Beschreib. einer kleinen Reise
nach Nürnberg.
Nürnberg, den 22ten Juni; Sonnabend,
Abends. – 1793.
Theuerste Aeltern,
Ihre letztern mir äußerst werthen Briefe vom 15. Juni, erhielt ich Freytag Vormittag den 21. Juni. Sie haben mich sehr froh gemacht; u ich lerne überhaupt jetzt, meine Universitätszeit, die nie wiederkommt, zu genießen, und sie sowohl vergnügt als nützlich zuzubringen. Erlauben Sie mir auf Ihre Briefe nachher zu antworten, u Ihnen itzt zu erzählen was mir von dem heutigen Nachmittage noch in frischem Andenken ist. Da ich alle mögliche Veranlassung hatte nach Nürnb. zu gehen, indem ich beynahe ein Dutzend Visiten u Bestellungen hier zu machen hatte; (denn H. P. Koch hatte mir 7 Ankündigungen seines Journals für deutsche Litt, geschickt, an die Herren, welche ich Ihnen nennen werde;) so entschloß ich mich, des trüben Wetters ohngeachtet, schnell, heute hieherzugehen. Tieck blieb zu Hause, weil die Bestellungen doch nur mich angiengen. Da ich in dem schlechten Wetter während der vorigen Woche wenig ausgegangen bin, so machte ich mir heut die Bewegung herzugehen: das Wetter ist zieml. gut geworden, u ich bin gar nicht ermüdet. Man geht die 11/2 Meil. bequem in 3 Stunden. Ich gieng vor Tische, nach dem Schluß meines Kollegiums, weg. Der Weg ist eine große, ganz ebene Chaussee; der Boden ist fest u mehrentheils lehmig. Zu verirren wäre schwer. Man kommt nur durch 2 Dörfer durch, sieht aber eine große Menge dicht beyeinander um sich herum; überhaupt überblickt man, wenn nur der Wald der einen großen Theil der Strasse auf beyden Seiten begleitet, unterbrochen wird, rings herum eine sehr große, weite Ebene, die nur in entlegener Ferne von grauen, höhern u niedrigeren Bergketten umschlossen wird. Links muß man weit in die Pfalz hineinsehen können. – Nun müssen Sie nur nicht denken, als wenn ich ganz so einsam u allein hergegangen wäre. Dieser Weg ist immer so lebendig v. Posten, die alle Tage gehen, v. Extraposten, Miethsfuhren, Frachtwagen, reisenden Handwerksburschen, an Marktägen in Erlangen (wie heute,) von Bauerwägen, u endlich auch von Zigeunern u einer Menge Bettler, die hier ganze Tage lang unter Bäumen ihr Quartier zu haben scheinen; – daß / man fast keinen Augenblick allein ist. Auch habe ich noch durch keine Stadt so viele Posten, Extraposten, Kärner, usw. durchpassiren sehen, als durch die Hauptstraße v. Erlangen. Man hört fast in jeder halben oder viertel Stunde ein Posthorn, oder einen rasselnden Wagen. – Die Nürnb. Bauern u Bäuerinnen gehn meistentheils schwarz. Die letztern tragen Tücher als wenn sie Zahnschmerzen hätten, u haben äußerst kurze Taillien, unter welchen ein sehr kurzer Rock sie ungemein dickwulstig umgiebt: eine Tracht die sie höchst ungestalt macht.
In Nürnb. bin ich im rothen Roß abgetreten. Von dem Äußern dieser großen, labyrinthischen Stadt können Sie sich wirklich durch Ihre in Kupfer gestochenen u illuminirten kleinen Prospekte, den beßten Begriff machen. Ich finde mit Vergnügen viele mir längst bekannte Gegenden der Stadt hier in der Natur, u erkenne sie bald. Die Stadt hat wegen der vielen, schwarzen, mit Gothischem Prunk an Bildern u Zierrathen reich überladenen Kirchen, wegen der alten, ganz v. Quadern gebauten, festen Häuser, die häufig mit Figuren v. Menschen u Thieren bemahlt, u auch mit sehr alten Basreliefs in Stein geziert sind, ein antikes, abentheuerliches Ansehen. Aber sowohl aus- als inwendig, scheinen mir doch fast alle Häuser keine Spur v. modernem Geschmack zu haben. Keine einzige neumodische Façade. Die Hausthür ist oft klein u schwarz, u fast immer verschlossen; man klingelt, sie springt auf; man geht durch dunkle Winkel eine schlechte Treppe hinauf, u findet selbst Männer wie H. v. Murr u H. Schaffer Panzer, in Zimmern, die nur durch eine Bibliothek angenehm werden, an Fenstern mit kleinen runden Scheiben, nach dem Hofe oder einem Gäßchen zu, sitzen. Freilich will ich nicht auf alle übrigen Häuser v. diesen schließen. Allein v. außen wenigstens sind sie alle antik.
An Hn. v. Murr, den ich zuerst besuchte, glaubte ich einen Mann zu finden, dem man an seinem steifen, fremdartigen Äußern, die Liebhaberey der Chines., Indischen, Amerikan. u jeder seltenen Litteratur, ansähe; u ich fand einen ungemein freundl., höfl. u gesprächigen Mann, schon bey Jahren. / Er wohnt sehr eremitisch. Ich sprach mancherley v. Nürnb. mit ihm. Die hiesigen Privat- Kunst u Gemähldenkabinette kann man nicht leicht zu sehen bekommen. Das Rathhaus, die Burg, (die auf einer Anhöhe vor der Stadt nach Erl. zu liegt,) u dgl. öffentl. Gebäude, sind jeden 1sten u 2ten Ostertag für jeden offen u umsonst zu besehen. In den Kirchen ist auch manches Sehenswürdige. H. v. Murr zeigte mir einen Korrekturbogen v. dem 7ten Theil seiner Herkulan. Gemählde, die fortgesetzt werden, u sagte mir, in Ital. wäre vom Original ein neuer Theil erschienen, der blos Lampen enthielte. Allein zugleich trug er mir auch dringend folgende Commissionen auf: 1.) Er bittet angelegentlich ihm eine kleine Dissertation, die vom Vf. (in Prenzlau) selber verlegt, u jetzt selten ist, aus einer Auction, od. Privatbiblioth., od. vom Hn. Sekt in Prenzlau, (an den er schon vor 3 J. deshalb geschrieben, aber keine Antwort erhalten hat,) wenn es angeht, zu verschaffen. Es ist: Car. Steph. Jordani, Disquis. hist. litt. de Jordano Bruno. Primislaviae, 1732. 8. Seyn Sie so gütig, auch d. Hn. P. Koch diese Diss. aufspüren zu lassen, u dann den Hn Sekt zu erinnern. 2.) Er bittet beyliegende Catalogi, (verzeihen Sie mir, daß ich Ihnen so viel Portobeschwerden mache, allein ich mußte ihm doch den Gefallen erzeigen,) von Doubletten usw. seiner Biblioth., die er für beygesetzte Preise verkauft, (dabey sich auch noch etwas handeln läßt,) an Liebhaber zu vertheilen. Wollen Sie etwa Hn G. R. Oelrichs ein Ex., u dem Hn. P. Koch ein anderes zustellen? Vielleicht kann letzterer ein drittes noch sonst wo gut anbringen, (vielleicht an H. Kinderling in Kalbe, oder sonst einen Kenner.) – Der H. Schaffer Panzer, (er läßt sich Hn Möhsen empfehlen,) war außerordentl. gefällig u freundl. gegen mich: er hat mir folgende Merkwürdigkeiten aus seiner erstaunlich großen, u an Seltenheiten reichen Biblioth. gewiesen. Eine Samml. v. vielen Proben v. verschiedenem alten Druck, (besonders v. allen alten Drucken in d. Nürnb. Bibliotheken,) die er selber auf durchsichtigem Papier nach den Originalen, mit der größten Pünktlichkeit kopiert hat. An alten Drucken: die Editio princeps d. Lactantius, das erste in Ital. gedruckte Buch. Die erste deutsche Bibel (vor Luther,) v. 1462. Fol. Ohne Ortanzeige. Man hat sonst, nach einer spätern, falschen Unterschrift in dem Exemplar zu Stuttgart (wo die größte Bibelsamml. ist) geglaubt, diese Bibel sey v. Faust zu Mainz gedruckt; allein H. P. nebst einem andern, haben aus Vergleichung der / Formen der Buchstaben, die damals in jeder Druckerey etwas verschieden waren, herausgebracht, daß sie zu Strasb. gedruckt ist. Ein in Rom 1471. 8. mit Holzplatten (worin die Buchst. eingeschnitten waren,) gedrucktes deutsches Büchlein, das vorn eine kleine Röm. Gesch., dann eine Beschreib. der Kirchen u andern Merkwürdigkeiten in Rom, für Fremde enthält, u worin die Gesch. v. d. Päbstinn Johanna als wahr erzählt wird. Spätere lat. Ausgaben dieses Buchs. Ein Missale, (Samml. v. kathol. Messen,) worin ein kleines Gebet od. Messe für die Verdammten in der Hölle. Ein kleiner deutscher Kalender v. Regiomontanus, 1473. 8. mit Holzplatten gedruckt; worin Mondfinsternisse abgebildet sind, u Unterricht v. d. güldn. Zahl, d. bewegl. Festen, etc. gegeben wird. Die 7 Bußpsalmen, 1517. 8., Luthers erste Schrift: sehr selten: H. Nicolai, der es für einen großen Schatz in d. Berliner Bib. hält, hat sich gewundert, es hier zu finden. Einige Blätter v. d. Bibel d. Armen mit Holzschnitten, wovon ein Theil, der damals noch schlechten Schwärze wegen, ganz v. Wasser weggewaschen war. Die ersten Ausg. vom Heldenbuch, Parcifal, u Renner. (Die ersten deutschen Drucke sind gothisch, eckig. Die schöneren, runderen Lettern kamen aus Ital. herüber.) Handschriften: vom Persius, – vom Freydank u Renner. Autographa Lutheri. Ein Band Meistergesänge v. Joh. Foltz, Meistersänger in Nürnb. im 15. Säk., v. seiner eigenen Hand. H. Panzer besitzt auch eine gewaltige Samml. v. Bildnissen in Kupfer, aus allen Zeiten u Ständen, nach dem Alphabet geordnet: weit größer als Hn. Möhsens Samml. Von den Bildnissen die gebohrne Nürnberger vorstellen, hat er (Nürnb. 1790. 4.) ein eignes Verzeichnis drucken lassen. – Noch einmal: er unterhielt sich ungemein freundschaftlich mit mir. – H. Prediger Waldau, bey dem ich nach ihm war, sagte mir die unangenehme Neuigkeit, daß der Herzog v. Würtemberg den Prof. Malblanc wirkl. nach Tübingen berufen hätte, schon auf Michaelis; u daß er jeden, der in seinem Lande ein Stipendium genossen, dahin mit Gewalt zurückziehen zu können glaubte; doch wäre es sehr mögl. daß dies zum wenigsten noch bis Ostern verschoben bliebe; übrigens lebe M. auch in Erl. nicht recht zufrieden; er sey ein eingezogenes Leben gewohnt, u etwas hypochondrisch zuweilen. – Ich hatte nun auch v. H. P. Koch an Hn. Haller v. Hallerstein abzu/geben: allein ich kam zu einem vornehmen Herrn, den zweyten im Rath! der Hn. Koch gar nicht kannte. Er meynte, seyn Vetter müsse wohl vielleicht gemeynt seyn. Ich ließ ihm indeß die Schrift, bat um Entschuldigung, entfernte mich schnell v. dem steifen gnädigen Herm. Mir kostet es der Mühe genug, alle die Herren in allen Winkeln dieser Reichsstadt aufzusuchen. – Morgen mache ich die übrigen Visiten. – Heut Abend, da ich an der Table d’hote speisete, sah, oder hörte ich vielmehr etwas Merkwürdiges: einen Bauchredner, der sich hören ließ. Er hielt eine hölzerne Kindesfigur vor sich, u sprach bald natürl., bald mit dem Bauch, so daß es klang als antwortete das Kind. Es ist eine schwere, aber bedauernswürdige, u den Körper sehr angreifende Kunst. Er muß viel Luft einschlucken, u den Unterleib auf die gewaltsamste Art zusammenpressen. – – Ich gehe zu Bette. Der Himmel schenke Ihnen immer so ruhigen Schlaf, u solche Gesundheit, wie mir Gottlob; dann werde ich Sie, wenn ich nach Berl. zurückkomme, gar nicht verändert finden. –
Sonntag, Abends, 23. Juni.
Ich bin noch in Nürnb., u finde hier wieder an mehreren Orten eine solche Aufnahme, als ich mir nie hätte träumen lassen. Auch morgen bleibe ich noch hier, weil in Erl., da es der Johannistag ist, keine Kollegia gelesen werden. Heut früh um 8 war ich zuerst bey dem Hn. Rugschreiber Häßlein, einem Mann, der zwar, seiner Bedienung wegen, sich nicht so tief in das Fach der Litteratur einlassen kann als H. Schaffer Panzer, aber doch das Studium der Altdeutschen Sprache, u der deutschen Etymologie als Liebhaberey treibt, auch eine Anzahl altdeutscher Wörterbücher, Chroniken, Romane, usw. besitzt. Er hat ein bürgerliches Ansehen. Mit der größesten Freundlichkeit empfieng er mich, hielt mich zieml. lange bey sich auf, u setzte mir durchaus Kaffee vor. H. P. Koch steht bey ihm, wie bey H. Sch. Panzer, als ein eifriger Litterator in gutem Andenken. Er erzählte mir wieder vom P. Malblanc, daß er wohl ungern dem Ruf des Herzogs folgen würde, weil dieser ihn einmal auf die empfindlichste Art disgustirt habe. Denn als der Herz. vor mehreren Jahren Altorf besucht, u die Professoren zu sich gebeten, habe er alle sitzen, ihn allein aber stehen lassen, und mit: Er, angeredet, weil er – ein Würtembergisches Landskind sey; u überdies sey er damals gerade Rector magnificus gewesen. Auch folgende Nachrichten gab mir / H. Häßlein. Das große hiesige Praunische Kunstkabinett, v. Gemählden, Kupferstichen, Gemmen, usw., bekommt man nur etwa zu sehen, wenn fremde vornehme Herrschaften es grade besehen. Der Besitzer, H. v. Praun ist kein Kenner, u so ungefällig, daß er selbst der Herzoginn v. Weimar abgeschlagen hat, das Kabinet zu zeigen, blos weil er grade auf seinem Gute bey Nürnb. war. Es ist sehr unordentlich, u in einem kleinen Raum zusammengedrängt. – Die 3 Vaucansonschen Automate, (s. Nikolai’s Reisen,) sind v. hier an Hn. P. Beyreis in Helmstädt verkauft. Vor 10 J. haben in Nürnb. noch Meistersänger ordentlich Singeschule gehalten; allein die Zunft ist untergegangen, weil ihre Singestunden keinen Zuspruch mehr fanden, u ihre alten, widersinnigen geistl. Lieder lächerlich wurden. Als H. Nikolai hier war, wollte H. Häßlein den einzigen noch übrigen Meistersänger zu ihm führen, er reiste aber zu schnell ab. Ob dieser Sänger noch lebt, weiß H. H. nicht gewiß. Aber die alte deutsche Sprache hat sich in ziemlicher Reinheit noch bey der hiesigen Rothgießerzunft erhalten, weil sie ein gesperrtes Handwerk sind, d. h. nicht wandern dürfen. Sie sind nicht leicht zu verstehen. – Bey H. H. machte ich nun auch die mir äußerst interressante Bekanntschaft seines Schwiegersohnes, des Hn Kunsthändler Frauenholz, dessen Gefälligkeit ich Ihnen bald rühmen werde. (Er bittet den Hn P. Koch, der ihn auch kennt, ihm doch bald wissen zu lassen, ob er das Exemplar v. Vogels Versuch üb. die Relig. d. Aegypter, dem Hn Grafen Herzberg gebunden oder ungebunden zusenden soll.) – Den Hn. Magister Mannert, (Vf. d. beßten alten Geographie,) traf ich bey seiner alten Geogr. an. Er hatte Charten vor sich, die er mit eigener Hand, blos nach den Angaben der Länge u Breite der Küsten, Oerter, Gebirge, usw. welche im Ptolemäus vorhanden sind, gezeichnet hat, (weil andre Charten fehlerhaft sind,) u stechen läßt. Er hat die Aufsicht über die Stadtbibliothek, die alle Mittwoche, v. 1-3 offen ist. Beym hiesigen Gymnasium hat er eine sehr mühselige Stelle. Die Anstalt hat 8 Klassen; u jede Klasse hat, nach alter Art, nur Einen Lehrer, der 5 / Stunden alle Tage unterrichten muß. H. M. unterrichtet die unterste Klasse, in Gesch., Geogr., Lat., Naturgesch., u hat auch Französische Stunden. – H. Pred. Herbst hatte mich an den Hn Doktor Panzer, einen Sohn des Hn Schaffer Panzer, recommandirt. Ohngeachtet er mir schrieb, daß er in einem kleinen litterar. Streit mit ihm lebte, so freute sich der H. P. doch sehr, daß er noch an ihn dächte. Er ist praktisirender Arzt, und wohl der einzige Naturkundige in Nürnb., auch der einzige der ein Naturalienkab. u eine naturhist. Biblioth. hat. Er besitzt ein Herbarium u eine Insektensammlung. Ich traf ihn bey seinen Pflanzen; wobey er mit vieler Zuneigung v. H. D. Wildenow sprach. – An einen andern jungen Arzt, der zugleich Kantischer Philosoph ist, den Hn Doktor Erhardt hatte mir H. P. Schuderoff eine Empfehlung aufgetragen. Er ist ein feiner, artiger Mann.
Den ganzen Nachmittag, beinahe v. 2-8, hat der überaus dienstfertige H. Frauenholz an mich gewandt. Er ist ein junger Mann, aus dem Anspachischen gebürtig, u Kaufdiener gewesen. 1790 hat er seine Kunsthandlung angelegt, gegen welche die alten Kunsthandlungen v. Knorr, Seligmann, usw. gar nicht in Betracht kommen. Diese handelten nur, (u einige existiren noch,) mit ein Paar großen Kupferwerken, die sie selber verlegten; H. F. hingegen hat zugleich eine Niederlage von einer unbeschreibl. Menge Deutscher, Französischer, Engl. u Ital. Kupferstiche, u unternimmt den Verlag der kostbarsten Werke. Seine Niederlage ist am Obstmarkt; leider in einem engen Platz u schlechten Zimmern. Hier wohnt auch sein Kupferdrucker, ein Franzose, den er mit seiner Familie vor 14 Tagen auf seine eignen Kosten aus Paris hat herkommen lassen, weil auf den guten Druck einer Platte so viel ankommt, u keiner hier dies so gut versteht. In den oberen Zimmern sah ich zuerst eine Sammlung kleiner Gemählde mit Wasserfarben, von verschiedenen aus d. Nürnbergischen Mahler- u Kunsthändlerfamilie Dietsch: Blumen, Früchte, Landschaften, u Köpfe; dann einige schöne Stücke v. Albrecht Dürer; einige v. Lukas Kranach; / einige große Landschaften; usw. Dann sah ich folg. 3 Verlagsartikel des Hn F.: 1.) Meyers Zoologie, mit illum. Kupfern, wobey immer die Skelette der Thiere beygezeichnet sind; eine neue Ausgabe eines alten Werks. 2.) Prospekte v. Italiän. Gegenden, sehr schön radiert von Dies, Reinhart u Mechau, die itzt alle in Rom sind. 3 Hefte sind heraus, wovon jedes 6 Blatt enthält, u jedes Blatt 12 g. kostet. Es sollten 12 Hefte werden. 3.) Eine Auswahl v. Gemmen-Abbildungen, aus dem GemmenKabinet des Baron Stosch, das itzt in Potsdam ist, u wovon Winkelmann einen vollständigen Katalogus herausgegeben hat. Der verstorbene Kupferstecher Schweikardt hat, als er beym Herrn Stosch in Florenz Aufseher über sein Kabinet war, für sich von allen Gemmen Schwefelabgüsse gemacht; u diese Samml. hat H. Frauenholz an sich gekauft. Er wählt etwa 120 der interressantesten Stücke aus, u läßt sie von Müller, Direktor d. Mahlerakad. in Stuttgart, von Klauber in Augsb., u v. Preisler in Kopenhagen, aufs prächtigste, vergrößert stechen. Bis itzt sind 2 Hefte heraus; jedes hat 6 Blätter, u kostet 5 rthl., ein nicht zu theurer Preis. (Er bewies mir, daß in Nürnb., u überhaupt im Reich, die Kupferstiche ungleich wohlfeiler wären, als die Berlinischen, die den Englischen in der Theuerkeit wenig nachgäben.) Er giebt sich bey diesem GemmenWerk, viele Mühe. Die Beschreibung (den Text) hat er erst v. Casanova in Dresden, dann v. einem Französischen Gelehrten wollen machen lassen; bis er endl. von Heyer, an Hn Schlichtegroll in Gotha gewiesen ist, der ihn nun machen wird. – Von der ungeheuren Menge Kupferstichen u einzelnen Blättern, sah ich folgende. Bildniß Ludwigs des 16ten v. Frankr., v. Müller in Stuttg., den H. F. für den ersten Kupferstecher in Deutschl. hält: ein unvergleichliches Blatt, / dem die gleiche Arbeit eines Französ. Künstlers, der mit Hn Müller wetteiferte, weit nachsteht. H. F. hat die Platte, von der erst Ein Probedruck gemacht war, an sich gekauft, u verlegt das Blatt. 10 große Engl. Stiche, die Scenen aus Schakespears Romeo u Julia, Richard 3, Wie es euch gefällt, und Viel Lärmen um nichts, vortreffl. darstellen, u fortgesetzt werden. Engl. Stiche v. Woollet, Scharp; punktirte Arbeiten v. Bartolozzi, Earlom; Blätter in schwarzer Kunst v. Strange, Green, Simon, u vielen andern Engländern. In Farben gedruckte, und kolorirte Blätter. Braune Landschaften, in getuschter Manier, oder lavirt, v. Kobell in Manheim, u der Madam Prestel, einer Nürnbergerinn, in London: es sind schöne Blätter, die so reich aussehen, als wären sie gemahlt; die Erfind, der Manier ist neu. Schöne große Blätter v. Volpato in Rom, u seinem Schüler Morghen, in Florenz, den 2 beßten Ital. Kupferstechern. Gestochene Porträtte, v. Kohl; punktirte, v. Pfeifer; in schwarzer Kunst gearbeitete, v. Pichler: 3 Wienerischen Künstlern. Ein guter Nachstich von Woollets Tod des General Wolf, v. Guttenberg, einem Künstler, der in Paris beym Convent war, u erst kürzl. nach Nürnb. zurückgekommen ist. Ein guter Nachstich von Bergers Tod des General Schwerin, v. Nußbiegel in Nürnberg. Blätter v. Küfner in Nürnberg. – Endlich sah ich eine sehr vollständige Sammlung von A. Dürers Blättern mit dem Zeichen [...] in einem 3 Finger dicken Foliobande. Dürer starb d. 6. May, 1528; 56 Jahr alt. Raphael soll gestanden haben, daß er ihn selbst übertroffen haben würde, wenn er nach Italien jemals gekommen wäre, und das Schöne u Edle in den Formen an den Antiken studiert hätte. Ich sah von ihm: 1.) Holzschnitte, sehr kräftig, u mit kohlschwartzer Farbe gedruckt: sowohl einzelne, als auch eine Samml. v. Vorstellungen aus Christi Leidensgesch., u aus der Apocalypse. 2.) Sehr feine Kupferstiche. 3.) Ein Paar grobe, rauhe / Stiche in Eisenplatten. 4.) Handzeichnungen, roth u schwarz, auch Skizzen mit der Feder. – Dieser Folioband ist eine wahre Seltenheit. – Nach einer so herrl. Augenweide gieng H. Frauenholz noch um einen kleinen Theil der Stadt herum, wo wir auf einige artige Spaziergänge kamen. – Von Berliner Künstlern schätzt er bsdrs H. Rhode u H.Chodowiecki. Von letzterem besitzt er in seiner Privatsamml. alle Stiche, bis auf 10 Nummern. Dem H. Dan. Berger zieht er die Kupferstecher im Reich, Müller, Klauber, Pichler, Guttenberg, v. denen man in Berlin äußerst wenig oder gar nichts findet, weit vor. Seine Handlung wird vielleicht in ganz Deutschl. keine, als die v. Artaria in Wien, über sich haben; denn die Bremersche in Braunschweig, die Pascalsche u Morinosche in Berl., usw., sagen fast nichts dagegen. Alle Jahr hält er eine Auction v. Kupferstichen. Die diesjährige wird über 6000 Stück begreifen, u enthält zugleich eine alte Nürnbergische sehr kostbare Privatsammlung, die Welsersche. Es kommen französ., ital., niederländ., engl., u deutsche Stiche vor; selbst die allerseltensten u ältesten; unter andern fast alle v. Dürer. Er schenkte mir den Katalogus. (H. v. Murr hat mir auch ein Exemplar seines Katalogs, u eine kleine Schrift v. ihm: Collectio amplissima scriptor. de Klinodiis – de coronatione Imperator. Germ., atque de rege Rom. et Electoribus. 1793. 8. geschenkt. Die darin angezeigten Bücher besitzt er selbst.)
Von Nürnberg überhaupt, kann ich Ihnen noch folgendes erzählen. Der erste im Rath ist H. v. Stromer, Kastellan u oberster Losinger, seinem Titel nach. Die Rathsherren sollen die Bürger sehr drücken, u viel zusammengeizen. Ihr Staat u Prunk ist, ein gewaltig großes Haus, eine große, reiche Garderobe, viel Silber-Küchengeschirr, das ohne gebraucht zu werden, blos zum Putz aufgestellt ist; usw. Man klagt über die Verfassung. – Die Stadt / ist sehr groß, aber verhältnißmäßig auch sehr arm an Einwohnern. Man sieht auf den Straßen wenig Menschen; und jedes Haus wird nur v. Einer Familie bewohnt. Vor 100 Jahren etwa war Nürnberg eine der blühendsten Städte an Handel und Kunst u Gewerbe, ja der Hauptsitz aller Kunst. Dies hat sich nun leider sehr geändert. Die großen Mahler- u Kunsthändler-Geschlechter, (Knorr, Sandrart, etc) sind ausgestorben; u seit 20-30 J. ohngefähr gehen durch Auktionen alle Schätze der Kunst, ins Ausland. In der Stadt sind wenig Kunstliebhaber, dagegen ehemals fast in jedem Privathause eine kleine Kunstsammlung war. Die Künstler in Elfenbein, usw. sind auch nicht mehr in ihrem alten Flor. Die Rothgießer machen itzt nur messingne Gewichte, usw., da sie sonst wohl schöne Figuren gossen. Auch durch sehr häufige Bücherauktionen gehen viele litterar. Seltenheiten aus Nürnb. heraus, u werden Sammlungen in die Welt zerstreut, die sonst der Stadt zur besondern Zierde gereichten. Die große Feuerleinsche Bibliothek wird in diesem, die Witwersche im folg. Jahre verauktionirt. Die Zeichenakademie, wovon H. Ihle, ein geschickter Mahler, Direktor ist, ist ganz in Verfall gekommen, weil der Rath nicht im geringsten auf ihre Unterstützung gedacht hat. Doch jetzt bemüht man sich, sie zu verbessern. Nürnb. bleibt aber überhaupt immer noch als ein Magazin der Kunst u guter u wohlfeiler Handwerksarbeiten merkwürdig, wenn es auch zu viel Nebenbuhler hat, um je seinen alten Flor u Ruhm wieder erreichen zu können. Die Handwerker die die Nürnberger kurzen Waaren liefern, wohnen alle einzeln u zerstreut in der Stadt umher; doch arbeitet jeder dem andern in die Hände. Zeugfabriken sind nicht hier. Der Ackerbau um die Stadt ist ganz vorzüglich; man verbessert den Boden mit dem allerämsigsten Fleiß, u kennt gar keine / Brache. Die Gegend um die Stadt ist eben, aber nicht übel; zuweilen ein wenig sandig. Die Stadt selbst kann ich nicht genug mit Verwunderung ansehen; weil man kein einziges neues Gebäude, sondern lauter alte, vom 10ten Säc. an, findet, so wird man ganz ins Alterthum versetzt, u erwartet immer einem Ritter, od. einem Mönch, oder einem Bürger in alter Tracht zu begegnen, denn die neue Tracht paßt gar nicht zu dem Kostum in der Bauart. Die Thore sind zum Theil dicke, runde, schwarze Thürme. Die Kirchen sind große, schwarze Massen, voller Bildwerk u Gothischer Zierrathen, durchbrochenen Thürmchen, großen Thoren mit Figuren, usw. Es sind ihrer eine große Menge. Ehemals waren viele Klöster hier, (aus deren Bibliotheken auch die litterar. Schätze mehrentheils herrühren, die Nürnb. besitzt.) Die Häuser sind fast alle röthlich, und zum Theil mit Figuren bemahlt u vielen Spitzchen versehen. Daß über die Fensterladen die Figuren fortgiengen, habe ich noch nicht gefunden. – In dem Raume zwischen der doppelten Stadtmauer, (dem Zwinger,) u dem ehemaligen großen Stadtgraben, u in den Vorstädten, sind viele Gärten. – An einigen Thürmen ist hier die große Uhr, welche zu jeder Jahrszeit die Stunden von Aufgang der Sonne bis zum Untergang, u vom Untergang bis zum Aufgang zählt; so daß der längste Tag 16, der kürzeste 8 Stunden hat. Abends um 10 z. B. schlägt sie itzt 2 Uhr. – In Nürnb. sind eine sehr große Menge v. alten Stiftungen, aus welchen jährl. den Armen ein Gewisses ausgezahlt wird; auch einige Armenhäuser. Man hat ausgerechnet, daß, wer von allen Stiftungen zieht, sich jährl. wohl zu 300 fl. stehn muß. Und dennoch sind eine solche Menge Bettler in u um Nürnberg, da doch der Bürger so viel zu Armenkassen beytragen muß: – ein Beweis von der schlechten / Regierungsverfassung. – Der Preuß. Gesandte in Nürnb. ist der Graf Soden v. Sassanfras; der auch Schauspiele schreibt. Sein Legationssecretär ist Ludwig Schubart, Sohn des Dichters Schubart. – Gesellige Klubbs oder Ressourcen scheinen hier nicht zu blühen. Vor 1/2 Jahr etwa haben ohngefähr 20 hiesige Künstler einen Klubb errichtet. – Im Winter sind Concerte in den 2 großen Wirthshäusem, dem Reichsadler u d. rothen Roß. – Jetzt wünsche ich Ihnen wieder eine recht gute Nacht, denn meine Augen, die heut so viel Schönes gesehen haben, sollen sich im Schlafe von ihrer Anstrengung erhohlen. –
Nürnb. Montag, Mittags. 24. Juni.
Nürnberg ist eine Stadt, wie ich noch keine gesehen habe, u hat ein ganz besonderes Interesse für mich. Man kann sie, ihres Äußern wegen, in der Art romantisch nennen. Mit jedem Schritt heftet sich der Blick auf ein Stück des Alterthums, auf ein Kunstwerk in Stein oder in Farben. Die Brunnen der Stadt sind zum Theil Ziehbrunnen v. Stein, in dieser Form [...], zum Theil künstlich ausgehauene Springbrunnen, zum Theil wie kleine Thürme, u mit vielen Figuren. An einem Hause fand ich heut die Inschrift: Diß Haus steht in Gottes Hand, bey den Rißen (d. i. Riesen) wird es genannt; dabey waren kolossal. Figuren an der Wand gemahlt, mit den Ueberschriften: Simson, David, Goliat, der Riß Sigenot, Kayser Otto, usw. An sehr vielen Häusern sind Sonnenzeiger mit gemahlten Zifferblättern. Einen großen Theil der Stadt habe ich heut von der Burg od. Veste, übersehen, die auf einem Felsen dicht vor der Stadt liegt, u viele verwirrt gebaute Mauern u Gebäude begreift. Man sieht sie von den Bergen bey Erlangen. Auf der höchsten Spitze steht ein fester Thurm. – Die Straßen v. Nürnb. sind eben gepflastert, u reinlich, weil sie häufig abschüssig, u zum Theil mit kleinen Kanälen durchschnitten sind. Durch die Stadt fließt die Pegnitz in 2 zieml. breiten Armen. Sie hat viele alte steinerne Brücken, wovon einige überbaut sind, u eine aus einem einzigen sehr großen Bogen besteht. Wie konfus die Häuser durcheinander geschoben sind, u wie krumm die Straßen laufen, sehen Sie / auf Ihrem Grundriß. – Heute Vormittag habe ich meine 2 letzten Besuche gemacht, u wieder viel Vergnügen gehabt. H. Prediger Strobel ist Pred. in Wöhrd, einem eigenen kleinen Flecken, mit eignen Thoren, vor Nürnberg, den man aber auch wohl als eine Vorstadt ansehen kann. Er führte mich gleich, ohne meine Bitte, in seine Bibliothek. Er hat sich fast blos auf die Schriften von u über Melanchthon eingeschränkt, besitzt diese aber auch vollständiger als irgend einer. Es ist eine ganz einzige Samml. Sie nimmt 3 Repositoria ein, u beträgt über 1800 Bände. Einen Theil, den er besaß, als er Melanchthons Biographie v. Camerarius mit Noten herausgab, hat er hierin dem Titel nach angeführt. In einem eigenen Büchlein hat er nachher alle Ausgaben v. Melanchthons Dogmatik, (Loci communes heißt das Werk eigentlich,) angezeigt: Es sind 59 Ausgaben! die v. 1521-1595 herausgekommen sind. Im ersten Jahre kamen gleich 3 heraus. Von Melanchthons Annotat. ad Evang. Johannem existiren 7 Ausgaben, alle von Einem Jahr, 1523! Solche Ehre wiederfährt neuern Autoren nicht. M. hat auch fast alle Lat. u Griech. Autoren mit Anmerk. herausgegeben, u als Prof. in Wittenb. alle Akadem. Reden, über theol., jurist., medicin., physikal., mathemat. Gegenstände geschrieben. H. P. Strobel besitzt auch fast 100 verschiedene Bildnisse in Kupfer von ihm, einige Gemählde v. ihm, einige Münzen aus dem 15. Säk. mit seinem fein geprägten Bildniß, sein u Luthers Bildniß auf einer alten Fensterscheibe gemahlt, das beste Bildniß von ihm, welches v. A. Dürer ist; 2 abscheuliche Karrikaturen in Kupfer, wodurch die Katholiken ihn u Luthern haben vorstellen wollen; einige Bildnisse v. ihm in Wachs; u viele Briefe v. seiner eigenen Hand, auch einige v. Luther. M. schrieb sehr dick, grob u weitläuftig; aber Ein Brief, an den Churf. v. Sachsen ist ungewöhnlich sauber / geschrieben. Außerdem sah ich noch einige einzeln herausgekommene Gedichte v. Hans Sachs, in seltenen alten Drucken. H. P. Strobel, (ein sehr artiger Mann,) erzählte mir, daß unter den Nürnberger Webern wirkl. noch einige Meistersänger wären, die alle Jahre auf Trinitatis in seiner Kirche sich noch hören ließen, u ein gar disharmonisches Geschrey machten. Auch sagte er mir, daß wegen der Gränzen d. Nürnb. Gebiets seit 300 J. noch immer processirt würde. Vor 8 J. wären ein Paar Anspachische Husaren bey einem Gränzstreit von den Nürnb. Bauern erschossen worden. – Nun habe ich alle Bestell. v. H. P. Koch gemacht. Er hatte in Briefen die Herren auch zu Mitarbeitern an seinem Journ. aufgefordert; allein nur H. Schaffer Panzer u H. Häßlein scheinen sich dazu verstehen zu wollen; die übrigen Herren sagten mir, sie hätten ihre Zeit zu sehr mit Geschäften schon besetzt, würden aber vielleicht gelegentl. kleine Beyträge liefern. – Mein 2ter heutiger Besuch, bey dem Hn. Mechanikus David Beringer (auf dem Steig, in einem kleinen Häuschen,) ist sehr glücklich ausgefallen. H. B. ist der beßte, oder einzige Mechanikus in Nürnb., (obgleich diejenigen, welche Spielsachen, mathematische u physikal. Kunststückchen, u dergl. Waare auf den Kauf, auch optische Kasten, usw. machen, auch sich Mechanici u Optici zu nennen pflegen.) Er hat eine artige Frau; u ist selbst, was H. P. Bode wohl nicht glaubt, ein ungemein artiger, gefälliger, in der Mathematik nicht unerfahrener, u in seiner Arbeit fleißiger u sorgfältiger Mann, der v. H. P. Bode mit vieler Achtung spricht, u seinen gestirnten Himmel in seiner Werkstätte liegen hat. Zu H. P. Bodens Freude kann ich versichern, daß er in 14 Tagen ohnfehlbar die erste Erd- u Himmelskugel, ganz fertig, ihm zur Probe schicken wird, um noch zu rechter Zeit zu erfahren, ob diesem vielleicht bey der Arbeit noch ein Wunsch übrig bliebe. Alsdann verspricht er, jeden Monat ungefähr 6 Exemplare nach Berlin zu liefern. Er nimmt sich der Sache mit Eifer an, läßt alle andre Arbeit ruhen, u ist äu/ßerst bemüht, Hn P. Bode, (dessen Zeichnung, so wie Sotzmanns Stich er sehr bewunderte,) zu befriedigen. Die Ursachen die ihn bisher aufgehalten haben, sind folgende. Erstlich, Unpäßlichkeiten, die Winterwitterung; u nothwendige Arbeit v. Quadranten usw. für die Würzburg. Ingenieurs zum Kriege. Vomehml. haben ihm aber die vielen Versuche, sehr lange Zeit, u an 300 Gulden weggeworfenes Geld gekostet. Mit 4-5 Sorten Papier hat er vergebl. Versuche gemacht. Er hat sich aus der Schweiz Papier verschreiben lassen, das aber vom Firniß braun geworden ist. Endl. gelingt es ihm mit Holländischem, das er sich aus Amsterdam verschreibt, (auf dem Bogen steht: J. Howig et Zoonen,) das er aber auch erst nach Anwendung einer v. ihm dazu erfundenen Präparation brauchen kann. Dann hat es ihm sehr viel Mühe gekostet, die Himmelssegmente gut abgedruckt zu erhalten; kein Kupferdrucker hat es anfangs wagen wollen, sie 2 mal, u so zu drucken, daß die Sterne genau an ihren Platz kommen, welches besonders bey dem Blatt das den Horizont u inwendig kleine Kreise enthält, Schwierigkeit macht. Auch dazu hat er eine eigene Vorrichtung erdenken müssen. Endlich hält auch das etwas auf, daß er alles allein arbeiten muß, weil er durchaus keine Leute so schnell bis zu dem Grade der Geschicklichkeit bringen kann, daß sie es ihm recht machten. Viele Kugeln hatte er auch schon vergebens gemacht, weil er nachher sah, daß die eine Charte, die später kam, einen etwas größeren Globus erfordere. Die Kugeln formt er aus Pappe, 1/4 Zoll dick, über einer hölzernen Kugel: die Pappene wird dann aufgeschnitten, v. der hölzernen weggenommen, wieder zusammengesetzt, u mit einem dünnen weißen Ueberzug / von eigener Komposition versehen, der immer ebener u glatter polirt wird. Solcher Kugeln sah ich 25 in einem Repositorium hängen. Dann wurden die Segmente mit Kleister aufgeklebt, welches unendliche Schwierigkeit macht. Ich sah 3 Himmels- u 3 Erdkugeln so weit fertig, u fand die Segmente mit möglichster Accuratesse aufgezogen, auch schon überfirnißt. Ein Paar Gestelle, (schwarz mit etwas Gold,) standen noch besonders. Das Messing hatte H. B. eben in Arbeit. Ich habe mich sehr bey ihm divertirt; er bat mich, ihn öfter zu besuchen; u sagte mir, daß H. Heitmann in Berlin, ihn auch besucht hätte. –
Erlangen, am Abend desselben Tages.
Itzt bin ich zurück v. meiner interressanten kleinen Reise, auf welcher ich jede Stunde besetzt, u genutzt, u angenehm zugebracht, 11 merkwürd. Leute in Nürnb. kennen gelernt u vieles Sehenswürdige gesehen habe, alles für wenig mehr als 3 rthl. – Heute Nachmitt., gleich nach Tische machte H. Frauenholz, mit seiner artigen jungen Frau, noch einen Spaziergang nach Dutzendteich mit mir, den er mir gestern schon angetragen. Auf dem Wege in der Stadt führte er mich in die Lorenzkirche, die wegen ihres hohen, grauen Gewölbes ehrwürdig ist, viele bunt gemahlte Fensterscheiben hat, u ein äußerst künstliches Sacramenthäuschen, (od. Behälter für die Monstranz), aus kathol. Zeiten hat. Es ist sehr hoch, wie ein Thurm gebaut, u geht, dicht an einem Pfeiler, immer spitzer, bis zur Decke hinauf. Es ist weiß, u besteht aus dünnen Säulchen in vielen Stockwerken übereinander, Figuren, Laubwerk, u künstlich durcheinander verschlungenen Zierrathen. Die Masse soll ein klein gestoßener, u nachher auf eigne Art geschmolzener u gegoßener Stein seyn. Endlich sah ich in dieser Kirche, – oder sah vielmehr nicht, – das berüchtigte Kunstwerk, welches so künstlich ist, daß man es nicht / sehen darf. Es ist eine Gruppe v. Figuren, den englischen Gruß vorstellend, in ein einziges Stück Holz, 13 Fuß hoch, geschnitten: u zwar 1518 von Veit Stoß. Es ist in einem großen, grünen Sack versteckt, der vor dem Altar, vom Gewölbe der Kirche, zur Schande v. Nürnberg, ganz öffentlich herabhängt. Versteckte man den Sack doch auch! H. Frauenholz meynte, vornehmen fremden Personen würde er wohl geöffnet. – In der Stadt sah ich noch an vielen Eckhäusern, große Ketten hängen, womit sonst die Straßen gesperrt wurden, wenn Bürgerunruhen entstanden. – Dutzendteich ist ein Dorf, eine kleine halbe Meile hinter Nürnberg, welches den Namen v. den Dutzend Teichen hat, die herum liegen. Einer ist ein sehr großer See, ganz mit Wald umgeben: alle Jahr oder alle 2 J. wird er abgelassen, u dann waten die Fischer hinein, u fischen. (Hiervon haben sie den Kupferstich: es ist der letzte in d. Samml.) Dicht an dem See ist ein Wirthshaus, worin alle Sonn- u Feiertage, die Nürnberger u Nürnbergerinnen als zu einem Lustort sich in Menge versammeln, u wo getanzt, (beinahe blos gewalzt) wird. Beym Hause sind artige Alleen, u vorher kommt man durch einen Wald. Der ganze Weg war sehr lebendig, denn die Nürnberger lieben das Spazierengehen u Fahren außerordentlich. Es sind unter den umliegenden Dörfern noch mehrere Belustigungsörter. Die Regierung soll auch in Reichsstädten nie für das Vergnügen der Bürger sorgen, Anlagen machen, usw., wie ein Fürst. – Nürnberg nimmt sich von der Seite v. Dutzendteich, in seiner ganzen Größe u Pracht, mit allen Thürmen, unter welchen der hochstehende Thurm der Burg hinten besonders hervorragt. Am Wege sahen wir das Lager der Fränkischen Kreistruppen, v. allen kleinen Herrschaften, die schon einige Wochen hier stehen, u noch nicht vollzählig sind. Bey Fürth ist auch so ein / Lager. Die Truppen sollen in sehr mittelmäßigen Umständen seyn. – Um die Stadt herum haben die Patricier viele alte Landhäuser u Gärten. – Die Nürnberger Bauern sollen an dem jährlichen Kirchweihfeste, (nach der hiesigen Aussprache, Kirwei: eigentl. das Aerntefest, das aber in jedem Dorf zu andrer Zeit, u auch schon im Frühjahr, als bloße Volkslustbarkeit gehalten wird.) – noch nach alter Sitte, allerhand sonderbare Spiele, u Uebungen anstellen.
Als ich von Hn Frauenholz Abschied genommen, bezahlte ich im Wirthshause. Es ist sehr groß u honett. Man speist ungemein gut. Seit 1/2 J. logirten schon einige Herren u. Damen hier, die aus Frankf. am Mayn der Unruhen wegen, weggegangen waren. Der Marqueur (hier: Kellner,) sah mich, als ich zu Fuß ankam, bedenklich v. Kopf bis zu Fuß an; ward aber immer freundlicher, da er sah, daß ich doch ein ganz honetter Mensch sey, u da er mein Trinkgeld empfieng. Um 5 gieng ich aus Nürnberg fort, u habe einen sehr angenehmen Rückweg gehabt. – – Zum drittenmale wünsche ich Ihnen eine gute Nacht. Morgen werde ich Ihre Briefe beantworten, u den meinigen abschicken. Heut Abend habe ich meine Berlin. Noten, usw. mit Vergnügen hier gefunden; ich danke für alles was Sie mir überschickt haben. –
25. Juni, Vormittags.
Es freut mich, wenn es Ihnen keine Beschwerde macht, so oft an mich zu schreiben. – Die Anfrage v. H. D. Scheffler an Hn Walther, werde ich thun. – H. H. Schreber sagte mir neul. noch, daß die meerschaumenen Pfeifenköpfe, nicht aus dem Speckstein bey Wunsiedel, sondern aus einer weißen feinen, weichen Bittererde in der Levante geschnitten u in Nürnb. ganz fertig gemacht würden; zeigte mir auch einen noch ganz weißen. – An ihrem Lusthause Theil zu / nehmen haben mir die SchwedischPommem gar nicht angeboten. Ich werde sie aber da einmal besuchen. Daß Sack v. d. Gesellsch. wäre, wüßte ich nicht. Vertraute u interressante Bekanntschaft unter Studenten habe ich leider noch nicht gemacht: ein großer Theil, (die Anspacher u Baireuther,) sind zieml. roh u ungebildet; andre sind zu vornehm, u gehen großen Gesellschaften u dem Kartenspiel, u blos den Vergnügungen nach. Es sind hier aber Studenten aus sehr vielen Oertern: aus Franken, Schwaben, vom Rhein her, u aus mehrern Reichsstädten im Reich. Beym Hoffrath Meyer lernte ich einen Studenten Namens Yelin kennen, einen Verwandten v. ihm, aus dem Anspachischen, der Jurist ist, u dabey die Mathematik aus natürl. Neigung stark treibt; er wird mich besuchen; vielleicht werde ich mit ihm bekannt. Sack lebt zieml. eingezogen, ist still, u nicht recht zum Umgang. Und einen, mit dem ich v. Jurist. Sachen hätte sprechen können, habe ich bis itzt auch noch vergebl. gesucht. – Verzeihen Sie mir, wenn ich Ihnen über unsre Reise an Pfingsten noch eine Auskunft gebe. Mit der Post konnten wir nicht die Reise mit so vieler ZeitErsparung machen. Auch gehen dort nicht überall Posten. Extrapost wäre zu theuer gewesen; eine Miethsfuhre ebenfalls, u überdies weiß ein Erlanger Kutscher in jenen Gegenden den Weg gewiß so wenig als wir. Erlauben Sie mir also, Ihnen zu sagen, daß wir die Reise nicht, wie ich neul. schrieb, zu Wagen, sondern / – zu Pferde gemacht haben. Ich schrieb Ihnen dies darum nicht gleich, weil ich glaubte, Sie würden unnöthig darüber unruhig werden; allein da ich sehe, daß Sie meine Besuche der Bergwerke u Höhlen nicht gemißbilligt haben; so schreibe ich Ihnen auch jenes ganz aufrichtig. Sie müssen nur bedenken, daß wir uns die 2 dauerhaftesten u sichersten Pferde in Erl. ausgesucht hatten, die wir abwechselnd mit einem Mantelsack bepackten; daß beyde zugleich sehr gutmüthige Thiere waren; daß wir sie schon vorher auf Spazierritten probiert hatten, u ich dabey sehr gute Fortschritte im Reiten gemacht hatte; daß Miethspferde nie wild sind, zumal auf einer Reise nicht; daß ich, wie ich gewiß versichern kann, das lange Reiten sehr bald gewohnt ward, zumal da man, wenn man z. B. 6 Meil. in 1 Tag machen will, nur Schritt u kleinen Trapp zu reiten braucht; daß wir niemals um ein beträchtliches irre oder um geritten sind, weil wir in jedem Dorf, u Dörfer sind dort häufig, nach dem Wege fragten, auch zuweil. einen Wegweiser mitnahmen; endlich, daß wir in manchen engen, steinigten, bald herauf bald herunter gehenden Wegen, mit einem hiesigen Wagen schwerlich fortgekommen wären. Die Vortheile aber die man durch diese Art zu reisen hat, sind wirkl. außerordentlich. Man hängt fast blos v. sich allein ab, genießt immer freye Aussicht, kann wenn man will, sehr schnell fortkommen, u wird in der That, weit weniger müde als in einem wiegenden Wagen, weil man immer selbst thätig ist, u die Bewegung des Pferdes munter erhält. Aus Vorsicht gg. die Witterung hatte ich immer 2 / Röcke, u Ueberziehhosen an. Uebrigens kostete jedem v. uns das Pferd, nur 4 rthr! Wir waren 12 Tage abwesend, u bezahlten für den ersten u letzten Tag 1 Gulden, für die übrigen Tage, 1/2 Gulden. Das Reiten ist fast der wohlfeilste Artikel in Erl. (Manches ist ungewöhnl. theuer. Z.B. 25 Federposen kosten, 24, 36, bis 48 Kreuzer!) Allein die Reise selbst war doch nicht wohlfeil; denn ich konnte doch Tieck nicht anmuthen, für eine kurze Lustreise so viel Geld auszugeben; Sie werden mir das verzeihen. Die Reise kostet mir an 60 rthl. (Unsre Reise von Berlin, die, weil ich in den 14 Tagen in Drakendorf, nichts ausgab, auch ohngefähr nur 12 Tage betrug, kostete an 70 rthr. Das Reisen ist doch immer unvermeidlich theuer.) – H. R. R. Spieß in Bair., erinnerte sich Ihrer noch sehr wohl. Sein Namensverwandter ist in Anspach, u hat Komöd. u Romane geschrieben. – In dem Bergwerke war wirkl. keine Gefahr. Die Dünste waren gewiß nicht so ungesund, daß sie in 1/4 Stunde schaden könnten; u wenn mein Licht auch ausgienge, so wußten die Bergleute das ihrige so geschickt zu halten, daß es immer brennen blieb. Ueber den Fichtelsee liegen mehrere Stangen u Strauchwerk nebeneinander, auf welchen man gut herüberkommen kann; auch ist der Sumpf an den meisten Orten zu dieser Jahrszeit gar nicht sehr tief. – Gestern habe ich einen Brief v. Wißmann bekommen. Grüßen Sie seine Mutter, wenn Sie sie sehen. – Es freut mich sehr, daß Mams. Boden in der Singstunde ist: das ist eine herrliche Anstalt! Dem Hn P. Bode, u Hn P. Herbst danke ich sehr für ihre Briefe. Jenen läßt H. Hoffr. Meyer grüßen, wird mich auch einmal etwas an ihn einlegen lassen. – Wird H. R. Zöllner seine Reise nach Hamb. auch drucken lassen? – H. Borsch etc. grüßen. – Tieck hat die Pfingstreise ganz ungemein gefallen. – Unter Anwünschung der beßten Gesundheit bleibe ich, Ihr Gehors. Sohn,
W. H. W.
nach Nürnberg.
Nürnberg, den 22ten Juni; Sonnabend,
Abends. – 1793.
Theuerste Aeltern,
Ihre letztern mir äußerst werthen Briefe vom 15. Juni, erhielt ich Freytag Vormittag den 21. Juni. Sie haben mich sehr froh gemacht; u ich lerne überhaupt jetzt, meine Universitätszeit, die nie wiederkommt, zu genießen, und sie sowohl vergnügt als nützlich zuzubringen. Erlauben Sie mir auf Ihre Briefe nachher zu antworten, u Ihnen itzt zu erzählen was mir von dem heutigen Nachmittage noch in frischem Andenken ist. Da ich alle mögliche Veranlassung hatte nach Nürnb. zu gehen, indem ich beynahe ein Dutzend Visiten u Bestellungen hier zu machen hatte; (denn H. P. Koch hatte mir 7 Ankündigungen seines Journals für deutsche Litt, geschickt, an die Herren, welche ich Ihnen nennen werde;) so entschloß ich mich, des trüben Wetters ohngeachtet, schnell, heute hieherzugehen. Tieck blieb zu Hause, weil die Bestellungen doch nur mich angiengen. Da ich in dem schlechten Wetter während der vorigen Woche wenig ausgegangen bin, so machte ich mir heut die Bewegung herzugehen: das Wetter ist zieml. gut geworden, u ich bin gar nicht ermüdet. Man geht die 11/2 Meil. bequem in 3 Stunden. Ich gieng vor Tische, nach dem Schluß meines Kollegiums, weg. Der Weg ist eine große, ganz ebene Chaussee; der Boden ist fest u mehrentheils lehmig. Zu verirren wäre schwer. Man kommt nur durch 2 Dörfer durch, sieht aber eine große Menge dicht beyeinander um sich herum; überhaupt überblickt man, wenn nur der Wald der einen großen Theil der Strasse auf beyden Seiten begleitet, unterbrochen wird, rings herum eine sehr große, weite Ebene, die nur in entlegener Ferne von grauen, höhern u niedrigeren Bergketten umschlossen wird. Links muß man weit in die Pfalz hineinsehen können. – Nun müssen Sie nur nicht denken, als wenn ich ganz so einsam u allein hergegangen wäre. Dieser Weg ist immer so lebendig v. Posten, die alle Tage gehen, v. Extraposten, Miethsfuhren, Frachtwagen, reisenden Handwerksburschen, an Marktägen in Erlangen (wie heute,) von Bauerwägen, u endlich auch von Zigeunern u einer Menge Bettler, die hier ganze Tage lang unter Bäumen ihr Quartier zu haben scheinen; – daß / man fast keinen Augenblick allein ist. Auch habe ich noch durch keine Stadt so viele Posten, Extraposten, Kärner, usw. durchpassiren sehen, als durch die Hauptstraße v. Erlangen. Man hört fast in jeder halben oder viertel Stunde ein Posthorn, oder einen rasselnden Wagen. – Die Nürnb. Bauern u Bäuerinnen gehn meistentheils schwarz. Die letztern tragen Tücher als wenn sie Zahnschmerzen hätten, u haben äußerst kurze Taillien, unter welchen ein sehr kurzer Rock sie ungemein dickwulstig umgiebt: eine Tracht die sie höchst ungestalt macht.
In Nürnb. bin ich im rothen Roß abgetreten. Von dem Äußern dieser großen, labyrinthischen Stadt können Sie sich wirklich durch Ihre in Kupfer gestochenen u illuminirten kleinen Prospekte, den beßten Begriff machen. Ich finde mit Vergnügen viele mir längst bekannte Gegenden der Stadt hier in der Natur, u erkenne sie bald. Die Stadt hat wegen der vielen, schwarzen, mit Gothischem Prunk an Bildern u Zierrathen reich überladenen Kirchen, wegen der alten, ganz v. Quadern gebauten, festen Häuser, die häufig mit Figuren v. Menschen u Thieren bemahlt, u auch mit sehr alten Basreliefs in Stein geziert sind, ein antikes, abentheuerliches Ansehen. Aber sowohl aus- als inwendig, scheinen mir doch fast alle Häuser keine Spur v. modernem Geschmack zu haben. Keine einzige neumodische Façade. Die Hausthür ist oft klein u schwarz, u fast immer verschlossen; man klingelt, sie springt auf; man geht durch dunkle Winkel eine schlechte Treppe hinauf, u findet selbst Männer wie H. v. Murr u H. Schaffer Panzer, in Zimmern, die nur durch eine Bibliothek angenehm werden, an Fenstern mit kleinen runden Scheiben, nach dem Hofe oder einem Gäßchen zu, sitzen. Freilich will ich nicht auf alle übrigen Häuser v. diesen schließen. Allein v. außen wenigstens sind sie alle antik.
An Hn. v. Murr, den ich zuerst besuchte, glaubte ich einen Mann zu finden, dem man an seinem steifen, fremdartigen Äußern, die Liebhaberey der Chines., Indischen, Amerikan. u jeder seltenen Litteratur, ansähe; u ich fand einen ungemein freundl., höfl. u gesprächigen Mann, schon bey Jahren. / Er wohnt sehr eremitisch. Ich sprach mancherley v. Nürnb. mit ihm. Die hiesigen Privat- Kunst u Gemähldenkabinette kann man nicht leicht zu sehen bekommen. Das Rathhaus, die Burg, (die auf einer Anhöhe vor der Stadt nach Erl. zu liegt,) u dgl. öffentl. Gebäude, sind jeden 1sten u 2ten Ostertag für jeden offen u umsonst zu besehen. In den Kirchen ist auch manches Sehenswürdige. H. v. Murr zeigte mir einen Korrekturbogen v. dem 7ten Theil seiner Herkulan. Gemählde, die fortgesetzt werden, u sagte mir, in Ital. wäre vom Original ein neuer Theil erschienen, der blos Lampen enthielte. Allein zugleich trug er mir auch dringend folgende Commissionen auf: 1.) Er bittet angelegentlich ihm eine kleine Dissertation, die vom Vf. (in Prenzlau) selber verlegt, u jetzt selten ist, aus einer Auction, od. Privatbiblioth., od. vom Hn. Sekt in Prenzlau, (an den er schon vor 3 J. deshalb geschrieben, aber keine Antwort erhalten hat,) wenn es angeht, zu verschaffen. Es ist: Car. Steph. Jordani, Disquis. hist. litt. de Jordano Bruno. Primislaviae, 1732. 8. Seyn Sie so gütig, auch d. Hn. P. Koch diese Diss. aufspüren zu lassen, u dann den Hn Sekt zu erinnern. 2.) Er bittet beyliegende Catalogi, (verzeihen Sie mir, daß ich Ihnen so viel Portobeschwerden mache, allein ich mußte ihm doch den Gefallen erzeigen,) von Doubletten usw. seiner Biblioth., die er für beygesetzte Preise verkauft, (dabey sich auch noch etwas handeln läßt,) an Liebhaber zu vertheilen. Wollen Sie etwa Hn G. R. Oelrichs ein Ex., u dem Hn. P. Koch ein anderes zustellen? Vielleicht kann letzterer ein drittes noch sonst wo gut anbringen, (vielleicht an H. Kinderling in Kalbe, oder sonst einen Kenner.) – Der H. Schaffer Panzer, (er läßt sich Hn Möhsen empfehlen,) war außerordentl. gefällig u freundl. gegen mich: er hat mir folgende Merkwürdigkeiten aus seiner erstaunlich großen, u an Seltenheiten reichen Biblioth. gewiesen. Eine Samml. v. vielen Proben v. verschiedenem alten Druck, (besonders v. allen alten Drucken in d. Nürnb. Bibliotheken,) die er selber auf durchsichtigem Papier nach den Originalen, mit der größten Pünktlichkeit kopiert hat. An alten Drucken: die Editio princeps d. Lactantius, das erste in Ital. gedruckte Buch. Die erste deutsche Bibel (vor Luther,) v. 1462. Fol. Ohne Ortanzeige. Man hat sonst, nach einer spätern, falschen Unterschrift in dem Exemplar zu Stuttgart (wo die größte Bibelsamml. ist) geglaubt, diese Bibel sey v. Faust zu Mainz gedruckt; allein H. P. nebst einem andern, haben aus Vergleichung der / Formen der Buchstaben, die damals in jeder Druckerey etwas verschieden waren, herausgebracht, daß sie zu Strasb. gedruckt ist. Ein in Rom 1471. 8. mit Holzplatten (worin die Buchst. eingeschnitten waren,) gedrucktes deutsches Büchlein, das vorn eine kleine Röm. Gesch., dann eine Beschreib. der Kirchen u andern Merkwürdigkeiten in Rom, für Fremde enthält, u worin die Gesch. v. d. Päbstinn Johanna als wahr erzählt wird. Spätere lat. Ausgaben dieses Buchs. Ein Missale, (Samml. v. kathol. Messen,) worin ein kleines Gebet od. Messe für die Verdammten in der Hölle. Ein kleiner deutscher Kalender v. Regiomontanus, 1473. 8. mit Holzplatten gedruckt; worin Mondfinsternisse abgebildet sind, u Unterricht v. d. güldn. Zahl, d. bewegl. Festen, etc. gegeben wird. Die 7 Bußpsalmen, 1517. 8., Luthers erste Schrift: sehr selten: H. Nicolai, der es für einen großen Schatz in d. Berliner Bib. hält, hat sich gewundert, es hier zu finden. Einige Blätter v. d. Bibel d. Armen mit Holzschnitten, wovon ein Theil, der damals noch schlechten Schwärze wegen, ganz v. Wasser weggewaschen war. Die ersten Ausg. vom Heldenbuch, Parcifal, u Renner. (Die ersten deutschen Drucke sind gothisch, eckig. Die schöneren, runderen Lettern kamen aus Ital. herüber.) Handschriften: vom Persius, – vom Freydank u Renner. Autographa Lutheri. Ein Band Meistergesänge v. Joh. Foltz, Meistersänger in Nürnb. im 15. Säk., v. seiner eigenen Hand. H. Panzer besitzt auch eine gewaltige Samml. v. Bildnissen in Kupfer, aus allen Zeiten u Ständen, nach dem Alphabet geordnet: weit größer als Hn. Möhsens Samml. Von den Bildnissen die gebohrne Nürnberger vorstellen, hat er (Nürnb. 1790. 4.) ein eignes Verzeichnis drucken lassen. – Noch einmal: er unterhielt sich ungemein freundschaftlich mit mir. – H. Prediger Waldau, bey dem ich nach ihm war, sagte mir die unangenehme Neuigkeit, daß der Herzog v. Würtemberg den Prof. Malblanc wirkl. nach Tübingen berufen hätte, schon auf Michaelis; u daß er jeden, der in seinem Lande ein Stipendium genossen, dahin mit Gewalt zurückziehen zu können glaubte; doch wäre es sehr mögl. daß dies zum wenigsten noch bis Ostern verschoben bliebe; übrigens lebe M. auch in Erl. nicht recht zufrieden; er sey ein eingezogenes Leben gewohnt, u etwas hypochondrisch zuweilen. – Ich hatte nun auch v. H. P. Koch an Hn. Haller v. Hallerstein abzu/geben: allein ich kam zu einem vornehmen Herrn, den zweyten im Rath! der Hn. Koch gar nicht kannte. Er meynte, seyn Vetter müsse wohl vielleicht gemeynt seyn. Ich ließ ihm indeß die Schrift, bat um Entschuldigung, entfernte mich schnell v. dem steifen gnädigen Herm. Mir kostet es der Mühe genug, alle die Herren in allen Winkeln dieser Reichsstadt aufzusuchen. – Morgen mache ich die übrigen Visiten. – Heut Abend, da ich an der Table d’hote speisete, sah, oder hörte ich vielmehr etwas Merkwürdiges: einen Bauchredner, der sich hören ließ. Er hielt eine hölzerne Kindesfigur vor sich, u sprach bald natürl., bald mit dem Bauch, so daß es klang als antwortete das Kind. Es ist eine schwere, aber bedauernswürdige, u den Körper sehr angreifende Kunst. Er muß viel Luft einschlucken, u den Unterleib auf die gewaltsamste Art zusammenpressen. – – Ich gehe zu Bette. Der Himmel schenke Ihnen immer so ruhigen Schlaf, u solche Gesundheit, wie mir Gottlob; dann werde ich Sie, wenn ich nach Berl. zurückkomme, gar nicht verändert finden. –
Sonntag, Abends, 23. Juni.
Ich bin noch in Nürnb., u finde hier wieder an mehreren Orten eine solche Aufnahme, als ich mir nie hätte träumen lassen. Auch morgen bleibe ich noch hier, weil in Erl., da es der Johannistag ist, keine Kollegia gelesen werden. Heut früh um 8 war ich zuerst bey dem Hn. Rugschreiber Häßlein, einem Mann, der zwar, seiner Bedienung wegen, sich nicht so tief in das Fach der Litteratur einlassen kann als H. Schaffer Panzer, aber doch das Studium der Altdeutschen Sprache, u der deutschen Etymologie als Liebhaberey treibt, auch eine Anzahl altdeutscher Wörterbücher, Chroniken, Romane, usw. besitzt. Er hat ein bürgerliches Ansehen. Mit der größesten Freundlichkeit empfieng er mich, hielt mich zieml. lange bey sich auf, u setzte mir durchaus Kaffee vor. H. P. Koch steht bey ihm, wie bey H. Sch. Panzer, als ein eifriger Litterator in gutem Andenken. Er erzählte mir wieder vom P. Malblanc, daß er wohl ungern dem Ruf des Herzogs folgen würde, weil dieser ihn einmal auf die empfindlichste Art disgustirt habe. Denn als der Herz. vor mehreren Jahren Altorf besucht, u die Professoren zu sich gebeten, habe er alle sitzen, ihn allein aber stehen lassen, und mit: Er, angeredet, weil er – ein Würtembergisches Landskind sey; u überdies sey er damals gerade Rector magnificus gewesen. Auch folgende Nachrichten gab mir / H. Häßlein. Das große hiesige Praunische Kunstkabinett, v. Gemählden, Kupferstichen, Gemmen, usw., bekommt man nur etwa zu sehen, wenn fremde vornehme Herrschaften es grade besehen. Der Besitzer, H. v. Praun ist kein Kenner, u so ungefällig, daß er selbst der Herzoginn v. Weimar abgeschlagen hat, das Kabinet zu zeigen, blos weil er grade auf seinem Gute bey Nürnb. war. Es ist sehr unordentlich, u in einem kleinen Raum zusammengedrängt. – Die 3 Vaucansonschen Automate, (s. Nikolai’s Reisen,) sind v. hier an Hn. P. Beyreis in Helmstädt verkauft. Vor 10 J. haben in Nürnb. noch Meistersänger ordentlich Singeschule gehalten; allein die Zunft ist untergegangen, weil ihre Singestunden keinen Zuspruch mehr fanden, u ihre alten, widersinnigen geistl. Lieder lächerlich wurden. Als H. Nikolai hier war, wollte H. Häßlein den einzigen noch übrigen Meistersänger zu ihm führen, er reiste aber zu schnell ab. Ob dieser Sänger noch lebt, weiß H. H. nicht gewiß. Aber die alte deutsche Sprache hat sich in ziemlicher Reinheit noch bey der hiesigen Rothgießerzunft erhalten, weil sie ein gesperrtes Handwerk sind, d. h. nicht wandern dürfen. Sie sind nicht leicht zu verstehen. – Bey H. H. machte ich nun auch die mir äußerst interressante Bekanntschaft seines Schwiegersohnes, des Hn Kunsthändler Frauenholz, dessen Gefälligkeit ich Ihnen bald rühmen werde. (Er bittet den Hn P. Koch, der ihn auch kennt, ihm doch bald wissen zu lassen, ob er das Exemplar v. Vogels Versuch üb. die Relig. d. Aegypter, dem Hn Grafen Herzberg gebunden oder ungebunden zusenden soll.) – Den Hn. Magister Mannert, (Vf. d. beßten alten Geographie,) traf ich bey seiner alten Geogr. an. Er hatte Charten vor sich, die er mit eigener Hand, blos nach den Angaben der Länge u Breite der Küsten, Oerter, Gebirge, usw. welche im Ptolemäus vorhanden sind, gezeichnet hat, (weil andre Charten fehlerhaft sind,) u stechen läßt. Er hat die Aufsicht über die Stadtbibliothek, die alle Mittwoche, v. 1-3 offen ist. Beym hiesigen Gymnasium hat er eine sehr mühselige Stelle. Die Anstalt hat 8 Klassen; u jede Klasse hat, nach alter Art, nur Einen Lehrer, der 5 / Stunden alle Tage unterrichten muß. H. M. unterrichtet die unterste Klasse, in Gesch., Geogr., Lat., Naturgesch., u hat auch Französische Stunden. – H. Pred. Herbst hatte mich an den Hn Doktor Panzer, einen Sohn des Hn Schaffer Panzer, recommandirt. Ohngeachtet er mir schrieb, daß er in einem kleinen litterar. Streit mit ihm lebte, so freute sich der H. P. doch sehr, daß er noch an ihn dächte. Er ist praktisirender Arzt, und wohl der einzige Naturkundige in Nürnb., auch der einzige der ein Naturalienkab. u eine naturhist. Biblioth. hat. Er besitzt ein Herbarium u eine Insektensammlung. Ich traf ihn bey seinen Pflanzen; wobey er mit vieler Zuneigung v. H. D. Wildenow sprach. – An einen andern jungen Arzt, der zugleich Kantischer Philosoph ist, den Hn Doktor Erhardt hatte mir H. P. Schuderoff eine Empfehlung aufgetragen. Er ist ein feiner, artiger Mann.
Den ganzen Nachmittag, beinahe v. 2-8, hat der überaus dienstfertige H. Frauenholz an mich gewandt. Er ist ein junger Mann, aus dem Anspachischen gebürtig, u Kaufdiener gewesen. 1790 hat er seine Kunsthandlung angelegt, gegen welche die alten Kunsthandlungen v. Knorr, Seligmann, usw. gar nicht in Betracht kommen. Diese handelten nur, (u einige existiren noch,) mit ein Paar großen Kupferwerken, die sie selber verlegten; H. F. hingegen hat zugleich eine Niederlage von einer unbeschreibl. Menge Deutscher, Französischer, Engl. u Ital. Kupferstiche, u unternimmt den Verlag der kostbarsten Werke. Seine Niederlage ist am Obstmarkt; leider in einem engen Platz u schlechten Zimmern. Hier wohnt auch sein Kupferdrucker, ein Franzose, den er mit seiner Familie vor 14 Tagen auf seine eignen Kosten aus Paris hat herkommen lassen, weil auf den guten Druck einer Platte so viel ankommt, u keiner hier dies so gut versteht. In den oberen Zimmern sah ich zuerst eine Sammlung kleiner Gemählde mit Wasserfarben, von verschiedenen aus d. Nürnbergischen Mahler- u Kunsthändlerfamilie Dietsch: Blumen, Früchte, Landschaften, u Köpfe; dann einige schöne Stücke v. Albrecht Dürer; einige v. Lukas Kranach; / einige große Landschaften; usw. Dann sah ich folg. 3 Verlagsartikel des Hn F.: 1.) Meyers Zoologie, mit illum. Kupfern, wobey immer die Skelette der Thiere beygezeichnet sind; eine neue Ausgabe eines alten Werks. 2.) Prospekte v. Italiän. Gegenden, sehr schön radiert von Dies, Reinhart u Mechau, die itzt alle in Rom sind. 3 Hefte sind heraus, wovon jedes 6 Blatt enthält, u jedes Blatt 12 g. kostet. Es sollten 12 Hefte werden. 3.) Eine Auswahl v. Gemmen-Abbildungen, aus dem GemmenKabinet des Baron Stosch, das itzt in Potsdam ist, u wovon Winkelmann einen vollständigen Katalogus herausgegeben hat. Der verstorbene Kupferstecher Schweikardt hat, als er beym Herrn Stosch in Florenz Aufseher über sein Kabinet war, für sich von allen Gemmen Schwefelabgüsse gemacht; u diese Samml. hat H. Frauenholz an sich gekauft. Er wählt etwa 120 der interressantesten Stücke aus, u läßt sie von Müller, Direktor d. Mahlerakad. in Stuttgart, von Klauber in Augsb., u v. Preisler in Kopenhagen, aufs prächtigste, vergrößert stechen. Bis itzt sind 2 Hefte heraus; jedes hat 6 Blätter, u kostet 5 rthl., ein nicht zu theurer Preis. (Er bewies mir, daß in Nürnb., u überhaupt im Reich, die Kupferstiche ungleich wohlfeiler wären, als die Berlinischen, die den Englischen in der Theuerkeit wenig nachgäben.) Er giebt sich bey diesem GemmenWerk, viele Mühe. Die Beschreibung (den Text) hat er erst v. Casanova in Dresden, dann v. einem Französischen Gelehrten wollen machen lassen; bis er endl. von Heyer, an Hn Schlichtegroll in Gotha gewiesen ist, der ihn nun machen wird. – Von der ungeheuren Menge Kupferstichen u einzelnen Blättern, sah ich folgende. Bildniß Ludwigs des 16ten v. Frankr., v. Müller in Stuttg., den H. F. für den ersten Kupferstecher in Deutschl. hält: ein unvergleichliches Blatt, / dem die gleiche Arbeit eines Französ. Künstlers, der mit Hn Müller wetteiferte, weit nachsteht. H. F. hat die Platte, von der erst Ein Probedruck gemacht war, an sich gekauft, u verlegt das Blatt. 10 große Engl. Stiche, die Scenen aus Schakespears Romeo u Julia, Richard 3, Wie es euch gefällt, und Viel Lärmen um nichts, vortreffl. darstellen, u fortgesetzt werden. Engl. Stiche v. Woollet, Scharp; punktirte Arbeiten v. Bartolozzi, Earlom; Blätter in schwarzer Kunst v. Strange, Green, Simon, u vielen andern Engländern. In Farben gedruckte, und kolorirte Blätter. Braune Landschaften, in getuschter Manier, oder lavirt, v. Kobell in Manheim, u der Madam Prestel, einer Nürnbergerinn, in London: es sind schöne Blätter, die so reich aussehen, als wären sie gemahlt; die Erfind, der Manier ist neu. Schöne große Blätter v. Volpato in Rom, u seinem Schüler Morghen, in Florenz, den 2 beßten Ital. Kupferstechern. Gestochene Porträtte, v. Kohl; punktirte, v. Pfeifer; in schwarzer Kunst gearbeitete, v. Pichler: 3 Wienerischen Künstlern. Ein guter Nachstich von Woollets Tod des General Wolf, v. Guttenberg, einem Künstler, der in Paris beym Convent war, u erst kürzl. nach Nürnb. zurückgekommen ist. Ein guter Nachstich von Bergers Tod des General Schwerin, v. Nußbiegel in Nürnberg. Blätter v. Küfner in Nürnberg. – Endlich sah ich eine sehr vollständige Sammlung von A. Dürers Blättern mit dem Zeichen [...] in einem 3 Finger dicken Foliobande. Dürer starb d. 6. May, 1528; 56 Jahr alt. Raphael soll gestanden haben, daß er ihn selbst übertroffen haben würde, wenn er nach Italien jemals gekommen wäre, und das Schöne u Edle in den Formen an den Antiken studiert hätte. Ich sah von ihm: 1.) Holzschnitte, sehr kräftig, u mit kohlschwartzer Farbe gedruckt: sowohl einzelne, als auch eine Samml. v. Vorstellungen aus Christi Leidensgesch., u aus der Apocalypse. 2.) Sehr feine Kupferstiche. 3.) Ein Paar grobe, rauhe / Stiche in Eisenplatten. 4.) Handzeichnungen, roth u schwarz, auch Skizzen mit der Feder. – Dieser Folioband ist eine wahre Seltenheit. – Nach einer so herrl. Augenweide gieng H. Frauenholz noch um einen kleinen Theil der Stadt herum, wo wir auf einige artige Spaziergänge kamen. – Von Berliner Künstlern schätzt er bsdrs H. Rhode u H.Chodowiecki. Von letzterem besitzt er in seiner Privatsamml. alle Stiche, bis auf 10 Nummern. Dem H. Dan. Berger zieht er die Kupferstecher im Reich, Müller, Klauber, Pichler, Guttenberg, v. denen man in Berlin äußerst wenig oder gar nichts findet, weit vor. Seine Handlung wird vielleicht in ganz Deutschl. keine, als die v. Artaria in Wien, über sich haben; denn die Bremersche in Braunschweig, die Pascalsche u Morinosche in Berl., usw., sagen fast nichts dagegen. Alle Jahr hält er eine Auction v. Kupferstichen. Die diesjährige wird über 6000 Stück begreifen, u enthält zugleich eine alte Nürnbergische sehr kostbare Privatsammlung, die Welsersche. Es kommen französ., ital., niederländ., engl., u deutsche Stiche vor; selbst die allerseltensten u ältesten; unter andern fast alle v. Dürer. Er schenkte mir den Katalogus. (H. v. Murr hat mir auch ein Exemplar seines Katalogs, u eine kleine Schrift v. ihm: Collectio amplissima scriptor. de Klinodiis – de coronatione Imperator. Germ., atque de rege Rom. et Electoribus. 1793. 8. geschenkt. Die darin angezeigten Bücher besitzt er selbst.)
Von Nürnberg überhaupt, kann ich Ihnen noch folgendes erzählen. Der erste im Rath ist H. v. Stromer, Kastellan u oberster Losinger, seinem Titel nach. Die Rathsherren sollen die Bürger sehr drücken, u viel zusammengeizen. Ihr Staat u Prunk ist, ein gewaltig großes Haus, eine große, reiche Garderobe, viel Silber-Küchengeschirr, das ohne gebraucht zu werden, blos zum Putz aufgestellt ist; usw. Man klagt über die Verfassung. – Die Stadt / ist sehr groß, aber verhältnißmäßig auch sehr arm an Einwohnern. Man sieht auf den Straßen wenig Menschen; und jedes Haus wird nur v. Einer Familie bewohnt. Vor 100 Jahren etwa war Nürnberg eine der blühendsten Städte an Handel und Kunst u Gewerbe, ja der Hauptsitz aller Kunst. Dies hat sich nun leider sehr geändert. Die großen Mahler- u Kunsthändler-Geschlechter, (Knorr, Sandrart, etc) sind ausgestorben; u seit 20-30 J. ohngefähr gehen durch Auktionen alle Schätze der Kunst, ins Ausland. In der Stadt sind wenig Kunstliebhaber, dagegen ehemals fast in jedem Privathause eine kleine Kunstsammlung war. Die Künstler in Elfenbein, usw. sind auch nicht mehr in ihrem alten Flor. Die Rothgießer machen itzt nur messingne Gewichte, usw., da sie sonst wohl schöne Figuren gossen. Auch durch sehr häufige Bücherauktionen gehen viele litterar. Seltenheiten aus Nürnb. heraus, u werden Sammlungen in die Welt zerstreut, die sonst der Stadt zur besondern Zierde gereichten. Die große Feuerleinsche Bibliothek wird in diesem, die Witwersche im folg. Jahre verauktionirt. Die Zeichenakademie, wovon H. Ihle, ein geschickter Mahler, Direktor ist, ist ganz in Verfall gekommen, weil der Rath nicht im geringsten auf ihre Unterstützung gedacht hat. Doch jetzt bemüht man sich, sie zu verbessern. Nürnb. bleibt aber überhaupt immer noch als ein Magazin der Kunst u guter u wohlfeiler Handwerksarbeiten merkwürdig, wenn es auch zu viel Nebenbuhler hat, um je seinen alten Flor u Ruhm wieder erreichen zu können. Die Handwerker die die Nürnberger kurzen Waaren liefern, wohnen alle einzeln u zerstreut in der Stadt umher; doch arbeitet jeder dem andern in die Hände. Zeugfabriken sind nicht hier. Der Ackerbau um die Stadt ist ganz vorzüglich; man verbessert den Boden mit dem allerämsigsten Fleiß, u kennt gar keine / Brache. Die Gegend um die Stadt ist eben, aber nicht übel; zuweilen ein wenig sandig. Die Stadt selbst kann ich nicht genug mit Verwunderung ansehen; weil man kein einziges neues Gebäude, sondern lauter alte, vom 10ten Säc. an, findet, so wird man ganz ins Alterthum versetzt, u erwartet immer einem Ritter, od. einem Mönch, oder einem Bürger in alter Tracht zu begegnen, denn die neue Tracht paßt gar nicht zu dem Kostum in der Bauart. Die Thore sind zum Theil dicke, runde, schwarze Thürme. Die Kirchen sind große, schwarze Massen, voller Bildwerk u Gothischer Zierrathen, durchbrochenen Thürmchen, großen Thoren mit Figuren, usw. Es sind ihrer eine große Menge. Ehemals waren viele Klöster hier, (aus deren Bibliotheken auch die litterar. Schätze mehrentheils herrühren, die Nürnb. besitzt.) Die Häuser sind fast alle röthlich, und zum Theil mit Figuren bemahlt u vielen Spitzchen versehen. Daß über die Fensterladen die Figuren fortgiengen, habe ich noch nicht gefunden. – In dem Raume zwischen der doppelten Stadtmauer, (dem Zwinger,) u dem ehemaligen großen Stadtgraben, u in den Vorstädten, sind viele Gärten. – An einigen Thürmen ist hier die große Uhr, welche zu jeder Jahrszeit die Stunden von Aufgang der Sonne bis zum Untergang, u vom Untergang bis zum Aufgang zählt; so daß der längste Tag 16, der kürzeste 8 Stunden hat. Abends um 10 z. B. schlägt sie itzt 2 Uhr. – In Nürnb. sind eine sehr große Menge v. alten Stiftungen, aus welchen jährl. den Armen ein Gewisses ausgezahlt wird; auch einige Armenhäuser. Man hat ausgerechnet, daß, wer von allen Stiftungen zieht, sich jährl. wohl zu 300 fl. stehn muß. Und dennoch sind eine solche Menge Bettler in u um Nürnberg, da doch der Bürger so viel zu Armenkassen beytragen muß: – ein Beweis von der schlechten / Regierungsverfassung. – Der Preuß. Gesandte in Nürnb. ist der Graf Soden v. Sassanfras; der auch Schauspiele schreibt. Sein Legationssecretär ist Ludwig Schubart, Sohn des Dichters Schubart. – Gesellige Klubbs oder Ressourcen scheinen hier nicht zu blühen. Vor 1/2 Jahr etwa haben ohngefähr 20 hiesige Künstler einen Klubb errichtet. – Im Winter sind Concerte in den 2 großen Wirthshäusem, dem Reichsadler u d. rothen Roß. – Jetzt wünsche ich Ihnen wieder eine recht gute Nacht, denn meine Augen, die heut so viel Schönes gesehen haben, sollen sich im Schlafe von ihrer Anstrengung erhohlen. –
Nürnb. Montag, Mittags. 24. Juni.
Nürnberg ist eine Stadt, wie ich noch keine gesehen habe, u hat ein ganz besonderes Interesse für mich. Man kann sie, ihres Äußern wegen, in der Art romantisch nennen. Mit jedem Schritt heftet sich der Blick auf ein Stück des Alterthums, auf ein Kunstwerk in Stein oder in Farben. Die Brunnen der Stadt sind zum Theil Ziehbrunnen v. Stein, in dieser Form [...], zum Theil künstlich ausgehauene Springbrunnen, zum Theil wie kleine Thürme, u mit vielen Figuren. An einem Hause fand ich heut die Inschrift: Diß Haus steht in Gottes Hand, bey den Rißen (d. i. Riesen) wird es genannt; dabey waren kolossal. Figuren an der Wand gemahlt, mit den Ueberschriften: Simson, David, Goliat, der Riß Sigenot, Kayser Otto, usw. An sehr vielen Häusern sind Sonnenzeiger mit gemahlten Zifferblättern. Einen großen Theil der Stadt habe ich heut von der Burg od. Veste, übersehen, die auf einem Felsen dicht vor der Stadt liegt, u viele verwirrt gebaute Mauern u Gebäude begreift. Man sieht sie von den Bergen bey Erlangen. Auf der höchsten Spitze steht ein fester Thurm. – Die Straßen v. Nürnb. sind eben gepflastert, u reinlich, weil sie häufig abschüssig, u zum Theil mit kleinen Kanälen durchschnitten sind. Durch die Stadt fließt die Pegnitz in 2 zieml. breiten Armen. Sie hat viele alte steinerne Brücken, wovon einige überbaut sind, u eine aus einem einzigen sehr großen Bogen besteht. Wie konfus die Häuser durcheinander geschoben sind, u wie krumm die Straßen laufen, sehen Sie / auf Ihrem Grundriß. – Heute Vormittag habe ich meine 2 letzten Besuche gemacht, u wieder viel Vergnügen gehabt. H. Prediger Strobel ist Pred. in Wöhrd, einem eigenen kleinen Flecken, mit eignen Thoren, vor Nürnberg, den man aber auch wohl als eine Vorstadt ansehen kann. Er führte mich gleich, ohne meine Bitte, in seine Bibliothek. Er hat sich fast blos auf die Schriften von u über Melanchthon eingeschränkt, besitzt diese aber auch vollständiger als irgend einer. Es ist eine ganz einzige Samml. Sie nimmt 3 Repositoria ein, u beträgt über 1800 Bände. Einen Theil, den er besaß, als er Melanchthons Biographie v. Camerarius mit Noten herausgab, hat er hierin dem Titel nach angeführt. In einem eigenen Büchlein hat er nachher alle Ausgaben v. Melanchthons Dogmatik, (Loci communes heißt das Werk eigentlich,) angezeigt: Es sind 59 Ausgaben! die v. 1521-1595 herausgekommen sind. Im ersten Jahre kamen gleich 3 heraus. Von Melanchthons Annotat. ad Evang. Johannem existiren 7 Ausgaben, alle von Einem Jahr, 1523! Solche Ehre wiederfährt neuern Autoren nicht. M. hat auch fast alle Lat. u Griech. Autoren mit Anmerk. herausgegeben, u als Prof. in Wittenb. alle Akadem. Reden, über theol., jurist., medicin., physikal., mathemat. Gegenstände geschrieben. H. P. Strobel besitzt auch fast 100 verschiedene Bildnisse in Kupfer von ihm, einige Gemählde v. ihm, einige Münzen aus dem 15. Säk. mit seinem fein geprägten Bildniß, sein u Luthers Bildniß auf einer alten Fensterscheibe gemahlt, das beste Bildniß von ihm, welches v. A. Dürer ist; 2 abscheuliche Karrikaturen in Kupfer, wodurch die Katholiken ihn u Luthern haben vorstellen wollen; einige Bildnisse v. ihm in Wachs; u viele Briefe v. seiner eigenen Hand, auch einige v. Luther. M. schrieb sehr dick, grob u weitläuftig; aber Ein Brief, an den Churf. v. Sachsen ist ungewöhnlich sauber / geschrieben. Außerdem sah ich noch einige einzeln herausgekommene Gedichte v. Hans Sachs, in seltenen alten Drucken. H. P. Strobel, (ein sehr artiger Mann,) erzählte mir, daß unter den Nürnberger Webern wirkl. noch einige Meistersänger wären, die alle Jahre auf Trinitatis in seiner Kirche sich noch hören ließen, u ein gar disharmonisches Geschrey machten. Auch sagte er mir, daß wegen der Gränzen d. Nürnb. Gebiets seit 300 J. noch immer processirt würde. Vor 8 J. wären ein Paar Anspachische Husaren bey einem Gränzstreit von den Nürnb. Bauern erschossen worden. – Nun habe ich alle Bestell. v. H. P. Koch gemacht. Er hatte in Briefen die Herren auch zu Mitarbeitern an seinem Journ. aufgefordert; allein nur H. Schaffer Panzer u H. Häßlein scheinen sich dazu verstehen zu wollen; die übrigen Herren sagten mir, sie hätten ihre Zeit zu sehr mit Geschäften schon besetzt, würden aber vielleicht gelegentl. kleine Beyträge liefern. – Mein 2ter heutiger Besuch, bey dem Hn. Mechanikus David Beringer (auf dem Steig, in einem kleinen Häuschen,) ist sehr glücklich ausgefallen. H. B. ist der beßte, oder einzige Mechanikus in Nürnb., (obgleich diejenigen, welche Spielsachen, mathematische u physikal. Kunststückchen, u dergl. Waare auf den Kauf, auch optische Kasten, usw. machen, auch sich Mechanici u Optici zu nennen pflegen.) Er hat eine artige Frau; u ist selbst, was H. P. Bode wohl nicht glaubt, ein ungemein artiger, gefälliger, in der Mathematik nicht unerfahrener, u in seiner Arbeit fleißiger u sorgfältiger Mann, der v. H. P. Bode mit vieler Achtung spricht, u seinen gestirnten Himmel in seiner Werkstätte liegen hat. Zu H. P. Bodens Freude kann ich versichern, daß er in 14 Tagen ohnfehlbar die erste Erd- u Himmelskugel, ganz fertig, ihm zur Probe schicken wird, um noch zu rechter Zeit zu erfahren, ob diesem vielleicht bey der Arbeit noch ein Wunsch übrig bliebe. Alsdann verspricht er, jeden Monat ungefähr 6 Exemplare nach Berlin zu liefern. Er nimmt sich der Sache mit Eifer an, läßt alle andre Arbeit ruhen, u ist äu/ßerst bemüht, Hn P. Bode, (dessen Zeichnung, so wie Sotzmanns Stich er sehr bewunderte,) zu befriedigen. Die Ursachen die ihn bisher aufgehalten haben, sind folgende. Erstlich, Unpäßlichkeiten, die Winterwitterung; u nothwendige Arbeit v. Quadranten usw. für die Würzburg. Ingenieurs zum Kriege. Vomehml. haben ihm aber die vielen Versuche, sehr lange Zeit, u an 300 Gulden weggeworfenes Geld gekostet. Mit 4-5 Sorten Papier hat er vergebl. Versuche gemacht. Er hat sich aus der Schweiz Papier verschreiben lassen, das aber vom Firniß braun geworden ist. Endl. gelingt es ihm mit Holländischem, das er sich aus Amsterdam verschreibt, (auf dem Bogen steht: J. Howig et Zoonen,) das er aber auch erst nach Anwendung einer v. ihm dazu erfundenen Präparation brauchen kann. Dann hat es ihm sehr viel Mühe gekostet, die Himmelssegmente gut abgedruckt zu erhalten; kein Kupferdrucker hat es anfangs wagen wollen, sie 2 mal, u so zu drucken, daß die Sterne genau an ihren Platz kommen, welches besonders bey dem Blatt das den Horizont u inwendig kleine Kreise enthält, Schwierigkeit macht. Auch dazu hat er eine eigene Vorrichtung erdenken müssen. Endlich hält auch das etwas auf, daß er alles allein arbeiten muß, weil er durchaus keine Leute so schnell bis zu dem Grade der Geschicklichkeit bringen kann, daß sie es ihm recht machten. Viele Kugeln hatte er auch schon vergebens gemacht, weil er nachher sah, daß die eine Charte, die später kam, einen etwas größeren Globus erfordere. Die Kugeln formt er aus Pappe, 1/4 Zoll dick, über einer hölzernen Kugel: die Pappene wird dann aufgeschnitten, v. der hölzernen weggenommen, wieder zusammengesetzt, u mit einem dünnen weißen Ueberzug / von eigener Komposition versehen, der immer ebener u glatter polirt wird. Solcher Kugeln sah ich 25 in einem Repositorium hängen. Dann wurden die Segmente mit Kleister aufgeklebt, welches unendliche Schwierigkeit macht. Ich sah 3 Himmels- u 3 Erdkugeln so weit fertig, u fand die Segmente mit möglichster Accuratesse aufgezogen, auch schon überfirnißt. Ein Paar Gestelle, (schwarz mit etwas Gold,) standen noch besonders. Das Messing hatte H. B. eben in Arbeit. Ich habe mich sehr bey ihm divertirt; er bat mich, ihn öfter zu besuchen; u sagte mir, daß H. Heitmann in Berlin, ihn auch besucht hätte. –
Erlangen, am Abend desselben Tages.
Itzt bin ich zurück v. meiner interressanten kleinen Reise, auf welcher ich jede Stunde besetzt, u genutzt, u angenehm zugebracht, 11 merkwürd. Leute in Nürnb. kennen gelernt u vieles Sehenswürdige gesehen habe, alles für wenig mehr als 3 rthl. – Heute Nachmitt., gleich nach Tische machte H. Frauenholz, mit seiner artigen jungen Frau, noch einen Spaziergang nach Dutzendteich mit mir, den er mir gestern schon angetragen. Auf dem Wege in der Stadt führte er mich in die Lorenzkirche, die wegen ihres hohen, grauen Gewölbes ehrwürdig ist, viele bunt gemahlte Fensterscheiben hat, u ein äußerst künstliches Sacramenthäuschen, (od. Behälter für die Monstranz), aus kathol. Zeiten hat. Es ist sehr hoch, wie ein Thurm gebaut, u geht, dicht an einem Pfeiler, immer spitzer, bis zur Decke hinauf. Es ist weiß, u besteht aus dünnen Säulchen in vielen Stockwerken übereinander, Figuren, Laubwerk, u künstlich durcheinander verschlungenen Zierrathen. Die Masse soll ein klein gestoßener, u nachher auf eigne Art geschmolzener u gegoßener Stein seyn. Endlich sah ich in dieser Kirche, – oder sah vielmehr nicht, – das berüchtigte Kunstwerk, welches so künstlich ist, daß man es nicht / sehen darf. Es ist eine Gruppe v. Figuren, den englischen Gruß vorstellend, in ein einziges Stück Holz, 13 Fuß hoch, geschnitten: u zwar 1518 von Veit Stoß. Es ist in einem großen, grünen Sack versteckt, der vor dem Altar, vom Gewölbe der Kirche, zur Schande v. Nürnberg, ganz öffentlich herabhängt. Versteckte man den Sack doch auch! H. Frauenholz meynte, vornehmen fremden Personen würde er wohl geöffnet. – In der Stadt sah ich noch an vielen Eckhäusern, große Ketten hängen, womit sonst die Straßen gesperrt wurden, wenn Bürgerunruhen entstanden. – Dutzendteich ist ein Dorf, eine kleine halbe Meile hinter Nürnberg, welches den Namen v. den Dutzend Teichen hat, die herum liegen. Einer ist ein sehr großer See, ganz mit Wald umgeben: alle Jahr oder alle 2 J. wird er abgelassen, u dann waten die Fischer hinein, u fischen. (Hiervon haben sie den Kupferstich: es ist der letzte in d. Samml.) Dicht an dem See ist ein Wirthshaus, worin alle Sonn- u Feiertage, die Nürnberger u Nürnbergerinnen als zu einem Lustort sich in Menge versammeln, u wo getanzt, (beinahe blos gewalzt) wird. Beym Hause sind artige Alleen, u vorher kommt man durch einen Wald. Der ganze Weg war sehr lebendig, denn die Nürnberger lieben das Spazierengehen u Fahren außerordentlich. Es sind unter den umliegenden Dörfern noch mehrere Belustigungsörter. Die Regierung soll auch in Reichsstädten nie für das Vergnügen der Bürger sorgen, Anlagen machen, usw., wie ein Fürst. – Nürnberg nimmt sich von der Seite v. Dutzendteich, in seiner ganzen Größe u Pracht, mit allen Thürmen, unter welchen der hochstehende Thurm der Burg hinten besonders hervorragt. Am Wege sahen wir das Lager der Fränkischen Kreistruppen, v. allen kleinen Herrschaften, die schon einige Wochen hier stehen, u noch nicht vollzählig sind. Bey Fürth ist auch so ein / Lager. Die Truppen sollen in sehr mittelmäßigen Umständen seyn. – Um die Stadt herum haben die Patricier viele alte Landhäuser u Gärten. – Die Nürnberger Bauern sollen an dem jährlichen Kirchweihfeste, (nach der hiesigen Aussprache, Kirwei: eigentl. das Aerntefest, das aber in jedem Dorf zu andrer Zeit, u auch schon im Frühjahr, als bloße Volkslustbarkeit gehalten wird.) – noch nach alter Sitte, allerhand sonderbare Spiele, u Uebungen anstellen.
Als ich von Hn Frauenholz Abschied genommen, bezahlte ich im Wirthshause. Es ist sehr groß u honett. Man speist ungemein gut. Seit 1/2 J. logirten schon einige Herren u. Damen hier, die aus Frankf. am Mayn der Unruhen wegen, weggegangen waren. Der Marqueur (hier: Kellner,) sah mich, als ich zu Fuß ankam, bedenklich v. Kopf bis zu Fuß an; ward aber immer freundlicher, da er sah, daß ich doch ein ganz honetter Mensch sey, u da er mein Trinkgeld empfieng. Um 5 gieng ich aus Nürnberg fort, u habe einen sehr angenehmen Rückweg gehabt. – – Zum drittenmale wünsche ich Ihnen eine gute Nacht. Morgen werde ich Ihre Briefe beantworten, u den meinigen abschicken. Heut Abend habe ich meine Berlin. Noten, usw. mit Vergnügen hier gefunden; ich danke für alles was Sie mir überschickt haben. –
25. Juni, Vormittags.
Es freut mich, wenn es Ihnen keine Beschwerde macht, so oft an mich zu schreiben. – Die Anfrage v. H. D. Scheffler an Hn Walther, werde ich thun. – H. H. Schreber sagte mir neul. noch, daß die meerschaumenen Pfeifenköpfe, nicht aus dem Speckstein bey Wunsiedel, sondern aus einer weißen feinen, weichen Bittererde in der Levante geschnitten u in Nürnb. ganz fertig gemacht würden; zeigte mir auch einen noch ganz weißen. – An ihrem Lusthause Theil zu / nehmen haben mir die SchwedischPommem gar nicht angeboten. Ich werde sie aber da einmal besuchen. Daß Sack v. d. Gesellsch. wäre, wüßte ich nicht. Vertraute u interressante Bekanntschaft unter Studenten habe ich leider noch nicht gemacht: ein großer Theil, (die Anspacher u Baireuther,) sind zieml. roh u ungebildet; andre sind zu vornehm, u gehen großen Gesellschaften u dem Kartenspiel, u blos den Vergnügungen nach. Es sind hier aber Studenten aus sehr vielen Oertern: aus Franken, Schwaben, vom Rhein her, u aus mehrern Reichsstädten im Reich. Beym Hoffrath Meyer lernte ich einen Studenten Namens Yelin kennen, einen Verwandten v. ihm, aus dem Anspachischen, der Jurist ist, u dabey die Mathematik aus natürl. Neigung stark treibt; er wird mich besuchen; vielleicht werde ich mit ihm bekannt. Sack lebt zieml. eingezogen, ist still, u nicht recht zum Umgang. Und einen, mit dem ich v. Jurist. Sachen hätte sprechen können, habe ich bis itzt auch noch vergebl. gesucht. – Verzeihen Sie mir, wenn ich Ihnen über unsre Reise an Pfingsten noch eine Auskunft gebe. Mit der Post konnten wir nicht die Reise mit so vieler ZeitErsparung machen. Auch gehen dort nicht überall Posten. Extrapost wäre zu theuer gewesen; eine Miethsfuhre ebenfalls, u überdies weiß ein Erlanger Kutscher in jenen Gegenden den Weg gewiß so wenig als wir. Erlauben Sie mir also, Ihnen zu sagen, daß wir die Reise nicht, wie ich neul. schrieb, zu Wagen, sondern / – zu Pferde gemacht haben. Ich schrieb Ihnen dies darum nicht gleich, weil ich glaubte, Sie würden unnöthig darüber unruhig werden; allein da ich sehe, daß Sie meine Besuche der Bergwerke u Höhlen nicht gemißbilligt haben; so schreibe ich Ihnen auch jenes ganz aufrichtig. Sie müssen nur bedenken, daß wir uns die 2 dauerhaftesten u sichersten Pferde in Erl. ausgesucht hatten, die wir abwechselnd mit einem Mantelsack bepackten; daß beyde zugleich sehr gutmüthige Thiere waren; daß wir sie schon vorher auf Spazierritten probiert hatten, u ich dabey sehr gute Fortschritte im Reiten gemacht hatte; daß Miethspferde nie wild sind, zumal auf einer Reise nicht; daß ich, wie ich gewiß versichern kann, das lange Reiten sehr bald gewohnt ward, zumal da man, wenn man z. B. 6 Meil. in 1 Tag machen will, nur Schritt u kleinen Trapp zu reiten braucht; daß wir niemals um ein beträchtliches irre oder um geritten sind, weil wir in jedem Dorf, u Dörfer sind dort häufig, nach dem Wege fragten, auch zuweil. einen Wegweiser mitnahmen; endlich, daß wir in manchen engen, steinigten, bald herauf bald herunter gehenden Wegen, mit einem hiesigen Wagen schwerlich fortgekommen wären. Die Vortheile aber die man durch diese Art zu reisen hat, sind wirkl. außerordentlich. Man hängt fast blos v. sich allein ab, genießt immer freye Aussicht, kann wenn man will, sehr schnell fortkommen, u wird in der That, weit weniger müde als in einem wiegenden Wagen, weil man immer selbst thätig ist, u die Bewegung des Pferdes munter erhält. Aus Vorsicht gg. die Witterung hatte ich immer 2 / Röcke, u Ueberziehhosen an. Uebrigens kostete jedem v. uns das Pferd, nur 4 rthr! Wir waren 12 Tage abwesend, u bezahlten für den ersten u letzten Tag 1 Gulden, für die übrigen Tage, 1/2 Gulden. Das Reiten ist fast der wohlfeilste Artikel in Erl. (Manches ist ungewöhnl. theuer. Z.B. 25 Federposen kosten, 24, 36, bis 48 Kreuzer!) Allein die Reise selbst war doch nicht wohlfeil; denn ich konnte doch Tieck nicht anmuthen, für eine kurze Lustreise so viel Geld auszugeben; Sie werden mir das verzeihen. Die Reise kostet mir an 60 rthl. (Unsre Reise von Berlin, die, weil ich in den 14 Tagen in Drakendorf, nichts ausgab, auch ohngefähr nur 12 Tage betrug, kostete an 70 rthr. Das Reisen ist doch immer unvermeidlich theuer.) – H. R. R. Spieß in Bair., erinnerte sich Ihrer noch sehr wohl. Sein Namensverwandter ist in Anspach, u hat Komöd. u Romane geschrieben. – In dem Bergwerke war wirkl. keine Gefahr. Die Dünste waren gewiß nicht so ungesund, daß sie in 1/4 Stunde schaden könnten; u wenn mein Licht auch ausgienge, so wußten die Bergleute das ihrige so geschickt zu halten, daß es immer brennen blieb. Ueber den Fichtelsee liegen mehrere Stangen u Strauchwerk nebeneinander, auf welchen man gut herüberkommen kann; auch ist der Sumpf an den meisten Orten zu dieser Jahrszeit gar nicht sehr tief. – Gestern habe ich einen Brief v. Wißmann bekommen. Grüßen Sie seine Mutter, wenn Sie sie sehen. – Es freut mich sehr, daß Mams. Boden in der Singstunde ist: das ist eine herrliche Anstalt! Dem Hn P. Bode, u Hn P. Herbst danke ich sehr für ihre Briefe. Jenen läßt H. Hoffr. Meyer grüßen, wird mich auch einmal etwas an ihn einlegen lassen. – Wird H. R. Zöllner seine Reise nach Hamb. auch drucken lassen? – H. Borsch etc. grüßen. – Tieck hat die Pfingstreise ganz ungemein gefallen. – Unter Anwünschung der beßten Gesundheit bleibe ich, Ihr Gehors. Sohn,
W. H. W.