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Wilhelm Heinrich Wackenroder to Christoph Benjamin Wackenroder, Christiane Dorothea Wackenroder TEI-Logo

Reise nach Bamberg.
Erlangen, Dienstag, d. 23. Juli. 1793.
Theuerste Aeltern,
Am Donnerstag Abend, den 18ten Juli erhielt ich Ihren angenehmen Brief vom 13ten. Allein ehe ich Ihnen darauf antworte, muß ich Ihnen, indeß Sie die Beschreibung meiner Reise nach Altorf lesen, schon wieder von einer neuen Reise Nachricht geben, durch die ich besonders eine für mich ganz neue Welt, die katholische Welt, kennen gelernt habe. Um Erl. herum ist in der That gewaltig viel zu sehen; und ich werde durch die Addressen der gefälligen Professoren vorzüglich in den Stand gesetzt meine kleinen Reisen zu nutzen. Und da ich einmal jetzt hierzu die beßte Gelegenheit habe, so glaube ich die Zeit dazu gewiß nicht vergebens anzuwenden. Es freut mich nur, daß meine umständlichen Beschreibungen Ihnen nicht langweilig sind; ich werde also immer suchen Ihnen so viel als möglich Beobachtungen mitzutheilen. Der Fränkische Kreis bietet noch viele Gegenstände der Untersuchung dar. Das ganze Baireutherland hat außer Füssel (in seinem Tagebuch auf einer Reise durch Franken,) noch keinen einzigen Reisebeschreiber gefunden, u verdient doch so sehr einen gründlicheren u besser darstellenden Beobachter. Von Bamberg läßt sich noch manches neue sagen. Usw.
Meine neuliche Reise nach Bamberg hatte eigentlich einen Mißverstand zum Grunde. Ich hörte in Erl. daß an dem Feste des Heil. Heinrichs, (Kaiser Heinrichs 2, der 1007 das Bißthum stiftete,) dort eine Procession seyn würde; allein als ich ankam, erfuhr ich, daß sie erst 8 Tage nachher seyn würde, weil die Dohmherrn von Bamberg vorher auch der Procession in Würzburg beywohnen mußten. So ist auch die Procession am Frohnleichnamsfeste immer 8 Tage nach dem Frohnleichnamstage, der den 30. Mai fiel. Diese beyden Processionen sind übrigens die einzigen, die alle Jahre in Bamberg gehalten werden; / ehemals waren sie noch weit größer, aber auch tumultuarischer, da die ganze Bürgerschaft, nicht bloß ein kleiner Theil, wie jetzt, mit aufzog. Auch fiengen schon in der Nacht vorher immer die ausgelassensten Trinkgelage u der wildeste Lärm an. Allein seit etwa 10 J. ist dieser Unfug durch Verordnungen sehr gemindert. – Schade war’s, daß Tieck die Reise nicht mitmachte, was ihm u mir nachher leid that; allein er hatte zu thun, u ich ward, da ich nicht viel länger als einen Tag in B. zu bleiben rechnete, wider meine Absicht, fünf ganzer Tage dort aufgehalten, u zwar durch nichts als die über alles freundschaftliche Aufnahme die ich, besonders bey Einem Manne fand, der mich so sehr für den Verlust der Procession entschädigte, daß ich sie ganz vergaß, u den Tieck ein andermal kennen lernen muß. Die Procession ist auch vielleicht nachher gar nicht an dem Tage gewesen da sie seyn sollte, weil (Sonnab. d. 20 Juli, Morgens v. 7-9 etwa,) sehr regnichtes Wetter war.
Schon vor einiger Zeit hatte der H. Harleß mir von freyen Stücken eine Addresse an seinen Freund, den Buchhändler Göbhard in B. versprochen. Diese gab er mir jetzt, und sagte mir zugleich, daß H. H. Glück dort auch genauere Bekanntschaft habe. Ich gieng also auch zu diesem, u erhielt von ihm, auf meine Anfrage, ob er in B. etwas zu bestellen habe, 2 Pakete mit Briefen, die er grade dahin befördert haben wollte; eins an den geistlichen Rath Schott (Prof. Jur. Canonici bey d. Universität, mit dem Titel, Hochwürden-Magnificenz,) u das andre an den Professor der Theologie, Hn Sauer, der in Erl., wo ein kathol. Bethaus ist, kathol. Prediger war, u erst seit 8 Monaten bey d. Univers. in B. angestellt ist. Dieser war der vortreffliche Mann, der mich mit der zuvor/kommendsten Bereitwilligkeit, mit allem Aufwand an Zeit u Mühe, u dabey mit der anspruchslosesten Ungezwungenheit, und mit herzlicher Theilnahme, herumführte. Er ist ein Mann in seinen beßten Jahren, und, wie ich von jedem in B. u Erl. mit großem Vergnügen hörte, überall wegen seines edeln u freundschaftlichen Charakters beliebt u geschätzt. Vom H. Glück ist er ein besondrer Familienfreund. Ich bewunderte seine Güte gegen mich, (die so weit gieng, daß er mit mir gar auf einen Tag nach Banz fahren wollte, was ich mir aber des Zeitmangels wegen noch aufschob,) desto mehr, da er schon fast 8 Tage lang einen reisenden Magister aus Stuttgart, Namens Hoffsteter, herumgeführt hatte, den ich bey ihm noch kennen lernte: einen Menschen, der alle Höflichkeit mit einer trübsinnigen Kälte erwiederte; der so aufgeklärt war, daß er mir gestand, er sey über alle Maaßen froh, sich bald aus dem Katholischen heraus gerettet zu sehen; der mich mit großer Heiligkeit nach Silberschlags Ruf u Ruhm in Berlin befragte; u der, – ein Zug, welcher nicht charakteristischer seyn kann, – um keiner andern Ursache willen nach Berlin zu gehen Lust hatte, als – um sich unter Hermes zu bilden, – von dem ich doch Katholiken wie Protestanten, mit Befremdung u Lächeln zum wenigsten, sprechen gehört habe. – H. Prof. Sauer führte mich an die meisten Orte hin; außer ihm, ein gewißer Meyer, (Studios, jur. u Sohn des Burgemeisters Meyer,) mit dem er mich bekannt machte; – u der Sohn des Hn. Buchh. Göbhard, der selber Geschäfte hatte. Beyde waren sehr gefällig gegen mich.
Da ich am Donnerstag Abend vor meiner Abreise, / im hiesigen musikal. Klubb das Konzert von Haydn meinem Versprechen gemäß, spielen mußte, u da ich glaubte, das Heinrichsfest würde Freytags den 12ten als am Heinrichstage seyn, da es doch erst am Sonnabend d. 13 Juli, also wie zu meinem Geburtstage angestellt war! – so wußte ich kein andres Mittel als in der Nacht schnell mit Extrapost hinzufahren. Die Nacht war auch so sternenhell, u so gelinde kühl, daß mich mein Entschluß gar nicht reute, u ich mich von der Hitze, die seit meiner Reise nach Altorf gewesen, u erst vor ein Paar Tagen so plötzlich vergieng als sie kam, sehr angenehm erhohlte. Um 83/4, Abends fuhr ich in einer Kalesche ab, um 31/4, Morgens, kam ich an. Die Entfernung wird 5 Meil. gerechnet, beträgt aber wohl nur 4. Auf Eine Meile zahlte ich für das Pferd, 1/2 fl. (7 g.). Vor Forchheim fangt eine herrliche Chaussee an, auf der man bis B. in Einem Trabe fortrollt. In Forchheim ward ich nur 1/2 Stunde aufgehalten. Da diese Bambergische Stadt eine Festung ist, u des Nachts gesperrt wird, mußte ich hier 20. X Sperrgeld bezahlen. – In B. logirte ich im weißen Lamm, einem sehr honetten Gasthofe, und speiste an der Table d’Hôte wo alle Tage fast andre Durchreisende meine Gesellschafter waren. Die Passage ist hier sehr stark, wie in Erl. – Auf meiner Nachtreise ergötzte ich mein Ohr an dem einsamen Rauschen der Wasserräder, die in der Regnitz in beständiger Thätigkeit sind, die Wiesen zu bewässern. – Hinter Forchheim kam ich beym Tagesanbruch durch die 2 großen u wohlgebauten Bamb. Dörfer Hirschaid und Strullendorf. – Ich werde Ihnen nun im Zusammenhang / alles erzählen, was ich von B. aus Reisebeschreibungen, usw. (denn eine vollständige u ausführliche Beschreibung von B. hat man noch nicht,) aus Erzählungen der Männer die ich dort kennen lernte, u vomehml. aus eigener Ansicht, gelernt habe.
Bamberg hieß ehemals: Babenberg, (wie ich noch auf mehreren Grabschriften im Dohm, usw. fand,) Pappenperc, Papinburk, welches entweder so viel als Pfaffenberg, oder: eine auf (baben) dem Berge liegende Stadt bedeutet. Sie liegt wirkl. auf mehreren beträchtlichen Hügeln, deren Zahl man, wohl ziemlich willkürlich, auf 7 festgesetzt hat. Theils deswegen; theils wegen des seltenen Reichthums an den herrlichsten Feld- u Baumfrüchten, theils weil ehemals in dem Garten des alten bischöfl. Schlosses die Orangerie in bloßer Erde stand, hat die Stadt sich schon lange den ehrenden Titel des deutschen Roms, das Land, des deutschen Italiens erworben. Der H. Rath Schott, der in Rom gewesen ist, fand wirkl. Aehnlichkeit in der Lage beyder Städte gegen die Berge, nur sey es hier nach Süden, was dort nach Norden wäre. Die Stadt hat Thore, aber keine Mauern, daher sie zu den 7 großen Dörfern in Deutschl. gezählt wird. Ohngeföhr hat sie diese sonderbare Gestalt:
[...]
Die großen Vorstädte laufen wie Krebsscheeren aus, u das Ganze gleicht 2 Parallellinien. Die Rednitz oder Regnitz durchfließt die Stadt in 2 HauptArmen. Der breitere ist / eigentlich nur ein Kanal, wodurch das Wasser, beym Ueberfluß desselben, abgelassen wird; aber grade in diesem Kanal ward 1784 von der großen Ueberschwemmung, (von der ich auch bey Dresden hörte u Merkzeichen sah,) die schönste steinerne Brücke weggerissen, statt deren jetzt 2 schlechte hölzerne mit Sprengwerken erbaut sind. Itzt war dieser Kanal fast ganz versandet. Auf den Brücken hat man eine schöne Aussicht auf die Berge außer der Stadt, auf beyden Seiten; u man kann sich dabey lebhaft an den noch reicheren Prospekt von der Dresdner Brücke erinnern. Die Regnitz fällt hinter B. in den Main. Sie giebt zu einer starken Schiffarth Anlaß, u führt jetzt sehr viel Getreide u Furage nach der Preuß. u Kaiserl. Armee. In meinem Wirthshause logirte seit einigen Wochen schon ein Komissarius aus Anspach, der dergl. hier aufkaufte. Bamberg ist mit ebenen, glatten, weißen Kalksteinen gepflastert, wie alle Städte in Franken die ich gesehen habe. Dies Pflaster, wenn es neu u gleich ist, ist zu glatt für die Pferde; u beym Sonnenschein blendet es. Der Einwohner sind über 20,000, vielleicht bis 24,000, welche die Straßen sehr volkreich machen. Protestanten haben keinen öffentl. Gottesdienst. Die Juden geben jährl. 10 fl. Schutzgeld, u einige Arten des Handels sind ihnen untersagt. Die Einwohner geben sonst äußerst wenige Abgaben. Der Bischoff, (er steht unmittelbar unter dem Pabst,) wird gewöhnl. der Fürst genannt. Der jetzige, Franz Ludwig, ist / ein vortrefflicher Herr, in jeder Rücksicht, der aber demungeachtet in seinem Lande, von dem gemeinen Mann wenigstens, verkannt, oder nicht genug geschätzt wird. Sein Bildniß, das aber nie getroffen seyn soll, sich aber doch immer sehr gleich sieht, hängt mehrmals in allen Klöstern, usw. Er war neulich 1/2 J. in B. gewesen. – Daß die geistige Kultur hier weit geringer sey, als in Würzb. u Banz, u daß die gelehrte u artistische Industrie hier sehr wenig bedeute, ist die allgemeine Klage. Die Katholiken die ich kennen gelernt habe, waren nicht orthodox, u lächelten selbst über die Sonderbarkeiten ihrer Religion. Der Charakter der Bamberger soll im allgemeinen, Biederherzigkeit, Phlegma, Aberglaube, u häufiges BierTrinken seyn. Die vielen Feiertage laden in allen kathol. Ländern zum Müssiggang ein. Die katholische allgemeine Nationalphysiognomie ist sehr auffallend u kenntlich, besonders bey den Frauenzimmern. Sie sind mehrentheils klein, nichts weniger als schön, u haben eine eingedrückte Nase. Die Bürgerinnen tragen Mützen die über beyde Ohren spitz herunter laufen, u hinten, wo sie kurz sind, einen steif aufgeschlagenen Chignon sehen lassen. Ihre Kartuschen gehen, ohne alle zierliche Besetzung unten, fast so weit als der Rock hinunter; u haben, wenn sie nicht am Arm bis auf die Hand reichen, herabhängende Aermel, die beinahe das Knie berühren. Einige haben auf dem Kopf ein kleines, hohes, aus lauter krausen Falten sehr steif zusammengesetztes Kopfzeug. /
Die Häuser sind großentheils ziemlich gut gebaut u lange nicht so antik als in Nürnberg. Aller angewandten Mühe ungeachtet, habe ich keinen Grundriß der Stadt, noch weniger, Prospekte von den schönen Gegenden umher, auftreiben können. So geht es, wenn nicht Künstler genug sich der Natur annehmen. Andre Gegenden, die an Künstlern reich sind, u weit weniger des Zeichnens werth sind, werden bis zum Ueberfluß in Kupferstichen bekannt gemacht. – Um B. ziehen sich ebene Felder, auf denen das Gelb des reichen Getreides, mit dem frischen Grün der Gartengewächse, in laufend kleinen Landstücken abwechselt, u durch die vielen Obstbäume, die in den Feldern zerstreut stehen, noch bunter u mannigfaltiger wird; – in der Nähe liegen dicht bewaldete Bergketten, bald näher bald entfernter; so heiter u schön, als groß u ernsthaft. Auf einer hohen Spitze erblickt man das Schloß Giech, das 2 Stunden v. B. liegt, u sonst als Jagdschloß gebraucht ward. In der Nähe desselben befindet sich itzt eine Stuterey. – Eine der größten Merkwürdigkeiten Bambergs ist der bedeutende Obst- u Gemüsebau, (s. die Beyträge zur Statistik u Geographie von Bamberg.) Die Gärtner, (welche sehr geschickt sind,) wohnen alle in einer Vorstadt zusammen, bilden eine eigene handwerksmäßige Zunft, die 6 bis 700 Meister hat, u haben ihre eigenen Gebräuche. Sie müssen auch ein Meisterstück machen. Diejenigen z. B., die blos Süßholz bauen, / (denn dieser Artikel wird hier sehr stark, u von einigen ganz allein gebaut,) müssen dies Gewächs mit allen seinen feinen Wurzeln aus der Erde so künstlich ausgraben, daß sie keine Faser zerschneiden. Ihre Kultur des Bodens, u Methode dabey ist vortrefflich; sie nutzen Ein Stück Land des Jahres wohl 5 bis 6 mahl, daher sie auch ein kleines Stück unverhältnißmäßig theuer anzukaufen pflegen. An mehreren Orten sah ich auch auf den Feldern zweyerley Gartengewächs auf Einem Lande untereinanderstehen. In einigen Bambergischen Dörfern u Flecken, z. B. Neukirchen, usw. sind große Baumschulen, woraus die Bäume von den Bauern häufig bis nach Rußland u Ungarn gebracht werden. Das Obst ist hier ganz vorzüglich: alle Arten werden in der Stadt in Menge verkauft; auch nach Erl. kommt fast lauter Bamberger Obst. Die weißen Herzkirschen sind so weich u röthlich, daß sie ganz anders aussehen u schmecken als in Berlin. Alle Kirschen sind vorzüglich groß u süß. Das Hundert kostet 4, bis 1 Kreuzer. Das Bambergische Gemüse wird zu Schiffe u zu Lande, beständig, Tag u Nacht u hindurch, weit verfahren: bis nach Baireuth, Hessen, Sachsen, Böhmen, ja sogar bis nach Wien.
Ich komme nun auf die einzelnen Merkwürdigkeiten der Stadt. – Das bischöfliche Schloß, welches gewöhnl. hier die Residenz genannt wird, heißt die Petersburg, liegt auf einer Anhöhe, dem Petersberge, von dem / man schon ein Stückchen der Bambergischen Gegend übersieht; u ist 1702 in Italiänischem Geschmack erbaut. Es ist gelb, u hat eine edle Façade. Inwendig sollen gute u schlechte Gemählde hängen. Beym Schloß auf derselben Anhöhe, steht der Dohm, (das Tuhm, wie man hier sagt,) oder die Dohmkirche zu St. Georg, die 1110 von dem Bischoff Otto 8 erbaut ist, schwarz, u mit künstl. gothischen Zierrathen bedeckt ist, u 4 mit Bley gedeckte gothische Thürme an den 4 Ecken hat, die sich in der Ferne sehr gut ausnehmen. Die Thürmchen, Spitzen, Einfassungen, Geländer, u andre Zierrathe an dergl. goth. Kirchen sind so bunt u kraus aus dem festen Sandstein geschnitten, u so fein u künstlich gearbeitet, wie die Tempel von Tragant, die man beym Conditor sieht. Vor der Kirche liegen 2 alte Thierfiguren von Sandstein, die so plump u unförmlich sind, daß man kaum Augen u Maul an ihnen erkennt. Sie stellen die Thiere vor, die beym Bau des Dohmes, alle Nächte die Steine auseinandergetragen u zerstreut haben sollen; wie man denn dergl. Mährchen in B. noch mehrere hat. Vielleicht sollen es Löwen seyn. Linné nennt sie, Bufones Bambergenses. – Inwendig enthält der Dohm einen unbeschreiblichen Reichthum von alten Gemählden, Grabmählern, Basreliefs, usw. Man findet dergl. in allen kathol. Kirchen, nur nicht immer in solcher Menge. Es kann sehr interressant seyn, alle diese Denkmähler der alten Kunst genau anzugeben, u zu beschreiben; aus den alten Inschriften ergibt sich vielleicht manches neue Datum zur Landesgeschichte; u unter den Gemählden u andren / Kunstwerken findet man zuweilen Meisterstücke versteckt, oder doch Seltenheiten in Ansehung des Alterthums. Man kann dies hier um so bequemer ausfuhren, da alle kathol. Kirchen gewöhnl. den ganzen Tag, außer Mittags, offen stehen; u man die wenigen Leute die etwa für sich zu verschiedenen Zeiten in den Kirchen beten, nicht stört. Allein, alle Inschriften, die oft hoch, oft in dunkeln Winkeln angebracht, (der Dohm ist besonders dunkel,) oft verwischt sind, alle durchzusehen, die Vorstellungen der historischen Basreliefs, usw. alle anzugeben, dazu gehört Zeit u historische Kenntniß; u alles muß man nothwendig durchgehen, wenn man auf Entdeckungen ausgeht. Eben so gehört nicht nur Zeit, sondern vornehmlich viel kritische u praktische Kunstkenntniß dazu, alle Gemählde, ihrer Schönheit sowohl als ihrem Alter nach, zu untersuchen, u in einem, bald durch die Zeit, bald durch einen schlechten Firniß verdorbenen Stück, die Hand dieses oder jenes Virtuosen der Kunst, zu entdecken. Sogar der simpelste Genuß dieser Kunstwerke ward mir oft versagt, weil sie nicht selten hoch oder im Finstern hiengen, und katholische Heiligenlegenden vorstellen, die unser einer nicht kennt. Also konnte ich in diesem reichen Felde wenig ärndten. Die Gemählde im Dohm sollen von guten alten deutschen Meistern (Oswald, Merian, usw.) u von Italiänischen, sogar ein Paar von Raphael u Michelangelo seyn. Ob dies gegründet sey, kann ich nicht entscheiden; einige Stück waren wirkl. schön; aber es ist möglich, daß auch viele schlechte oder / mittelmäßige drunter sind, wie man denn gewiß eine solche Mischung, in allen alten Kirchen u Klöstern antrifft, die in dieser Rücksicht noch nicht hinlänglich von Kennern durchsucht sind. – Im Dohm schrieb ich mir folgende interressante Inschrift von dem Grabmal des vorigen Bischoffs, worauf er knieend vorgestellt ist, ab: sie ist mit lauter großen, goldenen Buchstaben in schwarzem Marmor eingegraben:
D.O.M.
Venerare. viator. cineres.
Reverendissimi. ac. celsissimi. S.R.I. principis.
Et. Franciae. orientalis. ducis.
Adami. Friderici.
Ex. illustrissima. prosapia. S.R.I. comitum.
A. Seinsheim.
Nati. xvi. Febr. 1708. electi in Episc. Herbipol. 7. Januar. 1755.
In. Episc. Bamberg. 21. April. 1757.
Denati. 18. Febr. 1779.
Qui.
Placens. Deo. et. hominibus.
Samuel.
Regendis. ecclesiis. electus. a. Domino.
Sadoc.
Instituendo. perpetuam. Christi. eucharistici. adorationem. religioni.
Melchisedec.
In. lucrandis. ecclesiae. proselytis. zelo.
Paulus.
Subditis. belli, temporibus. vigilantia.
Onias.
Populo. inedia. tabescenti. providentia.
Joseph.
Paperibus. misericordia. et largitate.
Tobias.
Litteris. ac. eruditis. protectione.
Ptolemaeus. /
Amicis. suis. fidelitate.
Jonathas.
Exteris. sapientia. ad. stuporem.
Salomon.
Omnibus. comitate. et. mansuetudine.
David.
Vivus. patriae.
Pater.
Defunctus. ut. speramus.
Jeremias.
Qui. multum. orabit. pro. populo. et. civitate.
Requiescat. in. pace.
So anziehend auch beym ersten Anblick die Manier dieser Inschrift ist, so glaube ich doch, daß sie bessere Wirkung thun würde, wenn sie, statt so vieler Exempel, zu denen man immer gereizt wird, noch einmal so viel nach Willkühr hinzuzuthun, nur etwa 3 enthielte. Aber so scheint es, als hätte der verstorbene Bischoff die Vollkommenheiten aller großen Männer des alten u neuen Testaments gehabt, unter denen sich überdies noch sehr sonderbar der Aegypter Ptolemäus verirrt hat. Es würde mich freuen, wenn H. P. Ramler, der den Lapidarstyl theoretisch u praktisch so gut versteht, ein ähnliches Urtheil fällte. – In der Dohmkirche sind fast alle Bischöfe v. B. begraben: sie sind in Stein an den Wänden u Pfeilern zugleich vorgestellt, u dabey sind lange Inschriften. Horizontal liegend fand ich ein steifes Basrelief, das einen Bischoff aus dem Ende des 13. Säk. in Lebensgröße vorstellte. Unter dem Hochaltar ward 1147 das Grabmal Kaisers Heinrich 2. u seiner Gemahlinn Kunegunde erbaut. Auch Kaiser Konrad 3. der 1152 in Bamb. starb, liegt im Dohm begraben. Ein kleines hölzernes Krucifix im Dohm, soll aus Jerusalem gekommen seyn. An den Wänden hängen verschiedene ge/druckte Tafeln unter Rahm u Glas, worauf zu lesen ist, welchen Heiligen die 7 Altäre der Kirche geweiht sind, – wann ehemals der Pabst dem Meßelesen vor dem Hochaltar die Kraft der Absolution von Sünden ertheilt habe, – daß, wer an Festtagen vor den 7 Altären fleißig um Erlösung der christkatholischen Kirche, und um Vertilgung der Ketzerey bete, Ablaß erhalte, – usw. – In einer ziemlich großen Nebenkapelle des Dohms, (dergl. alle kathol. Kirchen mehrere haben,) sind an den Wänden, dicht nebeneinander, wohl an 80 Abbildungen der hier begrabenen Dohmherm, en basrelief in Metall. Einige sind blos mit Furchen in das Erz hineingezeichnet. Die alten haben alle, Troddeln am Saum ihres Kleides. Jeder ist mit einer Unterschrift versehen. – Beym Dohm ist eine Bibliothek die große Seltenheiten u viele noch unbekannte Handschriften, usw. enthält, aber, zum Aerger der Bamberger selbst, Fremden nur mit großen Schwierigkeiten, u nur eine sehr kurze Zeit gezeigt wird. Der Dohmschatz, der ungemein reich an Reliquien, an Kronen, Kleidungen u andrem prächtigen Schmuck der ältesten Kaiser, usw. ist, mit bischöflicher Erlaubniß sonst gezeigt, u bey der Procession am Heinrichsfeste sonst auch zum Theil mit herumgetragen wird, ist jetzt schon eine Zeitlang, aus Furcht vor den Franzosen, in Kisten, wie in ein Gefängniß, eingepackt, und, man weiß selbst nicht wohin, in Sicherheit gebracht. – In diesem für mich so merkwürdigen, antiken Dohm, wohnte ich am Heinrichsfeste, mit der größten Theilnahme, dem Hochamte bey, das (am Sonnabend,) von 9-10, nach der Predigt gehalten wurde, u überall an jedem Festtage gehalten wird. Hier im / Dohm verrichtet es sonst der Bischoff selbst, u in seiner Abwesenheit der Weihbischoff; da dieser aber krank ist, der Domdechant oder Statthalter, der der erste unter den Domherren, (die eigentl. Canonici der Dohm- oder Kathedralkirche sind,) u der erste nach dem Fürsten ist. Auf den Straßen waren überall Blumensträuße zu verkaufen, die man überall mit in den Dohm nahm; u vor diesem, saß eine Frau die Rosenkränze u Scapuliere zu verkaufen hatte. Ich kaufte mir einen Rosenkranz für 3 X. (nachher habe ich mir in einem Laden einen besseren, zum Andenken gekauft,) u ein Scapulier. Dies ist eigentl. der Name eines Tuchs, das einige Ordensgeistlichen vorn u hinten lang herunterhängen haben. Allein man nennt auch kleine Bilder so, die durch 2 Bänder aneinander befestigt sind, u die man auf dem bloßen Leib als Amulete, eines vorn, eines hinten trägt. Auf dem meinigen steht Maria mit Christo, u ein Kopf mit der Unterschrift: „Wahre abbildung des H. Anastasy Mart.“ (Märtyrers) „Carmel. Ord. durch dessen ansehen die Teuffel und gespenst auch kranckheiten vertrieben werden; bezeigt das 2 Mœn: consilium.“ Die Bilder sind auf einem Zeug, schwarz aufgedruckt. – Als ich in die düstre, ehrwürdige Kirche hinein trat, fand ich sie schon ziemlich angefüllt; ich drängte mich bis vor den Hochaltar u erwartete nun die feyerliche Scene. O! und wahrlich, ich hatte nicht zu viel erwartet. Alles war mir neu, u die Cäremonien, die in jeder Minute immer bestimmt, wechselten, machten, je geheimnißvoller u unverständlicher sie mir waren, einen desto stärkern / u wunderbaren Eindruck auf mich. Ich stand unter lauter Katholiken, Männern, Weibern und Kindern; einige lasen beständig in Gebetbüchern; andre beteten stehend an ihrem Rosenkranz; noch andre lagen andächtig auf den Knieen dicht neben mir. Hier habe ich recht deutlich bestätigt gefunden, wovon Nicolai erzählt: jenes starre Aufschlagen des Blickes beym Gebet, der plötzlich, ohne bey irdischen Gegenständen zu verweilen, zum Himmel emporflammt; jene unansehnlichen, schnellen u stummen Lippenbewegungen, beym Beten; jenes Bekreuzen in heiligem Eifer; jene inbrünstigen, festen Schläge auf die Brust, die, mit dem ausdruckvollsten Blick gen Himmel, u mit einem tief heraufgehohlten Seufzer begleitet, etwas ganz besonders pathetisches haben. Alles dies sah ich bey Alten, wie bey Kindern; ältere Kinder stießen die jüngeren an, es so zu machen, wie sie. Der geübteste Schauspieler kann ein feuriges Gebet nicht treuer u vollkommner darstellen, als es diesen Leuten zur Gewohnheit geworden ist, u als ich besonders an einem kleinen Mädchen bemerkte. Man wird hier ganz in den kathol. Geist eingeweiht, u fast gereizt alle Cäremonien mitzumachen. – Jetzt wurden am Hochaltar, der roth ausgeschlagen ist, eine Menge Lichter angesteckt. Jeder der vor diesem Altar vorbeygieng, beugte sein Knie. Nun stellten sich 4 bis 5 Geistliche in prächtigen Meßgewändern, die grün, und mit gold, mit roth u weiß, großblumig gestickt waren, auf die / Stufen des Altars, u fiengen das Hochamt an, das durchaus lateinisch gehalten wird, aber für das Volk in deutscher Uebersetzung zu haben ist. Einmal sang die ganze Gemeine etwas Lateinisches. Das Hochamt selbst bestand in einer Menge v. Cäremonien, alle aufs Haar bestimmt, für mich aber meistentheils unverständlich. Bald las oder sang dieser oder jener Geistliche, mit rauher, eintöniger u widriger Stimme, Gebete oder Stücke aus der Bibel, u zwar bald vor dem Altar, bald vor einem Pult, dem Altar gegenüber, wo ihm niedrigere Geistliche, in weißen engfaltigen Chorhemden mit schwarzem Kragen, ein Paar Lichter tragend, zur Seite standen; bald nahmen die Geistlichen dies oder jenes auf dem Altar vor; bald wechselten sie ihre Plätze, knieeten hier u dort, auf dieser u jener Stufe; bald unterbrach sie die Orgel bey jeden 2, 3 Wörtern, u unterstützte ihren Gesang, von dem ich immer nur einzelne Worte, ein Dominus vobiscum, und: In saeculo saeculorum, die oft wiederhohlt wurden, verstand; bald wurden mit der Begleitung von Violinen usw. in einem andern Theil der Kirche, Arien u Chöre gesungen; bald ward die Hostie auf dem Altar mit einem silbernen an Ketten hängenden Rauchfaß beräuchert; bald gieng ein Geistlicher mit demselben, ans andre Ende der Kirche, u kam dann wieder, wobey immer ein Soldat mit dem Gewehr vor ihm hergieng, denn auch vor dem Hochaltar, dicht vor mir, standen 4 Soldaten; usw. Auf den Seiten saßen die Domherren in weißen Chorhemden mit einem rothen Kragen: auch zu diesen / gieng der Geistliche mit dem Rauchfaß, schwang es gegen sie in die Höhe, u beräucherte sie; welches mir sehr auffiel. Auch reichte er nachher eine Reliquie des heil. Heinrichs, in ein vergoldetes Gestelle prächtig gefaßt, unter ihnen herum; jeder küßte es, u wischte es dann mit einem Tuche ab. Am feierlichsten aber war’s, als ein anderer Geistlicher, das auf dem Altar stehende Ostensorium, (ein blinckendes, wie kristallenes Gehäuse, worin die Hostie ist,) dem Volke vorzeigte: dabey ward geklingelt, die Soldaten präsentirten das Gewehr, nahmen ihre Mützen ab, u fielen aufs Knie. Die ganze Gemeine fiel nieder u bekreuzte sich, u schmetternde Trompetten erschallten, u verlohren sich in langgezogene Hörnertöne. Ich fiel mit aufs Knie, denn ich hätte mich gewiß dem Unwillen der Leute ohnedies ausgesetzt; auch würde es mir in der That Mühe gekostet haben, so isolirt stehen zu bleiben, da eine ganze Welt um mich herum niedersank, und mich alles zur höchsten Andacht stimmte; mir würde hier gewesen seyn, als gehörte ich nicht zu den Menschen. – Nach geendigter Feierlichkeit blieben noch viele Leute in der Kirche: wohnten am Hochaltar der Messe bey; – oder beteten knieend für sich an Nebenaltären; – oder drängten sich in der Nebenkapelle die Reliquie zu küssen, die ein Geistlicher herumreichte. – Am folg. Tage (Sonntags,) gieng ich um 8 Uhr in den Dohm, um die Predigt / anzuhören. Mir begegnete ein ziemlich großer Zug von Leuten, denen eine rothe Fahne, Fackeln, usw. vorgetragen wurden; der Prof. Sauer führte sie an; es war seine Gemeine, (denn er ist zugleich Prediger,) die er, wie an manchen Tagen üblich ist, nach dem Dohm führte. Hier erfuhr ich an mir selbst den religiösen Eifer eines Katholiken. Die Procession gieng mit bloßem Haupte: ich grüßte sie, wie jeder Vorbeygehende; allein da ich weiter neben sie her gieng, u den Hut wieder aufgesetzt hatte, fieng endlich einer der Bürger sehr unwillig u ernstlich an: „So ein Spitzbube! Vor einer Procession nicht einmal den Hut abzunehmen!“ Ich verwunderte mich; zog ihn ab, u gieng ganz ruhig mit bloßem Kopfe nebenher. – Ich sah in Bamb. auch noch ein Paar andre, ganz kleine Processionen: Einmal die DominikanerMönche, die in ein Sterbehaus giengen, um der Leiche zu folgen; ein andermal einen Geistlichen mit der Hostie, voran einen der ein hohes Kreuz trug, zur Seite 2 Männer mit Stangenlaternen, u 2 Soldaten; diese giengen zu einem Kranken hin, der Geistliche gieng ins Haus hinein, um ihm das Abendmahl zu geben; die übrigen blieben vor der Thür stehn u sangen. Alle Leute fielen auf der Straße vor der Hostie auf die Kniee nieder. Die Hostie muß immer beleuchtet seyn, daher auch an dem Hauptaltar in jeder Kirche beständig, Tag u Nacht, eine Lampe brennt. Aber auch an Nebenaltären, u andern Orten in den Kirchen, brennen beständige Lampen, wenn es durch Stiftungen verordnet ist, wie öfters geschieht. – Doch ich / komme auf die Predigt im Dohm zurück. Sie handelte vom ungerechten Haushalter. Der Geistliche hatte eine starke Deklamation, u brauchte einige affektvolle Wendungen, besonders um die Gemeine zu schelten, u sie recht in ihren Sünden vorzustellen. Dogmatik war weniger in der Predigt als ich erwartete, aber dem P. Sauer immer noch zu viel. Die Gemeine redete er mit: Sie, und: Hochansehnliche Zuhörer, an. Oft rief er den heiligen Heinrich an, u wandte sich nach seinem Grabe zu, worauf dann die Gemeine, eben dahin gewandt, immer das Knie beugte, welches viel Eindruck machte. Am Ende ward auf den künftigen Sonntag, das Fest des heil. Jakobs im Stift zu St. Jakob, u das Scapulierfest bey den Carmelitern, angekündigt; diese Ankündigung fand ich nachher auch an den Kirchenthüren angeschlagen.
Ich will bey Kirchen, Stiftern u Klöstern bleiben. – In der Pfarrkirche unsrer lieben Frauen, findet man 2 recht große Basreliefs, schön in Holz geschnitten, die in Schellenbergs Gesch. d. Pfarre zu uns. l. Fr. in Bamb. 1787. 8. in Kupfer gestochen sind. – In der Martinskirche, die der Pöbel sehr mit Unrecht für einen alten heidnischen Tempel hält, sah ich 2 große, glänzend vergoldete Figuren, wie man öfters hier findet. In der Kirche des Stifts Gangolph hängen große Tierknochen, die für Riesenknochen ausgegeben werden. – Die Universitätskirche ist in einem auffallenden Italiänischen Geschmack erbaut, u steht am Markt / (auf welchem auch eine alte Statue des Neptuns v. Stein auf einem Brunnen zu bemerken ist.) Inwendig ist sie hell ausgeweißt, wie mehrere Kirchen in B., die dadurch inwendig ein sehr heiteres und neues Ansehen erhalten; hat eine schön gemahlte Kuppel, u ein herrliches, großes Altarblatt, für dessen Meister Raphael angegeben wird. – Häufig trifft man in den Kirchen Heiligenbilder an, auch sehr alte hölzerne oder steinerne, die mit Farben nach der Natur angestrichen sind, u einen sehr häßlichen Anblick geben; auch zuweilen eine Maria mit dem Christuskinde, beyde in altmodischprächtigen, mit Gold u Silber beladenen Kleidungen eingehüllt, und mit ungeschickt großen Kronen auf dem Haupt.
Der Kollegiatstifter von Canonicis, über die ein Dechant steht, sind in B. 3: zu St. Stephan; zu St. Gangolph u unsrer lieben Frauen; u zu St. Jakob. Alle Canonici, so wie alle Weltgeistliche, (d. h. Nicht-Mönche,) haben auf dem Hinterkopf eine kleine runde Platte geschoren, wie ein Thaler groß: (die Tonsur.)
Der Klöster sind 5, die ich alle besehen habe, u beschreiben werde. Mit der brennendsten Neugierde besuchte ich diese merkwürdigen Institute, die auf Deutschland so vielen Einfluß gehabt haben; und hatte meine Begleiter sowohl als die Mönche genug zu fragen, um mir nur eine kleine, unvollständige Idee von ihrer Einrichtung zu machen, weil alles, was mir hier aufstieß, mir neu u räthselhaft, u ich in eine ganz neue Welt versetzt / war. Ich habe so viel erfahren. Jedes Kloster besteht aus Patribus oder Vätern, und Fratribus oder Brüdern, Layenbrüdern. Jene sind die eigentlichen Mitglieder des Klosters, u werden Ihr Hochwürden genannt. In dem stärksten Kloster in Bamberg, dem Franziskanerkloster, sind 48, in andern weniger. Der Layenbrüder sind, nach Verhältniß der Väter, ohngefähr 4 bis 12. Sie haben nicht studiert, u sind gar keine Mönche, sondern die Bedienten der Väter, u Handwerker. Denn in den Klöstern wird alle Handwerksarbeit von diesen selber gemacht. Sie sind Bäcker, u Brauer; sie besorgen die Küche, verfertigen die Kleidungsstücke der Mönche; sind Bötticher u Tischler. Sie tragen aber auch die Ordenskleidung. Unter den Patribus ist nur ein Rang, sind verschiedene Stufen. Auch findet man einen Pater Küchenmeister, Kellner, usw. Einer oder 2 sind Lectores, d. h. diejenigen, welche den Novicen oder Studenten über Philosophie und Theologie in ihrem ganzen Umfange, auch Kirchengeschichte, kanonisches Recht, usw., Kollegia lesen. Sie sind gewöhnl. die gelehrtesten, oder einzigen Gelehrten im Kloster, u gemeiniglich auch Aufseher der Bibliothek. Die Novicen wohnen im Kloster, u reisen in verschiedenen Klöstern desselben Ordens herum, um in diesem dieses, in jenem jenes, nach einem bestimmten Plan zu hören. Sie haben nur 1 oder 2 Stunden des Tages. Ein Jahr lang bleiben sie zur Probe im Kloster, während dessen sie wieder heraus gehen können; nachher sind sie gebunden. Der oberste im Kloster hat bey verschiedenen Orden / auch verschiedene Namen. Bey den Franziskanern, Kapuzinern u Dominikanern, welche die Bettelmönche, u die ärmsten Orden sind, die fast gar keine liegenden Gründe besitzen, sondern sich ihren Unterhalt auf dem Lande, aus mildthätigen Gaben zusammenhohlen müssen, heißt er Pater Guardian; bey andern Orden Pater Prior; bey den Benediktinern, dem reichsten u vornehmsten Orden, Prälat oder Abt. Der Provincial ist derjenige im Kloster, der immer die Klöster seiner Provinz bereisen, u ihren Zustand untersuchen muß; denn die Klöster Eines Ordens in Deutschland machen immer mehrere sogenannte Provinzen aus. Jeder Pater erhält bey seinem Eintritt ins Kloster einen eignen lateinischen Klosternamen, bey dem er im Kloster genannt wird, z. B. Pater Sebastian, Clemens, usw. Doch behält er seinen alten Namen bey, z. B. P. Gallus Herman. – Ich hatte mir die Mönche weit idealischer gedacht, als ich sie fand: als in sich gekehrte, einsiedlerische Greise, die durch ihre originelle Lebensart einen sehr auffallenden Anstrich von Ernst, Würde u Heiligkeit bekommen. Allein ich fand Menschen, durchaus wie andre: theils gelehrt und achtungswerth, theils ungelehrt, simpel, u mit einem Bauch, der ihre Lieblingsneigung verrieth; theils gesprächig, ja gar geschwätzig, theils still; theils lebhaft, ja lustig u launig u selbst ungeziemende Späße vertragend, theils trocken u ernsthaft. Einige sprachen sehr vertraulich mit mir. In mehr als Einem Kloster ließ ich mir ihre bestimmten geistlichen Beschäftigungen erzählen, die bey jedem Orden nur wenig abweichen; / ich konnte sie aber nie im Gedächtniß behalten. Ohngefähr ist ihre Lebensart diese. Sie müssen, im Durchschnitt alle 2 bis 3 Stunden, sowohl den Tag als die Nacht hindurch! u zwar jedesmal 1/4 bis 3/4 Stunden, zu genau bestimmten Zeiten, im Chor ihrer Kirche, lateinische Gebete aus dem Brevier singen, oder Psalmen singen, oder (des Morgens) Messe lesen, oder noch sonst, ich weiß selbst nicht was alles, vornehmen. Zuweilen haben sie auch eine halbstündliche Betrachtung in der Kirche zusammen; d. h. sie sitzen still, u denken für sich über religiöse Gegenstände nach. Alles ist aber ganz genau bestimmt. Des Nachts müssen sie um 12, um 3 oder 4, oder so ohngefähr, aufstehen. Außerdem ist ihre Hauptbeschäftigung, auf die naheliegenden Dörfer zu gehen, u den Pfarrern im Predigen, u den Seelsorgergeschäften, als: Beichten, usw. beyzustehen, auch in ihren eigenen Kirchen zu predigen. Sie speisen gewöhnlich um 11 Uhr zu Mittag, u um 6 Uhr zu Abend, oder zu Nacht, wie man hier sagt, u zwar in einem sehr großen Saal, der das Refectorium heißt. Hier laufen schmale Tische längs der Wand herum; u an den Wänden hängen Bilder von Heiligen ihres Ordens u andre Gemählde. Des Nachmittags pflegen ihre Freunde aus der Stadt sie in diesem Saale zu besuchen, u Karten zu spielen, wobey die Mönche ihnen schönes starkes Bier, u Brod, beydes aus ihrer eigenen Fabrik, vorsetzen. Auch mich tractirten sie damit überall; u das köstliche Bier berauschte mich beinahe immer etwas. An Speise u Trank geht / ihnen gewiß nichts ab. H. P. Sauer wollte mich einmal des Abends in ein Kloster hinführen, um da zu speisen; es ward aber leider nichts daraus. Auch leben sie sonst nicht alle so gezwungen als man denken sollte; denn die Lectores, u andre, sind vom Chorsingen dispensirt. Bey Tische liest einer der Mönche auf einem Katheder, kleine Stücke aus einer Kirchengesch., aus der Bibel, usw. mit einer eintönigen, schnarrenden Klosterstimme vor. Ich hörte es einmal von außen, im Garten des Klosters, dergleichen ein jedes Kloster hat. Frühstück nehmen die Mönche gar nicht; oder, jeder der will, muß sich für sich etwas machen lassen. – Was man in jedem Kloster sehen kann, ist: die Kirche, das Refektorium, die Bibliothek, einige Cellen, – u etwa die ökonomischen Gebäude und den Garten. Die Kirchen haben, wie alle kathol. Kirchen, an dem einen Ende, einen gewöhnl. durch ein Gitter abgesonderten, u auf mehreren Stufen erhöhten Platz, welcher der Chor heißt: in diesem stehen Pulte mit großen Büchern für die Patres zum Singen, u er hat offene Eingänge vom Klostergebäude her; denn hier verrichten sie ihre geistlichen Beschäftigungen. Die Klosterbibliothek steht gewöhnlich in einem Saale, und enthält fast lauter alte Werke des 16. u 17. Säkulums. Ich stand hier sehr verwundert, da ich eine Menge ganz unbekannter katholisch-theologischer, moralischer, altmodischphilosophischer, kirchenhistorischer, kanonischer, (denn die Katholiken legen sich auch aufs Jus, besonders aufs Jus Canonicum,) polemischer / u andrer Werke sah, auch alte Grammatiken, Wörterbücher, BibelAusleger, Patres, u Ausgaben der Klassiker. Von alten Drucken, u besonders von Handschriften, fand ich doch weniger, u weniger bedeutende, als ich erwartete. Das meiste sind Bibeln, lateinische Missalia u Breviaria (Meß- u Gebetbücher,) u dergleichen. Altdeutsche Sachen habe ich wenig gefunden. Auch führten mich nicht überall die gelehrten Patres herum, deren immer nur sehr wenige sind, die mir die Seltenheiten hätten genau zeigen können. Die meisten bekümmern sich gar nicht um die Bibliothek. In einem Kloster wollte die Thür dazu erst durchaus nicht aufgehen; – in einem andern sprach ein Pater mir sehr lange von einem im Kloster neu eingerichteten Kochherde sehr ernsthaft! In mehreren Klöstern findet man verschloßene Schränke mit libris prohibitis, die aber auch, nur mit Erlaubniß, gelesen werden dürfen; doch im Benediktiner- u Karmeliterkloster, fand ich Luthers Werke öffentlich stehen. – Eine kleine Sammlung von neueren, brauchbaren religiösen u andern Büchern hat jeder Pater in seinem Zimmer, besonders immer der P. Lector. Diese Zimmer (Cellen,) sind klein, haben nur Ein Fenster, u sind immer mit kleinen Heiligenbildern, Crucifixen, u dgl. ausgeschmückt. Der Name des Bewohners steht an jeder Thür angeschrieben. Zu den Cellen kommt man durch lange Corridors. – In allen Klöstern sind auch eigene Gastzimmer für Fremde.
Nun von den einzelnen Klöstern. – 1.) Das Benediktinerkloster. Es hat die herrlichste Lage auf dem Michels- / oder Mönchsberge, u auch das größte Gebäude. Die Benediktiner tragen einen schwarzen Habit, der vorn oben mit Knöpfen ist, von Zeug (nicht von Tuch,) u ohne Kaputze. – Die Kirche hat 2 hohe Thürme, u ist inwendig besonders prächtig, u ganz weiß. Die gewölbte Decke hat ein Abt des Klosters, der leider nicht so viel Geschmack hatte als er Botanik verstand, ganz mit Blumen u Kräutern, aber recht schön, bemahlen lassen: eine sehr sonderbare Idee, ein Herbarium an den Himmel zu versetzen. Die Kirche wird deswegen hier gewöhnlich das große Kräuterbuch genannt. An den Pfeilern hat sie viele Gemählde von Heiligen, auch 2 vergoldete Bilder, u im Chor, sehr schöne Gemählde. Unter dem Chor ist das steinerne Grabmal des heil. Otto, des 6ten Bischoffs v. B., v. 1189, mit Figuren u Umschrifft. Es hat ein 4eckiges Loch, das, einem Büchlein zufolge, das daneben an Ketten hängt, jeden der 3 mal durchkriecht, vom kalten Fieber aufs beßte heilt. Um das Grabmal herum hängen viele alte verwischte Gemählde aus der WunderGesch. d. heil. Otto. Auch hängen eine Menge elender kleiner Bilderchen hier, auf denen man die Worte: Ex voto, liest; diese sind, auf gethane Gelübde, nach Genesung von einer Krankheit, oder dgl., hieher gehangen. Sie stellen den Bittenden, u den heil. Otto in den Wolken vor. Aehnliche findet man in allen kathol. Kirchen. In dem Hauptaltar sind eingewickelte Reliquien d. heil. Otto, mit Tressen u Perlen besetzt, befestigt. – In der Bibliothek sah ich folgende Sachen. Eine Elektrisirmaschine. Gute Handschriften von / vielen Kirchenvätern, von dem Corp. Jur. Civ. und Canon.. Eine handschriftl. Chronik v. Nürnberg, vom Ende des 16. Säk.. Ein altes noch mit Holztafeln gedrucktes Buch, ars memorandi, in Quart. Die Buchstaben waren an mehreren Orten gar nicht deutlich ausgedruckt; die Schwärze war zusammengelaufen, oder fehlte ganz. Calmets Werk in vielen Folianten, der beßte Kommentar über die Bibel. Andre Expositores (so heißen hier die Bibelcommentare, die man überall häufig findet.) Mabillons Annales ordinis Bened., u Acta Sanctorum Bened. Beyde Werke in mehrern Folianten. Prospekte in Kupfer von Wien, von Italiänischen Städten, von den 2 Gräfl. Schönborn. Schlößern Pommersfelden u Gaibach (Augsburg bey Wolff,) usw. Es soll hier auch ein im 15. Säk. schon im Kloster selbst gedrucktes Buch existiren. – Das Klostergebäude ist neuer wie die Kirche, u von lauter Sandsteinen, in Ital. Geschmack, prächtig erbaut: es gleicht einem Schloß, hat inwendig große steinerne Treppen, u sehr gute Zellen, u große schöne Säle. Der Garten hat einen schönen Nelkenflor, Terrassen die den Berg hinunter gehen, und ein schattiges Berceau am obern Rande des Abhangs, durch dessen Oeffnungen man die reizendste Aussicht auf die Stadt u auf die umliegende Gegend hat, die gleich den Fluthen des Meeres sich hebet u senkt. Man kann hier das Lustschloß Seehoff, u soll selbst das 3 Meil. weit entfernte Kloster Banz sehen können. – / – – 2. Das Carmeliterkloster. Die Karmeliter tragen einen schwarztuchenen Habit, mit einer Kaputze u einem ledernen Gürtel. (Alle Mönche haben übrigens fast kahl geschorne Köpfe.) In der Kirche, die 2 Thürme hat, ist die massivsilberne Statue einer Heiligen. Eine kleine Nebenkapelle, ist ganz nach dem Modell des heiligen Hauses in Loretto gemacht, u deswegen wirklich merkwürdig: hinter einem Glasfenster steht das kostbare Bild der Maria; hinter einem Gitter, ihre Töpfe u Teller; an den Wänden hängen einige Figuren von Kindern u Händen, als Gelübde; u auf dem von der Mauer fast überall abgefallenen Kalk, sieht man allerhand Fragmente gemahlter Figuren, unter andern einen deutschen OrdensRitter, der auf einem Ziegenbock reitet. – In der Bibliothek, die neulich sehr gut in Ordnung gebracht war, zum Theil wenigstens schon, fand ich folgendes. Eine nicht geringe Anzahl v. Handschriften, besonders viele v. Kirchenvätern; auch Bibeln, Missalia, alte Bambergische Breviaria v. 1480; u dgl. An alten Drucken: Theile des Corp. jur. u viele andre. Fleurys Kirchengesch., über 80 Oktavbände. – Im Refektorium hängen Bildnisse von Heiligen des Carmeliterordens. In der Zelle des P. Clemens, der mich herum führte, sah ich Bourdoloue’s, Bossuets u Mavillons Reden in mehrem Bänden, usw. Das Kloster hat eine große Bäckerey u Brauerey dicht beym Hauptgebäude, welches nicht immer der Fall ist, einen tiefen kühlen Felsenkeller in dem man aus der Brauerey hinuntersteigt, schöne Gärten, Korn- u Hopfen/felder, u Weinberge. – Im Kloster sitzt ein Domherr gefangen, der vor einigen Jahren einen Mord angestiftet hat. Die Domherren sind bey ihrem ehrwürdig seyn sollenden hohen Adel v. 16 Ahnen, die übermüthigsten u ausgelassensten Menschen. – Unter den Laienbrüdern befanden sich ein paar aus Mainz geflüchtete. Sehr merkwürdig war es mir zu hören, daß der P. Hederich, geschickter Bibliothekar im Kloster, neulich, auf einer vorgeblichen kleinen Reise, nach Berlin entwichen sey, ohne daß man wisse, mit wem er dort Bekanntschaft habe; u daß er im Preuß. bleiben wolle. – – 3.) Das Dominikanerkloster. Die Dominikaner tragen schwarze Unter- u ein weißes Oberkleid. Ihre Bibliothek hat zierliche braune Schränke; die Decke ist mit allegorischen Sinnbildern, deren jedes eine Inschrift hat, bemahlt. Ich fand Bibeln, Gebetbücher, u alte Missalia Bambergensia im Manuscript; u an alten Drucken, altdeutsche Bibeln, usw. Auch sah ich: Weislingers Merkwürdigkeiten von Ketzern, u dessen Buch mit dem Titel: Friß Vogel oder stirb. Die Bibliothek des P. Lectors, enthielt: 14 Quartbände voll Abhandlungen über Theile der Theol., v. d. Jesuiten Zacharias in Rom, viele katholische Dogmatiker, Kirchenhistoriker, u Kanonisten, Mosheims Dogmatik, u seine Polemik, Büschings Geographie, Schmidts Gesch. der Deutschen. Auch hatte er im Zimmer eine Stutzuhr von 1604, die auch, vermittelst einer allmählig fortrückenden Scheibe, den Mondlauf / zeigt: eine seltene Antiquität. Im Kloster sah ich noch eine alte Kopie von dem Bethlehemit. Kindermord des Rubens, den Sie, lieber Vater, in Tusch gezeichnet haben. – – 4.) Das Franziskanerkloster. Die Franziskaner haben einen Habit von braunem, filzharten u steifen Tuch, auf bloßem Leibe, einen bloßen Hals, bloße Füße nur mit Sohlen, eine runde Kaputze, u ein weißes Strick um den Leib. Wenn sie ausgehen, werfen sie noch einen kurzen braunen Obermantel um. In ihrer Kirche sind 5 alte Gemählde auf goldenem Grunde, eine Seltenheit. Auf dem größesten steht: 1 [...] 29 (1429). Sie sind aus der Passionsgesch. Christi. Die Figuren sind steif, und haben um den Kopf eine goldene Glorie, die sich gar sonderbar in den goldenen Grund verliert. – In der gutgeordneten Bibliothek fand ich folgende Sachen. An Handschriften: Lateinische Legenden vom Evangelisten Johannes, mit Gemählden auf Gold, u vom heil. Franziskus; das 3te Buch der Könige, lateinisch; Virgil, mit Varianten u Glossen. Gedruckte Bücher: Vogelbuch – von Conradt Geßner in Latein beschrieben – durch Rudolff Heüßlin – Teütsch – Mit Kaiserlicher Maiestät freyheit, in acht jahren nit nachzudrucken, bey peen und straaff acht March lötigs golds, nach laut des Originals. Zürych. 1557. Fol. (So alt sind die Nachdrucker schon!) Thierbuch, – v. C. Geßner, – Teütsch v. D. Cünrat Forer. Zürych. / 1563. Fol. Beyde Werke mit vielen Kupfern. – Herbarius, v. Schönsberger gedruckt. Augsb. 1488. 4. New Kreüterbuch von D. P. A. Matthiolo, – Teutsch v. G. Handsch. Prag. 1563. Fol. Mit vielen großen Kupfern. Kreutterbuch, vonn allen Kreuttern, Bäum, Gestaud, vū Frücht deßgleichen Gethier. Frkf. am Main. 1545. Fischbuch, v. C. Geßner, Teutsch v. Cünrat Forer. Zürych. 1563. Fol. Mit Kupfern. Spiegel der artzney, vor zeytten zu nutz vund trost den leyen gemacht, durch Laurentiū Frisen. 1532. Fol. Opera divi Joannis Mehul, ope et impensio Rainaldi Novimagii teutonici. In rectificat. medicinor. simplic. Vened. 1479. Fol. (dies Werk ist eines der vielen in Venedig schon im 15 Säk. gedruckten Bücher, die beweisen, wie weit die Kunst damals gleich nach ihrer Geburt, schon in Italien gedieh, indeß sie in Deutschl. nur langsam fortschlich: In dem Venedischen Druck findet man scharfe, runde lat. Buchstaben, fast schon wie die heutigen; in dem deutschen, rohe, ungestaltete, eckige Gothische Buchstaben.) Calmet, Dictionarium Sacrae Scripturae, Historicum, Geogr. etc. Vened. 1726. Fol. Mehrere Theile. Blas. Ugolinus, Thesaurus Antiquitat. Hebraicar. Vened. 1744-69. Fol. 31 Theile. Augustini opera. Critici Sacri. – Bullarium magnum. – Baroni, Annales ecclesiastici. – Ughellii Italia sacra. Lauter große Werke in mehrern Foliobänden, die man auch in andern großen Bibliotheken trifft; wie auch Waltons Polyglotte; – Lünigs Reichsarchiv; / Thesaurus resolutionum sacr. congregationis consilii, 57 Folianten; – Schannat, Concilia Germaniæ. 11 Folianten; – Gropps Würzburg. Chronik. 1748-50. Fol. 4 Theile. Endlich sah ich in der Bibliothek die gemahlten Abbildungen aller Franziskanerklöster der Provinz. – In der Zelle des Pater Lektors Gallus, der grade eine Disputation schrieb, (denn die Novizen müssen auch disputiren; – er schenkte mir eine ältere Disputation v. ihm,) fand ich: Calmets, u Smits große u vortreffliche Commentare über die Bibel; von Espens Jus Canon.; die Schriften Rosenmüllers u andrer Protestanten; Eisenmengers entdecktes Judenthum; Schmidts Gesch. d. Deutschen; u andre gute Bücher, auch diejenigen aus der Bibliothek des Klosters, die er brauchte. In der Zelle des P. Lectors Benno, fand ich nichts, als ein Leiden Christi, ein Bild Friedrichs 2. v. Preußen, u ein Wetterglas. Er hatte die Bibliothek geordnet, und machte einen 3fachen Katalogus, nach dem Alphabet, dem Fach im allgemeinen, u dem besondern Inhalt, darüber. – – 5.) Das Kapuzinerkloster. Die Kapuziner gehen ganz wie die Franziskaner, von denen sie ein Zweig sind, gekleidet; nur haben sie eine spitzige Kaputze statt einer runden; (denn sie glauben der heil. Franziskus habe eine spitzige getragen, jene behaupten dagegen, eine runde!!! Ein ernsthafter Streit!) – und tragen einen langen Bart, der sie sehr auszeichnet u ehrwürdig macht. Einer hatte einen ganz rothen Bart. – Sie wohnen am allerschlechtesten: ihre kleinen Zellen / werden von einer Matratze, die statt des Bettes dient, fast halb angefüllt; auf der müssen sie in ihrer höchst unbequemen Kleidung schlafen; auch haben sie keine Oefen. In ihrer kleinen Bibliothek fand ich: eine große handschriftl. Chronik, von Anfang der Welt, mit einer großen Menge eingemahlter Bildnisse; einige alte Drucke; ein 1516 in Bamberg gedrucktes Buch, usw.
Nonnenklöster sind 2 in Bamberg: das der Klarisserinnen, Franziskaner Ordens, die nie Fleisch essen dürfen; u das der Nonnen zum heil. Grabe, Dominikaner Ordens. Man kann die Nonnen blos durchs Gitter sprechen; aber auch hiezu kam ich nicht, aus Mangel an Zeit. Dagegen habe ich das Institut der Englischen Fräulein besucht, welche von einer Engländerinn im vorigen Säk. in Deutschl. gestiftet, u nicht eigentliche Nonnen sind. Es sind ihrer 12 Jungfern. Sie tragen schwarz, mit weißen Röcken u weißen dicht anliegenden Hauben, u einen hinten herabhängenden schwarzen Schleier. Ihre Beschäftigung ist, Mädchenschule zu halten. (Auch haben sie junge weibliche Pensionärs.) 4 Jungfern sind die Hauptlehrerinnen; jede hatte eine Klasse; u 2 u 2 Klassen sind im Unterricht gleich. In den 2 unteren lernen die kleinen Mädchen Lesen, Schreiben, Rechnen, Christenthum; in den 2 obern wird der Unterricht etwas erhöht u erweitert. Ich hörte hier die Kinder aus des Abt v. Felbigers kurzem Abriß der bibl. Gesch. bald alle zusammen ein Stück laut herlesen, bald Ein Mädchen, lange Stücke auswendig sagen, beydes mit der allergröbsten, singenden Monotonie. / Auch fragten 2 einander eine bibl. Gesch. die sie auswendig gelernt hatten, so ab, daß immer diejenige wieder fragte, die eben geantwortet hatte. Ein Mädchen mußte auch einen mit Vorsatz falsch an die Tafel geschriebenen Satz, der Orthographie nach, verbessern, welches auch ziemlich schnell u maschinenmäßig geschah. Ich wunderte mich dabey die neuen deutschen Kunstwörter: ein Stummer, ein Lauter, ein Zeit-, ein Fürwort, für: Consonant, Vocal, Verbum, Pronomen, zu hören. Jede der 4 Klassen hat an 100 oder noch mehr. Die Zellen der Jungfern sind sehr nett, u geben eine reizende Aussicht, unter anderm auf den Micheisberg, auf welchem die Terrassen des Klostergartens, das Auge wie Stufen zu dem schönen Klostergebäude hinaufführen. Die Jungfer Eleonore zeigte mir etwas von ihrer artigen Seidenstickerey. –
Die Universität in Bamberg soll etwa 300 stark seyn. Die Studenten u Gymnasiasten gehen alle in Mänteln, von verschiedener Farbe. Der Mediciner sind, ohngeachtet öffentlicher Aufforderungen an die Inländer, itzt nicht mehr als 8. Die meisten Studenten sind Inländer; einige Pfälzer u Mainzer sind unter ihnen. Sie haben auf Ostern, Pfingsten u Weihnachten, immer 14 Tage, u auf Michaelis an 31/2 Monate Ferien; müssen aber auf 4 Jahr studieren, u genau den ihnen vorgeschriebenen Studierplan befolgen. – Die theol. Prof., außer Hn P. Sauer, mögen / wohl ziemlich orthodox seyn; es ist auch ein Exjesuit, Möhrlein, noch unter ihnen. – Die 4 Juristischen Professoren, die zugleich Hoff- u Regierungsräthe sind, also viel Geschäfte haben, sind: der geistl. Rath Schott, der das Jus canon., – der Hoffr. Pfister, der das Staats- u deutsche Recht, – der Hoffr. Gönner, (er war vorher in Göttingen,) der die Pandekten, u den Proceß, – u der Hoffr. von Reider, (er war vorher in Mainz,) der die Institutionen, das Natur- u das Kriminalrecht liest, u besonders geschickt u fleißig ist. Zu den beyden letztern ward ich hingeführt; u hospitirte auch bey ihnen. Der 2te war in Commission abwesend: er soll einen sehr guten Vortrag haben. – Die Universität ist aus dem Jesuiterkollegium entstanden, das bis vor etwa 20 Jahren währte, da die Jesuiten aufgehoben wurden; sie hat aber noch dasselbe Gebäude u dieselbe Jesuiterkirche. In dem Gebäude ist eine herrliche, sehr hohe steinerne Windeltreppe, deren Spindel, als ein schlangenförmig gekrümmtes Gesimse v. Stein, sich kühn bis oben hinaufwindet. – Die Universitätsbibliothek, wird grade jetzt, auf bischöffl. Befehl, von einem Geistlichen, Namens Frey, ganz neu eingerichtet, oder vielmehr erst von Grund aus geschaffen. Denn dieser sagte mir: bisher sey eigentl. gar keine Univ.bibl. gewesen, u H. Nicolai benenne die alte Jesuitenbibl. die er hier sah, sehr unrecht mit diesem Namen, ob er gleich sehr Recht habe, wenn / er sie als blos mit altem Wust, mit Polemik, Legenden, usw. angefüllt, verachte. H. Frey hat sehr viele unbrauchbare Sachen hieraus ganz weggeworfen u nur das beßte behalten, dazu ist die fürstl. Hoffbibliothek gekommen; u alles ist in einem sehr großen Saal, in dem auch eine neue sehr nette Gallerie gebaut ist, die rund herum läuft, fast schon ganz aufgestellt. Es sollen nun noch neue, brauchbare Bücher angeschafft, u alles soll in dem vordern Lesezimmer öffentl. genutzt werden. Zur Vermehrung sind jährl. 600 fl. ausgesetzt, anfangs vielleicht wird noch mehr gegeben. Das Jus ist jetzt das stärkste Fach. Ueberhaupt sah ich eben schon viele große BibliothekenWerke. Die größte Seltenheit ist ein Chinesisches Astronomisches Werk aus diesem Jahrhund., in 8., gelb eingebunden. Die Blätter hängen je 2 u 2 am äußern Rande zusammen, u dürfen auch nicht aufgeschnitten werden, denn grade hier läuft auf jedem Blatt der Titel des Buchs herunter. Ueberhaupt gehn die Charaktere, zwischen Linien, von oben herunter, u man liest von der rechten zur Linken. Die eingezeichneten Figuren sind sehr fein. Die alten Drucke waren noch nicht in Ordnung. Ich sah ein altes Stammbuch mit Gemählden, handschriftlich, daß einem Verwandten des Melchior Pfinzings, (des Verf. vom Theuerdank,) gehört hatte. In einem Nebenzimmer sieht man ein sehr genaues, zieml. großes Modell von der Stiftshütte, das der Superintendent / Bodenschatz in Baiersdorf verfertigt, u das der Fürst ihm für 100 rth. abgekauft hat. Auch sieht man hier einen großen alten Globus von 6 Pariser Fuß im Durchmesser; er war bemahlt gewesen, (ein Erdglobus,) war aber neu überzogen, daß er neu bemahlt werden sollte. – In einem eigenen Saale soll ein neues Naturalienkab. aufgestellt werden, wozu schon ein Paar große Privatkabinette v. Mineralien u Conchylien gekauft sind. Auch hierüber soll H. Frey die Aufsicht alsdann führen.
Das Gymnasium ist noch ganz so eingerichtet, wie die Schulen vor mehrern hundert Jahren, nach pedantischem, jesuitischen Zuschnitt. Auswendiglernen, Vernachläßigung der Deutschen u Griech. Sprache, lat. Versemacherey sind hier zu Hause. In den 3 untern Klassen, die hier die 1ste, 2te u 3te heißen, wird Grammatik usw. gar weitläuftig gelehrt; in der 4ten u 5ten, die Logik, Physik u Rhetorik, u in der 6ten u 7ten die Philosophie. Die 2 letzten Klassen gehören also zugleich auch gewissermaßen zur Universität. Jede Klasse wird hier auch: Schule genannt. In jeder muß man ein Jahr bleiben! Außerdem sind noch 2 Elementarschulen, deren jede 5 Klassen hat, in denen man auch eigentl. ein Jahr bleiben soll; u viele elende Winkelschulen.
Von allen den milden Stiftungen u andern guten Instituten, ist das, ich glaube 1790, neu/errichtete Krankenhospital, das vorzüglichste. Es ist ein bleibendes Denkmal von dem Edelsinn des jetzigen Fürsten, der es auf eigene Kosten hat bauen, u eine Straße von seinem Schloß dahin hat anlegen lassen, um nur diesem Lieblingswerke seiner Menschenfreundlichkeit, sobald er will, nahe seyn zu können. Das große, simple Gebäude, hat, mit den verschiedenen ökonom. Nebengebäuden, eine angenehme Lage, dicht an der Rednitz. Die innere Einrichtung, die bey dem größeren Juliushospitale in Würzburg, ebenso seyn soll, ist über alle Vorstellung, die man von andern ähnlichen Häusern mitbringt, ordentlich, u zweckmäßig. Durch das ganze Gebäude gehen Wasserröhren, die also an jeden beliebigen Ort gleich Wasser hinschaffen. Die Zimmer setzen jeden, beym Eintritt, der unerwarteten Reinlichkeit u Ordnung wegen, in Verwunderung. In jedem liegen, der Größe nach, 2, 4 bis 6 Personen. Jedes Bett hat einen Umhang der den Kranken verdeckt, u der vor dem Bett noch so viel Raum übrigläßt, ihm einen kleinen Tisch mit Essen hinzusetzen. Bey jedem Kranken hängt eine schwarze Tafel, worauf sein Name, seine Krankheit, die Medicin, u die Kost für ihn aufgezeichnet ist. Allgemeine Tafeln hängen in jedem Zimmer noch außerdem; in der Küche ist eine große Tabelle der verschiedenen Kost, nach viertels, halben u ganzen Portionen, mit den Preisen. Auch sah ich eigene geschriebene Tabellen über die / Zahl u die Krankheiten der Kranken, über die Sterblichkeit, die hier in der That sehr gering ist, usw. In jedem Zimmer hängt ein Krucifix. Zwischen jeden 2 Zimmern ist ein Gang, worin auf jeder Seite 2 oder 3 Gehäuse, die eine Thür nach dem eingeschloßenen Raum für jeden Kranken haben, für seine Bequemlichkeit; der Unrath wird in Kanälen nach dem Wasser geführt. Außer den Zimmern sah ich: kleine Nebenzimmer mit Badewannen, zum Baden; eine kleine simple Hauskapelle, worin die Kranken aber nicht kommen, sondern nur durch geöffnete Fenster, die v. ihrem Zimmer auf die Kapelle stoßen, den Gottesdienst anhören; das Operationszimmer, mit einer Elektrisirmaschine, u mit chirurg. Instrumenten, die noch vermehrt werden; eine kleine Hausapotheke; das Sessionszimmer für die Vorgesetzten; und, was mir am Merkwürdigsten war, eine sehr reiche Garderobe, von allen möglichen Kleidungsstücken, für Manns- u Frauenspersonen, worin jeder neue Ankömmling, von Kopf bis zu Fuß neu gekleidet wird. Der Kranken waren itzt 40: beyderley Geschlechts: Dienstboten, Handwerksburschen, Arme, einige die auf des Fürsten eigene Kosten unterhalten werden, u endl. distinguirte Personen, d. i. einige aus höheren Ständen, die in abgesonderten Zimmern, zu zweyen beyeinander wohnen. Alle geben nur sehr wenig, oder werden ganz umsonst unterhalten. Das nichtige Vorurtheil der gemeinen Leute gegen diese herrliche Anstalt, die freilich auch wie die schlechteste gleicher Art, den / verdrießlichen Namen: Hospital führt, wird nach u nach wohl immer mehr gedämpft werden. Die Anstalt ist schon so berühmt, daß junge Doktoren aus Wien herkommen, u eben jetzt 2 aus Göttingen hier waren, um an dem Klinikum bey derselben, Theil zu nehmen. Der botanische Garten am Hosp. soll erweitert, u es soll ein anatomisches Theater u ein Accouchirhaus dabey erbaut werden. Der erste dirigirende Arzt ist der geschickte Hoffr. Marcus. Der Inspektor im Hosp. ist der Exjesuit Maser, der sonst Kastellan, (oder Zimmerwart, wie man hier sagt,) in Seehoff war. Dieser Mann exercirt eine eigene Kunst: er besetzt angestrichene hölzerne Statuen sehr mühsam u künstlich mit lauter kleinen, vielfärbigen Konchylien, die dann die Kleidung ausmachen. Ganz gewiß waren die Figuren Friedrichs 2. u Alexanders des Großen, die ich mit meiner lieben Mutter einmal im Hotel de Saxe sah, v. ihm. Jetzt hat er diese Arbeit aufgegeben.
Das Seminarium der Kleriker, in einem großen Gebäude mit einem Garten, enthält 22 junge Geistliche, die schon auf der Univers. absolvirt haben, u sich hier durch Predigen, andre Seelsorgengeschäfte, u Privatstudium, zu Geistlichen Aemtern vorbereiten, u in allem, auch in Kleidung, freygehalten werden. Sie tragen schon schwarze zeugne Röcke, die vorn von oben bis unten herunter zugeknöpft sind: die Kleidung aller Weltgeistlichen. Jeder hat sein eignes Stübchen, u sie speisen zusammen. Der oberste Aufseher ist der jedesmalige Weihbischoff. Die Bibliothek besteht aus ein Paar Vermächtnissen, u ist im Jure u in den / Medicini am stärksten: sie steht in einem Saal; ein Nebenzimmer voll Bücher sah höchst unordentl. aus. – Das Schullehrerseminarium, 1775 gestiftet, hat 7 Mitglieder, die von einem einzigen Lehrer, Namens Pez, im Rechnen, in der Bibel, in vaterländ. Gesch., in Geographie, besonders vaterländischer, in Naturgesch., Pädagogik, deutscher Sprachlehre, Religion, Moral, u Bedeutung der kathol. Kirchencäremonien unterrichtet, u zu künftigen Stadt- u Landschulmeistern u Cantoren gebildet werden. Ein eigner Lehrer unterrichtet sie, in einem eigenen Zimmer, im Clavier; das Zimmer daneben ist für den Unterricht bestimmt. Sie haben alles frey, die Kleidung ausgenommen, u schlafen in 2 Zimmern. Das Zimmer für eine Bibliothek ist noch leer. H. Pez braucht zu Lehr- u Handbüchern: v. Felbigers Von den Eigenschaften, Wissenschaften u Bezeigen eines rechtschaffenen Schulmanns. Bamb. u Wirzb. 1791. 8. – Allgem. Lesebuch für kathol. Bürger u Landleute, v. einem kathol. Geistlichen in Franken (Hn. P. Sauer, zum Theil,) Bamb. u Wirz. 1792. 8. – Ein Lehrbuch v. der Berl. Realschule. Beckers Noth- u Hülfsbüchlein. Usw. – Das Aufseessche Seminarium enthält 38 Inländer, so viel ich mich erinnere, von dem Gymnas., die auch frey gehalten werden. – Milde Stiftungen sind noch: das Bürgerhospital; – das Curhaus, für heilbare Kranke; – das Siechhaus, für unheilbare. –
Außer der Stadt sah ich Seehoff, Buch, u die Altenburg. – Seehoff ist ein bischöfliches Lustschloß, 1/2 Meile / von der Stadt. Auf der ebenen Chaussee rollte unser Wagen sehr schnell hin u zurück. Das Schloß, weiß u gelb, 4eckig, u mit 4 runden Thürmen an den Ecken, giebt einen sehr mahlerischen Prospekt am Ende einer Allee, auf die es grade mit der einen scharfen Ecke zustößt. Es ist etwas altfränkisch gebaut, aber in jenem Prospekt sehr reizend. Vor dem Schloß breitet sich ein sehr großer See aus. Zwischen beyden ist, auf herabgehenden Terrassen, (denn das Schloß liegt etwas hoch,) eine schöne Wasserkunst, mit einer kleinen Kaskade verbunden. Sie springt alle Sonntage; allein man setzte sie, mir zu Gefallen, auch diesmal in Gang. Aus der Pyramide, die oben, am höchsten steht, springen hohe Strahlen heraus; sie brachten, in dem Schimmer der untergehenden Sonne, Regenbogen hervor, u fielen, von dem sanft glühenden Abendhimmel erleuchtet, als ein goldener oder diamantener Regen nieder, und spritzten im feinsten Staub umher. Drachen, u andre Gestalten spieen Wasser aus, das auf Stuffen herunterfloß. Aus großen Schaalen stiegen niedrige, aber armsdicke Strahlen empor. Aus 2 Löchern kam das Wasser in Gestalt eines zusammenhängenden runden, kristallenen Bechers, von dieser Form
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hervor; von Kugeln ströhmte es in Gestalt einer Hemisphere herab, auf diese Art
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Alle die mannigfaltig aufspringenden, u niederrieselnden Wasserströhme, machten die lieblichste Abendmusik, u kühlten die schwüle Luft. Auf beyden Seiten der / Wasserkunst öffnen sich große, finstre Berceaus, die schönsten u schattigsten, die ich je gesehen, wie dunkle Grotten. Von der Höhe worauf das Schloß u der Springbrunnen steht, hat man eine sehr romantische Aussicht: unter sich der weite Spiegel des Sees, der hinten mit einem großen Wald umzäunt ist; in diesem erblickt man einsame Jagdhäuschen, u durch ein Paar Oeffnungen im Holze reicht der Blick bis an die Thürme der Stadt, u die Berge die sie umgeben. Der vorige Fürst, hielt viel auf Seehoff, und stellte oft Jagden in den nahen Wäldern an, worin mehrere Häuschen, u angenehme Spaziergänge angelegt sind; ja, das Wild war damals so häufig, daß er von einem Lusthause bey der Wasserkunst, über den See herüber, oftmals Hirsche schoß. Der jetzige Fürst, der, aus eifriger Religiosität, oder aus Temperament, die Vergnügungen verschmäht, (daher er auch nicht leicht ein Theater in B. duldet,) vernachläßigt Seehoff, jagt nicht, u kommt gar nicht einmal heraus. Aus dem Garten, der inzwischen den Bürgern zum öffentl. Spazierorte dient, hat er eine gewaltige Menge Statuen, die alle von Einem Meister, Ferdinand Diez waren, wegnehmen lassen. Waren sie, wie zu vermuthen, alle in dem Geschmack wie die wenigen stehen gebliebenen, so verdient er Dank dafür. Denn man findet hier die allergemeinste / auch nicht um ein Haar veredelte Natur, häßliche Formen, u vor allem so geschmackwidrige Ideen als ich noch nie in Stein ausgeführt sah, u die die Figuren die ich in den Leipziger Gärten sah noch übertreffen, z. B.: tanzende Dienstmädchen in steifen Röcken, Harlequins! Karrikaturen von Betteljuden mit langen Bärten!! – Der Garten enthält 34 Morgen. Er besteht aus französischen Hecken, Orangerieplätzen, Alleen, einem Irrgarten, Buschwerken, u hat einige kleine Grottenplätze u Lusthäuser. Auf der einen Seite des Gartens liegt eine Fasanerie, auf der andern eine Schweitzerey. An sich ist der Garten nichts besonders; aber jene Aussicht über den See giebt ihm vielen Reiz.
Einen andern Abend giengen wir zu Fuß nach dem Dorfe Buch, das 1/4 Meil. v. B. liegt, u der Hauptbelustigungsort für die Stadt ist. Der Weg ist ein Fußsteig, durch einen sehr schönen, mit Buchen vermischten Eichenwald, u läuft längs der Regnitz hin, deren entgegenstehendes Ufer mit einer Kette grüner Hügel besetzt ist. Das Wirthshaus des Dorfes, nach dem man sich übersetzen läßt, liegt dicht am Fluß. Auf diesem fuhren wir mit untergehender Sonne, beym Schein des Mondes, zu Kahn zurück: eine sehr angenehme Fahrt. – Die Altenburg od. Ahlenburg, auf dem Kaulberge, vielleicht dem höchsten bey der Stadt, bestieg ich eines Morgens um 6 Uhr, allein. Sie war sonst die Residenz der Fürsten von Babenberg; / u ist jetzt ein einsames Burggebäude, mit einem verwachsenen Graben, u einem runden weißen Thurme. Thurm u Berg giebt an allen Orten bey Bamb. den schönsten Prospekt; u wieder giebt die Spitze des Berges die herrlichste Aussicht auf die Stadt, die mit ihren Thürmen sich zwischen mannigfaltigen Höhen hinzieht, u auf die Felder u Wälder umher. Ein Stück der Burgmauer fand ich losgewichen u auf die Seite gesunken, so daß es, sehr mahlerisch, ganz schief gieng. – Ein Paar Meilen v. B., in den Wirgauer Bergen, soll auch eine vortreffliche Gegend seyn. Hier muß man, auf einem Fußwege nach Baireuth, in einem Felsenthale, eine Leiter, die an einer Felsenwand angebracht ist, hinaufklettem.
In der Stadt, heißt ein mit Bäumen besetzter Platz, unweit des Flußes, mit einer ziemlich weit geöffneten Aussicht, die Promenade; u wird des Abends stark besucht. Dabey ist ein Kaffeegarten. – Auch dient der mit Berceaus, Hecken u Orangerie angefüllte Garten bey dem alten (1583 erbauten) bischöfl. Schloß, worin itzt noch Kollegia sind, auf dem sogenannten Geyerswöhrd, oder Geyerswehr (d. i. Geyerlnsel,) zum öffentlichen Spaziergange. – Nicht weit davon ist das Rathhaus, welches deswegen merkwürdig ist, weil es ganz im Fluße steht, u zwar mit beyden / Enden auf 2 Brücken ruht, (so:
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Auswendig ist es ganz mit Figuren bemahlt, von Johannes Anwandter, im Anfange dieses Jahrhunderts; wie es scheint, nicht übel. Die Farben sind sehr lebhaft. Auf jenen 2 steinernen Brücken sieht man ein steinernes großes Krucifix; u steinerne Heiligenbilder. – Nicht weit davon, am Fluß, ist die Niederlage (der Packhoff,) bey dem ein Krahn steht, u viele Fässer liegen; – auch das Schlachthaus, welches sehr vorteilhaft auf lauter Schwiebbogen über dem Wasser ruht.
Einen Mittag war ich beym Hn Rath Schott zu Gaste. Er ist ein artiger, feiner Mann, u erzählte mir manches v. seiner Reise nach Italien. In seiner netten Wohnung fand ich 2 Prospekte von Rom, gemahlt, u Gemählde von Guercino, Spagnuoletto, Tintoret, Sandrart. Er ist Dechant des Stifts zu St. Jakob. – Am Sonntag ward ich in den Klubb geführt. Er versammelt sich alle Sonntage, Nachmittags u Abends, Sommers in einem kleinen Garten. Man spielt Karten u Kegel, ißt kalt, u tanzt. Außer Hn P. Sauer ist kein theol. Prof. Mitglied, aus Furcht vor übler Nachrede!! Von den Studenten dürfen nur die Juristen mit eintreten.
Am Ende will ich noch einige Varia nachhohlen. – An der äußeren Wand des Kapuzinerklosters sind große Gemählde. – In B. ist die sonderbare Gewohnheit, daß die Bäcker (Bäcken, wie sie hier genannt werden,) von den Dörfern um die Stadt, an 2 Tagen / in der Woche nach der Stadt kommen, u Brod verkaufen, u zwar nicht nach einer Taxe, sondern wie andre Waare, so daß darauf geboten wird, also nach willkürl. Preisen. Wenigstens 3 müssen immer kommen, sonst ist ihre Gerechtigkeit verlohren. Dies schreibt sich aus den Zeiten einer Hungersnoth her. – Die Domherren lassen natürl. ihr Meßelesen v. andern verrichten. Aber an gewissen Tagen, (z. B. den Tag vor dem Heinrichsfest, Nachm. um 2 Uhr, in d. Vesper) müssen sie im Dohm singen, sonst verlieren sie ihre Pfründe. – Während meiner Anwesenheit in B. passierten einige sehr große Transporte von Pferden, die v. Ostfriesland, nach Savoyen u nach Neapel geschickt wurden. Sie waren in einer langen Reihe aneinander gebunden. Dies geschieht alle Jahre. Jeden Tag machen sie nur etwa 1 bis 2 Meilen. Wie kommt es, daß in Ital. keine Stutereyen sind? – Durch Bamb. passirte itzt der Hoffr. Lohder aus Jena durch, der mit andern Medicinern den Gesundbrunnen zu Kitzingen bey Würzb. untersuchen sollte. – An dem Orte wo das Franziskanerkloster steht, wohnten ehemals Tempelherren. – Die Kapelle des Fürsten ist gut. Bäumel u Jauchzer sind Virtuosen. Im Winter sind Koncerte. – Der Fürst soll doch etwas übertrieben sparsam seyn. – Man ißt in B. viel, u in sonderbarer Ordnung. Vom Fasten (Nicht Fleischessen) lassen einige sich dispensiren. – –
Aus Mangel an Zeit kann ich Ihren Brief nicht beantworten. Es soll in wenigen Tagen geschehen.
W. H. Wackenroder
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  • Date: Dienstag, 23. Juli 1793
  • Sender: Wilhelm Heinrich Wackenroder ·
  • Recipient: Christoph Benjamin Wackenroder · , Christiane Dorothea Wackenroder
  • Place of Dispatch: Erlangen · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Wackenroder, Wilhelm Heinrich: Sämtliche Werke und Briefe. Historisch-kritische Ausgabe. Bd. 2: Briefwechsel, Reiseberichte. Hg. v. Richard Littlejohns u. Silvio Vietta. Heidelberg 1991, S. 194‒220.
Manuscript
  • Provider: Germanisches Nationalmuseum

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