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Novalis to Caroline Just TEI-Logo

Weißenfels: den – [23?] Febr[uar] 1796. [Dienstag]
In aller Eil schreibe ich Ihnen ein paar Zeilen. Den Onkel [Just] habe ich bisher immer hier erwartet. Diese Woche erfuhr ich erst durch meine Schwester [Karoline], daß er durch Zeitz nach Hause gereißt ist. Wenn der Onkel meine jetzige Lage wüßte, so würde er mir verzeihen, daß ich ihm, dem ich so unendlich viel zu danken habe, wenigstens schriftlich noch nichts von den Empfindungen gesagt habe, die meinen Abschied begleiten mußten und die so unveränderlich, wie Ideen, in meiner Seele bleiben. Ich verlasse mich auf des Onkels Bekanntschaft mit meinem Karacter und auf die Zukunft. Ist mein Onkel erst weg, so bekomme ich mehr Zeit und Freyheit. So ganz im Nachtkleide möcht ich nicht gern vor dem Onkel erscheinen, ohnerachtet auch eine kleine Toilette der Natur nichts nehmen soll. Jezt ist meine Zeit zwischen officiellen Absprüngen nach den Salinen, Vorbereitungsarbeiten, und der Gesellschaftsleistung meines Onkels getheilt. Es geht mir übrigens recht wohl und ich hoffe, daß der Onkel mit seinem Schüler zufrieden seyn soll. Täglich fühl ich den unendlichen Nutzen meines Lehrjahrs. Die Ordnung, die der Onkel oft tauben Ohren predigte, wird mir jezt Bedürfniß, da ich, sub rosa, zwar guten Willen und ängstliche Thätigkeit, aber nichts weniger, als vorerwähnte Tugend hier getroffen habe, und mir hierdurch ein großes Verdienst gleich anfangs erwerben kann. Ich lebe auch jezt mit Liebe ganz meinem Geschäfte. Die Ursachen, die mich so oft zu Dennstädt zu Zerstreuungen veranlaßten, bringen hier die entgegengesezten Würkungen hervor. Jeder Federzug ist Glied in der teleologischen Kette, deren leztes Glied nur nicht an Jupiters Bette hängt. Ich muß mir mein gutes Schicksal verdienen und nur die Tugenden eines Geschäftsmanns führen den belohnendsten aller Wege. Jeder Fehltritt, jede Declination wird zum Hinderniß, zur Säumniß. Selbst die langen Entbehrungen gewöhnen mich an die wolthätigsten Tugenden – zum geduldigen Fleis und zur Genügsamkeit. Das Feuer muß einen Ausgang haben – Entfernung hemmt seinen sinnlichen Erguß – nur die Ordnung der Arbeitsamkeit bleibt ihm übrig. Für den Schüler, der auf den Geist seines Lehrers merckt, ist die Schule des Schicksals erträglich. Was sie der Waagschaale des Herzens nimmt – legt sie auf die Schaale des Geistes. O! die Richtung, die ich dem Onkel verdanke, ist ein Richteweg. Es ist ein dauernderes Andenken, als aller Stoff. Die Richtung ist alles für einen Geist, wie den Meinigen. Ihre Freundschaft, liebe Justen, finde ich in meiner Schwester wieder. Mein Genius weis, daß man Liebe, aber nicht Freundschaft entbehren kann. Ich glaube mich Ihrer so am lebhaftesten zu errinnern, wenn mir dies nur Fortsetzung ist – so bleib ich Ihnen immer nah. Wir gehn zusammen fort, wie zwey gleich gerichtete Uhren, und, wenn wir uns widersehn, wird es nur Pause gewesen seyn – der gleiche Tact ist geblieben. Doch ich muß abbrechen, denn ich fahre noch diesen Morgen nach Kösen. Den Kassirer, der erst Morgen kommt, sehe ich auf die Art nicht. Warteten Sie und Beyer wohl noch bis künftige Woche mit dem Gelde. Ich reise nach Eisleben und kann es Ihnen von dort aus schicken. So bleibt die Sache für mich ohne Umstände und Erleuterungen. Das heißt aber Ihre Gefälligkeit beyderseits misbrauchen? Acht Tage lang erlaube ich Ihnen noch mich für einen Schmarotzer zu halten, oder wenigstens mich eines Mangels an Delicatesse zu beschuldigen. Indeß bleibe ich doch Ihr ewiger Schuldner und zwar recht con amore.
Der Leischingen dis Blättchen und dem Major [von Larisch] die mitfolgende Feldbinde. Die Kürze der Zeit ließ mich nicht selbst schreiben. Es ist aber auch nicht nöthig. Bitten Sie den Onkel ihm von meinetwegen zu sagen: daß der Mann nicht mehr arbeitet, der ihm die Feldbinde gemacht hat; daß keiner sonst mehr hier ist, daß ich Sie ihm aus einem Mangel an Gelegenheit nicht eher geschickt habe.
Zulezt empfehle ich Ihnen und dem Onkel noch 2 Bücher, die des Kaufgeldes vollkommen wehrt sind.
Leben und Thaten des Herrn Barons Quinctius Heymeran von Flaming.
Montaignes Versuche üb[er]s[etzt] von Bode.
Beyde Bücher sind besonders auf die Bedürfnisse des Onkels kalculirt – nichts weniger, als angreifend und doch so herzlich interressant, so geistvoll. Das Leztere kann man zu allen Stunden, zu allen Jahreszeiten, in allen Lebensaltern mit Vergnügen lesen und wiederlesen. Der Erstere ist unter den mir bekannten komischen Romanen fast der Matador, weil er das Niedrigkomische so ganz aus seinem Plan gelassen hat und in seiner Carricatur so nahe an der Natur vorbeystreift, daß es scheint, als habe er ihr gerade das Beste, die Oberfläche entführt – Auch die Empfindung hat manches herrliche Ruheplätzchen in dieser Kunstanlage.
Leben Sie wohl. Grüßen Sie alle nach Standesgebühr
Ihr
Freund Hardenberg.
Metadata Concerning Header
  • Date: Dienstag, 23. Februar 1796
  • Sender: Novalis ·
  • Recipient: Caroline Just
  • Place of Dispatch: Weißenfels · ·
  • Place of Destination: Tennstedt ·
Printed Text
  • Bibliography: Novalis: Schriften. Tagebücher, Briefwechsel, Zeitgenössische Zeugnisse. Hg. v. Richard Samuel, Hans-Joachim Mähl und Gerhard Schulz. Bd. 4. Stuttgart u.a. 1975, S. 169‒171.
Manuscript
  • Provider: Freies Deutsches Hochstift
  • Classification Number: FDH Nr. 11859
Language
  • German

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