[Wittenberg, Anfang Juni 1793.]
Meinem lieben Freund Asmus:
Ich höre, daß Du wieder in Weißenfels bist und mische meine herzlichsten Glückwünsche unter die Wünsche Deines eignen Herzens, von denen sie wenigstens nicht an Einsicht übertroffen werden. Der Vater wird Dir schon Deine Stelle fixiert haben, und wahrscheinlich stehst Du schon auf der Abreise. Glück auf den Weg, Erasmus. An keine Lebensart ist das menschliche Wohlbefinden gebunden – aus Deinem Herzen kann ich Dir gutes Wetter und guten Weg prophezeien, und es hängt in der Tat von Dir allein ab, mich zum Lügner zu machen. Mit einem Kompaß orientiert man sich auf allen Meeren – mit gesunder, praktischer Denkungsart, ohne viele Weitläuftigkeit und Subtilitäten, kommt man durch die ganze Welt. Robinson Crusoe ist ein höchst lehrreiches Buch – Nicht alles, was für Kinder geschrieben ist, ist unter uns – das Gute, was für Kinder geschrieben wurde, muß die Lieblingslektüre, ein Buch, wie Robinson, das Handbuch des klugen Mannes sein. O! daß wir alle mehr oder weniger Kinder sind – kann uns nicht oft genug wiederholt werden. Pädagogik umschließt in seinem weitesten Sinn, den ganzen Umfang des menschlichen Wissens und Strebens und muß daher das Hauptstudium unsers Lebens sein. Man kann oft von einem Kinde lernen, was man bei Nationen brauchen kann. Der Wahrheit dieser Bemerkung kann das paradoxe Licht nicht schaden, in dem sie erscheint. Das Auflösen einer Wahrheit in einzelne Teile, schadet allemal ihrem Geist und ihrer Kraft und ihrer Anwendung. Ihr Ganzes im Zusammenhänge wirkt. Denn es folgt von selbst jeder gesunden Methodik.
Ich bin hier tief hineingekommen. Ein Sprung muß mir zu Dir zurückhelfen. Kaufe Dir: Franklins Jugendjahre und laß dies Buch und seinen Genius Deinen Begleiter sein; Du wirst mir gewiß für diese Bekanntschaft danken, die, so alltäglich sie scheint, doch so herrlich und fruchtbar ist. In Dir und Deinen Kräften mußt Du alles, was Dir fehlt, jeden Wunsch aufsuchen. Du kannst, wenn Du ehrlich und fleißig zu Werke gehst, keinen Fehlgriff tun. Zu Deiner Jagdbibliothek empfehl ich Dir ferner den Horaz. Auswendig mußt Du ihn können, und in seiner Gesellschaft assekurier ich Dir Dein ganzes Leben, gegen die Langeweile. Ich hoffe, Dir bald mit gutem Beispiel vorgehn zu können und Dir zu zeigen, was guter Wille und uneingeschränkte Betriebsamkeit der Wahrheit vermag; wie man mit redlicher Überzeugung und mit einem Herzen voll Zuversicht und Liebe und einem bißchen Verstand über alles Herr wird und auf Grundsätzen zu fußen anfängt; nur muß man bei seinen Erfahrungen immer nur bis an den Hals ins Wasser gehn und Besonnenheit genug haben, um sich dann wenigstens noch mäßigen zu können.
Ich sage Dir jetzt dies alles, weil Du einen entscheidenden Schritt wieder ins Leben wagst – bei dem sehr viel auf die Grundsätze und die Stimmung wenigstens ankommt, mit denen Du ihn tust. Meiner innigen Freundschaft für einen gewissen Erasmus mußt Du meine Redseligkeit und mein Moralisieren zugute halten. Zuletzt empfehl ich Dir noch mich selbst und lege Dir meine Hoffnung hier mit bei, Dich noch vor dem neuen Jahre irgendwo zu sehn, und erwarte daher die Post von Hubertsburg sehnlichst.
Dein
Bruder par Excellence
Fridrich v.Hardenberg.
Meinem lieben Freund Asmus:
Ich höre, daß Du wieder in Weißenfels bist und mische meine herzlichsten Glückwünsche unter die Wünsche Deines eignen Herzens, von denen sie wenigstens nicht an Einsicht übertroffen werden. Der Vater wird Dir schon Deine Stelle fixiert haben, und wahrscheinlich stehst Du schon auf der Abreise. Glück auf den Weg, Erasmus. An keine Lebensart ist das menschliche Wohlbefinden gebunden – aus Deinem Herzen kann ich Dir gutes Wetter und guten Weg prophezeien, und es hängt in der Tat von Dir allein ab, mich zum Lügner zu machen. Mit einem Kompaß orientiert man sich auf allen Meeren – mit gesunder, praktischer Denkungsart, ohne viele Weitläuftigkeit und Subtilitäten, kommt man durch die ganze Welt. Robinson Crusoe ist ein höchst lehrreiches Buch – Nicht alles, was für Kinder geschrieben ist, ist unter uns – das Gute, was für Kinder geschrieben wurde, muß die Lieblingslektüre, ein Buch, wie Robinson, das Handbuch des klugen Mannes sein. O! daß wir alle mehr oder weniger Kinder sind – kann uns nicht oft genug wiederholt werden. Pädagogik umschließt in seinem weitesten Sinn, den ganzen Umfang des menschlichen Wissens und Strebens und muß daher das Hauptstudium unsers Lebens sein. Man kann oft von einem Kinde lernen, was man bei Nationen brauchen kann. Der Wahrheit dieser Bemerkung kann das paradoxe Licht nicht schaden, in dem sie erscheint. Das Auflösen einer Wahrheit in einzelne Teile, schadet allemal ihrem Geist und ihrer Kraft und ihrer Anwendung. Ihr Ganzes im Zusammenhänge wirkt. Denn es folgt von selbst jeder gesunden Methodik.
Ich bin hier tief hineingekommen. Ein Sprung muß mir zu Dir zurückhelfen. Kaufe Dir: Franklins Jugendjahre und laß dies Buch und seinen Genius Deinen Begleiter sein; Du wirst mir gewiß für diese Bekanntschaft danken, die, so alltäglich sie scheint, doch so herrlich und fruchtbar ist. In Dir und Deinen Kräften mußt Du alles, was Dir fehlt, jeden Wunsch aufsuchen. Du kannst, wenn Du ehrlich und fleißig zu Werke gehst, keinen Fehlgriff tun. Zu Deiner Jagdbibliothek empfehl ich Dir ferner den Horaz. Auswendig mußt Du ihn können, und in seiner Gesellschaft assekurier ich Dir Dein ganzes Leben, gegen die Langeweile. Ich hoffe, Dir bald mit gutem Beispiel vorgehn zu können und Dir zu zeigen, was guter Wille und uneingeschränkte Betriebsamkeit der Wahrheit vermag; wie man mit redlicher Überzeugung und mit einem Herzen voll Zuversicht und Liebe und einem bißchen Verstand über alles Herr wird und auf Grundsätzen zu fußen anfängt; nur muß man bei seinen Erfahrungen immer nur bis an den Hals ins Wasser gehn und Besonnenheit genug haben, um sich dann wenigstens noch mäßigen zu können.
Ich sage Dir jetzt dies alles, weil Du einen entscheidenden Schritt wieder ins Leben wagst – bei dem sehr viel auf die Grundsätze und die Stimmung wenigstens ankommt, mit denen Du ihn tust. Meiner innigen Freundschaft für einen gewissen Erasmus mußt Du meine Redseligkeit und mein Moralisieren zugute halten. Zuletzt empfehl ich Dir noch mich selbst und lege Dir meine Hoffnung hier mit bei, Dich noch vor dem neuen Jahre irgendwo zu sehn, und erwarte daher die Post von Hubertsburg sehnlichst.
Dein
Bruder par Excellence
Fridrich v.Hardenberg.