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Karl von Hardenberg, Novalis to Erasmus von Hardenberg TEI-Logo

Weißenfels, d[en] 6ten Febr[uar] [17]96 [Sonnabend]
Lieber Erasmus.
Verzeihung, daß Du binnen 10 Tagen nichts von mir gehört hast, aber ich bin seit den 1ten dieses [Monats] hier, und gehe heute Nachmittag erst wieder nach Lützen; – Friz kam gestern Abend froh und heiter hier an, und glaubte Dir seine Freudige Theilnahme über Deine Wiedergenesung, und die von Beaten [Sophie] in Ver de Pomme [Grüningen], mündlich versichern zu können, da er Dich hier vermuthete, will aber dieses nun in einem Postscript meines Biefes thun – Unser Marsch ist nun gewiß, wir stehen vom 1ten dieses Monats schon unter den Befehlen des General Lind, und auf dem Feld Etat, unser Marsch geht über das Voigtland, über Eger durch Böhmen, Bayern nach Regensburg, dann über Schwaben nach Stuttgard, Heidelberg und Mannheim, werden also wohl schwerlich vor July in Thätigkeit gesezt werden, der Tag unsers Ausmarsches ist noch nicht bestimmt, medio oder Ende März gewiß.
Ende dieses Monats komme ich auf alle Fälle zu Dir, lieber Erasmus, ich gehe nach Ver de pomme, und dann zu Dir, oder umgekehrt. Wahrscheinlich bringe ich Dir dann das verlangte Gemählde mit; aber da Lauer iezt in Dresden ist, so werde ich mich wohl von Katten [?] müssen mahlen laßen; den einzigen Zweifel, den ich dabey habe, ist daß derselbe etwas theuer ist, und ich schwerlich unter 6 Louisdor würde gemahlt werden, doch wenn Dir das nicht zu theuer ist, so will ich die Hälfte und Du die Hälfte geben, damit keinen von uns die Sache zu viel kostet. – An der 6ten Redoute als den 2ten Februar, war ich wieder in Gesellschaft meiner theuren L[indenau], und Deiner S[eyfferth]; Sie grüßen Dich beyde herzlich, und nehmen den wärmsten Antheil an Dir; die leztere schikt Dir ihre Spizzen Augen mit dem wärmsten Gruße; sie befindet sich sehr leidlich, und außer ein wenig hypochondrie glaube ich wird sie sich bald wieder völlig erholen; mach nur, daß Du bald völlig wieder beßer bist, lieber Junge, dann marschiere ich noch einmal so gern, wenn ich für euch nichts zu besorgen habe. Dienstag gehe ich nach Merseburg zur Redoute. Karoline geht morgen nach Zeiz, Montag ist Hochzeit und Dienstag Ball. Nun leb wohl, liebes Brüderchen, sey heiter! Dies ist der sehnlichste Wunsch Deines
Dich
zärtlich liebenden Bruders
Charles Hdbg.
P.S.
Das schwarze Zeug ist
noch nicht gekauft.
Lieber Erasmus; Gestern, bin ich hier angekommen. Tausend Arbeiten und Zerstreuungen hielten mich ab, Dir von Langensalza zu schreiben. Auch hofft ich Dich hier zu treffen. Durch Just habe ich etwas von Dir erfahren. Ich ahndete Dein Krankwerden, als ich vergeblich kam und 2 Tage wartete. Alle Welt bedauerte Dich und Dein sonderbares unersättliches, widriges, fysisches Schicksal machte mir manche Stunde tiefe, üble Laune. Hiermit bin ich überhaupt seit geraumer Zeit, ohne Nervenschwäche, Hypochondrie und merckliche äußere Veranlassung geplagt. Gott erhalte Dir leichten Sinn und frohe Laune. Du hast sie sehr nöthig – und Ein Aequivalent muß es doch geben. In Elysium nimmt man den innigsten Antheil an Deinen Leiden. Frankreich [Danscour] hat an Dich schreiben wollen. Alles grüßt und küßt Dich. Es ist kein Ort in der Welt, wo Du wehrter und mitempfundner bist.
Mein Genius hat sich fast völlig wieder erholt. Lange schwebten wir in der Angst des möglichen Schiefwerdens durch die lange einseitige Lage. Aber auch diese Besorgniß hebt sich mit jedem Tage, und ich gieng fast mit einer mathematischen Gewisheit eines ewigen Besitzes wehmüthig aus den Armen dieser Idyllenwelt weg. Ich sehe Dich gewiß vor Ostern – und bin nunmehr im Stande, die regelmäßigste Korrespondenz mit Dir zu führen. Lebe wohl – erhebe Dich über Deine Umgebung und lebe täglich mehr in der Welt, wo unsre Freundschaft das Bürgerrecht hat.
Dein
treuer Bruder Fridrich von Hardenberg
Metadata Concerning Header
  • Date: Samstag, 6. Februar 1796
  • Sender: Karl von Hardenberg · , Novalis ·
  • Recipient: Erasmus von Hardenberg ·
  • Place of Dispatch: Weißenfels · ·
  • Place of Destination: Wermsdorf · ·
Printed Text
  • Bibliography: Novalis: Schriften. Tagebücher, Briefwechsel, Zeitgenössische Zeugnisse. Hg. v. Richard Samuel, Hans-Joachim Mähl und Gerhard Schulz. Bd. 4. Stuttgart u.a. 1975, S. 164‒165.
Manuscript
  • Provider: Leihgabe Museum Schloss Neu-Augustusburg
  • Classification Number: No. 18. Bl. 1
Language
  • German

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