu veranlaßt würde. Meine Meynung ist: sag’ ich so einem Menschen Einen Satz aus meinem System, äußere ich ihm Eine Behauptung aus meinem eigenthümlichen Vorrath von Grundsätzen; so weiß er das ganze System, sieht gleich, daß ich in die Klasse der Sonderlinge gehöre, u ich komme immer in Kollision mit ihm. Sage ich ihm z. B.: der od. jener scheint mir fade; so kommt den Augenblick eine Gelegenheit wo er mit diesem einerley Meynung ist, mit ihm gleich dumm gesprochen hat. Oder man sieht mich immer / als einen Menschen an, der alles besser wissen will, (wenn ich auch mit aller Bescheidenheit Paradoxa vortrüge, – u ein Paradoxon ists ja selbst, daß – die Hagestolzen schöner sind als Don Juan;) man nimmt wohl zuweilen zu meinem RichterAusspruch als zu einem Orakel, seine Zuflucht, aber man hält sich auch hinter dem Rücken über mich auf. Ueberdies traue ich mir nicht zu, diese Rolle beständig u ununterbrochen zu spielen: u eine Rolle ist wirklich mein eigener Charakter bey Leuten wie jene; – ich bin zuweilen auch menschlicher, sinnlicher, lustiger, gewöhnlicher; was kann mehr auffallen als diese Ungleichheit? Man wird sich ruhig zurückziehn, u kalt gegen mich seyn, auch wenn ich mich recht herzlich über das schöne Wetter freue, oder über eine lustige Anekdote vertraulich mitlachen will. Mich dünkt, (wenn meine Worte meine Gedanken itzt im Augenblick auch nicht passend u glückl. genug ausgedrückt haben,) Du kannst mir in dieser Sache den traurigen Ruhm mehrerer Erfahrung wohl zugestehn! – Wenn ich Dir nur noch Beyspiele geben könnte. – Aber mir wollen keine beyfallen. Genug, ich kann meinen wahren Charakter nicht ganz zur Schau stellen; ich würde ihn selbst dadurch vielleicht verderben u ihm eine falsche Richtung geben. Ich überdecke also seine vielleicht anstößigen Stellen. Nun aber glaube ja nicht, ums Himmelswillen nicht, daß ich mich so erniedrige, meine Hauptgrundsätze zu verläugnen. Nichts in der Welt ist mir gehässiger, u würde mich selbst mehr mit Schaam/röthe beziehn, als wenn ichs auf ähnl. Weise wie ein Musiker in Berl. machte, der, um nicht anzustoßen, in jeder Gesellschaft, wenn man ihn nach Alessandris Musik fragte, vortreffl. vortreffl. antwortete, ohne ihn je innerlich leiden zu können. Meine Universalmedicin, mein Arkanum, was ich schon so unendl. oft in so unendl. mannigfaltigen Fällen mit Vortheil angewandt habe, ist – das Schweigen, oder auch, was fast eben so viel ist, eine ganz allgemeine, ganz unbestimmte, ganz unbefriedigende Erklärung, die eigentl. die Antwort mehr von sich ablehnt, als wirkl. antwortet. Auch hinter spitzfindige Zweydeutigkeiten versteck’ ich mich nicht gern. Folgt’ ich nicht diesen meinen Regeln, so würde ich, (Du kannst wirkl. das nicht so ganz einsehen als ich,) jeden Moment anstoßen. Langeweile, schlechte Gesellschaft, Geschmacklosigk., u wer zählt alle die Gegenstände die bey solchen Herren im Gespräch anzügl. seyn können? Du sagst sehr richtig, daß ich mich vor ihnen nicht zu zwingen u zu geniren brauche. Aber was hilfts mir, Streit u mißvergnügte Stunden zu haben? Ich sehe kein ander Mittel, als mich ihnen, (hoffentl. weißt Du nun, in welcher Hinsicht,) etwas zu nähern. – Freil. kann ich nicht läugnen, daß ich mich zuweil. wohl etwas zu weit erniedrige, um nur durch einen Einfall sie zu amüsiren u mich v. der Langeweile / zu bewahren; allein welche Uebereilung, welche Schwachheit wäre in einer mühseligen Prüfungszeit von 365 Tagen u noch halb 365 Tagen, nicht verzeihlich? Und versichern kann ich auch, daß ich wohl öfter noch, auf der andern Seite, etwas zu sehr in die mir natürliche Hitze komme, wenn ich sehe, daß man gar zu albern spricht u urtheilt. Doch schweig ich bald, so gerne, so sehr gerne ich auch oft meine Leidenschaft ausliesse (Du kennst mich.) Beide Extreme mußt Du Dir aber nicht zu übertrieben vorstellen. (Doch, abermals: Du kennst mich; – ich habe ganz aufrichtig geschrieben, wenn auch nicht immer mit den passendsten Worten.) Was meynst Du nun?
Ramb., der mir heut wieder eine vortreffl. Stelle aus seinen Syrakusern (itzt: Hiero u seine Familie genannt) vorgelesen hat, (Bernhardi, mit mir, haltens für sein vollendetstes Werk,) fragte mich heut auch, ob ich nichts für mich schriebe? Ich habe keine lebendige Aufmunterung; die Hälfte meiner Seele ist von mir gerissen! U. meine Zeit wird v. oft nicht würdigen Dingen u Zerstreuungen besetzt. Ach! die Jurisprudenz! Wann werde ich mich überwinden können, nur mein Gedächtniß mit der Terminologie, Definitionen, Distincktionen usw. zu bemühen! Was ist das Röm. Recht für ein seltsam Gewebe von Worten u Worten u Worten womit die einfachsten Sachen umsponnen sind! Und was führt ein Richter für ein Amt! Eine Begebenheit die Herzen zersprengen u Köpfe wahnsinnig machen kann, eine Sache der Leidenschaft, der menschl. Seele, wie sieht er sie an? Er sucht unter den verschiedenen barbar/ischen Namen welche die Röm. den Klagen gegeben haben, den aus, der für den Fall paßt; u nun wird das Uhrwerk aufgezogen; es geht seinen Gang, u läuft ab. Es ist grade so, als wenn der Knabe der rechnen lernt, auf seinem schematisch aufgesetzten Einmal Eins oben 4 an der Seite 5 aufsucht, u mit beyden Fingern zusammenfährt, bis er auf 20 trifft. Ehe diese Sache zu Ende ist, sind schon 100 neue eingelaufen: das Räderwerk geht immer u ewig, – jene Menschen trotzen aller menschl. Empfindung, nähren sich v. Blut u Thränen; – o man kann sich das Bild sehr schreckl. machen! Aber freil. sprech ich wohl etwas einseitig. Ich selbst indeß mag nie Richter, nie ein großer Jurist seyn. – –
Du bist von mir immer das aufrichtigste Urtheil gewohnt gewesen. Dies u nichts mehr mag die Einleitung dazu seyn, daß ich Dir gestehe, in Deinem Adalbert u Emma, das ich heut Abend durchgelesen habe, wenig vortreffliches gefunden zu haben. Das meiste ist, (ich spreche immer von Dir, u in Vergleichung mit dem was Du vermagst,) sehr gewöhnl., u trägt die deutlichsten Spuren d. Flüchtigk. an sich. Warum müssen doch Leute wie Du, so schnell schreiben! Die Züge, die Du an 10 verschiedenen Orten unter 100 weniger schönen hinwirfst, könnten, zusammengestellt, Meisterstücke geben! Wenn doch mehr vollkommene, wenigstens mehr ausgearbeitete Werke erschienen. – Doch dies paßt hier nicht. – Im Ganzen bleib’ ich hartnäckig bey meinen Gedanken, daß das Charakteristische des RitterKostüms im ganzen Geiste nicht so recht dargestellt ist. Aber darüber ein andermal. Dann kommts mir so vor, als wenn nicht die einzelnen Umstände unter Deiner Hand sich Dir dargeboten u sich zu Deinem Zwecke hingeneigt hätten, sondern, als wenn Du sie immer selbst / hättest zusammenholen, u zum Ziele bringen müssen: Ich meyne, man sieht zu sehr immer das Bedürfniß d. Vf.; es ist alles zu schwach. Auch sind Deine Schilderungen Dir zu häufig entfahren. Ich könnte Dir viel Belege u Beyspiele zeigen, aber das ist zu weitläuftig. Die Schilderung wie Emma ihren A. nach u nach vergisst, u Friedr. hingegen das Gegentheil, ist sehr gut. Aber dadurch daß E. nachher gleich zwischen Wilh. den sie zum erstenmale sieht, u. A., einem ehemal. wahren Geliebten, dessen Gedächtniß in ihrer Seele schlummert, gleich eine so grelle Vergleichung anstellt, ist höchst widrig. Die einzige ächt genievolle Stelle die mir sich aufgedrungen hat, ist die Schilderung v. A.s Hinreiten zu Friedr.s Burg, am Ende: diese ist sehr erschütternd. Die Idee in d. letzten Versen am Ende, ist sehr artig. Die Stelle: Als er am Morgen aufwachte, war Adalb. u sein Versprechen, sein Erster Gedanke: ist ganz aus d. menschl. Seele geschöpft.
Sonnabend. Gestern Abend hab’ ich Deiner Schwester den neuen Theil des Stücks ganz vorgelesen, u mich über ihre Urtheile sehr gefreut. Sie stimmten fast durchaus mit den meinigen überein. Sie sagte sehr richtig bey jener widrigen Stelle: Eine neue heftige Leidenschaft verlischt gänzl. die Erinnerung der alten. In Löwenaus Entschuldigung vor sich selbst sind auch viel wahre u schöne Stellen, nur zerstreut.
Meinen herzl. Gruß an Deinen Burgsdorf. Wißmann läßt Dich grüßen. – Ich freue mich unendl. auf Ostern u auf die Zeit nach Ostern! Ich bestelle Dir noch eine Stube u eine Kammer? – Schreib mir bald, mein liebster, einziger T. und bleib gesund.
W. H. Wackenroder. /
Verzweiflung.
1792.
1.
Wer theilt mit mir die ungezähmten Schmerzen,
Die in mir kochen mein erglühend Blut?
Ha! meine Feinde könnt’ ich itzo herzen,
Mit Fiebersiechen könnt’ ich lachend scherzen;
Bis in die Hölle stürzte mich die Wuth.
2.
O kommet, Satans böse Geister alle,
Und schaut mit Lust auf diesen Leichnam hin:
Es ist mein Weib! Mit lautem Jauchzen schalle
Ein Siegeslied von euch mir zu, und halle
Mir Trost in meinem wild durchstörten Sinn.
3.
Ach nein! ihr selbst, ihr würdet euch erbarmen,
Zu elend wär’ ich schon für eure Lust!
Ihr quälet Frohe lieber, – flieht mich Armen! –
O wen umschließ’ ich nun mit offnen Armen?
Wen preß’ ich an die qualerschöpfte Brust?
4.
Ja, Steine will ich an den Busen drücken:
Triumph! itzt kenn’ ich wahre Seligkeit!
Hinweg ihr Menschenherzen! Oede Lücken /
Läßt euer Gruß zurück: – ihr morschen Brücken
Des schwarzen Strohmes unsrer Jammerzeit!
5.
An buntem Marmor will ich mich erlaben,
Das diamantne Feuer sey mein Gott!
Es brennet ewig! Spreu sind alle Gaben,
Die die gepriesnen schönen Seelen haben!
Hinweg ihr Menschenherzen! ihr mein Spott!
Dienstag, Abends.
Mein innigstgeliebter Tieck,
Es sieht zuweilen wohl so aus, als wenn ich ohne Dich eine Zeitlang so nothdürftig vergnügt leben könnte; aber im Grunde ists doch nicht wahr, und ich betrüge mich selbst, wenn ich mir so viel zutraue. Du kannst versichert seyn, daß ich in dieser Stunde aus wahrem Bedürfniß an Dich schreibe: es ist mir um diesen Abend noch mit Ehren u guter Manier zu erleben, so nothwendig, als Dir, etwas theatralisches zu dichten. Wo sind die schönen Zeiten, da ich keinen Nachmittag oder Vormittag ruhig seyn konnte, wenn ich Dich nicht gesehn hatte; da ich an jedem Tage mit Dir 1 od. 2 Stunden zusammen genoß, u unsre Seelen sich einander umarmten? Wie oft strichen wir gegen Mittag, wie oft zur Zeit der untergehenden Sonne, im Thiergarten herum, den ich nun wohl über einen Monat nicht gesehn habe! Und wenn wir Abschied nahmen, thaten wir es nie ohne voraus zu bestimmen, wann wir uns wiedersehen würden. Einst, da ich Dich an einem SonntagNachmittag aufsuchen wollte, lief ich die Stadt herum, suchte vorm Komödienhause, u 2 mal vor Deiner Thür; kehrte zurück, u gieng in meiner Stube eine halbe Stunde auf u nieder, u weinte. O wenn Du wüßtest, ja fühlen könntest, wie diese Thränen für Dich voll Wonne waren! – Aber was hilft mir die freundschaftliche Unfreundlichkeit, Dich an diese Vergangenheiten zu erinnern! Ich war gerade in einer so weichen Stimmung.
Und ich merke, daß ich sie nicht so gleich verliere, weil sie mir so süß ist. /
An Rambach u Bernhardi hab ich Deinen Gruß bestellt: sie freuten sich sehr darüber. Letzterer hat auch Deinen Brief mit großem Vergnügen gelesen. Er, der einzige, dem ich mich itzt vertraulich mittheilen, und aus dessen Geist ich Nahrung schöpfen kann, (denn bey meiner täglichen Gesellschaft muß er gewöhnl. die Fasten observiren.) Er ist auch so gebunden als ich, und seine Zeit ist eingeschränkt. Arbeiten fürs Seminarium haben ihn gehindert, daß ich ihn seit einiger Zeit in 8 Tagen etwa nur einmal gesehen habe. –
Aber ich will nicht klagen. Was sind das alles auch für Kleinigkeiten gegen die Zukunft, die mich so unendlich belohnen soll?
Was mit dieser Zukunft zusammenhängt will ich Dir doch zuerst melden. Der Prediger Schuderoff hat neulich an meinen Vater u mich geschrieben, und auf meine Anfrage, mir mit heitrer Miene u freundschaftlichem Händedruck geantwortet, daß er uns beyde mit offenen Armen auf Ostern aufnehmen wolle. Oder vielmehr nach Ostern, denn in den Festtagen selbst, ist er mit Predigten, usw. so überhäuft, daß er blos für sein Amt leben kann. Mit inniger Freude hat er uns zugleich bekannt gemacht, u mit der wärmsten Theilnehmung haben wir es angehört, daß er im Januar ein herzlich gutes Mädchen aus der Nachbarschaft heirathen wird. Er hat mir mit der lebhaftesten Freude geschrieben, wie er uns mit seiner Künftigen, u mit den herrl. Gegenden worin er so glückl. lebt, u mit den benachbarten Städten, usw. bekannt machen, und uns wohl gar auf den Weg nach Erlangen bringen wolle. Und es ist ihm sehr lieb / Dich zu sehn u zu sprechen, da ich ihm schon mehrmals von Dir erzählt habe, wie das denn natürlich ist. Er kann auch schon recht artig Deinen Namen schreiben. Seiner Braut hat er auch schon gesagt, daß wir kommen würden. Kurz sein Brief ist so voll Zärtlichkeiten, daß ich meiner Hoffnung nicht ein besseres Fest zu geben weiß, als sie auf künftige Ostern hinzuweisen. Ich denke, wir werden dann sehr glückliche Tage haben. –
Sieh einmal, wie ich immer in die Extreme falle! Mit dem Vergangenen fieng ich an! – Ein Sprung, ein paar Zeilen kostet er, u ich bin in der Zukunft. Soll ich einmal wider meine Natur (contra naturam meam et indolem) mich auf die goldene (vielmehr nur vergoldete) Mittelstraße begeben, u von der Gegenwart sprechen? – (Von der ich, im Vorbeygehen sey es gesagt, noch diesen Sommer ein merkwürdiges GegenArgument aufgefunden, indem ich in dem Dorfe Falkenberg, 1 Meile v. Berl, im herrschaftl. Garten, eine hölzerne Brücke mit eigenen Augen gesehen, wo die goldene Mittelstraße sicher ins Wasser führte, und man sich nur den Extremen der Seitenpfosten überlassen mußte, um sein Leben zu fristen. Wer weiß, ob bey der berühmten u berufenen Bittermannischen Hünerstall-Brücke die Excellenz nicht blos darum das Malheur gehabt, weil sie jener elenden Schulregel gefolgt ist? Sie sieht mir indolent genug dazu aus, mit allen Phlegmatikern ein Anhänger dieses gemeinen aber nichts weniger als allgemeinen Gemeinplatzes zu seyn. Und, quae cum ita sint, um, Kürze halber, von dem zweifelhaften: Wer weiß, sogleich zur / Gewißheit überzuspringen; weil dem also ist, sag ich, so ist handgreiflich, daß die verdammte Mittelstraße auch im Drama den größten Schaden anrichtet. Denn wenn die Excellenz nur ein wenig mehr Genie gehabt hätte, so hätte sie sich an die Extremitäten des Seitengeländers gehalten, hätte sich in ihrem Leben nicht so blamirt, den Rock vor dem honorablen Publiko auswässern zu müssen u, worauf ich hier besonders ziele, hätte nicht die Sünden der Autoren vermehrt, durch Hinzufügung des 1000sten schlechten Tragödienplans zu den bereits vorhandenen 999.) Ich will es einmal thun. (Besuche die vorige Seite, wenn Du wissen willst, worauf dies geht.)
Ich weiß aber nicht, wie ich in diesen Ton falle. Es läßt, als sollte dies eine Probe von meinen künftigen witzigen Schriften seyn, zu denen doch, bild’ ich mir ein, in meiner Seele nie ein Embryo lag. Ich thue Dir vielleicht in dem Augenblicke da Du dies liest, einen sehr schlechten Gefallen damit. Doch Du mißverstehst mich doch nie, und erkennst, als ein rechtschaffner Botaniker, den Grund u Boden auch aus den seltenen Gewächsen, (N. B. neulich fand ich in einem alten Musikalienkatalog: „Konzert-Gewächse“!!) die sich darauf befinden.
Ich wollte von der Gegenwart reden. Dahin gehört, daß ich neulich 2 mal in der Komödie gewesen bin. Zuerst hab ich die Räuber gesehen. Fleck strengte sich diesmal sehr an, u zeigte sich als ein Genie: vornehml. in dem ächten Ausdruck der Wuth, u in der Natur abgestoßner leidenschaft/licher Interjektionen. Czechtizky, bey dem ein verzerrter Mund, wolfsartig gewiesene Zähne, und ein aus dem Hinterhalt hervorglotzendes Auge, Universalzeichen für alle Leidenschaften sind, wie er es mit denen die ihn applaudiren, verabredet zu haben scheint, daß sie es seyn sollen, – verläugnete als Franz, wie man denken kann, sein Charakteristisches weniger als je. Einige Stellen gelangen ihm vielleicht. Aber ich kann nur oberflächl. darüber urtheilen, weil mein Platz mir nicht zuließ, strenge Acht zu geben. Die Herdt als Amalie ist ein Muster zu allem was zu einem elenden Spiele gehört. Die Räuberscenen werden immer abscheul., besonders durch Kaselitz wenn er im Hemde erscheint. Garly spielte den Kosinsky, mit sehr gewählten u schön ineinanderfliessenden Gebehrden, die nur noch etwas zu sehr, wie mich dünkt, den gebildeten Hoff-Acquis verriethen. Franz sah als Grimm wie der niederträchtigste u ruppigste Schuhflicker aus; u Berger verdarb eine andre Räuberrolle.
Das zweytemal das ich in der Komödie war, hab ich die erste Wiederholung eines hervorgesuchten alten Stückes: Athelstan, nach dem Engl., Trauersp. in 5 Akten, gesehn. In langer Zeit ist mir kein so plump anfängermässiges, u seichtes, schwaches Stück vorgekommen, wo jedes Wort, jeder Gedanke von der Heerstraße genommen ist, (nach Deinem artigen Ausdruck.) Du wirst es wohl kennen. Aber was mich entschädigte / war Flecks unendl. schönes Spiel. Sein Athelstan brachte mir seinen König Lear sehr lebhaft ins Gedächtniß. Er griff sich sehr an, u traff wieder mit den glücklichsten Gebehrden, mit dem wahrsten Accente des Tons, das Heftige, das Ueberstöhmende der Leidenschaft. Es ist mir so erfreulich als überraschend gewesen, ihn 2 mahl hintereinander, in solchen großen Rollen so glänzen zu sehn. Fürs erstemal kann ich Bernhardi als meinen Zeugen anführen. Berger ist mir übrigens nie unausstehlicher gewesen, wie er mir als Kön. Harold gewesen ist. Keiner als Du kann ihm den verdammt singenden, u abgleitenden, u ruckweise von pianissimo zum fortissime übergehenden Ton seiner Rede so gut nachmachen. Alles Affektvolle wird durch das Manierirte seiner Sprache verwischt. – Beym Athelstan gebrauchte man zum Füllstein, das Milchmädchen, od. die beyden Jäger. Ich sah dies kleine Ding, was sich, (mit Vorbehalt meiner allemaligen Grundsätze über die Operetten, sey es gesagt,) recht artig u nett ausnimmt, zum erstenmale; sah zum erstenmale den Hn Greibe erstarren, hörte zum erstenmale (mirabile auditu) sein Herz im Leibe knarren. Greibe spielt wirklich sein Komisches mit einer recht edlen Simplicität. Lippert ist oft gemein. Die Baranius hat einige Arien die mir sehr wohl gefallen / haben; wie ich denn überhaupt von der angenehmen, paßlichen u einfachen Musik viel Vergnügen gehabt habe.
Vielleicht hab ichs Dir auch noch nicht einmal geschrieben, daß ich auch vor einiger Zeit den Barbier v. Sevilla gesehn habe. In d. Musik ist viel Schönes; Kaselitz u Unzelmann spielen allerliebst; usw usw. Du bist doch wohl nachgerade so weit gekommen, meine (unmaaßgeblichen) Urtheile suppliren zu können?
So viel von Theatemachrichten. – Es kommt hiebey eine kleine Probe von verzweifelten Reimen, die freilich manchmal zweifelhaft seyn mögen, ob sie sich reimen sollen oder nicht; die aber, eben weil sie in der Verzweiflung geschrieben sind, nicht verzweifeln dürfen, von Dir bemitleidet, u als arme bedauernswürdige verzweifelnde u verzweiflungsvolle Reime glimpflich beurtheilt zu werden. Zu Deutsch: ich schicke Dir ein kl. Gedicht, und erwarte von Dir Dein aufrichtiges Urtheil darüber. Ich weiß nicht eher was dran ist, als bis Du mirs gesagt hast. An diesem aber bin ich beinahe geneigt zu glauben, daß wenig oder nichts dran sey, sondern daß es zu der bekannten u beliebten Dichtungsgattung der ungereimten Reime gehöre. Beyläufig will ich Dir aber aus Proben eines altdeutschen Gedichts, die mir in die Hände gekommen sind, zeigen, mit welcher Natur darin die Verzweiflung ausgedrückt ist. Der Bruder nimmt vom Bruder Abschied:
Nu wilt du von mir scheiden,
So begynnen ich mich so leiden,
Das ich werde nimmermehr gemut;
Und alles das da heisset gut, /
Da will ich auch von ziehen,
Und alle Tugend fliehen,
Ich gediene auch Gott nimmermehr.
Wäre in meinem Gedicht das Ende der 4ten Strophe wohl zu dulden?
Warum ich diesen Brief ehe Du antwortest schreibe, hab ich Dir gleich am Anfang gesagt: es ist mein Bekenntniß. Aber schreib mir nun auch bald.
Es wird Dich wohl nicht befremden, wenn ich von Schmols Briefen weiß. Gütiger Himmel, es ist eine traurige Erfahrung, daß sich Menschen so fürchterlich ändern, u so räthselhaft werden! Ich mag kein Wort weiter drüber verlieren. Aber das wünschte ich, dazu beytragen zu können, daß Du Dich beruhigest. Du kannst es Dir ja wohl vorstellen, daß Deine liebe, gute Schwester Deine Aeltern u sich selbst mit den natürlichsten Gründen gegen jene mir unbegreiflichen Niederträchtigkeiten, besänftigt hat. Gottlob daß Du fort aus Halle bist. Schreiben wirst Du ihm doch gewiß wohl nicht. Ich wünsche von ganzer Seele, u bitte Dich inniglich, ihn und seine schlechten Streiche so bald als mögl. zu vergessen. Ich mag nichts mehr davon sagen, über diesen unerhörten Vorfall. Ich bitte Dich nur, Dich zu beruhigen, lieber Tieck!
Donnerstag, Abends.
Gestern war ich mit Bernhardi in dem Koncert, wie gewöhnl. des Mittwochs. Weil ich da gewöhnl. sehr aufmerksam bin, so ist es mir besonders auffallend, wie müde die Musik mich immer macht: ich fühle es wirkl. sehr, wie die Töne, wenn man sie mit ganzer Seele aufnimmt, die Nerven ausdehnen, spannen u erschlaffen.
Bernh. grüßt Dich herzl., wird Dir bald antworten, u macht sich zu einer recht fleißigen Korrespondenz mit Dir im Winter Hoffnung. Du hast auch an Ramb. geschrieben? u an Deine Schwester? Wir wundern uns alle, aber nicht ohne herzl. Freude, über Deine Sorg/falt und Aemsigk. im Schreiben. Ich höre Du bist so fleißig in G., u lebst vergnügt. Bleib gesund u arbeite nicht zu viel, damit ich Dich auf Ostern wohlauf sehe.
Du glaubst nicht, wie lebhaft ich gestern Abend, am Ende des Konzerts, als ich im Winkel saß, an unsre herrl. Tage auf der Reise, bsers an den in Wörlitz dachte. Gott was war das für ein Vormittag! Idealischer hab’ ich nie einen verlebt. Erinnerst Du Dich des halben Stündchens, da wir in dem Felsengemache auf den Steinen saßen, u durch die Oeffnung auf den ruhigen Kanal heruntersahn? Wie lachte alles um uns her, wie milde leuchtete die Sonne, u in welch liebliches Blau hatte sich der Himmel gekleidet! Bey allem dem aber bin ich fast überzeugt, daß ich mir diesen Morgen itzt noch schöner vorstelle, als er in der That war; u ich glaube daß es mir mit allen meinen vergangenen angenehmen Schicksalen so geht. In der Erinnerung sondert die Phantasie alles heterogene von selber ab, scheidet alles stillschweigend aus, was nicht in den Hauptcharakter des Bildes gehört, u giebt uns für das immer noch mangelhafte individuelle Bild, ein Ideal. Noch eigentlicher ist dies das Geschäft der Hoffnung. Ueberhaupt glaub’ ich, daß in d. Welt nichts so schön sey, daß man sichs nicht noch schöner vorstellen könnte, und daß also der so gemeine Ausruf bey einer schönen Gegend: man kann sie sich nicht schöner vorstellen, grundfalsch ist. Einen Strauch hingesetzt, wo ein dürrer Fleck, eine Lücke in der Landschaft war; eine hervorstehende Felsmasse die eine reizende Aussicht verdeckt, weggenommen; u das Ganze gewinnt unter unsrer schöpferischen Hand unendl. Doch das ist wohl leicht einzusehn. /
Neulich hat der Vater v. meinem H. Vetter geschrieben. Ich kann es ihm nicht verdenken, daß er es etwas übel genommen hat, wenn ich mich v. seiner Gesellschaft so entfernt hielt, auf der Reise. Doch, einerley. Sein Sohn wird in Erlang., vermuthl. mit seinem Vetter der schon da ist zusammenziehn. An diesen werde ich schreiben, um mir 2 Quartiere für uns, in Einem Hause zu bestellen. Mich dünkt Du hast mir auch sonst gesagt, lieber in andern Häusern als Professorenhäusern. – Ich wünsche v. ganzer Seele, daß Du mich nicht allzu fade wiederfinden mögest. Ich bin sonst itzt in der schönsten Schule, es zu werden. Aber noch ein Wort über den Umgang mit meiner tägl. Gesellschaft. Ich kann mich noch immer nicht überzeugen, u werde es auch schwerl., daß man bey dergl. Leuten seinen Charakter so ganz offen zeigen, u bey jeder Gelegenheit, wenn auch nicht seine ungewöhnlichern Meynungen mit Indiscretion aufdringen, doch sie ganz rund heraus sagen müsse, wenn man dazu veranlaßt würde. Meine Meynung ist: sag’ ich so einem Menschen Einen Satz aus meinem System, äußere ich ihm Eine Behauptung aus meinem eigenthümlichen Vorrath von Grundsätzen; so weiß er das ganze System, sieht gleich, daß ich in die Klasse der Sonderlinge gehöre, u ich komme immer in Kollision mit ihm. Sage ich ihm z. B.: der od. jener scheint mir fade; so kommt den Augenblick eine Gelegenheit wo er mit diesem einerley Meynung ist, mit ihm gleich dumm gesprochen hat. Oder man sieht mich immer / als einen Menschen an, der alles besser wissen will, (wenn ich auch mit aller Bescheidenheit Paradoxa vortrüge, – u ein Paradoxon ists ja selbst, daß – die Hagestolzen schöner sind als Don Juan;) man nimmt wohl zuweilen zu meinem RichterAusspruch als zu einem Orakel, seine Zuflucht, aber man hält sich auch hinter dem Rücken über mich auf. Ueberdies traue ich mir nicht zu, diese Rolle beständig u ununterbrochen zu spielen: u eine Rolle ist wirklich mein eigener Charakter bey Leuten wie jene; – ich bin zuweilen auch menschlicher, sinnlicher, lustiger, gewöhnlicher; was kann mehr auffallen als diese Ungleichheit? Man wird sich ruhig zurückziehn, u kalt gegen mich seyn, auch wenn ich mich recht herzlich über das schöne Wetter freue, oder über eine lustige Anekdote vertraulich mitlachen will. Mich dünkt, (wenn meine Worte meine Gedanken itzt im Augenblick auch nicht passend u glückl. genug ausgedrückt haben,) Du kannst mir in dieser Sache den traurigen Ruhm mehrerer Erfahrung wohl zugestehn! – Wenn ich Dir nur noch Beyspiele geben könnte. – Aber mir wollen keine beyfallen. Genug, ich kann meinen wahren Charakter nicht ganz zur Schau stellen; ich würde ihn selbst dadurch vielleicht verderben u ihm eine falsche Richtung geben. Ich überdecke also seine vielleicht anstößigen Stellen. Nun aber glaube ja nicht, ums Himmelswillen nicht, daß ich mich so erniedrige, meine Hauptgrundsätze zu verläugnen. Nichts in der Welt ist mir gehässiger, u würde mich selbst mehr mit Schaam/röthe beziehn, als wenn ichs auf ähnl. Weise wie ein Musiker in Berl. machte, der, um nicht anzustoßen, in jeder Gesellschaft, wenn man ihn nach Alessandris Musik fragte, vortreffl. vortreffl. antwortete, ohne ihn je innerlich leiden zu können. Meine Universalmedicin, mein Arkanum, was ich schon so unendl. oft in so unendl. mannigfaltigen Fällen mit Vortheil angewandt habe, ist – das Schweigen, oder auch, was fast eben so viel ist, eine ganz allgemeine, ganz unbestimmte, ganz unbefriedigende Erklärung, die eigentl. die Antwort mehr von sich ablehnt, als wirkl. antwortet. Auch hinter spitzfindige Zweydeutigkeiten versteck’ ich mich nicht gern. Folgt’ ich nicht diesen meinen Regeln, so würde ich, (Du kannst wirkl. das nicht so ganz einsehen als ich,) jeden Moment anstoßen. Langeweile, schlechte Gesellschaft, Geschmacklosigk., u wer zählt alle die Gegenstände die bey solchen Herren im Gespräch anzügl. seyn können? Du sagst sehr richtig, daß ich mich vor ihnen nicht zu zwingen u zu geniren brauche. Aber was hilfts mir, Streit u mißvergnügte Stunden zu haben? Ich sehe kein ander Mittel, als mich ihnen, (hoffentl. weißt Du nun, in welcher Hinsicht,) etwas zu nähern. – Freil. kann ich nicht läugnen, daß ich mich zuweil. wohl etwas zu weit erniedrige, um nur durch einen Einfall sie zu amüsiren u mich v. der Langeweile / zu bewahren; allein welche Uebereilung, welche Schwachheit wäre in einer mühseligen Prüfungszeit von 365 Tagen u noch halb 365 Tagen, nicht verzeihlich? Und versichern kann ich auch, daß ich wohl öfter noch, auf der andern Seite, etwas zu sehr in die mir natürliche Hitze komme, wenn ich sehe, daß man gar zu albern spricht u urtheilt. Doch schweig ich bald, so gerne, so sehr gerne ich auch oft meine Leidenschaft ausliesse (Du kennst mich.) Beide Extreme mußt Du Dir aber nicht zu übertrieben vorstellen. (Doch, abermals: Du kennst mich; – ich habe ganz aufrichtig geschrieben, wenn auch nicht immer mit den passendsten Worten.) Was meynst Du nun?
Ramb., der mir heut wieder eine vortreffl. Stelle aus seinen Syrakusern (itzt: Hiero u seine Familie genannt) vorgelesen hat, (Bernhardi, mit mir, haltens für sein vollendetstes Werk,) fragte mich heut auch, ob ich nichts für mich schriebe? Ich habe keine lebendige Aufmunterung; die Hälfte meiner Seele ist von mir gerissen! U. meine Zeit wird v. oft nicht würdigen Dingen u Zerstreuungen besetzt. Ach! die Jurisprudenz! Wann werde ich mich überwinden können, nur mein Gedächtniß mit der Terminologie, Definitionen, Distincktionen usw. zu bemühen! Was ist das Röm. Recht für ein seltsam Gewebe von Worten u Worten u Worten womit die einfachsten Sachen umsponnen sind! Und was führt ein Richter für ein Amt! Eine Begebenheit die Herzen zersprengen u Köpfe wahnsinnig machen kann, eine Sache der Leidenschaft, der menschl. Seele, wie sieht er sie an? Er sucht unter den verschiedenen barbar/ischen Namen welche die Röm. den Klagen gegeben haben, den aus, der für den Fall paßt; u nun wird das Uhrwerk aufgezogen; es geht seinen Gang, u läuft ab. Es ist grade so, als wenn der Knabe der rechnen lernt, auf seinem schematisch aufgesetzten Einmal Eins oben 4 an der Seite 5 aufsucht, u mit beyden Fingern zusammenfährt, bis er auf 20 trifft. Ehe diese Sache zu Ende ist, sind schon 100 neue eingelaufen: das Räderwerk geht immer u ewig, – jene Menschen trotzen aller menschl. Empfindung, nähren sich v. Blut u Thränen; – o man kann sich das Bild sehr schreckl. machen! Aber freil. sprech ich wohl etwas einseitig. Ich selbst indeß mag nie Richter, nie ein großer Jurist seyn. – –
Du bist von mir immer das aufrichtigste Urtheil gewohnt gewesen. Dies u nichts mehr mag die Einleitung dazu seyn, daß ich Dir gestehe, in Deinem Adalbert u Emma, das ich heut Abend durchgelesen habe, wenig vortreffliches gefunden zu haben. Das meiste ist, (ich spreche immer von Dir, u in Vergleichung mit dem was Du vermagst,) sehr gewöhnl., u trägt die deutlichsten Spuren d. Flüchtigk. an sich. Warum müssen doch Leute wie Du, so schnell schreiben! Die Züge, die Du an 10 verschiedenen Orten unter 100 weniger schönen hinwirfst, könnten, zusammengestellt, Meisterstücke geben! Wenn doch mehr vollkommene, wenigstens mehr ausgearbeitete Werke erschienen. – Doch dies paßt hier nicht. – Im Ganzen bleib’ ich hartnäckig bey meinen Gedanken, daß das Charakteristische des RitterKostüms im ganzen Geiste nicht so recht dargestellt ist. Aber darüber ein andermal. Dann kommts mir so vor, als wenn nicht die einzelnen Umstände unter Deiner Hand sich Dir dargeboten u sich zu Deinem Zwecke hingeneigt hätten, sondern, als wenn Du sie immer selbst / hättest zusammenholen, u zum Ziele bringen müssen: Ich meyne, man sieht zu sehr immer das Bedürfniß d. Vf.; es ist alles zu schwach. Auch sind Deine Schilderungen Dir zu häufig entfahren. Ich könnte Dir viel Belege u Beyspiele zeigen, aber das ist zu weitläuftig. Die Schilderung wie Emma ihren A. nach u nach vergisst, u Friedr. hingegen das Gegentheil, ist sehr gut. Aber dadurch daß E. nachher gleich zwischen Wilh. den sie zum erstenmale sieht, u. A., einem ehemal. wahren Geliebten, dessen Gedächtniß in ihrer Seele schlummert, gleich eine so grelle Vergleichung anstellt, ist höchst widrig. Die einzige ächt genievolle Stelle die mir sich aufgedrungen hat, ist die Schilderung v. A.s Hinreiten zu Friedr.s Burg, am Ende: diese ist sehr erschütternd. Die Idee in d. letzten Versen am Ende, ist sehr artig. Die Stelle: Als er am Morgen aufwachte, war Adalb. u sein Versprechen, sein Erster Gedanke: ist ganz aus d. menschl. Seele geschöpft.
Sonnabend. Gestern Abend hab’ ich Deiner Schwester den neuen Theil des Stücks ganz vorgelesen, u mich über ihre Urtheile sehr gefreut. Sie stimmten fast durchaus mit den meinigen überein. Sie sagte sehr richtig bey jener widrigen Stelle: Eine neue heftige Leidenschaft verlischt gänzl. die Erinnerung der alten. In Löwenaus Entschuldigung vor sich selbst sind auch viel wahre u schöne Stellen, nur zerstreut.
Meinen herzl. Gruß an Deinen Burgsdorf. Wißmann läßt Dich grüßen. – Ich freue mich unendl. auf Ostern u auf die Zeit nach Ostern! Ich bestelle Dir noch eine Stube u eine Kammer? – Schreib mir bald, mein liebster, einziger T. und bleib gesund.
W. H. Wackenroder. /
Verzweiflung.
1792.
1.
Wer theilt mit mir die ungezähmten Schmerzen,
Die in mir kochen mein erglühend Blut?
Ha! meine Feinde könnt’ ich itzo herzen,
Mit Fiebersiechen könnt’ ich lachend scherzen;
Bis in die Hölle stürzte mich die Wuth.
2.
O kommet, Satans böse Geister alle,
Und schaut mit Lust auf diesen Leichnam hin:
Es ist mein Weib! Mit lautem Jauchzen schalle
Ein Siegeslied von euch mir zu, und halle
Mir Trost in meinem wild durchstörten Sinn.
3.
Ach nein! ihr selbst, ihr würdet euch erbarmen,
Zu elend wär’ ich schon für eure Lust!
Ihr quälet Frohe lieber, – flieht mich Armen! –
O wen umschließ’ ich nun mit offnen Armen?
Wen preß’ ich an die qualerschöpfte Brust?
4.
Ja, Steine will ich an den Busen drücken:
Triumph! itzt kenn’ ich wahre Seligkeit!
Hinweg ihr Menschenherzen! Oede Lücken /
Läßt euer Gruß zurück: – ihr morschen Brücken
Des schwarzen Strohmes unsrer Jammerzeit!
5.
An buntem Marmor will ich mich erlaben,
Das diamantne Feuer sey mein Gott!
Es brennet ewig! Spreu sind alle Gaben,
Die die gepriesnen schönen Seelen haben!
Hinweg ihr Menschenherzen! ihr mein Spott!