Weißenfels: den 19 Sept[ember] [1796]. [Montag]
Sie haben recht lange keinen Brief von mir erhalten. Aber Sorgen, Reisen und Geschäfte sind doch wohl gültige Ehehaften? Seitdem ich Ihnen nicht schrieb bin ich unterschiedliche Mal in Jena gewesen. Einmal mit meinem Vater und Schwester. Denselben Tag, da wir ankamen, wurden wir spät Abends von Mandelsloh und meinem Bruder überrascht, nachdem wir schon vorher ein Rendesvous in Auma projectirt hatten, wohin die Mandelsloh mit uns reisen sollte. Es traf gerade die Abwesenheit der Mutter und nur dis vermißten wir im Genuß der schönen Tage, die wir zusammenblieben. Sofie hat eine völlige Eroberung an meinem Vater und Schwester gemacht. Keine seine Töchter liebt er zärtlicher und seine Lieblingsunterhaltung ist Sie geworden. Dis macht Ihrem Eroberertalent um so viel mehr Ehre, da mein Vater seinen Jahren und seinem Karacter nach sich schwer zu ergeben pflegt. Diesem Eindruck zu folge gerieht er von selbst auf die Idee Söffchen, sobald sie reisen könnte, auf eine Zeitlang nach Weißenfels zu nehmen. Meine Eltern und alle wünschten es lebhaft und ich machte den Antrag, der von Seiten des Vaters äußerst verbindlich und artig angenommen, von Seiten der Mutter nicht verweigert und von Söffchens seite mit vielen Bedenklichkeiten aufgenommen ward. Sie entschloß sich aber doch endlich meinen Eltern zu Liebe dazu. Um Ihre Sehnsucht nach Grüningen, als dem wichtigsten Grund ihrer Abneigung, zu mildern bat die Mutter den Vater, bey seiner Herkunft zur Abreise und Trennung, da meine Mutter Söffchen selbst abholen will, die Machère mitzubringen. So steht es denn jezt, da mancherley Umstände die Vollendung der Kur noch aufhalten.
Während der Anwesenheit meines Vaters zu Jena geschah auf sein Anstiften die dritte, höchst nöthige, aber schmerzhafteste Operation, deren Folgen noch dauern. Gewiß ist es die lezte und nur kleine Vernachlässigungen, und weibliche Umstände haben die Zuheilung der lezten Wunde noch verhindert. Der Hofrath gibt allen Trost und bittet nur dringend um genaue Obsicht, und Abwartung. Dis bewog auch vorzüglich meinen Vater zu dem Wunsche Söffchen bey sich zu haben. Bey uns ist man auf Krankenpflege weit besser abgerichtet – Man ist viel sorgfältiger und genauer im Brauchen einer Kur – Gesellschaft und Zerstreuung findet sie bey uns schon der Stadt wegen mehr – und im Nothfall ist Jena in 5 Stunden zu erreichen. Sonst sind sie in Jena recht in ihrem Esse. Der Professor Woltmann gibt sich alle Mühe Sie zu unterhalten. Es gibt einige artige Weiber da – die die Mandelsloh hat einmal getanzt – es sind Konzerts gewesen – Sie sind spatzierengefahren – der berühmte Göthe hat neuerlich ihre Bekanntschaft gemacht und scheint vorzügliches Interresse an der Kleinen zu nehmen. So angenehm der Aufenthalt in dieser Rücksicht für Sie ist, so wünsche ich ihn doch von Herzen bald geendigt. Der Sommer ist mir recht fatal verstrichen. Ich sehe die Seele meines Lebens langwierig leiden, ohne ihr helfen zu können und eine unaufhörliche Unruhe läßt mich nie zu Athem kommen. Von Neuigkeiten ist alles still. Unsre Truppen stehn noch fest an der Grenze – Der Kurfürst scheint nicht herkommen zu wollen, besonders da man die Niederkunft der Kurfürstin Ende Novembers erwartet. Thugut will schlechterdings keinen Frieden. Nehmen Sie vorlieb und vergessen Sie nicht Ihrem alten Freunde bald Nachricht von sich zu geben.
Hardenberg.
Sie haben recht lange keinen Brief von mir erhalten. Aber Sorgen, Reisen und Geschäfte sind doch wohl gültige Ehehaften? Seitdem ich Ihnen nicht schrieb bin ich unterschiedliche Mal in Jena gewesen. Einmal mit meinem Vater und Schwester. Denselben Tag, da wir ankamen, wurden wir spät Abends von Mandelsloh und meinem Bruder überrascht, nachdem wir schon vorher ein Rendesvous in Auma projectirt hatten, wohin die Mandelsloh mit uns reisen sollte. Es traf gerade die Abwesenheit der Mutter und nur dis vermißten wir im Genuß der schönen Tage, die wir zusammenblieben. Sofie hat eine völlige Eroberung an meinem Vater und Schwester gemacht. Keine seine Töchter liebt er zärtlicher und seine Lieblingsunterhaltung ist Sie geworden. Dis macht Ihrem Eroberertalent um so viel mehr Ehre, da mein Vater seinen Jahren und seinem Karacter nach sich schwer zu ergeben pflegt. Diesem Eindruck zu folge gerieht er von selbst auf die Idee Söffchen, sobald sie reisen könnte, auf eine Zeitlang nach Weißenfels zu nehmen. Meine Eltern und alle wünschten es lebhaft und ich machte den Antrag, der von Seiten des Vaters äußerst verbindlich und artig angenommen, von Seiten der Mutter nicht verweigert und von Söffchens seite mit vielen Bedenklichkeiten aufgenommen ward. Sie entschloß sich aber doch endlich meinen Eltern zu Liebe dazu. Um Ihre Sehnsucht nach Grüningen, als dem wichtigsten Grund ihrer Abneigung, zu mildern bat die Mutter den Vater, bey seiner Herkunft zur Abreise und Trennung, da meine Mutter Söffchen selbst abholen will, die Machère mitzubringen. So steht es denn jezt, da mancherley Umstände die Vollendung der Kur noch aufhalten.
Während der Anwesenheit meines Vaters zu Jena geschah auf sein Anstiften die dritte, höchst nöthige, aber schmerzhafteste Operation, deren Folgen noch dauern. Gewiß ist es die lezte und nur kleine Vernachlässigungen, und weibliche Umstände haben die Zuheilung der lezten Wunde noch verhindert. Der Hofrath gibt allen Trost und bittet nur dringend um genaue Obsicht, und Abwartung. Dis bewog auch vorzüglich meinen Vater zu dem Wunsche Söffchen bey sich zu haben. Bey uns ist man auf Krankenpflege weit besser abgerichtet – Man ist viel sorgfältiger und genauer im Brauchen einer Kur – Gesellschaft und Zerstreuung findet sie bey uns schon der Stadt wegen mehr – und im Nothfall ist Jena in 5 Stunden zu erreichen. Sonst sind sie in Jena recht in ihrem Esse. Der Professor Woltmann gibt sich alle Mühe Sie zu unterhalten. Es gibt einige artige Weiber da – die die Mandelsloh hat einmal getanzt – es sind Konzerts gewesen – Sie sind spatzierengefahren – der berühmte Göthe hat neuerlich ihre Bekanntschaft gemacht und scheint vorzügliches Interresse an der Kleinen zu nehmen. So angenehm der Aufenthalt in dieser Rücksicht für Sie ist, so wünsche ich ihn doch von Herzen bald geendigt. Der Sommer ist mir recht fatal verstrichen. Ich sehe die Seele meines Lebens langwierig leiden, ohne ihr helfen zu können und eine unaufhörliche Unruhe läßt mich nie zu Athem kommen. Von Neuigkeiten ist alles still. Unsre Truppen stehn noch fest an der Grenze – Der Kurfürst scheint nicht herkommen zu wollen, besonders da man die Niederkunft der Kurfürstin Ende Novembers erwartet. Thugut will schlechterdings keinen Frieden. Nehmen Sie vorlieb und vergessen Sie nicht Ihrem alten Freunde bald Nachricht von sich zu geben.
Hardenberg.