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Wilhelm Heinrich Wackenroder to Christoph Benjamin Wackenroder, Christiane Dorothea Wackenroder TEI-Logo

Reise
von Erlangen
ins Baireuthische und Bambergische
mit dem H. Prorektor Weisser.
Mittwoch Mittag, den 14. August 1793. fuhren wir von Erlangen ab. Wir waren 4 Personen, und bezahlten dem Hauderer (Miethkutscher,) der uns mit 2 Pferden rasch und gut fuhr, täglich 5 Gulden. (Es sind in Erlangen an 12 Hauderer, die Tag für Tag, Einheimische, Studenten, oder Fremde fahren. Außerdem sind aber noch einige besondere Fuhrleute hier, die Knechte haben. Die Hauderer fahren immer selbst. Die Fuhrleute bringen Reisende oft mehrere Meilen weit. Nach Nürnberg gehen täglich 2 Wagen, außer der ebenfalls täglichen Post.)
Wir ließen Baiersdorf links liegen. Der Weg ist reizend. Die Berge werden bis Streitberg immer höher, und ziehn sich allmählig immer enger zusammen. Rechts liegt ein langes Dorf auf dem Rücken, links ein anderes am Abhange eines / Berges. In allen Dörfern sind die Zwischenräume der Häuser mit Bäumen angefüllt. Wir tranken in einigen Dörfern sehr gutes Bamberger Bier, das weit besser als das Erlanger ist. Pretzfeld u Ebermannstadt nehmen sich am Fuße der Berge sehr angenehm aus.
In Streitberg bestiegen wir noch denselben Abend die Burg Neideck. Sie hat doppelte Graben u Mauern gehabt, und muß von einem sehr großen Umfange gewesen seyn, denn in einer beträchtlichen Entfernung vom Hauptthurme, sind noch die Ueberreste einiger großen runden Thürme zu finden. Am Hauptthurme entdeckten wir das deutlichste Echo, das ich je gehört habe: sprach der eine an einem gewißen Flecke nur leise gegen die Burg zu, so vernahm der andre, wenn er an einem andern bestimmten Orte stand, jede Sylbe deutlich zurück. – Im klaren Mondschein giengen wir hinunter, nachdem wir mit Mühe den / engen Fußsteig wiedergefunden, der durch dichtes Gebüsch führt, und den wir beym Hinaufgehn entdeckt hatten. Auf der Brücke der Wisent, sahen wir den Mond sich im Wasser spiegeln. – Im Wirthshause zum goldenen Löwen, fanden wir es ungemein wohlfeil.
Am andern Morgen giengen wir früh nach Muggendorf, und besahen die 4 nächsten Höhlen. Die Rosenmüllersche ist die merkwürdigste: H. P. Weisser sagte, diese, u der hohle Berg, wären weit schöner als die Baumannshöhle, die zwar größere, aber schwarze, u finstere Säle habe; – auch wäre dort keine so enge Passage, als die eine in der Wundershöhle. Die Rosenmüllersche gleicht inwendig einem hohen gothischen Kirchengewölbe, das sich in der Höhe eng zusammenzieht, und durch die lange Felsenspalte durch die man oben nur kaum sich hindurchschieben kann, das dämmernde Tageslicht sehen / läßt. Der Boden besteht aus gewölbten Tropfsteinstücken, die mit kleinen starken Pfeilern besetzt, u naß u etwas schlüpfrig sind: er erhebt sich von vorn nach hinten zu, wie ein kleines Gebirge, so daß man hinten nur mit Mühe zu den letzten Winkeln, wo ein großer Reichthum hängender Zapfen u stehender Säulen von 1 bis 2 oder 3 Fuß Länge, den wunderbarsten Anblick geben, hinkriechen kann. Die Farbe ist frisch gelbröthlich. Die Formen sind gar mannigfaltig; zuweilen hängt der Stalaktit in Gestalt einer breiten Fahne, von der Decke herab.
Wir bestiegen noch einen hohen Berg hinter Muggendorf, dessen Spitze (das Quakenschloß genannt,) ein Paar isolirte Felsenstücke trägt. Man sieht hier die ganze gebirgige Gegend umher, 14 Schlösser, und am Horizont, den Fichtelberg. Auf dem Rückwege nach Muggendorf, kamen wir durch die Fortsetzung des Streitberger Thales hinter / Muggendorf, welches mitten drinne liegt. Es ist hier besonders eng, felsigt, einsam u romantisch; zwischen frischgrünen Ufern fließt die schnelle Wisent, deren Wellen öfters durch das steinigte Bette gekräuselt, u mit weißlichem Schaume bedeckt werden.
Nach Tische fuhren wir von Streitberg, durch hohe, öde, steinigte, nur mit schwarzen Felsenstücken besäete Gegenden, nach Baireuth. Man fährt den steilen Speckberg hinauf, u kommt über Truppach. (1/2 Meile hinter Streitberg, rechts von diesem Wege, ist bey der Vereinigung der Wisent u Aufsees, bey Rabeneck, ein schöner Wasserfall, an 50–60 Fuß hoch.) – Bey Muggendorf, auf dem Wege zum hohlen Berg, usw. findet man eine große Menge loser Kalksteinstücke, worin man leicht sehr viele Abdrücke von Ammonshörnern u Fragmente von Versteinerungen findet.
Freytag, den 16. Aug. fuhren wir früh / von Baireuth, über die Eremitage, die wir kurz besahen, nach Berneck. Die 3 Ruinen liegen hinter einander auf dem Rücken eines Berges der das Thal in 2 andre spaltet; in dem einen rinnt der Main herab, im andern läuft die Chaussee nach Gefrees. Von der Kapelle u dem Burgstall stehen noch die kleinen gothisch gewölbten Thore von Sandstein; in jener sind noch Konsolen von Sandstein. Die zerfallenen Mauern sind mit Bäumen bewachsen. Der Burgstall hatte einen Graben, u eine Mauer mit 4 runden Thürmen an den 4 Ecken, gehabt. – Mittags waren wir in Kulmbach, wo wir auf der Festung, die Französischen Gefangenen sahen. An 100 waren schon hier gestorben; an 100 lagen noch krank. 60 wurden am folgenden Morgen freygelassen. Die 20 Officiere in der Stadt sind bis auf 12 gesunken, weil einige, die sich fälschl. für Officiere ausgegeben hatten, auf die Festung gebracht waren. Am Abend führten preußische Officiere, im Gasthofe zum weißen Roß, Stephani’s Wer/ber, ein erbärmliches Stück, erbärmlich auf. Nachher war Ball, u auf dem Markt ward geschossen. Herren u Damen von Baireuth, usw. waren zu dieser Festlichkeit hergefahren. Wir wohnten wohlfeil im goldnen Anker.
Sonnabend den 17. Aug. fuhren wir über Thurnau nach Sanspareil, u aßen Mittag in Holfeld. Nachmittag fuhren wir von hier die viertehalb Meilen bis Bamberg. 2 Meilen weit, bis Wirgau, hat man den elendesten Weg, in tiefem Lehmboden; u dabey, die ödesten, steinigsten, leersten Gegenden zur Aussicht. Vom letztern ist wohl die hohe Lage dieser Gegend Ursach. Im Baireuthischen, z. B. bey Sanspareil, um Hoff, usw. habe ich immer bemerkt daß die hohen Gegenden, kahl, öde, u uninteressant sind. Dicht vor Wirgau fährt man einen sehr langen, steilen Hohlweg, oder ein schräges Thal hinunter, auf der Seite mit nakten, verwitterten Kalksteinklippen, die in großen Stücken herüberhangen, u von einem lebhaften u lauten Gießbach begleitet. So wenig schön auch diese Felsenkluft ist, denn die Felsen gleichen hier nicht erhabenen Pyramiden, oder Prachtgebäuden / der Natur, sondern häßlichen, hervorstehenden Riesengebeinen der Erde; so rettete mich doch diese Gegend aus dem verdrießlichen Phlegma worin mich die vorige, u eine Schneckenfarth von 4 Stunden auf 2 Meil., versetzt hatte. Ist man das lange Thal hinunter, so hat man von Wirgau eine schöne Chaussee bis Bamberg, u ist mit dieser Stadt in Einer Ebene, woraus man auf die Höhe der vorigen Gegend, zu deren Umkreis auch Sanspareil gehört, schließen kann. Hinter Wirgau hat man das alte gelbliche, große Giechschloß, (itzt ein Magazin,) das sich auf einem hohen Berge herrlich präsentirt, u nicht weit davon eine alte sehr hohe Kirche auf einem andern Berge, zur linken Seite. Vor Bamberg passirten wir das Städtchen Scheslitz; u Seehoff. In B. logierten wir im goldenen Adler auf dem Steinweg, unweit des weißen Lammes. Dieses war ganz von dem Zuge des Fürsten von Thurn u Taxis angefüllt, der von Hildburghausen, wo er einen kurzen Besuch gemacht hatte, nach Regensburg zurückgieng. Er ist ein alter Mann. – Noch denselben Abend fuhr H. P. R. Weisser / mit der Post ab.
Am Sonntage besahen wir einige Kirchen. Im Dohm sind einige herrliche Gemählde; besonders bemerkten wir 2: 1.) Ein Heiliger wird auf einem Rost gebraten. Er wirft die eine Hand empor, u hat einen herrl. Ausdruck in seiner Stellung. Auch die Figuren um ihn her sind voll Leben u Ausdruck. – 2.) Eine Heilige wird enthauptet. – In der Jesuiterkirche bewunderten wir lange einen Christus am Kreuze, auch ein paar andre Stücke. In dem mittleren Gewölbe der ganz weißen Kirche, sind 4eckige Fenster mit Säulen dazwischen, u einer Kuppel darüber, äußerst geschmacklos hingemahlt: die Perspektive ist so eingerichtet, daß man sie nur vorn beym Eingang in die Kirche, im rechten Augenpunkte faßt; u die 4eckigen Fenster nehmen sich häßlich aus. Das Altarblatt ist gewiß nicht v. Raphael: die Luft ist grell blau u hart. In der Karmeliterkirche ist ein meisterhaftes Christusbild. – In der Martinskirche sind die Figuren der Apostel, aus Holz geschnitten. Von dieser Kirche sahen wir eine lange Procession von Männern u Weibern zur Pfarrkirche u. l. Fr. gehen, wo das Marienfest mit dem Hochamt, u mit schöner Musik, auch mit Abfeuerung des Gewehrs / vor der Kirche, gefeiert wurde. Eine Procession von Karmelitern, Dominikanern, Franziskanern u Kapucinern gieng aus der Kirche heraus. Ich sah einige ehrwürdige, u wirklich idealische Greise unter ihnen. Auf der Straße war für die Procession ein Altar errichtet. Wir giengen immer mit entblößtem Haupt neben der Procession her.
Nach Tische fuhren wir nach Seehoff, tranken dort Kaffee, u giengen vorn im Garten umher. Die Statuen sind von auffallend schlechter Zeichnung, u völlig geschmacklos. – Am Abend bestiegen wir noch den Kaulsberg, u genossen, bey dem prächtigen gelblichen Schimmer der untergehenden Sonne, der reizendsten Aussicht.
Am Montag früh besuchte ich Hn Prof. Sauer, der mir sagte, daß wir in Banz u Langheim, welche beyde Klöster wir besuchen wollten, ohne Addreße, sehr gute Aufnahme finden würden. Wir fuhren sogleich nach Banz (3 Meilen.) Bamberg nimmt sich von dieser Seite gar schön aus. Am Fuße schöner Berge prangt es mit den 4 Thürmen des Dohms, u den zweyen des Benediktiner Klosters das sich auf grünen Terrassen erhebt, / mit dem großen Residenzschloß, u mit der alten Burg, die die Krone des Berges hinter der Stadt ist, u deren weißer, hoher Thurm weithin leuchtet. – Bis zu dem Städtchen Staffelstein geht eine sehr gute Chaussee, durch fruchtbare Felder, u in einiger Entfernung beständig von Ketten grüner Berge begleitet, die das ganze Bamberger Land durchziehen, u ihm ein gar reizendes u freundliches Ansehen geben. Hinter Staffelstein fährt man über den Main, u dann den Berg hinauf, auf welchem Banz, als ein großes Prachtgebäude, mit 2 hohen Thürmen, ganz einsam liegt, u schon lange vorher einen angenehmen Prospekt giebt. Wir fuhren in den Hoff hinein. Das Gebäude ist im Ganzen, simpel u edel gebaut; nur ist die Freytreppe mit der Auffarth dahinter zu groß u üppig. Ich gieng ins Hauptgebäude, brachte dem Hn Konsulent Fischer eine Empfehlung vom Hn Prof. Sauer, u erwartete mit meinen Gesellschaftern im Kloster aufgenommen, und zur Tafel gezogen zu werden; denn mir waren so hohe Ideen von der Gastfreundschaft dieser Klöster beygebracht, daß mir meine Erwartung / nicht zu überspannt schien. Allein man begegnete uns so äußerst ungastfrey u unschicklich als möglich. Ob die Klöster nur Bekannte u nur vornehme Reisende bewirthen, welches sehr schlecht wäre, oder ob sie zu sehr von Reisenden, besonders Studenten überlaufen werden, weiß ich nicht. Dieser Titel schien uns besonders zu schaden. Ich wußte nicht was ich sagen sollte, als ich andre Gäste mit den Patern an den Tisch gehen sah, denn es war grade Essenszeit, u man mich im Zimmer des Kammerdieners vom Prälaten, mit einem andern Laquaien oder dergl., zusammen tractiren wollte! Ich sagte, meine Begleiter wären im Wirthshause, (den wir waren in dem Wirthshause des Klosters, das aber nur für fremde Kutscher, Bedienten, usw. ist, abgestiegen,) u entfernte mich. Wir aßen etwas hier. Dann meldeten wir uns wieder im Kloster, (keiner bekümmerte sich um uns,) u der Pater Placidus (Sprenger,) der mit andern Fremden in der Bibliothek war, zeigte uns dieselbe, aber mit großer Kälte, und mit merkbarem Mißtrauen in unsern Stand u unsre Kenntnisse. Sie ist prächtig gebaut. Die zierlichen Schränke haben Thüren mit Laubwerk v. Messing statt eines Gitters. Der Plafond ist von Bergmüller / gemahlt. Es stehn 2 große Globi hier. Alter Drucke sind 9 Fächer voll. Handschriften sind wenige vorhanden; Altdeutsche Sachen sehr wenige. (In Langheim findet man weit mehr.) Unter andern fand sich: (Brusch?) Beschreibung des Fichtelbergs, Leipz. 1716. 4. M. K. u mit einem beschreibenden Gedicht auf dies Gebürge. Der P. Placidus ließ uns darauf durch einen Aufwärter die Kirche zeigen. Keiner bekümmerte sich weiter um uns. Die Kirche hat sehr mittelmäßige Gemählde, aber viele Reliquien, u mehrere ganze Gerippe v. Heiligen, die in Glasschränken, höchst geschmacklos mit goldenen, geschmückten Gewändern bekleidet, stehen. Das Altarblatt stellt den enthaupteten heil. Dionysius vor, wie er, – ein merkwürdiges Mirakel! – sein abgeschlagenes Haupt in der Hand faßt u herumträgt. Dieselbe abscheuliche Vorstellung steht, in Steinfiguren, auf dem Vorhofe. (Ich glaube, dieser Heilige ist auf den Ort des Klosters einmal hingekommen.) Beweise, daß die katholische Religion u Mythologie, eben so viel geschmackwidrige, als schöne Kunstideen an die Hand giebt./ – Die Aussicht vom Banzberge ist eingeschränkt u einsam, aber eben dadurch romantisch.
Wir fuhren gegen Abend nach dem Kloster Langheim, das etwa 3/4 Meilen davon liegt, und glaubten hier besser aufgenommen zu werden, wurden’s aber noch schlechter. Wir mußten es dulden, daß viele Fremde, die zu dem Bernhardifest, das am folgenden Tage war, ankamen, in das Kloster aufgenommen, u wir in einem schlechten Nebengebäude einquartirt wurden, wo sonst nur die Bedienten der Fremden wohnten; ja, daß man uns, weil Fasttag sey, nichts als Brod, Wein, Bier, u Wasser zu essen gab. Wir mußten also mit Gewalt auch fasten. Mit Mühe bekamen wir noch etwas Butter. Wir verwünschten die Gastfreiheit dieser gerühmten Klöster, u schliefen halb lachend, halb verdrießlich, ein.
Am andern Morgen war kein Mensch da, der uns einen Kaffee bringen konnte. Wir frühstückten mit Butterbrod vom vorigen Abend, und Wasser. Kein Mensch sah sich nach uns um. / Es kamen noch einige Fremde an, die im Kloster aufgenommen wurden. – Wir giengen drauf in die Kirche, die gar nicht sonderlich ist. Sie hat mehrere Ritterfiguren in Sandstein gehauen. Wir hörten Musik, u sahen das Hochamt, das der Prälat von Banz hielt, dem am Ende die Bischoffsmütze aufgesetzt, u der Bischoffsstab in die Hand gegeben ward. Gegen Mittag fuhren wir fort, u aßen in dem Städtchen Lichtenfels Mittag. Am Abend waren wir in Bamberg, und bedauerten nur, daß wir 2 Tage so wenig genutzt verschleudert hatten.
Am Mittwoch fuhren wir über Pommersfelden nach Erlangen zurück. Von Bamberg bis Pommersfelden sind 2 Meilen. Anfangs fahrt man auf der Chaussee nach Würzburg. Die Gegenden haben nichts auffallendes. – Die Gemähldesammlung in P. gewährte mir zum 2tenmale sehr vielen Genuß. Ich bemerke folgende Stücke. /
Italiäner. Raphael: Maria mit dem Jesuskinde: ein Stück das man studieren muß, und das die tiefste, innigste Empfindung hervorbringt, fast das schönste Gemählde das ich je gesehen habe. – Corregio: Apoll u Marsyas. Der schlafende Kupido, klein. – Titian: mehrere Stücke. – Paolo Veronese: Der Triumph der Engel. Die siegende Religion. Die 2 größten Stücke der Sammlung. – Michael Angelo da Merigi, genannt da Caravaggio: 2 kraftvolle Mannsfiguren. – Trevisano: Brustbild des heil. Stephanus, schön, ganz im Geschmacke des Guido. Ein Christuskopf; Ein Marienkopf: beyde schön. Mehrere andre Stücke. – Spagnuoletto: Ein Heiliger, mit sehr harten Schatten. – Annibal Caracci: 2 biblische Stücke. – Strozzi: Die Jünger zu Emaus. – Albani: eine nakte Venus. – Peter da Cortona: 2 Stücke. – Zanetti: ein schöner Christus. – Carlo Dolce: Ein Christuskopf mit d. Dornenkrone. Ein Magdalenenkopf.
Niederländer. Paul Rubens: Der heil. Franciskus. Eine Mutter mit 4 Kindern. Eine Gruppe voll Feuer, Natur u Leben. Ein Krucifix. – Anton van Dyk: einige herrliche Porträts. Ein histor. Stück. – Paul Rembrand: / ein Frauenzimmer; sehr feines Gesicht u Haare, nicht so finster als Rembrand sonst ist. St. Paulus. Eine alte Frau. Beydes vortrefflich, voller Wahrheit. – Teniers: eine Bildergallerie. Bauernstücke. – Schalken: mehrere Stücke mit Figuren im Lichterscheine. Diana. – Adrian van der Werft. Die betende Magdalena. 2 andre Stücke. – Gerard Hondhorst: Ein Zahnbrecher: voll Ausdruck. Ein holländisches Familienstück. – Backhuysen: Ein Seesturm. – Rudolph Bys, (Hoffmahler zu Pommersfelden:) Die 4 Elemente. Das Paradies. Ganz französische Manier. – Paul? Mieris: ein Paar sehr feine Stücke: Figuren. Die Gewänder sind nur viel zu manierirt. – van Huysum: Blumenstücke. – Wouvermann: Schlachten, usw. – von der Hughtenburg: Landschaften, usw. – Peter Neefs: 2 Kirchen inwendig. – Adrian van der Neer: 2 Mondlandschaften, sehr schön. – Saftleven: schöne Landschaften.
Deutsche. Albrecht Dürer: Christi Kreuzigung. Kleine Figuren. Hart. Unrichtige Zeichnung. Wenig Ausdruck. – Johann König: ein Stück. – Adam Elzheimer: 3 Landschaften, eine stellt Josephs u Mariens Flucht vor. – Kupetzky: Der heil. Franziskus. – Hans Holbein: 3 Porträtte. – Magdalena, von einem neuen Mahler, Fessel, in Würzburg. – Franz Frank, ein Altdeutscher Mahler: ein Stück.
Franzosen. Cossiau: Geschmacklose Landschaften. – Mignon: Blumenstücke, Früchte, u stillliegende Sachen. Schön! – Lairesse: Ein schönes aber räthselhaftes Stück./
Ein Stück in Römischer, u Eines in Florentinischer Mosaik. Ein marmorner Kopf en basrelief.
Ueber der schönen großen Treppe ist der Plafond von Rudolf Bys gemahlt. Die großen steinernen Stuffen der Treppe, u die Säulen, sind jede aus einem einzigen Stück. Der Stein ist aus einem Sandsteinbruch im Bambergischen.
Nachmittag fuhren wir die 3 Meilen bis Erlangen, wo wir Abends um 7 Uhr ankamen.
Pommersfelden. Hier war ich zum 3tenmale, als wir, auf Michaelis 1793, v. Erl. nach Gött. fuhren: Leider nur etwa 1/2 Stunde im Schloß, aus Mangel an Zeit. Ich bemerkte folgendes.
Italiäner. Raphael. Maria mit dem Jesuskinde. Maria sitzt links, in grader Stellung, in der seligsten Ruhe. In ihrem Antlitz ist die überirdische, allgemeine Form, Griechischer Idealschönheit, mit sprechendster, / anziehender Individualität, aufs glücklichste vereinigt: u die Göttinn schwebt zwischen Himmel u Erde, u ihr durchschimmerndes Gepräge des Irdischen Wesens an ihr, vergönnt dem Sterblichen, sie der Menschheit zueignen zu dürfen. Bis in die feinsten Züge geht diese Vereinigung, wo der Pinsel über die erlahmende Sprache des entzückten Anschauers spottet. Die Stirn ist grade, u über der Nase etwas gesenkt: der Spiegel himmlischer Heiterkeit, mit Nachdenken verknüpft. Die Augen sind heruntergeschlagen; aber ohne starren, gehefteten Blick: sie sind milde u lieblich wie das Blau des Himmels, u ruhen halb auf den Knaben, halb auf ihren Schoß. Die Nase ist grade, ohne Erhabenheit, u ein wenig lang; unten hat sie einen Zug der Individualität. Aber wer ahmt den Mund in Worten nach, den geschloßenen, schönen, Rührung sprechenden Mund! Wer das Ganze dieses Antlitzes voll milder Erhabenheit, voll seliger Wehmuth, u voll Ahndung der künftigen Jahre des Knaben, / eine Ahndung, die die Form der Mutter zum Entzücken spannt, aber so, wie eine Halbgottheit, u eine weibliche, gespannt werden kann. Die Sterbliche erläge dem Gefühl, alle ihre Züge würden sich weit entfalten, u ein Gießbach v. Thränen würde ihr Glück der Welt mit lautem Schluchzen erzählen. Nicht so die Göttermutter: sie denkt mehr, wo jene mehr empfindet; ihr hoher Geist, der Gedanken auf Gedanken einsaugt, zaubert auf ihre äußere Form jene himmlische Ruhe, die das fluthende Gefühl an seine Dämme zwar anschlagen, aber sie nicht durchbrechen, – nicht alle Muskeln des Gesichts aufgelöst zerschmelzen läßt. Hier ist ein merkwürdiges Beyspiel des Grundsatzes, den Lessing auf Laokoons schmerzerfülltes Antlitz anwendet: hier ist’s, wo die Kunst den Anfang, den ersten Schritt der Empfindung zeigt, u eben dadurch die Phantasie des Bewunderers ihre Kraft tiefer fühlen läßt. – Der Umriß des Mariengesichts ist ein schönes Oval, / aber nicht ganz das reine ätherische, mit welchem der Kopf einer Niobe prangt. Das Goldbraune, glänzende Haar, fließt von der Scheitel zu beyden Seiten herab; hinten wird es durch eine netzförmige Haube gehalten. Das Unterkleid ist schimmernd rothgelb; das Obergewand ist ein schönes Blau. Die linke Hand sinkt in reizender Nachläßigkeit herunter; der Zeigefinger hängt grade, die 3 hintern Finger sind etwas eingezogen. Mit der Rechten umfaßt die Mutter den nackten Knaben, der auf ihrem Schoße spielt, sich nach der Mutter umsieht, u mit dem linken Arm nach einer Vase zeigt, die auf einem Tische steht. Ich vermag es nicht, den sprechenden Umriß aller Glieder dieses Kindes, würdig zu erheben; die Natur selbst hat dem Künstler hier die Hand geführt. Das Gesicht des Jesuskindes ist edel, so weit sich dieser Charakter nur immer mit dem kindlichen verträgt; ja, es verspricht einen mehr als gewöhnlichen Geist, u giebt sich als die Hülle eines Wesens höherer Regionen zu erkennen. / Was aber ruft uns deutlicher zu, daß wir ein Götterkind erblicken, als sein funkelndes Augenpaar, das einem blitzenden Zwillingsgestirne gleich brennt, u dem zarten Kinde einen staunenden Blick der Anbetung zuwendet. – Aber, zerreiße meine Worte, wer das Götterbild sehen kann; u zerschmälze in Wonne, wer es sieht.
Strozzi: Christus u die Jünger v. Emaus. Beyde spreitzen alle 5 Finger vor Verwunderung aus: eine etwas widrige Einförmigkeit. Der Eine hat den kräftigsten Ausdruck des erstarrenden Erstaunens. Christus ist zu unedel. Die Beleuchtung ist kunstvoll (die Scene ist bey Licht.) Das Licht ist nicht geschloßen, wie bey Rembrandt. – Guido Reni: Cimon, den seine Tochter Pero im Gefängnisse nährt. – Veronese: Der Triumph der Engel: voll glühender Phantasie; Ein Wagen mit 2 weißen Rossen im Fluge; Engel um ihn her stürzen durch die Wolken. – Balestra. – Belluci. /
Niederländer. Rubens. Gott der Vater, (mit einem bey weitem nicht genug edeln Gesicht,) in gelbem Mantel, hält Christi Leichnam; oben die Taube als heil. Geist. – Willebrand van der Geest, genannt der edle Friesländer: ein niederländ. Familienstück: alte Frauen u Kinder, schwarz mit großen, weiten Kragen v. Spitzen: sauber, u die Gesichter voll Natur. – Stillliegende Sachen, bsdrs Früchte, usw. v. van de Heem. Die höchste Täuschung. – Lingelbach: 3 Landschaften.
Mehrere unbekannte Meister.
Die Treppe im Schloß ist herrlich. Die Façade des Schlosses verliert dadurch, daß es kein Portal, sondern nur 3, oben runde, eiserne Gitterthüren hat, – u der Vorsprung zu weit hervorspringend, zu schmal, u zu hoch ist, u an den 2 Ecken abgerundet ist.
Metadata Concerning Header
  • Date: [nach Oktober 1793]
  • Sender: Wilhelm Heinrich Wackenroder ·
  • Recipient: Christoph Benjamin Wackenroder · , Christiane Dorothea Wackenroder
  • Place of Dispatch: Erlangen · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Wackenroder, Wilhelm Heinrich: Sämtliche Werke und Briefe. Historisch-kritische Ausgabe. Bd. 2: Briefwechsel, Reiseberichte. Hg. v. Richard Littlejohns u. Silvio Vietta. Heidelberg 1991, S. 236‒244.
Manuscript
  • Provider: Bibliotheca Bodmeriana

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