W[eißenfels], den 7ten Februar 1797. [Dienstag]
Deine Briefe haben uns gestern viele Bekümmerniß verursacht. Nach Deinem vorletzten glaubten wir Dich in voller Besserung begriffen, und nun schreibst Du auf einmal so beunruhigend. Ich gestehe Dir, daß mich die Spur von Hypochondrie in demselben etwas sicherer gemacht hat. Mich wundert dies bei Deiner Krankheit, Deiner Lage, Deinem Charakter nicht im mindesten, und für diese Folge war mir von Anfang an fast am meisten bange. Deshalb nehm ich auch um soviel mehr Antheil an Deinen Leiden, da keiner soviel, eigentlich, bei einem körperlichen Zufalle leidet, als Du. Deine Phantasie begleitet als ein zu treuer Gefährte den Körper. Du hast diesmal entsetzlich ausgestanden, und ich kann mir denken, welchen Eindruck so zusammengesetzte, so unaufhörliche Gemütsleiden auf Deine Stimmung machen müssen. Wie sehr hätt ich daher gewünscht, Dich zu sehn, Dich zu trösten, Dir den Aufflug über die Gegenwart zu erleichtern – Auch der Vater hätte Dich für sein Leben gern besucht; allein der Onkel, der noch immer da ist, will ihn nicht fortlassen und stimmt vielmehr dahin, Dich, sowie Du reisefähig bist, herkommen zu lassen. Doch wird Dir der Vater mehr davon schreiben. Von Gr[üningen] hab ich seit drei Wochen keine Nachricht und ich vermuthe daher, daß es gut gehn muß, wenn ich gleich sehr wünschte, es schriftlich zu wissen. Karl wird diese Woche auf Urlaub herkommen, allein seine Reise mit dem Onkel dürfte wohl noch ein wenig aufgeschoben bleiben, da es heißt, daß der Minister nicht vor März kommt. Er ist diese Zeit über zu unterschiedlichen Malen nicht wohl gewesen, aber jetzt scheint er ganz munter zu sein. Karoline war jetzt acht Tage in Merseburg bei der Nostizen, die ihre Niederkunft diese Tage über erwartet. Nostiz hat meine ganze Eroberung gemacht, ohnerachtet ich ihn nur ein Halbstündchen gesprochen habe. Bei Dir schwören beide. Der Kantor Gläser hier ist endlich gestorben, ein Verlust, der Dich vielleicht doch interessiert. Salzbülow ist hier gewesen und ist noch in Dürrenberg. Die Niederkunft der Kurfürstin wird noch immer erwartet. Vom Marsche ist noch alles still. Der Vetter Boelzig heiratet die Frl. Seckendorf von Gotteb, die ehedem hier war – der Amtsverwalter Kayser die Frl. Wuthgenau –, die Frl. Logan (doch ist dies noch bloßes Gerücht) den schändlichen Reitzenstein, den Bruder des Oberforstmeisters. Lorchen ist Witwe, denn Götz ist tot. In Lützen ist eine mächtige Brouillerie zwischen Penz und Karl auf einer Seite, und Kunth nebst Schmolinsky und dem Oberstleutnant [von Besser] auf der andern Seite gewesen. Schmolinsky hat manchen dummen Jungen eingesteckt, und Penz und Kunth sind vom Wechselmord nur durch Karls Bemühungen abgehalten worden. Die Ursache ist, wie gewöhnlich, eine Lumperei, ein Wort.
Karl hat sich Deinetwegen genau bei Hieke befragt. Dieser scheint Dich für sehr kurabel zu halten und provoziert gänzlich auf eine Milchkur. Wenn Du recht klug bist, so läßt Du Dich jetzt auf keinen Zukunftsgedanken ein – lebst ganz in den Tag hinein – freust Dich ruhig über die gute Stunde und hältst Dich still in der bösen. Ein gewisses Stillhalten ist eine herrliche Sache, die uns reichlich für die anfängliche Anstrengung belohnt. Lache Du, wie Du schreibst, daß Du auch zuweilen tätst, über Deine Krankheit, als wüßtest Du doch, Du seist unsterblich, und es sei nur eine Spiegelfechterei. Unter guten Leuten bist Du. Dein einziges Studium sei jetzt die Zeit zu töten. Strenge Dich mit nichts an – erspare Dir jeden heftigen Reiz – schon Deine Briefe sind zu lang und müssen Dich notwendig erschöpfen. Dein zärtliches Herz kann sich in zwei Zeilen drücken. Sie sind für uns ebenso wohltätig und frei von dem fatalen Nebengedanken, daß Dir der Brief vielleicht tagelange Ruhe kostet und den Schmerz in Deiner Seele schärft. Der Vater scheint zu glauben, Du habest Schritte in Weimar getan, die Dich kompromittieren könnten – ich hab es ihm auszureden gesucht. Bereite Dich nur auf Entschuldigungen deshalb vor – Fatale Notwendigkeit zu lügen. Wegen Cotta und Motz schreib ich nichts, da Du mir zu wenig geschrieben hast und der Vater mich zum Schlusse drängt.
Ewig Dein Bruder Fritz.
Wir bitten bald um beruhigendere Nachrichten; die Mutter und der Vater sind im höchsten Grade bekümmert.
Deine Briefe haben uns gestern viele Bekümmerniß verursacht. Nach Deinem vorletzten glaubten wir Dich in voller Besserung begriffen, und nun schreibst Du auf einmal so beunruhigend. Ich gestehe Dir, daß mich die Spur von Hypochondrie in demselben etwas sicherer gemacht hat. Mich wundert dies bei Deiner Krankheit, Deiner Lage, Deinem Charakter nicht im mindesten, und für diese Folge war mir von Anfang an fast am meisten bange. Deshalb nehm ich auch um soviel mehr Antheil an Deinen Leiden, da keiner soviel, eigentlich, bei einem körperlichen Zufalle leidet, als Du. Deine Phantasie begleitet als ein zu treuer Gefährte den Körper. Du hast diesmal entsetzlich ausgestanden, und ich kann mir denken, welchen Eindruck so zusammengesetzte, so unaufhörliche Gemütsleiden auf Deine Stimmung machen müssen. Wie sehr hätt ich daher gewünscht, Dich zu sehn, Dich zu trösten, Dir den Aufflug über die Gegenwart zu erleichtern – Auch der Vater hätte Dich für sein Leben gern besucht; allein der Onkel, der noch immer da ist, will ihn nicht fortlassen und stimmt vielmehr dahin, Dich, sowie Du reisefähig bist, herkommen zu lassen. Doch wird Dir der Vater mehr davon schreiben. Von Gr[üningen] hab ich seit drei Wochen keine Nachricht und ich vermuthe daher, daß es gut gehn muß, wenn ich gleich sehr wünschte, es schriftlich zu wissen. Karl wird diese Woche auf Urlaub herkommen, allein seine Reise mit dem Onkel dürfte wohl noch ein wenig aufgeschoben bleiben, da es heißt, daß der Minister nicht vor März kommt. Er ist diese Zeit über zu unterschiedlichen Malen nicht wohl gewesen, aber jetzt scheint er ganz munter zu sein. Karoline war jetzt acht Tage in Merseburg bei der Nostizen, die ihre Niederkunft diese Tage über erwartet. Nostiz hat meine ganze Eroberung gemacht, ohnerachtet ich ihn nur ein Halbstündchen gesprochen habe. Bei Dir schwören beide. Der Kantor Gläser hier ist endlich gestorben, ein Verlust, der Dich vielleicht doch interessiert. Salzbülow ist hier gewesen und ist noch in Dürrenberg. Die Niederkunft der Kurfürstin wird noch immer erwartet. Vom Marsche ist noch alles still. Der Vetter Boelzig heiratet die Frl. Seckendorf von Gotteb, die ehedem hier war – der Amtsverwalter Kayser die Frl. Wuthgenau –, die Frl. Logan (doch ist dies noch bloßes Gerücht) den schändlichen Reitzenstein, den Bruder des Oberforstmeisters. Lorchen ist Witwe, denn Götz ist tot. In Lützen ist eine mächtige Brouillerie zwischen Penz und Karl auf einer Seite, und Kunth nebst Schmolinsky und dem Oberstleutnant [von Besser] auf der andern Seite gewesen. Schmolinsky hat manchen dummen Jungen eingesteckt, und Penz und Kunth sind vom Wechselmord nur durch Karls Bemühungen abgehalten worden. Die Ursache ist, wie gewöhnlich, eine Lumperei, ein Wort.
Karl hat sich Deinetwegen genau bei Hieke befragt. Dieser scheint Dich für sehr kurabel zu halten und provoziert gänzlich auf eine Milchkur. Wenn Du recht klug bist, so läßt Du Dich jetzt auf keinen Zukunftsgedanken ein – lebst ganz in den Tag hinein – freust Dich ruhig über die gute Stunde und hältst Dich still in der bösen. Ein gewisses Stillhalten ist eine herrliche Sache, die uns reichlich für die anfängliche Anstrengung belohnt. Lache Du, wie Du schreibst, daß Du auch zuweilen tätst, über Deine Krankheit, als wüßtest Du doch, Du seist unsterblich, und es sei nur eine Spiegelfechterei. Unter guten Leuten bist Du. Dein einziges Studium sei jetzt die Zeit zu töten. Strenge Dich mit nichts an – erspare Dir jeden heftigen Reiz – schon Deine Briefe sind zu lang und müssen Dich notwendig erschöpfen. Dein zärtliches Herz kann sich in zwei Zeilen drücken. Sie sind für uns ebenso wohltätig und frei von dem fatalen Nebengedanken, daß Dir der Brief vielleicht tagelange Ruhe kostet und den Schmerz in Deiner Seele schärft. Der Vater scheint zu glauben, Du habest Schritte in Weimar getan, die Dich kompromittieren könnten – ich hab es ihm auszureden gesucht. Bereite Dich nur auf Entschuldigungen deshalb vor – Fatale Notwendigkeit zu lügen. Wegen Cotta und Motz schreib ich nichts, da Du mir zu wenig geschrieben hast und der Vater mich zum Schlusse drängt.
Ewig Dein Bruder Fritz.
Wir bitten bald um beruhigendere Nachrichten; die Mutter und der Vater sind im höchsten Grade bekümmert.