Grüningen. Den 26sten Octob[er 1795. Montag]
Da Du weißt, wie lebhaften und mannichfachen Antheil ich an jedem Zuge Deines Spiels nehme, so kannst Du denken, daß es mir nicht gleichgültig war Dich in Leipzig wieder leidend zu sehn. Du scheinst mir – So eben erhalt ich Deinen Brief mit einem Boten von Tennstedt nachgeschickt – Du glaubst nicht, wie ich mich freue – der Brief ist allerliebst – Die Mutter und alle haben die herzlichste Freude darüber – Sie wünschen Dich des Tags tausendmal her – Du bist nie mehr geliebt und geachtet worden, als in diesem lieben Hause. Man weiß noch jede Kleinigkeit von Dir – Wie herzlich freue ich mich nicht oft, wenn dis oder Jenes sich einer Miene oder Stellung von Dir errinnert und uns dann Dein liebes Bild so lebhaft wird und die ganze ehemalige frohe Szene noch einmal flüchtig genossen wird. Deine Aufmerksamkeit für den Forstkalender ist dem Hauptmann äußerst bemercklich gewesen – Mit der Pfeife aber, da habt ihr nun vorzüglich dem H[auptmann] ein Vergnügen gemacht, das ganz außerordentlich war. Es war ihm so etwas Neues in dem Futteral – kurz er ist innig froh über dieses Andenken von Euch und will die erste Pfeife an dem Hochzeittag einer seiner Töchter draus rauchen. Wie sehr auch Ich zu gleicher Zeit von diesen Beweisen Eurer Theilnahme an den Personen, von denen ich mein Glück erwarte, gerührt bin – lieber Junge, das soll die Zukunft ausweisen. Indeß kann ich nichts thun, als Euch innig lieben, und meine Wünsche für Euer dauerhaftestes Glück so oft, als möglich, den Ergießungen meiner wärmsten Stunden anvertraun.
Doch ich fahre fort, wo ich stehn blieb – ich wollte sagen – Du scheinst mir für eine intensiv sehr bedeutende Rolle bestimmt. Die vielfachen Uebungen Deiner Duldungskraft müssen Dir eine gewisse Festigkeit, Ergebung und Gewandtheit, Deinem Herzen eine Weichheit und Delicatesse, und Deinen Organen eine Reizbarkeit geben, die Dich zu der feinsten Auffassung und Bildung menschlicher Schicksale, zu der seltensten Behandlung tiefgelegener Eigenschaften der Außenwelt fähig macht. Vernachlässige nur Bildung Deines Kopfs nicht – und sey eifersüchtig auf Deine Selbstständigkeit. Die Intelligenz muß immer oben seyn. Unsre Familie ist nicht unglücklich – Wir brauchen nicht zaghaft zu seyn – Zaghaftigkeit könnte am ersten eine Superioritaet des üblen Zufalls bewircken. Das Glück hat seine Methode – Sie ist freylich die Schwerste zum Übersehn– aber thätiger Wille ist doch schon die halbe Mühe und die ganze Hoffnung. Du hast mich zu zärtlich gegen Dich gemacht – eigentlich war Dir eine Partie übler Laune zugedacht, von der Du aber doch, so gut, wie vom besten Narren, etwas Wahrheit hättest erfahren können. Nur hinwerfen will ichs, zur Selbstüberlegung – und zu künftiger weitrer Ausführung –
Politisches Maulhalten gegen gewisse, alte Leute, von Unzufriedenheiten mit Personen, unter denen man leben muß.
Es macht üblen Eindruck, macht diese alten Leute noch mißtrauischer, als sie schon so sind, dient zu nichts, als unnützes Reden zu veranlassen und ist in aller Rücksicht – politisch falsch gehandelt. Man trage ruhig sein Hauskreuz, beherzige die goldne Regel:
Cacatum non est pictum,
Kuck Dich nicht nach der Welt um.
und suche so friedlich mit allen zu leben, als wäre die Welt Elysium. Du mußt gar keinen Sinn mehr für fremde Fehler haben – Schlechterdings nicht – hübsch tranquil – das macht gesundes Blut, und ein vergnügtes Alter. Junger Leute Blicke sind wie die Haken – alter Leute – wie die Bürsten – Diese Regel ist Dir ein fettes Rittergut und das glücklichste Herz werth. Auf diesem Wege bin ich jezt. Ich bin größestentheils jezt ruhig und vergnügt. Wenn ich Dich einmal spreche – so will ich Dir in kurzen Dinge sagen, die mehr werth sind, als alle Logengeheimnisse – Gewohnheit gehört auch freylich dazu – aber man sieht doch nun, was man sehn soll.
So lange noch der alte Gott im Himmel bleibt, so lange müssen wir kindisch froh seyn. Doch morgen, aus Tennstedt noch mehr.
[Tennstedt, 27. Oktober. Dienstag]
Wie ruhig ich jezt und stillhoffend werde, kann ich Dir nicht sagen. Es kann mir jezt vieles, sehr vieles schief gehn und ich bleibe doch gelassen. Zuweilen wird wohl dieser Zustand von Mismuth unterbrochen – aber es ist ein flüchtiges Uebel. Ich schreibe an den Vater, daß er mich mit nach Dresden nimmt. Da seh ich Dich und freue mich schon darauf. Ich hoffe euch und mich noch recht glücklich zu sehn – Nur Geduld und frischen Muth. Schreibe mir bald wieder. Deine Briefe sind mir Panaceen. Du hast Dich gewaltig schnell ausgebildet – fahre so fort – Du wirst ein wichtiges Glied meiner projectirten Gesellschaft der Humanitaetsfreunde.
Lebe jezt wohl.
Dein Bruder nach Jahrtausenden noch
Fridrich von Hardenberg.
Ich habe nun an den
Vater nichts von
Dresden geschrieben.
Also a revoir bis
Weyhnachten.
Da Du weißt, wie lebhaften und mannichfachen Antheil ich an jedem Zuge Deines Spiels nehme, so kannst Du denken, daß es mir nicht gleichgültig war Dich in Leipzig wieder leidend zu sehn. Du scheinst mir – So eben erhalt ich Deinen Brief mit einem Boten von Tennstedt nachgeschickt – Du glaubst nicht, wie ich mich freue – der Brief ist allerliebst – Die Mutter und alle haben die herzlichste Freude darüber – Sie wünschen Dich des Tags tausendmal her – Du bist nie mehr geliebt und geachtet worden, als in diesem lieben Hause. Man weiß noch jede Kleinigkeit von Dir – Wie herzlich freue ich mich nicht oft, wenn dis oder Jenes sich einer Miene oder Stellung von Dir errinnert und uns dann Dein liebes Bild so lebhaft wird und die ganze ehemalige frohe Szene noch einmal flüchtig genossen wird. Deine Aufmerksamkeit für den Forstkalender ist dem Hauptmann äußerst bemercklich gewesen – Mit der Pfeife aber, da habt ihr nun vorzüglich dem H[auptmann] ein Vergnügen gemacht, das ganz außerordentlich war. Es war ihm so etwas Neues in dem Futteral – kurz er ist innig froh über dieses Andenken von Euch und will die erste Pfeife an dem Hochzeittag einer seiner Töchter draus rauchen. Wie sehr auch Ich zu gleicher Zeit von diesen Beweisen Eurer Theilnahme an den Personen, von denen ich mein Glück erwarte, gerührt bin – lieber Junge, das soll die Zukunft ausweisen. Indeß kann ich nichts thun, als Euch innig lieben, und meine Wünsche für Euer dauerhaftestes Glück so oft, als möglich, den Ergießungen meiner wärmsten Stunden anvertraun.
Doch ich fahre fort, wo ich stehn blieb – ich wollte sagen – Du scheinst mir für eine intensiv sehr bedeutende Rolle bestimmt. Die vielfachen Uebungen Deiner Duldungskraft müssen Dir eine gewisse Festigkeit, Ergebung und Gewandtheit, Deinem Herzen eine Weichheit und Delicatesse, und Deinen Organen eine Reizbarkeit geben, die Dich zu der feinsten Auffassung und Bildung menschlicher Schicksale, zu der seltensten Behandlung tiefgelegener Eigenschaften der Außenwelt fähig macht. Vernachlässige nur Bildung Deines Kopfs nicht – und sey eifersüchtig auf Deine Selbstständigkeit. Die Intelligenz muß immer oben seyn. Unsre Familie ist nicht unglücklich – Wir brauchen nicht zaghaft zu seyn – Zaghaftigkeit könnte am ersten eine Superioritaet des üblen Zufalls bewircken. Das Glück hat seine Methode – Sie ist freylich die Schwerste zum Übersehn– aber thätiger Wille ist doch schon die halbe Mühe und die ganze Hoffnung. Du hast mich zu zärtlich gegen Dich gemacht – eigentlich war Dir eine Partie übler Laune zugedacht, von der Du aber doch, so gut, wie vom besten Narren, etwas Wahrheit hättest erfahren können. Nur hinwerfen will ichs, zur Selbstüberlegung – und zu künftiger weitrer Ausführung –
Politisches Maulhalten gegen gewisse, alte Leute, von Unzufriedenheiten mit Personen, unter denen man leben muß.
Es macht üblen Eindruck, macht diese alten Leute noch mißtrauischer, als sie schon so sind, dient zu nichts, als unnützes Reden zu veranlassen und ist in aller Rücksicht – politisch falsch gehandelt. Man trage ruhig sein Hauskreuz, beherzige die goldne Regel:
Cacatum non est pictum,
Kuck Dich nicht nach der Welt um.
und suche so friedlich mit allen zu leben, als wäre die Welt Elysium. Du mußt gar keinen Sinn mehr für fremde Fehler haben – Schlechterdings nicht – hübsch tranquil – das macht gesundes Blut, und ein vergnügtes Alter. Junger Leute Blicke sind wie die Haken – alter Leute – wie die Bürsten – Diese Regel ist Dir ein fettes Rittergut und das glücklichste Herz werth. Auf diesem Wege bin ich jezt. Ich bin größestentheils jezt ruhig und vergnügt. Wenn ich Dich einmal spreche – so will ich Dir in kurzen Dinge sagen, die mehr werth sind, als alle Logengeheimnisse – Gewohnheit gehört auch freylich dazu – aber man sieht doch nun, was man sehn soll.
So lange noch der alte Gott im Himmel bleibt, so lange müssen wir kindisch froh seyn. Doch morgen, aus Tennstedt noch mehr.
[Tennstedt, 27. Oktober. Dienstag]
Wie ruhig ich jezt und stillhoffend werde, kann ich Dir nicht sagen. Es kann mir jezt vieles, sehr vieles schief gehn und ich bleibe doch gelassen. Zuweilen wird wohl dieser Zustand von Mismuth unterbrochen – aber es ist ein flüchtiges Uebel. Ich schreibe an den Vater, daß er mich mit nach Dresden nimmt. Da seh ich Dich und freue mich schon darauf. Ich hoffe euch und mich noch recht glücklich zu sehn – Nur Geduld und frischen Muth. Schreibe mir bald wieder. Deine Briefe sind mir Panaceen. Du hast Dich gewaltig schnell ausgebildet – fahre so fort – Du wirst ein wichtiges Glied meiner projectirten Gesellschaft der Humanitaetsfreunde.
Lebe jezt wohl.
Dein Bruder nach Jahrtausenden noch
Fridrich von Hardenberg.
Ich habe nun an den
Vater nichts von
Dresden geschrieben.
Also a revoir bis
Weyhnachten.