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Novalis to Hans Georg von Carlowitz TEI-Logo

Weißenfels: den 1sten Jänner. [Mittwoch]
1800.
Mit den herzlichsten Segenswünschen für Dich, theuerster, einziger Freund, bin ich in dies neue Jahr getreten. Carl hat mir Deinen traurigen Brief von Pfafferoda gezeigt und so tief ich mich in Deine peinliche Lage versetzen kann, so fühl ich doch auch, daß diesmal Deine Fantasie und so viele Umstände Dich aus dem ruhigen wahren Gesichtspunct verschoben und Dir ein trauriges Schattenspiel untergeschoben haben. Gewiß scheinen Dich widrige Zufälle zu verfolgen; indeß habe Muth – dafür hast Du die Aussicht auf ein herrliches Glück, wenn Du Jeannettens Herz hast. Ist sie Deiner werth, so werden sie Hopfgartens Dir nicht entreißen – und Du kannst in kurzer Zeit der glücklichste Bräutigam seyn. Du bist Jeannetten durch das Zutrauen ihres Vaters, durch Deine Liebe zu ihm, durch Deine Trauer an seinem Grabe doppelt lieb geworden. Diese Eindrücke sind tief und versichern Dir ihre Treue. Sie muß in kurzen mündig seyn – und dann steht ihr freye Disposition über ihre Hand zu. Fasse Dich, theuerste Seele – und überlege mit kühlen Verstand Tausend Umstände, die Dich begünstigen. Die frohste Ahndung faßt mich am heutigen Tage – daß dieses Jahr nicht von dannen geht, ohne Dich, Carlen und mich in die glücklichste, häusliche Lage versezt zu haben. Es ist ein Geheimniß für uns beyde – aber Carls Glück scheint von neuen aufzublühn. Carl weiß nichts davon, um ihn nicht von neuen in ein Labyrinth zu stürzen. Mein Schwager Fehrentheil hat den Plan noch nicht aufgegeben und Jeannette [von Rechenberg] scheint Carlen zu lieben – und Fehrentheil will suchen das Jawort zu erhalten, um es dann Carlen zu eröffnen und seinen Entschluß zu hören. Kommt es so weit, so sagt Carl nicht Nein. Wenn ich wahrhaft liebte, sagt ichs vielleicht auch nicht – ob sich gleich jezt mein Stolz ein wenig regt. Ich schweige still und erlaube mir nur eine leise Hoffnung eines glücklichen Ausgangs. Ich bin nun Assessor mit 400 rch. – Noch fehlt meines Vaters Einwilligung zu meiner Zufriedenheit – die ich denn doch bald zu erlangen gedenke – dann wenn auch Du Bräutigam oder gar Gatte bist, dann wollen wir einmal in Oberschöna – an der Seite unsrer Frauen von den stürmischen und wunderbardüstern Zeiten reden, die dieser Ruhe vorausgiengen. Noch vergeß ich die Zeit unsrer erneuerten Freundschaft, unsern Entschluß freywilligen Abschied zu nehmen nicht. Nie werd ich sie vergessen – Sie war romantischschön und nicht ohne Gabe der Weissagung – der Entschluß bleibt, wie ein Palladium, verwahrt – ein Schatz für die Zukunft. Ich sehe mit Schmerzen heiterern Briefen von Dir entgegen und hoffe Dich in kurzen zu sehn. Was ich Dir zu sagen habe – davon künftig und besser mündlich. Es sind viele Dinge, die ich Dir erzählen möchte. Julien liebt Dich schwesterlich.
Dein Fritz.
Metadata Concerning Header
  • Date: Mittwoch, 1. Januar 1800
  • Sender: Novalis ·
  • Recipient: Hans Georg von Carlowitz ·
  • Place of Dispatch: Weißenfels · ·
  • Place of Destination: Oberschöna · ·
Printed Text
  • Bibliography: Novalis: Schriften. Tagebücher, Briefwechsel, Zeitgenössische Zeugnisse. Hg. v. Richard Samuel, Hans-Joachim Mähl und Gerhard Schulz. Bd. 4. Stuttgart u.a. 1975, S. 302‒303.
Language
  • German

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