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Novalis to Erasmus von Hardenberg TEI-Logo

[Weißenfels, 13. Oktober 1795. Dienstag]
Lieber Erasmus.
Aus Weißenfels schreibe ich Dir diese Flugzeilen. Ehegestern kam ich hier an – gesund und wohlbehalten. Dein Andenken an G[rüningen] fand ich bey Carlen, den ich hier traf. S[ophie] hat mir die dringendsten Empfehlungen an Dich mitgegeben. D[ie] M[a chère] hatte Karlen eigenhändig Ziegenkäse eingepackt – Du bist aber doch der Hahn im Korbe. Von Dir wird unaufhörlich gesprochen – beständig nach Dir gefragt – Du mir oft zum Beyspiel gemacht – Kurz Du bist nie mehr geachtet und geliebt worden. Deine hoffentliche Hinkunft zu Weyhnachten ist schon jezt ein Gegenstand des allgemeinen Jubels. Deine Präsente werden stündlich besehn. Die M[a chère] ist Dir so gut, daß Du ihr des Spaßes wegen einen drolligen Brief schreiben mußt, den Du an mich einschlägst – Nur recht viel Narrenspossen, die Dir zur andern Natur geworden ist. Deine Briefe sind mir instar omnium – Sie sind die wahre Essentia confortativa roborantissima. Ich bin heiter und ruhig und auf mein neues Geschäftsleben gespannt. Einzelne Wolken gehn bald vorüber – Nur S[ophie] und feste Aussicht – dann bin ich totus, quantus sum der Welt, Euer und allem Guten – Ohnedem freylich ein Rohr das vom Winde bewegt wird und unfähig das Gebäude irgend einer Glückseeligkeit zu tragen. Die Natur gibt sich nicht gern aus den Fugen und Sie ist mir zur Natur geworden. Ich scheine täglich mehr bey ihr zu gewinnen, und was hats dann für Noth.
Nur Ruhe und anhaltende Energie der Thätigkeit – da kann aus mir etwas werden.
Dein Fuß bessert sich, wie ich höre und wie mir sehr lieb ist – cave, cave, daß Du nur kein neues Malör hast. Du bist zu fysischen Unglücksfällen jezt ordentlich bestimmt –Da muß man vorbauen, wo der Strom den Zug hinhat.
Morgen gehn wir beyde nach Leipzig. Der Vater ist schon drinn. Von der übrigen Zukunft weis ich noch nichts. Karl ist mir unschäzbar. Er ist wieder gewöhnlich. Wir wollen beyde einander zu nutzen suchen. Ich habe über den Mag[ister] sein Meisterstück lachen müssen. Jägern hast Du zu wenig gesehn. Grüße mir den Hofjäger. Stolbergen hab ich in Stolberg gesehn – Er schien mich sehr zu goutiren und so hat er mir gefallen. Justs sind in Leipzig und Du bist ganz Favorit des Kreisamtmanns. Lebe wohl – Alter. Unsre regelmäßige Correspondenz soll erst beginnen – wenn ich hier sedem fixam habe. Es ist sehr Zeit sub rosa – daß ein neuer Geist in die Geschäfte ko[mmt], besonders in Rücksicht der Güter. Nochmals lebe [wohl]. Ich erwarte Deinen Brief mit der Inlage in Tennstedt. S[ophie] soll den wärmsten Kuß in Deinem Namen kriegen und so alle. Auf Weyhnachten kannst Du selbst expediren und mundiren.
Dein
treuer Bruder
F. v. Hardenberg.
Weißenfels.
Den Dienstag in der Zahlwoche
1795.
Metadata Concerning Header
  • Date: Dienstag, 13. Oktober 1795
  • Sender: Novalis ·
  • Recipient: Erasmus von Hardenberg ·
  • Place of Dispatch: Weißenfels · ·
  • Place of Destination: Wermsdorf · ·
Printed Text
  • Bibliography: Novalis: Schriften. Tagebücher, Briefwechsel, Zeitgenössische Zeugnisse. Hg. v. Richard Samuel, Hans-Joachim Mähl und Gerhard Schulz. Bd. 4. Stuttgart u.a. 1975, S. 155‒156.
Manuscript
  • Provider: Freies Deutsches Hochstift
  • Classification Number: No. 29, Bl. 1-2; FDH Nr. 11850
Language
  • German

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