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Novalis to Erasmus von Hardenberg TEI-Logo

[Tennstedt, Anfang November 1794.]
Lieber Erasmus. Ob ich wohl von Dir nichts gehört und gelesen habe, so will ich doch thun, als ob ich wüßte, wo Du wärst. Karl wird Dir von Weißenfels viel geschrieben haben. Ich nehme also das dortige Detail nicht mit. Auf der Zurückreise von Hubertusburg sahn wir Eure Jagd von weitem. Seitdem ist nun in Weißenfels mancherley vorgegangen. Getanzt haben wir in Rippach flott. Ich habe Weißenfels doch sub rosa gern verlassen: Zu viel ist ungesund. Du weißt, ich habe vor Dir kein Geheimniß. Zulezt ward ich zu vertraut mit der Obersten. Die Vertraulichkeit wurde zu bedeutend – Lügen und täuschen will ich nicht – geradezusagen ist schwer und hilft in der Gegenwart nichts. Entfernung ist das beste. Ich vermied zuletzt alle tête-à-têtes. Sie waren mir zu verführerisch, und viel sagen durft ich als ehrlicher Kerl nicht. – Ich habe den Spaß immer unter den Ernst gemischt, damit der Ernst sich nicht vergaß. Sponsiren ist eine hübsche, aber eine kitzliche Sache. Gott bewahre einen in Gnaden vor dem Ehrgeitz und dem unwiderstehlichen Hange, der Distinguirteste von einem Mädchen zu seyn.
Kann mans über sich gewinnen der Überall und Nirgends zu seyn, so ist man der glücklichste Mensch. Ich habe Deine Hofmann gesehn in Leipzig bey Richters. Kotz heiliges Donnerwetter, das ist ein Wettermädchen! Sie war die Hübscheste bey Richters. Gewachsen wie ein Püppchen – Augen, Busen und Mund, wie bossirt. Der Langenthalen frappant ähnlich. Auch schien sie mir nicht eben sehr coquett. Brüderchen, ich bitte mich zu Gaste. Grüße sie von mir. Auf Weihnachten wollen wir wie die Seekönige leben in Weißenfels. Hier geht mir es sehr gut. Ich wohne zwischen vier recht hübschen Mädchen, die ich alle aus dem Fenster sehn und mit drey reden kann. Ich war schon in Langensalza. Auch dort hoff ich in Train zu kommen. Durch die Welt durchsponsirt – dort ist wie überall Mangel an Tänzern. Mein Amtmann ist ein brauchbarer, geübter und humaner Mann. Er geht äußerst freundschaftlich mit mir um. Ich bin sehr fleißig und hoffe, daß der Vater damit, sowie mit meiner Oeconomie sehr zufrieden seyn soll. Ich spiele hier eine große Rolle und bin wie es scheint in großem Credit. Lindenau sieht mich oft und wir sind sehr gute Freunde. Deinen Oberförster und Sie grüße mir ja recht schön. Dein Oberförster ist mein Liebling. Erdmannsdorfen tausend Complimente. Kalitsch kann mich im Arsche lecken. Lebe wohl – Schreibe mir bald und sey nicht hypochondrisch etwa wieder.
Dein Bruder
Fridrich von Hardenberg.
Metadata Concerning Header
  • Date: [Anfang November 1794]
  • Sender: Novalis ·
  • Recipient: Erasmus von Hardenberg ·
  • Place of Dispatch: Tennstedt ·
  • Place of Destination: Wermsdorf · ·
Printed Text
  • Bibliography: Novalis: Schriften. Tagebücher, Briefwechsel, Zeitgenössische Zeugnisse. Hg. v. Richard Samuel, Hans-Joachim Mähl und Gerhard Schulz. Bd. 4. Stuttgart u.a. 1975, S. 144‒145.
Language
  • German

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