Weißenfels, den 22. März 1797. [Mittwoch]
Es ist für mich eine traurige Pflicht, Ihnen – die Nachricht mitzutheilen, daß Sofie nicht mehr ist. Nach unaussprechlichen Leiden, die sie musterhaft ertrug, endigte sie den 19ten März früh um halb 10 Uhr. Den 17ten März 178[2] war sie geboren, und den 15ten März 1795 erhielt ich von ihr die Gewißheit, daß sie Mein seyn wollte. Seit dem 7ten November 1795 hat sie gelitten. Acht Tage vor ihrem Tode verließ ich sie, mit der festesten Ueberzeugung, sie nicht wiederzusehen – Es war über meine Kräfte, die entsetzlichen Kämpfe der unterliegenden blühenden Jugend, die fürchterlichen Beängstigungen des himmlischen Geschöpfs ohnmächtig mit anzusehen. Das Schicksal habe ich niemals gefürchtet – Erst vor drei Wochen sahe ich es drohen. Es ist Abend um mich geworden, während ich noch in die Morgenröthe hineinsah. Meine Trauer ist gränzenlos, wie meine Liebe. Drei Jahre ist sie mein stündlicher Gedanke gewesen. Sie allein hat mich an das Leben, an das Land, an meine Beschäftigungen gefesselt. Mit ihr bin ich von allem getrennt, denn ich habe mich selbst fast nicht mehr. Aber es ist Abend geworden, und es ist mir, als würde ich früh weggehen, und da möchte ich doch gern ruhig werden und lauter wohlwollende Gesichter um mich sehen – ganz in ihrem Geiste möchte ich leben, sanft und gutmüthig seyn, wie sie war.
Unvergeßlich wird mir, wie meiner verewigten Sofie, die Freundschaft, die Sorgfalt seyn, mit der Sie ihre letzten Tage zu erheitern bemüht waren. Sofie hat sich Ihrer Gefälligkeiten mit dem wärmsten Danke noch erinnert, und ich habe einen stillen Auftrag gefühlt, Ihnen diesen Dank mit dem Meinigen vereinigt zu überbringen. Sie verzeihen meiner Liebe, wenn ich Ihnen sage, daß mich Ihre Aufmerksamkeit für Sofieens Wünsche, Ihr halbjähriges Zusammenleben mit ihr, Sie, jetzt erst, mir recht werth gemacht hat. Ich habe Sie in einer höchst ungünstigen Stimmung kennen gelernt. Sie haben mich nicht gesund gesehen. Ungeheure Widersprüche kreuzten sich in meiner Seele – Sofieens Krankheit und tausend andere Verdrießlichkeiten hatten einen sehr widrigen Einfluß auf meine Denkungsart. Gern gestehe ich Ihnen jetzt, daß mir manches an Ihnen mehr mißfiel, als es zu jeder andern Zeit geschehen seyn würde. Ich mag Sie damals oft beleidigt haben. Verzeihen Sie mir beim Andenken an meine Sofie. Durch Thränen sieht man keine menschlichen Fehler – Thränen waschen jeden Flecken weg. Der Unglückliche drückt in einem höhern Gleichheitsgefühl jeden aufrichtig und warm an das müde, liebende Herz. Behalten Sie mich lieb – ich traue Ihnen zu, daß Sie Sofieens immer mit warmer Achtung gedenken werden. Es ist möglich, daß ich diesen Sommer in [Jena] verlebe. Im Anfange werde ich viel Erinnerungen zu bekämpfen haben – aber ich freue mich doch, mit Ihnen recht viel von Sofien reden zu können – ich muß mich an die Vergangenheit halten, da ich von der Zukunft nichts mehr zu erwarten habe. Leben Sie wohl, und seyn Sie glücklicher, als
Ihr Freund Hardenberg.
Es ist für mich eine traurige Pflicht, Ihnen – die Nachricht mitzutheilen, daß Sofie nicht mehr ist. Nach unaussprechlichen Leiden, die sie musterhaft ertrug, endigte sie den 19ten März früh um halb 10 Uhr. Den 17ten März 178[2] war sie geboren, und den 15ten März 1795 erhielt ich von ihr die Gewißheit, daß sie Mein seyn wollte. Seit dem 7ten November 1795 hat sie gelitten. Acht Tage vor ihrem Tode verließ ich sie, mit der festesten Ueberzeugung, sie nicht wiederzusehen – Es war über meine Kräfte, die entsetzlichen Kämpfe der unterliegenden blühenden Jugend, die fürchterlichen Beängstigungen des himmlischen Geschöpfs ohnmächtig mit anzusehen. Das Schicksal habe ich niemals gefürchtet – Erst vor drei Wochen sahe ich es drohen. Es ist Abend um mich geworden, während ich noch in die Morgenröthe hineinsah. Meine Trauer ist gränzenlos, wie meine Liebe. Drei Jahre ist sie mein stündlicher Gedanke gewesen. Sie allein hat mich an das Leben, an das Land, an meine Beschäftigungen gefesselt. Mit ihr bin ich von allem getrennt, denn ich habe mich selbst fast nicht mehr. Aber es ist Abend geworden, und es ist mir, als würde ich früh weggehen, und da möchte ich doch gern ruhig werden und lauter wohlwollende Gesichter um mich sehen – ganz in ihrem Geiste möchte ich leben, sanft und gutmüthig seyn, wie sie war.
Unvergeßlich wird mir, wie meiner verewigten Sofie, die Freundschaft, die Sorgfalt seyn, mit der Sie ihre letzten Tage zu erheitern bemüht waren. Sofie hat sich Ihrer Gefälligkeiten mit dem wärmsten Danke noch erinnert, und ich habe einen stillen Auftrag gefühlt, Ihnen diesen Dank mit dem Meinigen vereinigt zu überbringen. Sie verzeihen meiner Liebe, wenn ich Ihnen sage, daß mich Ihre Aufmerksamkeit für Sofieens Wünsche, Ihr halbjähriges Zusammenleben mit ihr, Sie, jetzt erst, mir recht werth gemacht hat. Ich habe Sie in einer höchst ungünstigen Stimmung kennen gelernt. Sie haben mich nicht gesund gesehen. Ungeheure Widersprüche kreuzten sich in meiner Seele – Sofieens Krankheit und tausend andere Verdrießlichkeiten hatten einen sehr widrigen Einfluß auf meine Denkungsart. Gern gestehe ich Ihnen jetzt, daß mir manches an Ihnen mehr mißfiel, als es zu jeder andern Zeit geschehen seyn würde. Ich mag Sie damals oft beleidigt haben. Verzeihen Sie mir beim Andenken an meine Sofie. Durch Thränen sieht man keine menschlichen Fehler – Thränen waschen jeden Flecken weg. Der Unglückliche drückt in einem höhern Gleichheitsgefühl jeden aufrichtig und warm an das müde, liebende Herz. Behalten Sie mich lieb – ich traue Ihnen zu, daß Sie Sofieens immer mit warmer Achtung gedenken werden. Es ist möglich, daß ich diesen Sommer in [Jena] verlebe. Im Anfange werde ich viel Erinnerungen zu bekämpfen haben – aber ich freue mich doch, mit Ihnen recht viel von Sofien reden zu können – ich muß mich an die Vergangenheit halten, da ich von der Zukunft nichts mehr zu erwarten habe. Leben Sie wohl, und seyn Sie glücklicher, als
Ihr Freund Hardenberg.