Weißenfels: den 7ten April 1797. [Freitag]
Die unerwartetsten Vorfälle haben meine Antwort auf Deinen freundschaftlichen Brief bisher verzögert. Es thut mir sehr weh, daß ich Deinem theilnehmenden Herzen durch Ihre Erwähnung einige trübe Stunden machen soll – Aber Du erfährst es ohnedem und wirst es doch, als einen Beweis meines Zutrauens zu Dir ansehn, wenn ich es Dir selbst schreibe.
Seit dem 19ten März ist das Mädchen, an dem ich mit ganzer Seele hing, seit dem 19ten März ist Meine Sofie todt. Nicht leicht lebte jemand sicherer, der frohsten Zukunft entgegen – Sie war die Seele meines Lebens – Nicht leicht sieht jemand jezt eine ödere Aussicht vor sich. Meine Wünsche und Bedürfnisse waren, wie die Ihrigen, so beschränkt – und auch diese Schranken fand das Schicksal noch zu groß und verbannte mich und Sie auf den Raum, den ein Grab einnimmt.
Mein Vater liebte Sie innigst – er weinte seit mehreren Jahren die ersten Thränen, wie er ihren Tod erfuhr.
Meinetwegen könnt ich jezt still seyn – die bitterste Resignation sollte in mir Platz finden – aber kann ich aufhören zu klagen, wenn wir jezt täglich die Auflösung unsers Erasmus erwarten müssen. Denke Dir meine guten Eltern, denen so ein Verlust so neu, so herb ist, die kaum sich vom Schrecken über mein trauriges Schicksal erholt haben – meine Geschwister – der arme Junge leidet unbeschreiblich viel – Wahrscheinlich ist seine Lunge attaquirt – wenn gleich der Hauptsitz der Krankheit ursprünglich in dem Unterleibe sein mag. Seit 3 Wochen ist er hier. Hier hat sich seine Krankheit erst so gefährlich angelassen.
Der Gram über Sofieens Abschied hat mich stumpf gemacht – ich leide weniger, als ich sonst gelitten haben würde. Wenn ihm auch vielleicht bald wohl ist, so sind doch meine Eltern in der bedauernswürdigsten Lage. Auch ich bin ihnen ein welkes Blatt, das vielleicht vom Stamme abfällt – Sechs Wochen haben 2 glückliche Familien unglücklich gemacht und unaussprechliche Hoffnungen in endlosen Kummer verwandelt. Gott schütze Dich und die Deinigen – Wünsche Erasmus und mir baldige ewige Genesung und meinen Eltern und Geschwistern Tröstungen von unsichtbaren Lippen.
Karl ist in Luklum – er wird besorgen, daß Du auf Ostern die Interressen erhältst. Hättest Du wohl die Freundschaft und sagtest Agnern, daß er doch mit dem Advocat Knöfel sprechen möchte und ihm sagen, daß ich bewandten Umständen nach jezt nicht im Stande wäre, eine Entschließung zu fassen. Sobald es mir aber möglich wäre, würde ich selbst an ihn schreiben – doch ließ ich ihn im voraus bitten, falls der Auftrag der Verwandten noch bestände, sich doch genauer in Hubertsburg nach dem facto zu erkundigen. Ich wüßte gewiß, daß ihm da so manches anders erscheinen dürfte, als aus dem Mund eines halbverrückten Menschen, und aus dem Gesichtspunkte zuverlässig verhetzter Verwandten, da der Superintendent von Grimma [Riedel], der Pfarrer in Mutschen besonders und die ganze dortige Kirchfahrt ein eigenes Interresse hätten, einem Dritten die Last aufzubürden. Uebrigens sey der Mann jezt wieder mit Stundengeben im Clavier beschäftigt und nur suspendirt.
Bleibe der Freund Deines
unglücklichen Freundes
Fr. v. Hardenberg.
Die unerwartetsten Vorfälle haben meine Antwort auf Deinen freundschaftlichen Brief bisher verzögert. Es thut mir sehr weh, daß ich Deinem theilnehmenden Herzen durch Ihre Erwähnung einige trübe Stunden machen soll – Aber Du erfährst es ohnedem und wirst es doch, als einen Beweis meines Zutrauens zu Dir ansehn, wenn ich es Dir selbst schreibe.
Seit dem 19ten März ist das Mädchen, an dem ich mit ganzer Seele hing, seit dem 19ten März ist Meine Sofie todt. Nicht leicht lebte jemand sicherer, der frohsten Zukunft entgegen – Sie war die Seele meines Lebens – Nicht leicht sieht jemand jezt eine ödere Aussicht vor sich. Meine Wünsche und Bedürfnisse waren, wie die Ihrigen, so beschränkt – und auch diese Schranken fand das Schicksal noch zu groß und verbannte mich und Sie auf den Raum, den ein Grab einnimmt.
Mein Vater liebte Sie innigst – er weinte seit mehreren Jahren die ersten Thränen, wie er ihren Tod erfuhr.
Meinetwegen könnt ich jezt still seyn – die bitterste Resignation sollte in mir Platz finden – aber kann ich aufhören zu klagen, wenn wir jezt täglich die Auflösung unsers Erasmus erwarten müssen. Denke Dir meine guten Eltern, denen so ein Verlust so neu, so herb ist, die kaum sich vom Schrecken über mein trauriges Schicksal erholt haben – meine Geschwister – der arme Junge leidet unbeschreiblich viel – Wahrscheinlich ist seine Lunge attaquirt – wenn gleich der Hauptsitz der Krankheit ursprünglich in dem Unterleibe sein mag. Seit 3 Wochen ist er hier. Hier hat sich seine Krankheit erst so gefährlich angelassen.
Der Gram über Sofieens Abschied hat mich stumpf gemacht – ich leide weniger, als ich sonst gelitten haben würde. Wenn ihm auch vielleicht bald wohl ist, so sind doch meine Eltern in der bedauernswürdigsten Lage. Auch ich bin ihnen ein welkes Blatt, das vielleicht vom Stamme abfällt – Sechs Wochen haben 2 glückliche Familien unglücklich gemacht und unaussprechliche Hoffnungen in endlosen Kummer verwandelt. Gott schütze Dich und die Deinigen – Wünsche Erasmus und mir baldige ewige Genesung und meinen Eltern und Geschwistern Tröstungen von unsichtbaren Lippen.
Karl ist in Luklum – er wird besorgen, daß Du auf Ostern die Interressen erhältst. Hättest Du wohl die Freundschaft und sagtest Agnern, daß er doch mit dem Advocat Knöfel sprechen möchte und ihm sagen, daß ich bewandten Umständen nach jezt nicht im Stande wäre, eine Entschließung zu fassen. Sobald es mir aber möglich wäre, würde ich selbst an ihn schreiben – doch ließ ich ihn im voraus bitten, falls der Auftrag der Verwandten noch bestände, sich doch genauer in Hubertsburg nach dem facto zu erkundigen. Ich wüßte gewiß, daß ihm da so manches anders erscheinen dürfte, als aus dem Mund eines halbverrückten Menschen, und aus dem Gesichtspunkte zuverlässig verhetzter Verwandten, da der Superintendent von Grimma [Riedel], der Pfarrer in Mutschen besonders und die ganze dortige Kirchfahrt ein eigenes Interresse hätten, einem Dritten die Last aufzubürden. Uebrigens sey der Mann jezt wieder mit Stundengeben im Clavier beschäftigt und nur suspendirt.
Bleibe der Freund Deines
unglücklichen Freundes
Fr. v. Hardenberg.