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Novalis to Henriette Louise von Miltitz TEI-Logo

[Weißenfels, Juni 1799.]
Verzeihn Sie, meine gnädige Tante, wenn ich es wage, in einer Angelegenheit an Sie zu schreiben, in der Sie mir Ihre wahrhaft mütterliche Gesinnungen gezeigt haben. Unendlich dankbar bin ich Ihnen für das ehrenvolle Zutrauen, womit Sie meinen Vater eine Aussicht auf eine Verbindung für mich mit der Huldenbergischen Familie eröffnet haben. Ich bin Ihnen um so herzlicher verbunden, da ich soviel Schönes und Gutes von der Fräulein Huldenberg gehört habe, daß ich keinen Augenblick an dem glücklichen Schicksal zweifle, was mir durch sie hätte zuteil werden können.
Mancherlei zusammentreffende Umstände haben mir aber die Resignation auf diesen Plan notwendig gemacht, und ich bitte Sie nur untertänig, alles andre, nur keinen Eigensinn oder sonstige Abneigung von meiner Seite zu vermuten. Außer der reizenden Hoffnung auf eine sehr liebenswürdige Frau und eine nähre Verbindung mit einer vortrefflichen Familie fühle ich den Vorteil, der mir in Rücksicht des Vermögens, besonders in Rücksicht auf die Erleichterung meiner Eltern zuteil geworden wäre, sehr lebhaft, und es würde mir unendlich schmerzhaft sein, darauf Verzicht zu tun und keinen Gebrauch von Ihrer gnädigen Vermittelung machen zu können, wenn ich mir nicht mit einer Möglichkeit schmeichelte, nur durch eine Veränderung der Person alles dies für unsre Familie erhalten zu sehn.
Mein Vater wird bereits an Sie, gnädige Tante, deshalb geschrieben haben, und wenn ich es teils für meine Schuldigkeit hielt, Ihnen für Ihre gnädige Absicht mit mir den innigsten Dank zu sagen, so wünscht ich teils auch meine wärmsten Bitten um Ihre kräftige Verwendung für meinen Bruder mit denen meines Vaters zu vereinen. Ich ersuche Sie übrigens nichts von diesem Briefe zu erwähnen und mir nur zu erlauben, auch einige Bemerkungen über den Antrag meines Vaters zu machen.
Ihre gnädige Proposition hat mich um so mehr gefreut, und ich habe eine milde Vorsehung darin erkannt, weil sie gerade jetzt so schön für meinen Bruder paßt und manchen Besorgnissen seiner Freunde und Verwandten abzuhelfen verspricht. Neigung und Gesundheit scheinen jetzt meinen Bruder vom Soldatenstande abzuziehn – Ohne eignes und fremdes Vermögen kann er aber den Soldatenstand nicht verlassen. Das erstere hat er für jetzt so wenig wie wir –zu letztern aber könnten Sie ihn vielleicht anjetzt verhelfen. Jahre, Erfahrung und überhandnehmende Neigung zum wissenschaftlichen Leben haben meinen Bruder zum vernünftigen und gebildeten Manne gemacht. Das wüste Leben eines jungen Offiziers hat er seit einigen Jahren ganz vermieden. Sein sanfter, nachgebender und doch fester und zuverlässiger Charakter macht ihn zum sichern und angenehmen Gefährten – und führt seine Freunde zur festesten Überzeugung, daß eine liebenswürdige Frau auf ein dauerhaftes Glück mit ihm rechnen kann. Seine Neigungen scheinen sich gänzlich auf ein häuslich tätiges Leben zu beziehn – Eine gute Frau, landwirtschaftliche Beschäftigungen, Bücher und wenige Freunde dürften den Kreis seiner Wünsche auf die Zukunft ausfüllen und es fehlt ihm weder an Kenntnissen noch beharrlichem Eifer, um diese Lebensart mit Glück durchführen zu können.
Wenn die Fräulein von Huldenberg und ihre Verwandten auch keine glänzende Sphäre im geselligen Leben, einen zärtlichen, zuverlässigen, im Äußerlichen nicht unangenehmen und in Rücksicht des Verstandes gebildeten Gatten und Eheverwandten, der zugleich ein genauer und emsiger Administrator ihres Vermögens sei und eine dankbare Familie suchen und wünschen, so glaub ich ganz unparteiisch in Karln den Mann zu sehn, der ihre Wünsche zu erfüllen imstande ist.
Jetzt bringt Karl freilich zur Führung einer Wirtschaft kein Geld mit – so wenig wie ich welches mitgebracht haben würde, aber er wird, wenn Fräulein Huldenberg derselben Gesinnung ist, gewiß mit den Interessen ihres Vermögens auskommen und sich alle pflichtmäßige Mühe geben, um es als ein guter Haushälter zu verwalten und zu vermehren. Der Rat meines Vaters würde Karln hier gewiß sehr erwünscht und vorteilhaft sein, und ein Gutskauf würde ihn am leichtesten instand setzen, hinlänglich angenehm leben und doch für die Vermehrung des Vermögens arbeiten zu können. Seine Aussichten können jedoch ziemlich gut werden, wenn ihm mein Vater das Gut Wiederstedt bestimmt, welches er mit jenem Vermögen nachher am vorteilhaftesten annehmen und soutenieren kann. Sollte es der Familie um einen Charakter zu tun sein, so würde dieser leicht zu haben sein. Übrigens könnte der Tod meines Onkels von Altenburg, der als ein 70jähriger, schwächlicher Mann doch nicht mehr so lange nach der gewöhnlichen Dauer des menschlichen Lebens leben kann, auch meinem Vater zur Unterstützung meines Bruders durch Zuschuß und Kredit gewiß instand setzen.
Ich habe mehrere Anzeigen, bei der Familie der Fräulein von Huldenberg Grundsätze vorauszusetzen, die, so sehr sie auch [von] den gewöhnlichen Grundsätzen über diesen Punkt, die nur auf Vereinigung von Vermögen hinauslaufen, abweichen, doch ohnstreitig auf echte und dauerhafte Glückseligkeit leiten und mir die Verbindung mit meinem Bruder zu begünstigen scheinen. So lebhaft ich meinem Bruder jede Verbindung widerraten würde, die nur die Verbesserung seiner Umstände bezweckte, so abgeneigt würde ich auch dem Plan seiner Verheiratung mit einem so bekannt vorzüglichen Mädchen sein, wenn er ein Mensch wäre, den ich nicht mit voller Überzeugung für bewährt und zuverlässig halten müßte. Die mindeste Unsicherheit würde mich von jedem Wunsche und jeder Bitte abhalten.
So aber bitt ich Sie auf das herzlichste und wärmste um Ihre gnädige und gewiß kräftige Verwendung für meinen Bruder. Sie werden durch Ihre Tätigkeit uns alle von neuem auf ewig verpflichten – und ich weiß gewiß, daß Sie, wenn Ihr Plan gelänge, in dem Glück meiner Eltern, meines Bruders und unser aller Dankbarkeit die wohltätigste Zufriedenheit finden würden.
Mit dem innigsten Zutrauen zu Ihrer gnädigen Vorsorge und einer nochmaligen Bitte für meinen Bruder empfehle ich mich Ihrer fortdauernden Gnade und verharre mit tiefer Ehrfurcht
Ihr untertäniger Diener
Fridrich von Hardenberg
Metadata Concerning Header
  • Date: [Juni 1799]
  • Sender: Novalis ·
  • Recipient: Henriette Louise von Miltitz ·
  • Place of Dispatch: Weißenfels · ·
  • Place of Destination: Siebeneichen bei Meißen · ·
Printed Text
  • Bibliography: Novalis: Schriften. Tagebücher, Briefwechsel, Zeitgenössische Zeugnisse. Hg. v. Richard Samuel, Hans-Joachim Mähl und Gerhard Schulz. Bd. 4. Stuttgart u.a. 1975, S. 288‒291.
Manuscript
  • Provider: Handschrift verschollen
Language
  • German

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